Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)
Kaufmann F. an Kompagnon G.:
berichtet über seinen Reiseweg nach Alexandria, Geschäfte mit ägyptischen Händlern, wodurch er den "Anschluss" an seine Reisegenossen, die nach Konstantinopel weitergereist sind, verpasst hat, über seine nachfolgende Krankheit, dann aber lukrative Einkäufe, die in Italien gut abzusetzen sind; will ihn zum gewünschten Termin (in Konstantinopel) erwarten, wohin der Geschäftsfreund besonders nachgefragte Handelsware - wie kostbare Stoffe, Otterpelze und Placentiner Tuch - mitbringen soll; der Ehefrau hat er die gewünschten "Souvenirs" bereits geschickt und darüber hinaus noch einen Goldring, den sie täglich tragen soll.
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D: Wattenbach 80.
R: Wattenbach S. 45-50 (zu 1132).
Responsio
G. filio Guilhelmi Ebriaci F. socius et fidus et necessarius in utroque homine prosperari. Quod te admiratione turbavi, quia te nec litteris visitavi nec nudis etiam verbis te salutavi, conquereris; nec conquerendum nec admirandum tibi esset, si, qua de causa remansi, cognosceres. Iveram enim ultra Alexandriam per mediam fere dietam propter quedam negotia utilia et ibi aliquamdiu propter negotiatores Egiptiacos, quos expectabam, per triduum moratus. Cuncta, pro quibus iveram, feliciter explevi commercia. Post hec rediens socios non inveni, quia cum legatis admirabilis Babilonici 1) , cum quibus Constantinopolim secure venire poteram, ante meum reditum pridie recesserant. Post hec quidem per mensem nimia febre fatigatus egrotus iacui; sed a quodam perito phisico Domino miserante curatus optime valeo. Omnia negotia mea gnaviter peregi, quia merces, quas mecum detuli, pretio, quod tecum statueram, vendidi et, quas noveram in Italia lucrativas, adquisivi. Termino igitur, quem de litteris designasti, ad me venire festina. Scarlatam optimam et scalpharias recentes boni coloris et bulellos de ludria, pignolata quoque Placentina omnium bonorum colorum tecum deferre procura, quia ista omnia Constantinopoli et Alexandrie illic propter nos morantes sunt valde congrua.
Saluta uxorem meam, partem corporis mei, cui omnia, sicut scripsisti, que
rogavit, mandavi; insuper anulum aureum optimum, quem digito cottidie gestet;
quem dum conspexerit, me sub corde volutet. Filiis meis paternam benedictionem
meam dicito.
| Antwort
G. , dem Sohn des Wilhelm Ebriacus , (wünscht) F. , sein Kompagnon, Getreuer und Freund, dass er in dieser und in jener Welt glücklich sei. Dass ich dich erstaunt und verwirrt habe, weil ich dich weder brieflich kontaktiert noch mit bloßen Worten gegrüßt habe, beklagst du; aber du dürftest weder klagen noch dich wundern, wenn du wüsstest, weshalb ich in der Ferne geblieben bin. Ich war nämlich fast eine halbe Tagereise über Alexandria hinaus gereist wegen einiger nützlicher Geschäfte und habe mich dort wegen der ägyptischen Händler, auf die ich warte(n muss)te, drei Tage lang aufgehalten. Alle Geschäfte, derentwegen ich hinge"fahren" war, habe ich glücklich abgeschlossen. Als ich dann aber [nach Alexandria] zurückkam, habe ich keine Reisegefährten mehr vorgefunden, weil diese mit einer Gesandtschaft des Sultans, mit der (auch) ich sicher hätte nach Konstantinopel kommen können, bereits am Tag vor meiner Rückkehr abgereist waren. Danach habe ich Fieber bekommen und bin einen Monat krank danieder gelegen; aber nachdem mich ein erfahrener Arzt mit Gottes Hilfe wieder kuriert hat, geht es mir jetzt sehr gut. Alle meine Geschäfte habe ich vorteilhaft abgeschlossen, da ich die Waren, die ich bei mir hatte, zu dem Preis, den ich mit dir ausgemacht hatte, verkauft und außerdem solche erworben habe, von denen ich wusste, dass sie in Italien Gewinn bringen. Zu dem Zeitpunkt, den du mir genannt hast, komme also eiligst zu mir [nach Konstantinopel]. Bringe dabei bestes Scharlachtuch, neue Überzieher in schöner Farbe und Otterpelze, auch Tuch aus Piacenza in allen Farben mit, da wir das alles , wenn wir uns in Konstantinopel und Alexandria aufhalten, sehr gut brauchen [d.h. verkaufen] können. Grüße meine Frau, mein Allerliebstes [
wörtlich:
einen Teil meines Körpers], der ich alles geschickt habe, so wie du geschrieben
hast; dazu noch einen sehr schönen goldenen Ring, den sie täglich am Finger
tragen soll: wenn sie ihn sieht, soll sie nämlich in ihrem Herzen an mich
denken. Meinen Söhnen übermittle ich meinen väterlichen Segen.
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- Das MLW I (1967) weist s.v. "amiraldus" (= Feldherr/ Flottenbefehlshaber/ Admiral) hin auf ROD.GLAB. hist. 3,25 " principis, videlicet ammirati Babilonis" in Verbindung mit OTTO FRISING. chron. VII, 5 "Mempheorum seu Alexandrinorum rex, qui Babyloniorum ammiraldus a peregrinis vocatur" (vgl. auch VII, 7: Mempheorum regi seu ammiraldo): Gemeint sein dürfte der (fatimidische) Kalif von Kairo, der bereits seit dem 10. Jhdt u.a. auch die Pilgerreisen zu den heiligen Stätten des Islam (Mekka und Medina) organisierte (Halm, Die Kalifen von Kairo..., 2003, S. 228). Die Ortsangabe "Babylon" bezieht sich auf die Babylonia nova, den Gründungskern von Kairo: Knapp 20 km von den Ruinen der ehem. ägyptischen Hauptstadt Memphis entfernt, allerdings auf der östlichen Nilseite, war wohl auf der Basis einer alten assyrischen oder persischen Ansiedlung die byzantinisch-koptische Festung Babylon entstanden. (H. Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie, 1878, S. 200) Sie wurde 641 vom arabischen Feldherrn Amr ibn al-As eingenommen, der gleich "daneben" (vgl. Abb.: James Rennell, 1799) eine neue arabische Militärsiedlung gründete, al-Fustat. Diese wurde im 10. Jahrhundert zum Ausgangspunkt für die sich nach Norden entwickelnde fatimidische Residenzstadt al-Qahira (Kairo). Der griechisch-römische Name der verschwundenen alten Stadt Babylon war "noch in der Zeit der Kreuzzüge wenigstens bei den dortigen Christen in Gebrauch" (Kiepert, a.a.O.).