Lombardische Briefsammlung

Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)

56.

Kaufmann G., Sohn des Guillelmus Ebriacus an Kompagnon F. (in Alexandria?):
bedauert, von ihm lange Zeit nichts gehört zu haben; soll ihn, wenn er im nächsten Herbst auf Baresischem Schiff nach Konstantinopel kommt, dort erwarten, ihm jedoch zuvor durch den Venezianer Vitalis, Sohn des Petrus Genardus, Nachricht über den Gang der Geschäfte zukommen lassen; außerdem wünscht die Familie ein paar "Souvenirs" von der Insel Andros - Kleidung und Elfenbeinkamm.

Ü: S fol. 29r; V fol. 52v.
D: Wattenbach 79f.
R: Wattenbach S. 44-50 (zu 1132).

[Epistola] negociatoris ad alium

G. filius Guilhelmi Ebriaci1) F. socio et concivi fidei et spei et caritatis augmentum.

Negotiatoribus Alexandria redeuntibus et nihil certi mihi de te referentibus, nisi quod te incolumen ibi dimisisse retulerunt, non modice turbatus admiror, cur hoc facere voluisti. Quod nec litteris me visitasti nec tue statum habitudinis insinuasti nec etiam nudis me verbis salutavisti, nulla ratione existimare valeo; quod amicale officium contempsisti seu oblivione preteristi, magnopere doleo. Vicem tamen reddere nolo, sed ut bonus amicus et fidelis socius te litteris visito, quia presentialiter, ut cupio, corpore nequeo. Inambigue igitur scias uxorem tuam pudice, prudenter, ut decet bonam matronam, domum suam regere, omnia prospera et incolumia esse, tuos liberos bone indolis bene valere meque cum illis sospitem illorum prosperitate gaudere.

Nil ergo est, quod timeas; securus esto, negotia tua diligenter exerce et me in proximo autumno in navi Barensium ad te venturum Constantinopolim op[p]erire. Per Vitalem filium Venetum Petri Genardi statum tuum mihi rescribe et, que negotia illuc nobis ad deferendum sint utilia, de quibus melius possimus lucrari, diligenter insinua.

Preterea uxor tua cum filiis te salutat et xamitum [besser: chlamidem oder chlamitum ?] et duo xendata [gemeint wohl: cheridota] Andro insula cum speciebus et pectine eburneo, ut ei mittas, inhianter implorat.

Von einem Geschäftsmann an einen anderen

G., der Sohn des Wilhelm Ebriacus, (wünscht) F., seinem Kompagnon und Mitbürger, ständiges Wachsen in Glaube, Hoffnung und Liebe.

Da ich von Geschäftsleuten, die aus Alexandria zurückkommen, nichts Sicheres über dich höre - allenfalls, dass sie berichten, dich dort gesund zurückgelassen zu haben - bin ich einigermaßen verwirrt und wundere mich, warum du das wohl tust: Dass du mit mir weder brieflich Kontakt aufnimmst noch mich über dein Befinden in Kenntnis setzt, ja nicht einmal mit kargen Worten grüßt, das kann ich wirklich nicht verstehen; dass du die Freundespflicht vernachlässigt oder ganz vergessen hast, bereitet mir sehr großen Schmerz. Dennoch will ich es dir nicht in gleicher Weise zurückgeben, sondern wie (d)ein guter und treuer Partner schreibe ich dir per Brief, weil ich ja gegenwärtig nicht, wie ich's eigentlich möchte, mit dir persönlich Kontakt aufnehmen kann. Du magst also zweifelsfrei wissen, dass dein Frau anständig und klug, wie sich's für eine gute Hausfrau gehört, ihr(en) Haus(halt) führt, dass alles gut und prächtig läuft, dass es deinen Kindern, die ja von guter Art sind, wohl ergeht und ich mich glücklich mit ihnen über ihre Entwicklung freue.

Es gibt also nichts, worum du dir Sorgen machen müsstest; fühle dich also sicher, führe deine Geschäfte sorgfältig durch und erwarte mich im nächsten Herbst, wenn ich auf einem Schiff der Bareser zu dir nach Konstantinopel komme. Schreibe mir (aber zwischenzeitlich) durch Vitalis, den Sohn des Petrus Genardus, aus Venedig als Boten zurück, wie's dir geht und gib mir genaue Anweisungen, welche Geschäfte wir bis dahin sinnvollerweise betreiben sollten (und) wovon wir am meisten profitieren können.

Außerdem grüßt dich deine Frau zusammen mit den Söhnen und bittet inständig, dass du ihr einen Mantel und zwei langärmelige Tuniken von der Insel Andros sowie Spezereien und einen Elfenbeinkamm schickst.

  1. Die frühest bekannten Vertreter einer Patrizier- und Fernhändlerfamilie namens Ebriaci sind zu Beginn des 12. Jahrhunderts in Pisa und Genua nachweisbar:
    Ugo Ebriacus (was ursprünglich wohl tatsächlich "Trunken" bedeutete), der nach 20. Mai 1136 verstorben ist, und seine Tochter Maria, die vor 1127 den Richter Gonnario I. von Torres heiratete, beide wohl aus Pisa.
    Willelmus Ebriacus (möglicherweise mit dem "unsrigen" identisch), Sohn des Hugo Ebriacus (derselbe wie oben?) und der Adalaxia, der uns im Testament des Grafen Raimund von Tripolis aus dem Jahre 1142 begegnet.

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