Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)
Gefangener M. an Verwandte Re[i]nhard und Gerhard:
berichtet über seine derzeitige Gefangenschaft in Parma, dass die Cremoneser, in deren Dienst er gestanden hat, ihn im Stich gelassen haben, und bittet um Hilfe.
D: -
R: Wattenbach S. 45-50 (zu 1132).
Carceratus amicis et consanguineis dilectissimis Reinhardo et Gerhardo et ceteris consanguineis dilectissimis amicis et affinibus M.2) diro carcere detentus gaudium et letitiam, quibus ipse non fruitur. Mea spes vite mee, totum solatium doloris et laboris nostrum post Dominum in vobis pendet, animo meo karissimi; amisso namque patre sine spe, sine opibus in vestra tutela remansi. Nos vero non sicut alienum, sed ut proprium filium dilexistis et fovistis; plura, quam fari possum, mihi fecistis. Ego autem postquam adolevi, vestre voluntati in omnibus et per omnia obtemperare studui. Sed iam pridem a Parmensibus3) captus et Cremonensibus, in quorum servitio fueram, relictus, diro carcere mancipatus, fame, siti, interdum nimio algore, aliquando superfluo calore in nocturnis tenebris septus, gravibus vinculis et sevis compedibus iunctus, irremediabiliter angor et crucior. Quod agam, ignoro; quos appellem, nescio. Uxor mea propter fragilitatem sexus mihi subvenire non valens assiduis lacrimis, continuis gemitibus et singultis implorat, dolet, meret, plangit.
Miseremini mei, inquam, miseremini saltim, vos propinqui mei; per Christi caritatem, per carnis propinquitatem impiis me manibus eripite, ne in carceris ergastulo turpiter mori permittite [korrekter wäre wohl: permittatis]. |
Gefangener an seine Freunde und lieben Verwandten Reinhard und Gerhard und seinen übrigen innig geliebten Verwandten, seinen Freunden und Nahestehenden (wünscht) M. aus grausamer Kerkerhaft viele Freuden, die er selbst nicht genießen kann. Die ganze Hoffnung meines Lebens, unser ganzer Trost in Schmerz und Leid hängt - abgesehen von (der Hilfe des) Herrn - an euch, die ihr mir die Liebsten seid; nachdem ich nämlich den Vater verloren hatte, war (und bin) ich ganz auf euren Schutz angewiesen. (Denn) ihr habt uns wirklich nicht wie einen Fremden, sondern wie einen eigenen Sohn geliebt und umhegt; mehr als ich (mit Worten) sagen kann, habt ihr für mich getan. Ich aber habe mich, nachdem ich erwachsen geworden bin, bemüht, in allem und mit allem euren Wünschen zu folgen. (Nun) aber sitze ich, nachdem ich schon vor einiger Zeit von den Parmesanern [lt. Duden!] gefangen genommen worden und von den Cremonesen, in deren [Militär-?]Dienst ich stand, im Stich gelassen worden bin, in harter Kerkerhaft, leide Hunger und Durst, habe bisweilen starke Schmerzen; manchmal macht mir in dunklen Nächten übermäßige Hitze zu schaffen, ich bin mit schweren Fesseln an Händen und Füßen gebunden, ich habe unheilbare Angst und quäle mich sehr. Ich weiß nicht, was ich tun soll, ebenso wenig, an wen ich mich wenden soll. Meine Frau, die mir wegen ihre zarten Geschlechts nicht zu Hilfe kommen kann, jammert unter ständigen Tränen, Seufzen und Schluchzen, leidet, trauert und klagt.
Erbarmt euch meiner, bitte ich, erbarmt wenigstens ihr euch, meine Verwandten; bei der Liebe Christi, bei unserer verwandtschaftlichen Nähe (beschwöre ich euch), entreißt mich den Händen dieser Gottlosen (und) lasst nicht zu, dass ich in diesem Kerker schändlich sterbe. |
- Zur Datierung vgl. Brief 5 (Anm. 1).
- Vielleicht Anspielung auf die Gefangennahme Erzbischofs Meginhers von Trier, der auf seiner Romreise von Gegenkönig Konrad gefangen genommen und von diesem der Stadt Parma für 600 Pfund übergeben wurde, wo er am 1. Okt. 1130 in Gefangenschaft gestorben ist (vgl. GP X,1 S. 90f. Nr. *187a u. RI Lo. III. Nr. 210). - Im positiven Falle ergäbe sich hieraus ein Terminus post quem.
- Zur Verbindung Parmas mit Gegenkönig Konrad Ende 1129 wie sie durch einen im Codex Udalrici überlieferten Brief, hg.v. Ph. Jaffé, Bibliotheca rerum germanicarum 5, 1869, Nr. 238, belegt wird vgl. J.P. Niederkorn (1993) S. 590f. (Siehe auch oben Anm. 2.)