Lombardische Briefsammlung

Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)

61.

Bischof U(bertus) von Cremona an alle Kirchenführer und Laien:
empfiehlt den Überbringer Ger- (oder Bern-?)hard als den Erbauer eines Hospizes und einer Brücke am Caput Sergum und gewährt für seine Unterstützung einen 1-jährigen Ablass.
(1118-62)
Ü: V fol. 54r-v.
D: -
R: Wattenbach S. 45-50 (zu 1132).

Pro xenodochio edificando

Omnibus fratribus, venerabilibus episcopis et abbatibus et ceteris ecclesiarum prepositis necnon fidelibus laicis, viris et mulieribus, in catholice fidei veritate manentibus V.1) Cremonensis ecclesie episcopus gratiam vobis [?] et pacem a Domino patre nostro et a Domino Iesu Christo et post peregrinationis hospitium celestis Ierusalem consortium.

Legistis, fratres, et cognovistis Dominum nostrum in Evangelio dicentem:2) "Beati misericordes, quoniam ipsi misericordiam consequentur." Cum enim ante tribunal eterni iudicis in extremo examine veniemus, VI opera misericordie bonis ea facientibus remunerabuntur, malis autem negligentibus improperabuntur.

Hec, patres et fratres ac domini, non ad doctrinam dicimus vestram, qui sapientia fulgetis et religione prestatis, sed per misericordiam Dei et caritate rogamus, ut presentium latori Gerhardo3) pietatis manum porrigatis et filios vobis commisssos similiter conformetis, ut de rebus sibi a Deo datis elemosinam tribuant. Hic enim Dominum nostrum imitatus, qui, cum dives esset, se pauperem fecit, sed etiam sua dare voluit, xenodochium ad Caput Sergum4) super ripam ex suis opibus constituit, in quo iugiter pauperes suscipit et secundum posse suum reficit, famelicos cibat, sitientibus potum prestat, nudos operit, infirmos visitat, incarceratos consolatur, egenis et cunctis viatoribus ad se venientibus hospitium tribuit. Pretera super prefatum fluvium pontem construere cepit, ubi peregrini et cuncti transeuntes sepe naufragium, interdum mortis periculum patiuntur.

Iterum ergo atque iterum fraternitatem vestram rogamus et obsecramus in Domino, ut de facultatibus vestris secundum possibilitatem vestram ei subsidium prebeatis et filios vestros idem facere moneatis. Quisquis enim defecit de criminalibus, de quibus canonicum iudicium suscepit vel in bis VII diebus recepturus, unum annum et venialia per licentiam domini pape cuncta remittemus. Insuper a Domino centuplum premium et vitam eternam suscipiet.

Betreffs Hospizbau

Allen Brüdern, ehrwürdigen Bischöfen und Äbten sowie den übrigen kirchlichen Würdenträgern ebenso wie den gläubigen Laien männlichen und weiblichen Geschlechts, die im wahren katholischen Glauben verharren, (wünscht) V. [= Hubert], Bischof der Cremoneser Kirche, [Gottes] Gnade für euch [?] und den Frieden des Herrn, unseres Vaters im Himmel und seines Sohnes Jesus Christus, und nach der irdischen Pilgerschaft die dauerhafte Gemeinschaft im himmlischen Jerusalem.

Ihr habt gelesen, Brüder, und wisst, dass unser Herr im Evangelium sagt: "Selig die Barmherzigen, weil sie selbst Barmherzigkeit erlangen werden!" Denn wenn wir vor den Richterstuhl des ewigen Richters zur letzten Prüfung treten werden, werden die sechs Werke der Barmherzigkeit den Guten, die solches getan haben [wörtlich: tun], vergolten werden, den Bösen aber, die sich darum nicht gekümmert haben [wörtlich: Präsens], werden sie vorgehalten werden (und zum Verderben gereichen).

Das, Väter, Brüder und Herren, sagen wir nicht zu eurer Belehrung, da ihr ja (selbst) vor Weisheit glänzt und vorbildlich im Glauben steht, sondern wir bitten durch die Barmherzigkeit des Herrn und aus der Nächstenliebe heraus, dass ihr dem Überbringer dieses Dokuments, Gerhard, eine milde Hand reicht und die euch anvertrauten Söhne in ähnlicher Weise anregt, dass sie von dem, was ihnen von Gott gegeben ist, Almosen geben. Denn (dieser Mann) macht es unserem Herrn nach, der wenn er reich gewesen wäre, sich arm gemacht hätte, aber (da er es nicht war,) auch das letzte Seinige hingeben wollte, und hat deshalb ein Hospiz am Ufer bei Caput Sergium [wohl an der Serio-Mündung] errichtet, in dem er die Armen aufnimmt und nach seinen Möglichkeiten versorgt, den Hungernden zu essen, den Dürstenden zu trinken gibt, die Nackten kleidet, die Kranken besucht, die Eingekerkerten tröstet sowie den Bedürftigen und allen Reisenden, die bei ihm vorbeikommen, eine Herberge gibt. Außerdem hat er angefangen, über den vorgenannten Fluss eine Brücke zu bauen, wo bislang Pilger und alle anderen Durchreisenden oft Schiffbruch und mitunter sogar Todesgefahr erleiden.

Noch einmal also bitten wir eure Brüderlichkeit und beschwören sie immer wieder im Herrn, dass ihr ihm aus euren Mitteln nach euren Möglichkeiten Hilfe gewährt und eure Söhne ermahnt, dasselbe zu tun. Denn wer auch immer durch Vergehen gefehlt hat, für die er schon kirchenrechtlich verurteilt worden ist oder innerhalb der nächsten beiden Wochen noch verurteilt werden wird, dem erlassen wir 1 Jahr (Kirchenstrafe) und Geldbußen mit Zustimmung des Herrn Papstes. Darüber hinaus wird er vom Herrn das Hundertfache als Lohn erhalten und das ewige Leben.

  1. Bischof (H)Ubert von Cremona 1118-62.
  2. Matth. 5, 7.
  3. Vgl. Brief 60, wo im Kontext des Briefes ebenfalls ein sehr ähnlicher Name (Girhardus) steht. Ob hier schlecht lesbares Berhardo zu Bernhardo oder zu Gerhardo zu emendieren ist, kann nicht sicher entschieden werden.
  4. Vermutlich Serio-Mündung (nordwestl. v. Cremona).

 Zurück zum Register   ... zum nächsten Brief ...