Lombardische Briefsammlung

Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)

45.

(Freund) G. an Freund A.:
gibt "Zwischenbericht", dass die Bemühungen der Freunde insofern bereits Erfolg hatten, als der Herr sich bis Sonntag bedenken und dann Bescheid geben will; vorsorglich soll A. jedoch die Verteidigungsanlagen seiner Burg "in Ordnung" bringen, bis G. ihm am Dienstag (danach) persönlich Bescheid bringt.

Ü: S fol. 27r; V fol. 46v-47r.
D: -
R: Wattenbach S. 44-50 (zu 1132).

Responsio

A. precordiali amico - vel: unico necessario - G. quicquid et ipse sibi.

Expertis et bene notis succincte cordis intentio [est] propalanda, sincere namque mentis devotio non commendatur denso verborum folio. "Est enim", ut ait Tullius, "verus amicus tamquam alter idem."1) Unde qui intuetur amicum, tamquam se ipsum contemplatur; vere namque fides amicitie e duobus quasi unum efficit animum.

Quocirca pro te velut pro me sollicitus iussis tuis litteris ad placandum dominum ilico accessi, quoscumque potui, quos idoneos esse cognovi, mecum adhibui. Ille vero velut mare ventorum flatibus incitatus et vehementer commotus quasi furibundus insaniebat. Ego tamen cum amicis meis sedulis precibus insistebam; que dixerim queque responderit, quia longum est enumerare, pretereo. Tandem nostris supplicationibus fatigatus et aliquantulum mitigatus usque in Dominicum diem se consilium habiturum et nobis super hoc responsurum promisit. Sed utrum corde an dolo dixerit, penitus ignoro.

Ergo te infra munimina castri diligenter observa; et ego die Martis ad te veniam et quicquid invenire potero, tibi nuntiabo; opem et consilium omnibus et per omnia salva fidelitate domini pro viribus dabo.

Antwort

Dem herzallerliebsten Freund - oder: Dem einzig wichtigen (Freund) - A. (wünscht) G. alles, was er selbst sich auch (wünscht).

Denen, die einen wirklich gut kennen, muss man sein Begehr mit knappen Worten vortragen; denn die Ehrfurcht vor einem ehrlichen Kopf wird nicht durch ein dichtes Wortgeflecht vertrauenswürdig(er). "Es ist nämlich", wie Tullius [= Cicero] sagt, "der wahre Freund gleichsam das Gegenstück (zu einem selbst)." Wenn deshalb einer den Freund anschaut, betrachtet er sich gewissermaßen selbst. Denn wahre freundschaftliche Treue macht aus zweien gleichsam einen Sinn.

Deswegen war ich um dich gerade so besorgt wie um mich selbst und habe mich , deinem brieflichen Wunsch entsprechend, sogleich daran gemacht, (unseren) Herrn zu besänftigen; außerdem habe ich (Freunde), die ich für geeignet hielt, soviel ich konnte, mit mir genommen. Der Herr aber gebärdete sich wie ein Wahnsinniger [wörtlich: Wie das Meer durch die Stürme so hat jener sich aufgeregt, und heftig bewegt wie ein Wütender hat er den Verstand verloren]. Dennoch beharrte ich mit meinen Freunden auf unserem Anliegen; was ich gesagt habe und er geantwortet hat, übergehe ich, weil es zum Aufzählen (zu) lang wäre. Endlich war er dann doch durch unser demütiges Bitten erschöpft und etwas freundlicher gestimmt: er versprach uns, dass er bis zum (nächsten) Sonntag nachdenken und uns über das Ergebnis informieren wolle. Ober das aber ehrlich gemeint hat oder ob dies bloß Taktik war, weiß ich freilich nicht.

Also halte dich (vorläufig) tunlichst innerhalb der Burgmauern auf; ich will am Dienstag zu dir kommen und dir alles sagen, was ich bis dahin herausgefunden habe; ich werde dir mit allen mir zur Verfügung stehenden Kräften und mit allen Mitteln - vorbehaltlich meiner Treueverpflichtung zu( unsere)m Herrn - Hilfe und Rat geben.

  1. Cic. Lael. 80.

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