Lombardische Briefsammlung

Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)

1.

Papst I(nnozenz II.) an Kaiser(?) L(othar III.):
gratuliert zum Sieg über Herzog Friedrich von Schwaben und zum weiteren persönlichen Erfolg (mit kryptischer 1) Anspielung auf die Karriere von Lothars Schwiegersohn).
(Pavia, 24. April 1132) 2)


Ü: H fol. 21v-22v; S fol. 18v; V fol. 27r-28r.
D: Kortüm S. 370; Wattenbach S. 68f.; Watterich S. 218f. (zu 1136).
R: Wattenbach S. 40-50 (zu 1132); JL +7769 (zu 1136: Pisa!); RI Lo.III. +439 (zu 1135).

Prima epistola pape ad imperatorem

I. 3) episcopus servus servorum Dei L. 4) Dei gratia Romanorum imperatori augusto dilectissimo in Christo filio salutem et apostolicam benedictionem.

Dici non potest, gloriosissime principum, hostium subiugator, inclite triumphator, quanto gaudio cor nostrum tripudiat, quanta letitia mens iubilat quantaque iocunditate interior et exterior homo noster exultat, cum vos per tramitem iustitie incedere incessanter audimus et extra imperii vestri limitem calumpniantium iniquitates expellere, legatis nostris referentibus, incunctanter cognovimus. Hinc est, quod Deus regnum vestrum exaltat et rebellantium colla sub iuga vestre dicionis et etiam sub pedibus vestris humiliat. Hinc est, quod Deus vos confirmat et corroborat, hostes vestros conterit et infirmat.

Alterum Goliam Filisteum nequissimum Fridericum 5) ducem Suevie in funda et lapide verus David per manus vestras more suo prostravit. Hoc vero iustitia facit et veritas, quas constanter servatis dignanter efficere. Unde Salomon: "Iustitia", inquit, "solium regis firmatur," et alibi: "Rex sedens in solio iudicii dissipat omne malum intuitu suo." Hortamur itaque dilectionem vestram et obsecramus in Domino, ut digne ambuletis per semitam mandatorum Dei, sicut cepistis, ut cum beato Paulo veraciter dicere possitis: "Bonum certamen certavi, cursum consummavi, fidem servavi, de reliquo reposita est mihi corona iustitie." Numquam de mente vestra excidat illud, quod de Saule in Libro Regum legitur: "Filius unius anni erat Saul, cum regnare cepisset", ita videlicet "purus ut unius anni parvulus." 6) Ob quam rem meruit exaltari et in regni apicem sublimari. Sed postea depravatus et in superbiam elevatus regno cum vita privatus describitur. Illius pueri parvuli David manu fortis semper imitator existe, qui, cum a Deo depost fetantes assumptus et in regnum confirmatus fuisset et ab uxore sua Michol filia prefati Saulis, cum nudus ante archam Domini saltaret, despiceretur, "ludam", inquit, "et vilior fiam plus, quam factus sum, et ero humilis in oculis meis," ac si aliis verbis dicat: "Non ero similis patri tuo, cuius cor in altum et in superbiam elevatum est; sed apud me parvus ero, ut apud Deum magnus effici merear." Hac de causa, ut diximus, Dominus regnum eius confirmavit et de omnibus tribulationibus eum liberavit et iuxta promissionem, quam promeruit, eo vivente de fructu ventris eius super sedem suam collocavit. Hec itaque, serenissime imperator, operare et constanter sectare, ut obtineas Daviticum clementer imperium et Salomoniticum sapientissimum et pacificum regnum et post decursum agonis stadium incorruptibilis corone suscipias bravium.

De cetero legati nostri secreta nostra pleniter vobis intimabunt, per quos vestram voluntatem nobis rescribite.

Data Papie octavo Kalendas Maias.

Erster Brief des Papstes an den Kaiser

I(nnozenz II.), Bischof und Diener Gottes, grüßt und segnet L(othar III.), von Gottes Gnaden erhabenen Kaiser der Römer und innig geliebten Sohn in Christo.

Es ist nicht zu sagen, Ruhmreichster der Fürsten, Bezwinger der Feinde und erlauchter Siegesfürst, vor wie großer Freude unser Herz frohlockt, in wie großer Heiterkeit unser Verstand jauchzt und mit wie großer Bereitwilligkeit unser innerer wie äußerer Mensch jubelt, wenn wir hören, dass ihr unablässig auf dem Weg der Gerechtigkeit einherschreitet, und auf Grund der Berichte unserer Legaten stets gleich wissen, dass ihr die Missetaten der Frevler aus eurem Reich verjagt. Daher kommt es, dass Gott euer Reich erhöht und die Hälse der Widersacher unter das Joch eurer Gewalt erniedrigt. Davon kommt es auch, dass Gott euch bestätigt und stärkt, dass er eure Feinde aufreibt und schwächt.

Den Schwabenherzog Friedrich, einen zweiten Goliath und nichtswürdigen Philister, hat er als ein wahrer David durch eure Hände nach seiner Art in Grund und Boden gestampft. Dies wahrlich schafft Gerechtigkeit wie Wahrheit, die ihr euch beständig gnädig anzuwenden bemüht. Daher sagt Salomon: "Gerechtigkeit festigt den Thron des Königs," und an anderer Stelle: "Der König, der zum Richten auf dem Thron sitzt, macht alles Übel zunichte, dessen er ansichtig wird." Wir appellieren daher an eure Fürsorge und beschwören sie im Herrn, dass ihr würdig auf dem Weg der Gebote Gottes fortschreitet, so wie ihr angefangen habt, damit ihr mit dem heiligen Paulus wahrhaft sagen könnt: "Einen guten Kampf habe ich gekämpft, (meinen Lebens-)Lauf habe ich vollendet, die Treue habe ich bewahrt, und im übrigen ist mir die Krone der Gerechtigkeit zurückgegeben worden." Niemals soll eurem Sinn entfallen, was von Saul im Buch der Könige zu lesen ist: "Ein Sohn von 1 Jahr war Saul, als er zu herrschen begonnen hatte" [lt. Luthers Bibelübersetzung: "Saul war ein Jahr König gewesen"], d.h. freilich "rein wie ein Knabe von 1 Jahr". Deshalb verdiente er, erhöht und an die Spitze des Reichs erhoben zu werden. Aber in seinem späteren Leben wird er beschrieben als einer, der der Herrschaft wie des Lebens verlustig ging, weil er entartet ist und sich in Überheblichkeit hineingesteigert hat. Sei mit starker Hand ein Nachahmer jenes kleinen Knaben David, der, da er von Gott von Kindesbeinen an angenommen und in die Königsherrschaft eingesetzt worden war und von seiner Frau Michal, der Tochter des vorgenannten Saul, verachtet wurde, weil er nackt vor der Lade des Herrn tanzte, sagt: "Ich will spielen und noch geringer werden, als ich bin, und werde niedrig sein in meinen Augen," bzw. wenn er mit anderen Worten sagt: "Ich werde nicht deinem Vater ähnlich sein, dessen Herz sich in die Höhe und in Hochmut erhoben hat; aber vor mir werde ich klein sein, damit ich verdiene, bei Gott groß gemacht zu werden." Deshalb hat der Herr, wie wir gesagt haben, seine Herrschaft bestätigt und ihn von allen Heimsuchungen befreit und seinem Versprechen gemäß , wie er es verdiente, noch zu seinen Lebzeiten die Frucht seines Leibes [= Nachkommenschaft] auf seinen (Königs-)Stuhl gesetzt. Das daher, erhabener Herrscher, führe aus und befolge stetig, damit du gnädig die Herrschaft Davids und die weise, friedensreiche Herrschaft Salomons erlangst sowie nach Ablauf des (irdischen) Kampfes den Preis der unvergänglichen (himmlischen) Krone erringst.

Im übrigen werden euch unsere Legaten unsere Geheimbotschaft vollständig nahe bringen; durch sie [= die Legaten] meldet uns euren Willen schriftlich zurück!

Gegeben zu Pavia am 24. April [1132].

  1. Schon die Vorlage (Adalberts Precepta), die von Papst Paschalis II. an Kaiser Heinrich V. gerichtet war, tat sich mit der Verwendung einer zugehörigen Bibelstelle (1. Reg. 13,1) schwer bzw. gab dem weniger "bibelfesten" Leser bzw. Benutzer Anlass zur Verwirrung: Als filius unius anni wurde Saul nicht im Säuglingsalter, sondern mit etwa 30 Jahren bezeichnet; 1 Jahr sollte für eine Art Generation stehen, wie aus dem weiteren Bibelkontext hervorgeht. Zum Zeitpunkt der Vor-Verwendung des Briefes durch Adalbertus Samaritanus (1115) war der damals gemeinte "Sohn" Heinrich V. (* ca. 1086) tatsächlich etwa 30 Jahre alt.
  2. Petke (RI Lo.III. +439) reiht das Regest mit der Angabe "(----) April 24, Pavia" unter das Jahr 1135 ein, während Hg. - aufgrund des Entstehungszusammenhangs der Briefsammlung (vgl. auch "Antwort"brief Nr. 2, der ebenfalls 1132 zu datieren ist) und des mindestens seit Adalberts Precepta (Brief 7: 1115 !) bekannten "Allerwelt"formulars das Jahr 1132 für wahrscheinlicher hält - wobei eine spätere Überarbeitung ("Aktualisierung") freilich nicht auszuschließen ist (hierzu könnte freilich die Einordnung von JL passen, der, wenn er die Fiktion nach Pisa - wo sich Innozenz in der Tat von Ende 1133 bis Anfang 1137 aufhielt - verlagert, wohl eine Verschreibung bzw. -lesung von "Pisis" zu "Papie" unterstellt, die paläographisch vertretbar erscheint).
  3. Papst Innozenz II. (1130-1143).
  4. König/Kaiser Lothar III. (1125/33 - 1137).
  5. Herzog Friedrich II. von Schwaben (* 1090, + 6.4.1147): Widerstand gegen König Lothar seit dessen Wahl (1125) bis etwa Oktober 1134.
  6. Vgl. Anm. 1.

 Zurück zum Register   ... zum nächsten Brief ...