Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)
Die Capitane des Hauses der Gräfin Mathilde (von Canossa) an Kaiser L(othar III.):
weisen die Anschuldigungen des Grafen A(de)lbert - der heimlich mit des Königs Feinden, Mailand und Gegenkönig Konrad (Bruder Herzog Friedrichs von Schwaben) paktiere - zurück und erklären sich bereit, den Kaiser(?) in Verona geziemend zu empfangen und nach Rom zu begleiten.
D: Pasini S. 224f.; Wattenbach S. 85f.
R: Wattenbach S. 46-50 (zu 1132); R: RI Lo.III. +171 u. +309 (zu 1128 u. 1132) ; vgl. auch Niederkorn, S. 591ff.
Responsio L.1) Dei gratia Romanorum imperatori augusto, inclito triumphatorum magnificentissimo capitanei, valvassores et omnes ordines de domo comitisse Mahtildis2) adversas hostium phalanges superare et cum sanctis regibus coronari. Ex quo, serenissime et clementissime imperator, vestram electionem audivimus et vos adeptum regni gubernaculum cognovimus, quanto gaudio gavisi sumus, humana non valet loqui lingua, stilus nequit exprimere. Per vos etenim regni statum erigendum et honorem nostre domus retinendum ac restaurandum esse credimus et speramus. Quocirca deinceps vobis fideles exstitimus et vestrum adventum desideramus, sicut antiqui patres in inferno positi adventum desiderabant Domini, quod per eum a penis se liberari sperabant. Unde ad ea, que nobis de comite Adelberto3) scripsistis, humiliter ac veraciter respondemus.
Nos eum putantes esse strenuum virum nostrum dominum fecimus, fidelitatem ei integram et inviolatam servavimus; sed bona, quam de illo habuimus, opinio nos fefellit; nos ei crimen, quia dominus noster est, non imponimus, sed quam pene tota novit Italia, veritatem eloquimur. Cum multa et varia negotia velut in terra magna domo imminerent, diffidens se terram posse retinere clandestinum cum Mediolanensibus vestris infestissimis inimicis fedus iniit, ut pro accipienda ab eis pecunia arcem illis traderet et Conradus4) invasor nominis regii in ea maneret, bellum vobis et vestro imperio faceret, ipse vero in patriam suam cum auro multo et argento rediret. Uxor5) vero hec cognoscens ultra modum mestissima facta nobis confessa est. Nos autem pro retinendo honore illius et pro terra conservanda vestre fidelitati comitissam ex sua voluntate in arcem posuimus et, ne tale scelus ad effectum duci potuisset diligentissime cavere studuimus. Post hec securitate ab eo accepta, ne hoc factum omnino faceret nec aliud sine nostro consilio, eum cum uxore pacificavimus et, quam diu nobiscum stare voluit, ei diligenter servivimus. Sed post parvam moram in patriam recessit et nusquam apud nos ultra comparuit. Sepe eum per nos et per nuntios nostros revocavimus, sed eum habere nequivimus. Filii6) vero eius concubinarii in arce Canusie7) remanentes Girardum8) filium Girardi filii Boisonis cum magna proditione ceperunt et turpiter in carcerem vinctum diutissime tenuerunt, donec uxor predicti Girardi consilio accepto cum filiis Rainarii9) arcem et illos cepit et dignam vicissitudinem eis retribuit.
Oramus itaque imperialem excellentiam vestram, ut, sicut literis significastis, constituto termino veniatis. Nos vero Veronam10) vobis obviam occurremus, parati in expeditionem Romanam venire vobiscum et vestris mandatis pro viribus obedire. Faciem enim vestram tamquam angelum Dei desideramus videre. |
Antwort Dem von-Gottes-Gnaden erhabenen Kaiser der Römer L(othar III.), dem großartigsten aller Siegesfürsten, wünschen die Capitane, Valvassoren und alle Stände des Hauses der Gräfin Mathilde, dass er die Schlachtreihen seiner Feinde überwinde und unter die heiligen Könige aufgenommen werde. Seit wir, erhabenster und mildester Kaiser, eure Wahl vernommen haben und wissen, dass ihr die Geschicke des Reichs in die Hände genommen habt, sind wir so froh, wie es die menschliche Zunge nicht auszusprechen und der Schreibstift nicht auszudrücken vermag. Denn wir glauben und hoffen, dass durch euch die Position des Reichs wieder aufzuwerten und die Ehrenstellung unseres Hauses wieder herzustellen ist. Deshalb sind wir euch in der Folge treu geblieben und wünschen eure Ankunft sehnlich herbei, so wie unsere Vorväter in der Hölle die Ankunft des Herrn herbeiwünschten, weil sie sich durch ihn die Befreiung von ihren (Sünden-)Strafen erhofften. Daher wollen wir auf das, was ihr uns über den Grafen Albert geschrieben habt, demütig und wahrheitsgemäß antworten. Wir haben ihn zu unserem Herrn gemacht, weil wir geglaubt haben, dass er ein tüchtiger Mann sei, (und) wir haben ihm uneingeschränkte, unverbrüchliche Treue bewahrt; aber die gute Meinung, die wir von ihm gehabt haben, hat uns getäuscht; wir machen ihm sein Vergehen nicht zum Vorwurf, weil er unser Herr ist, aber nahezu ganz Italien weiß, dass wir die Wahrheit sprechen. Weil viele verschiedene Angelegenheiten sich - wie bei einem großen Land(besitz verständlich) - für sein Haus bedrohlich abzeichneten, ist er - wohl aus Sorge, dass er das Land nicht (be)halten könnte - ein heimliches Bündnis mit den Mailändern, euren schlimmsten Feinden, eingegangen, um ihnen für Geld die Burg [Canossa] zu überlassen und so zu ermöglichen, dass Konrad, der Usurpator des Königstitels, dort bliebe und euch und euer Reich bekriegte, sich selbst aber mit viel Gold und Silber in seine Heimat zurückzuziehen. Seine Ehefrau jedoch, als sie dies mitbekam, war maßlos traurig und hat es uns gestanden. Wir aber haben die Gräfin, um ihre Ehre zu bewahren und das Land in Treue zu euch zu erhalten, auf ihren eigenen Wunsch hin in die Burg gesetzt und uns bemüht, sorgfältig darauf zu achten, dass das geplante Verbrechen nicht zur Ausführung gelangen könnte. Danach, nachdem eine gewisse Sicherheit vor ihm bestand, haben wir, damit er die Tat nicht (doch noch) vollführe und nicht anderes entgegen unserer Vorstellung, ihn mit seiner Ehefrau versöhnt und waren ihm zu Diensten, solange er bei uns bleiben wollte. Aber nach einer kleinen Weile hat er sich in seine Heimat zurückgezogen und ist bei uns nirgends mehr erschienen. Oft haben wir ihn persönlich bzw. durch unsere Boten zurückgerufen, aber das haben wir nicht geschafft. Aber seine unehelichen Söhne, die in der Burg Canossa geblieben waren, haben in verräterischer Weise Girardinus, den Sohn des Girhardus und Enkel des Boiso, festgenommen, schändlich in den Kerker geworfen und sehr lange festgehalten, bis die Ehefrau des Vorgenannten [= Girardinus ? *)] - auf Rat des Girhardus [also ihres Schwiegervaters ?] und mit Unterstützung der Söhne des Rainer (de Saxo) - die Burg und jene [= Söhne Alberts] genommen und ihnen (ihr Treiben) angemessen vergolten hat. Das ist der Stand der Angelegenheit zwischen uns und ihnen. Wann immer es ihm gefällt, zu uns zu kommen, stehen wir zu Diensten. Wenn er aber nicht will, können und dürfen wir ihn nicht zwingen. Wir bitten daher eure kaiserliche Exzellenz, dass ihr, wie ihr es im Brief angekündigt habt, zum festgesetzten Termin kommt. Wir aber werden euch nach Verona entgegeneilen, bereit, zur Rom-Expedition mit euch zu kommen und euren Befehlen nach Kräften zu folgen. Denn wir wünschen uns, euer Angesicht wie einen Engel Gottes zu sehen.
*) Sowohl die Wiederherstellung des Textes als auch seine Interpretation ist an dieser Stelle problematisch. (Es ist auch nicht auszuschließen, dass mit der "Ehefrau des Vorgenannten" die Frau des Grafen Albert gemeint ist, zumal die "bösen" Grafensöhne ja wohl "concubinarii", d.h. nicht die ihrigen, waren...) |
- S.o. Briefe 76-78.
- S.o. Briefe 76-78.
- S.o. Briefe 76-78.
- Zur Auseinandersetzung Lothars mit den staufischen Brüdern Friedrich und Konrad vgl. Brief 3 Anm. 5.
- S.o. Briefe 76-78.
- S.o. Briefe 76-78.
- S.o. Briefe 76-78.
- Ein Girardus filius Girardi filii Boisonis erscheint als Zeuge in zwei Urkunden des Grafen Albert von Verona im Jahre 1129 (Ficker, Forschungen 1869, IV, S. 147ff. u. Groß, Lothar III. u. die mathildischen Güter, 1990, S. 286, Reg. 15+17).
- S.o. Briefe 76-78.
- S.o. Brief 78 Anm. 8.