Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)
(Feind) L. an (Feind) G(ualfredus):
begründet sein Verhalten und gibt Gegendarstellung (Fälligkeit einer Bürgschaft wg. nicht eingehaltenen Vertragszieles).
D: -
R: Wattenbach S. 44-50 (zu 1132).
Responsio L. G. secundum stultitiam suam.1) Graviter et iniquo animo maledicta tua paterer, Gualfrede stultissime, si te scirem iudicio, non morbo vel animi petulantia contendere. Sed quia te furiis ductum, ventosa superbia corruptum, maiorum nobilitate inflatum te fore conicio, equo animo fero, patienter tolero. Faciam de te, quod sapientes homines de parvulis et rapidis canibus faciunt: Latrant illi, clamore sevo plateas replent; illi caute autem incedunt, quasi caninas voces non audiant, pretereunt et viam suam sapienter peragunt. Ipsi vero longis latratibus fatigati tandem quiescunt aut, si non quieverint, a stultis et furiosis pretereuntibus dentes illis quandoque franguntur, persepe etiam plagis afflicti mortui iaciuntur. More igitur sapientium circa furiositatem tuam, quamdiu potero, servare proposui. At cum ulterius tolerare nequibo, Salomonis2) consilium imitabor; primitus enim interdicit filio, "ne respondeas stulto iuxta stulticiam suam", et statim causam adiungit, "ne videaris ei similis". Secundo precipit, "responde stulto secundum stultitiam suam", et statim adnectit causam subiectionis, "ne sibi sapiens videatur". Illius ergo precepto strictim et succincte tibi respondeo. Ex improviso et sine causa precedente me tuas possessiones superbe et contumaciter conquereris invasisse, quod tua conscientia teste et multis probis ac sapientibus viris, qui hec audierunt, te falsa dixisse probabo. Num reminisceris, num oblivioni tradidisti me per annum te impulsore, te monitore, te etiam fideiussore me domino tuo marchioni fideliter servisse et omnibus eius iussionibus et super vires meas paruisse? Multa et crebra pericula pro eo subisse mentior, nisi eadem ille testatur; mendacii argui nolo, nisi a tota curia comprobatur. Inter me et illum facto federe fideiussor, ut dixi, fuisti: Nisi ipse constituto die promissa solvisset, penam dupli stipulatus fuisti. Quid plura? Dies venit, terminus transiit: Ego debitum petii duobus mensibus post transactum terminum supplicibus illum sum verbis secutus, blandissime persuasionibus iactabat. Nihil proficiebam; tandem me cernens illusum ad te cum magna supplicatione accessi, velut dominum rogavi. Veni semel, secundo et tercio. Tu non solum aliquid mihi fecisti, sed etiam dedignatus respondere fuisti, gladium et mortem minabaris. Demum assiduis precibus fatigatus, postquam facere non poteram, quod iure volebam, feci, quod potui.
Hec pretuli non, ut tibi, cui non debeo, satisfacerem, sed ut sapientibus et nobilibus hec nota fierent, quorum iudicio - non tuo timore, sed solummodo honore - committam et, si quid enormiter egi, illis non tibi satisfaciam. Tu vero, furiose, desine: desine insanire, desine lacerare, depone audaciam, depone pertumacis animi pervicatiam. Quodsi ultra, quod non debes, dicere temptaveris, audies ea, que nolueris, quod velut T[h]ersites Danaos3) sic omnes bonos maledictis laceras et infestas. |
Antwort L. (grüßt den) G(ualfred) seiner Dummheit entsprechend. Nur schwer und unwillig würde ich dein übles Gerede aushalten, Gualfred, du Tölpel, wenn ich wüsste, dass du dich mit klarem Urteilsvermögen und nicht mit krankhaftem oder mutwilligem Geist ereiferst. Aber da ich vermute, dass du von Furien gehetzt, durch eitlen Stolz verdorben und durch den Adel deiner Vorfahren aufgeblasen bist, trage ich's mit Gleichmut und Geduld. Ich will dich so behandeln, wie das weise Menschen mit jungen bissigen Hunden tun: Diese bellen laut und erfüllen mit ihrem Kläffen (Straßen und) Plätze; jene aber nähern sich ihnen vorsichtig, als wenn sie das hündische Gebell nicht hörten, gehen vorbei und setzen ihren Weg unbeschadet fort. Die Hunde aber müssen schließlich vom langen Gebell ermüdet aussetzen, oder es werden ihnen, wenn sie nicht ausruhen, die Zähne eingeschlagen, oft auch werden sie ganz totgeschlagen. Also habe ich mir vorgenommen, mich nach Art der Weisen vor deinem Wüten zu schützen, solange ich kann. Wenn ich's aber nicht länger aushalten kann, werde ich mich am Rat Salomos orientieren; zuerst nämlich untersagt er dem Sohn: "Antworte bloß nicht dem Narren seiner Narrheit entsprechend," und fügt dann sofort den Grund hinzu: "Damit du ihm nicht ähnlich erscheinst." Zum zweiten schreibt er vor: "Antworte dem Narren nach seiner Narrheit," und fügt sofort den Grund für diese Unterwürfigkeit an: "Damit er sich nicht weise vorkommt." Nach dieser Vorgabe also antworte ich dir in aller Kürze. Du klagst darüber, dass ich unversehens und ohne vorausgehende Ursache in deine Besitzungen übermütig und eigensinnig eingedrungen sei; in dieser Hinsicht jedoch werde ich mit deinem Gewissen als Zeuge und durch viele rechtschaffene und weise Männer, die das gehört haben, beweisen, dass du die Unwahrheit gesagt hast. Erinnerst du dich vielleicht oder hast du's schon wieder vergessen, dass ich ein Jahr lang auf dein inständiges Bitten hin, sogar mit dir als Bürgen, deinem Herrn, dem Markgrafen, treu gedient habe und allen seinen Anweisungen sogar über meine Kräfte hinaus gehorcht habe. Ich widerrufe gern, dass ich viele und häufige Gefahren für ihn auf mich genommen habe, wenn er nicht dasselbe bezeugt; als Lügner will ich gelten, wenn's nicht vom ganzen Hof bestätigt wird. Zwischen mir und ihm bist du für unseren Vertrag Bürge gewesen, wie ich schon gesagt habe: Wenn er am festgesetzten Tag das Versprochene nicht gezahlt hätte, wärest du verpflichtet gewesen, als Strafe das Doppelte zu zahlen. Was weiter? Der Tag kam, der Termin ging vorbei: Ich habe um die (Begleichung der) Schuld gebettelt zwei Monate lang, nachdem der Termin verstrichen war; ich bin ihm mit unterwürfigen Bitten hinterhergelaufen, er hat mich mit freundlichen Worten hinzuhalten versucht. Aber ich bin keinen Schritt weitergekommen; endlich all meiner Illusionen beraubt habe ich mich flehentlich an dich gewandt, wie ich (zuvor) den Herrn gebeten hatte. Ich bin einmal gekommen, ein zweites und ein drittes Mal. Du hast nicht nur nichts zu meinen Gunsten unternommen, sondern hast es für unter deiner Würde gehalten, mir zu antworten, hast mir gar mit Schwert und Tod gedroht. Schließlich war ich von den dauernden Bittgängen erschöpft, und nachdem ich nicht (friedlich) hatte erreichen können, was mir dem Rechte nach zustand, habe ich das getan, was ich (sonst noch tun) konnte.
Das habe ich hier nicht vorgetragen, um dir, dem ich nichts schulde, Rechenschaft abzulegen, sondern um den Klugen und Edlen den Sachstand darzulegen, deren Urteil ich mich anvertraue, nicht aus Furcht vor dir, sondern allein um der Ehre willen, und denen - nicht dir! - ich Genugtuung leisten werde, falls ich etwas übers Ziel hinausgeschossen bin. Du aber, Wahnsinniger, höre auf, dich so zu benehmen, höre auf, mich zu attackieren, gib deine Dreistigkeit auf, lass ab von deinem sturen Eigensinn. Wenn du aber weiterhin zu behaupten versuchst, was du nicht darfst, wirst du zu hören bekommen, was du nicht magst, dass du nämlich - wie Thersites die Danaer - alle anständigen Menschen verunglimpfst und quälst. |
- Vgl. Anm. 2.
- Prov. 26, 4-5.
- Anspielung auf die "Meuterei" des Thersites gegen die Heeresleitung der Griechen (=Danaer) vor Troja (Homers Ilias 2, 211ff.): Thersites gilt als "ein Meuterer, Lästerer und Prahlhans, dessen gemeine Gesinnung mit körperlicher Mißgestalt in Einklang gesetzt wird"; "als Typ der Häßlichkeit oder des feigen Hetzers ... lebt er im ganzen Altertum fort." ("Der Kleine Pauly", Bd. V(1975) S. 758f.).