Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)
Vater G. an studierenden Sohn A.:
freut sich über Nachricht vom totgeglaubten Sohn und bekundet Bereitschaft, ihm erneut - diesmal durch den Diener Stephan - Geld zu schicken, nachdem entsprechende Missionen bislang viermal mißlungen sind; bittet ihn zugleich um Heimkehr, möglichst zusammen mit dem (Geld-)Boten.
D: -
R: Wattenbach S. 44-50 (zu 1132)
Responsio G. luctuosissimus genitor A. dulcissimo filio quam Ysaac Iacob benedictionem. Sicut Iacob2) audita prosperitate Ioseph de nimia cordis egritudine sublevatus et exhilaratus fuit, ita, dulcissime fili, vita mihi carior, tua incolumitate mihi cognita mens mea usque ad illam horam tristissima, plus quam opinari potest, letissima exstitit. Ille namque filium a fera pessima, sicut audiverat, devoratum credebat, ego vero, quoniam a multis vitam [tuam] exisse acceperam, cottidie te inconsolabiliter lugebam. At postquam tuis litteris te superesse et bene Deo docente per legatum te profecisse cognovi, plus opinione letatus prenimio gaudio lacrimas continere non potui. Tu namque mihi solus pre ceteris dilectus, tu fratribus prelatus, tu lumen oculorum nostrorum, tu baculus senectutis nostre a primevo iuventutis flore semper a nobis speratus, et sicut a Thobia 3) filius ad Gabelum missus exspectatus, sic tue iuventutis flos iugiter a me est desideratus. Quam ob rem noli ullo modo putare me te dereliquisse aut oblivioni tradidisse, quem sub pectore semper gero, pro quo suspiro et incessanter anhelo, quem incomparabiliter desidero; tribus namque vicibus per peregrinos, qui ad sanctum Iacobum ibant, pecuniam misi. Quarto fratrem tuum Gandulfum ad te direxi, cui querenti et diligenter de te investiganti a multis relatum et confirmatum est te obiisse, post quod tempora in merore et luctu erumpnosam vitam duxi et nullam consolationem accepi.
Sed nuper tuis literis consolatus et quasi ab inferis resuscitatus et ante divinam faciem deportatus pecuniam, quam postulasti, per Stephanum, fidelissimum vernaculum nostre domus, integram tibi mandare curavi. Quam citius potest, expedire te cura, et si meam faciem ulterius videre desideras, cum eo redire matura. |
Antwort G., der sehr traurige Vater, (sendet) A., seinem geliebten [wörtlich: dem sehr süßen] Sohn, den Segen, wie ihn Isaak dem Jakob gab. Wie Jakob, nachdem er vom Wohlergehen Josefs gehört hatte, von schlimmstem Seelenleide erlöst und glücklich war, so, geliebter Sohn, der du mir teurer als mein Leben bist, so wurde mein Sinn, der bis zu dieser Stunde tieftraurig war, froh und heiter - mehr als man sich vorstellen kann -, als er von deiner Unversehrtheit erfahren hat. Jener (Jakob) glaubte nämlich, dass sein Sohn von einer wilden Bestie, wie er gehört hatte, verschlungen worden sei, ich aber, da ich von vielen gehört hatte, dass du verstorben seiest, habe täglich untröstlich um dich getrauert. Aber nachdem ich deinem Brief entnommen habe, dass du noch da bist, und vom Boten gehört habe, dass du mit Gottes Hilfe gute Fortschritte gemacht hast, habe ich mich über die Maßen gefreut und konnte vor lauter Freude die Tränen nicht zurückhalten. Denn du allein bist mir der liebste von allen, du rangierst vor deinen Brüdern, du bist das Licht unserer Augen, du die Stütze unseres Alters, auf die wir von klein auf immer gesetzt haben, und so, wie von Tobias der Sohn, den er an Gabaël geschickt hatte, zurückerwartet wurde, so wird ständig die Blüte deiner Jugend von uns herbeigesehnt. Deswegen solltest du in keiner Weise annehmen, dass ich dich im Stich gelassen oder gar verraten hätte - du, den ich immer im Herzen bewahre, um den ich seufze und den ich mir ohne Unterlass [...] herbeisehne; denn dreimal habe ich dir durch Pilger, die auf dem Weg zum hlg. Jakob waren, Geld geschickt. Beim vierten Mal habe ich deinen Bruder Gandolf zu dir geschickt, dem bei seinen intensiven Nachforschungen von vielen gesagt und bestätigt wurde, dass du verstorben seiest, wodurch ich traurige Zeiten und großen Jammer durchlebt habe, ohne dass mich jemand trösten konnte.
Aber nun, nachdem ich durch deine Zeilen getröstet und gleichsam von den Toten auferstanden und wieder vors Angesicht Gottes gelangt bin, habe ich veranlasst, dir das gesamte Geld, um das du gebeten hast, durch Stephan, den treuesten Diener unseres Hauses, zu schicken. Versuche dich so schnell wie möglich freizumachen, und wenn du mein Gesicht fortan [gemeint ist wohl: noch einmal] sehen möchtest, beeile dich, mit ihm zurückzukommen. |
- Datierung entsprechend Brief 38.
- Vgl. die "Josephsgeschichte" in der Genesis (insbes. Gen. 37,35ff.; 45, 26ff.; 46, 30ff.).
- Vgl. Tob. 4, 21ff. u. 9, 3ff.