Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)
(Rechtsgelehrter) B. an Richter A. aus Cremona:
legt dar, wie Erbrechtsfall zu lösen ist.
D: Wattenbach 78f.
R: Wattenbach S. 44-50 (zu 1132)
Responsio A.1) Cremonensi causidico B. fraterno munere, si quid est, amoris redibitionem. Miror industriam tuam super questione tua, et in re tam aperta te dubitare vehementer obstupesco - vel: erubesco. Nisi te moresque tuos cognoscerem, te me temptare crederem. Verumtamen quoquo modo id fecisti, pro sensu meo tibi respondeo. Si pater Titii contemplatione eius exceptis omnibus aliis filiis - sive Seium, quem habebat, sive alios si habiturus esset - nominatim investitura dicens domino, "volo, ut solus Titius filius meus habeat hoc feudum sine Seio et ceteris fratribus," et his verbis concessit, solus [sc. Titius] habere debet. Hoc autem legitime testibus approbandum est. Si vero hec omnia specialiter non sunt expressa, presertim cum portitor harum [besser: tuarum] litterarum viva voce nobis asseruit patrem Titii cum eo investituram accepisse et domno per hoc fidelitatem iurasse, cum constet ab intestato discessisse, filii hoc feudum sicut cetera paterna bona equaliter dividere debent. De feudo vero communibus nummis empto facillima patet responsio, cum provulgatum sit legibus in potestate pupilli esse, seu pecuniam velit accipere, seu id, quod est emptum ex ea, posse[t] petere2); et cum Titius legitimus tutor Sei fuerat, et conditionem pupilli deteriorem facere non poterat.
Secundum vero curie3) usum4) nulla super hoc negotium controversia est.5) Sopitis ergo questionibus predicta causa, ut mihi videtur, sic est diffinienda.6) |
Antwort Dem Cremoneser Richter A. (erwidert) B. auf brüderliche Weise, wenn dies überhaupt irgendwie möglich ist, seine Liebesbezeugung. [Heute würde man wohl eher sagen: Vielen Dank für den Ausdruck besonderen Vertrauens!] Ich wundere mich über deine Anstrengungen bei dieser deiner Rechtsfrage und staune heftig - bzw. erröte geradezu vor Scham -, dass du bei einer so eindeutigen Rechtslage Zweifel hast. Wenn ich nicht deine Gewohnheiten kennte, würde ich glauben, dass du mich auf die Probe stellen wolltest. Doch jedenfalls hast du's gemacht, und ich antworte dir auf meine Weise. Wenn der Vater im Hinblick nur auf diesen Titius und unter Ausschluss aller anderen Söhne - sei's Sejus, seien's weitere, sofern er sie noch bekommen würde - namentlich bei der Investitur (mit dem Lehen) seinem Herrn sagt, "ich will, dass nur mein Sohn Titius dieses Lehen haben soll und nicht Sejus und die übrigen Brüder," und dies so wörtlich bestätigt, dann hat er [= Titius] allein einen solchen Anspruch. Das freilich muss dem Gesetz entsprechend mit Zeugen belegt werden. Wenn aber das alles nicht so ausdrücklich betont worden ist, zumal wenn, wie der Übringer deines Schreibens uns gegenüber mit eigenem Munde behauptet hat, der Vater des Titius mit diesem zusammen die Investitur erhalten und seinem Herrn hierfür die Treue geschworen hat, dann müssen die Söhne dieses Lehen wie alle übrigen väterlichen Güter in gleicher Weise teilen - zumal feststeht, dass der Vater ohne Testament verstorben ist. Hinsichtlich des Lehens aber, das er vom gemeinsamen Geld gekauft hatte, ist die Antwort besonders einfach, da die Gesetze besagen, dass es im Ermessen des Mündels [= Sejus] liegt, ob es einen geldlichen Ausgleich akzeptieren mag oder auf (einem Anteil an) dem damit Gekauften bestehen will - und (zwar insbes.) wenn Titius der gesetzliche Vormund des Sejus gewesen war und die Verhältnisse des Mündels nicht hätte verschlechtern dürfen.
Entsprechend der gerichtlichen Praxis gibt es über ein solches Rechtsgeschäft keinerlei Meinungsverschiedenheit. Wenn ich somit deine Bedenken zerstreut habe, ist der vorliegende Fall, wie mir scheint, nun entsprechend (meiner Vorgabe) zu entscheiden. |
- S.o. Brief 36 Anm. 1.
- Vgl. Wattenbach, 1855, S. 79.
- Gemeint ist wohl ein Lehnshof, wie er auch in den Libri feudorum öfter erwähnt wird. (Wattenbach, a.a.O.)
- Langobardisches Lehenrecht (Wattenbach, a.a.O.).
- Vgl. I. feud. 20 u. II. feud. 12 § 1: Beide Stellen stimmen in der Hauptsache, dass Titius allein berechtigt bleibt, überein; die erste gibt dem Sejus ein Erbrecht, die zweite entweder das Recht auf halben Fruchtgenuss oder Kapitalentschädigung. (Wattenbach a.a.O.)
- "Das eigentliche formulirte Urtheil scheint hier zu fehlen." (Wattenbach a.a.O.).