Lombardische Briefsammlung

Die Vorab-Edition von Heinz-Jürgen Beyer (Stand ca. 2010) wird nicht weiter bearbeitet. (Info)

15.

Bischof O(bert) von Cremona an Erzpriester G. (von Casalmaggiore?):
bestellt ihn zur Synode am 15. Mai, wo über die Trennung von
regnum und sacerdotium verhandelt wird. 1)
(Cremona?, ca. April 1132)
Ü: S fol. 21v; V fol. 33r-v.
D: -
R: Wattenbach S. 42-50 (zu 1132); RI Lo.III. +299 (zu 1132).


Epistola episcopi ad archipresbyterum

O.2) Dei gratia sancte Cremonensis ecclesie humillimus episcopus G.3) archipresbytero fratri in Christo dilecto salutem et continuam orationem in Domino.

Propter multa mala et crebra pericula, que in populo Dei antiqui serpentis veneno passim sunt disseminata et toto orbe terrarum pullulata, presertim ob divorcium regni et sacerdotii cor nostrum, karissime frater, dolet, mens tristatur, spiritus anxiatur. Qua de re multe querimonie ad aures nostras cottidie veniunt; pupillorum ac viduarum et ceterorum pauperum lamentationes ferre non possumus. Eapropter ex intimis cordis penetralibus ingemiscimus et ad Dominum cum propheta clamamus:4) Ex(s)urge, Domine, et iudica causam meam. Oranda namque est nobis divina clementia, ut ovium suarum dilaceratione commota dicat: Propter miseriam inopum et gemitum pauperum nunc exsurgam.5)

Hac itaque de causa cum fratribus nostris synodum idibus Mai6) celebrare decrevimus, ad quam te auctoritate canonica cum tuis parochianis invitamus et invitando venire precipimus. Postpositis ergo ceteris negotiis omnibus presbyteris, diaconibus, subdiaconibus tue plebis litteras nostras mittere stude et [, ut] prefata die tecum ad nos veniant, diligenter premone.

Brief von Bischof an Erzpriester

O(bert), durch Gottes Gnade höchst bescheidener Bischof der heiligen Cremoneser Kirche, (sendet) dem Erzpriester G. [von Casalmaggiore?], (seinem) geliebten Bruder in Christo, Gruß und beständiges Gebet im Herrn.

Wegen vielen Übels und häufiger Gefahren, die im Volk Gottes durch das Gift der Schlange weit verbreitet [wörtlich: ausgesät] sind und auf dem ganzen Erdkreis keimen, insbesondere wegen der Trennung von Reich und Kirche, leidet unser Herz, liebster (Mit-)Bruder, (unser) Sinn ist betrübt und (unser) Geist in Ängsten. Dieserhalb kommen uns jeden Tag viele Klagen zu Ohren; das Wehklagen der Kinder, Witwen und übrigen Armen können wir nicht (länger) ertragen. Deswegen seufzen wir aus tiefstem Herzen und rufen mit den Worten des Propheten zum Herrn: "Erhebe dich, Herr, und setze dich für meine (gerechte) Sache ein!" Wir müssen nämlich die göttliche Gnade erbitten, auf dass er in seiner Gnade, von der Qual [wörtl.: Zerfleischung] seiner Schafe bewegt, sagt: "Wegen des Elends der Hilflosen und des Seufzens der Armen will ich mich zeigen [wörtl.: aufstehen]."

Dieser Sache wegen haben wir beschlossen, mit unseren (Mit-)Brüdern am 15. Mai [1132] eine feierliche Synode abzuhalten, zu welcher wir dich samt deinen Pfarrangehörigen Kraft kanonischer Autorität einladen und der Einladung entsprechend zu kommen vorschreiben. Stelle also die übrigen Geschäfte zurück und bemühe dich, unseren Brief allen Priestern, Diakonen und Subdiakonen deiner Pfarre weiterzureichen, und ermahne sie eindringlich, dass sie am genannten Tag zusammen mit dir zu uns kommen.



  1. Bemerkenswert - im Hinblick auf das Mathildische Ambiente der Lombardischen Briefsammlung - erscheint immerhin, dass Papst Gregor VII. (Anfang 1077 - nach Heinrichs IV. "Canossa-Gang") im nahen Mantua eine Synode zum gleichen Thema (regnum et sacerdotium) abhielt, bevor er sich nach Carpineti begab. (Golinelli, 1998, S. 199).
  2. Bischof Obert von Cremona (s.o.).
  3. Vgl. Brief 17.
  4. Ps. 73, 22 (Psalm Asaphs).
  5. Ps. 11, 6.
  6. Der Synodentermin 15. Mai fällt in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts nur in den Jahren 1110, 1121 und 1132 (!) auf einen Sonntag.

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