Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
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Mathilde kündigt ihrem Vater, König Heinrich von England, ihren Besuch an.

1122 (wohl Ende April).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Die Nachricht über das Schreiben Mathildes überliefert der um die Wende des 12 /13. Jahrhunderts geschriebene Teil der Annalen von Waverley, wo es zum Jahre 1122 heißt (Rer. Brit. medii aevi SS 36, Annales Monastici 2,218; ab duobus diebus selbständig, bis dahin abhängig von der Chronik des Robert de Monte/de Torigneio, SS 82,104f., vgl. auch Henrici archidiaconi Huntendunensis Hist. Anglorum, SS 74,244): MCXXII. Anno vigesimo secundo regis Henrici. Rex fuit ad natale apud Nordwic et ad pascha [März 26] apud Norhamtun et ad pentecosten [Mai 14] ad Windeshores duobus diebus, et inde ivit apud Westmonasterium et fuit ibi tota hebdomada illa, et post ivit ad Cantuariam et per totam Cent. Et ibi expectabat filiam suam reginam Alemanniæ, quæ mandaverat illi se velle venire in Angliam; sed disturbata fuit, quod venire non potuit (sicut homines aiebant), per comitem [Hs.: consulem] Flandriæ, qui prohibuit illi transitum per terram suam (Auszug bei Meyer von Knonau, Jahrb. 7,273 Anm. 1; Reg. bei Farrer in Engl. Hist. Review 34,524 no 463; Übers. bei Leyser in Anglo-Norman Studies 13,234f.).

König Heinrich I. hatte nach dem im Text mitgeteilten Itinerar, nach den in der Pfingstwoche (Mai 14–20) eingelegten Zwischenstationen in Windsor und Westminster, im letzten Maidrittel offenbar gezielt für das Zusammentreffen mit Mathilde, die in ihrem Schreiben wohl Termin und Ort vorgeschlagen hatte, das Gebiet der Kanalküste aufgesucht.

Nachdem Mathilde ihre Anreise durch Flandern geplant hatte, muss man annehmen, dass sie vorhatte, den Kanal von der flandrischen Küste aus an der engsten Stelle zu überqueren, demnach wohl in Dover landen wollte; aus dem geplanten transitus durch Flandern ergibt sich zugleich, dass sie ihre Reise von Osten her evtl. in Maastricht antreten wollte. – Leyser a.a.O. 234f. mit Anm. 33 ist der Meinung, die beste Gelegenheit zu Mathildes Reise habe bestanden, als sich der Hof längere Zeit, zwischen Ende März (Ostern) und Ende April (s. D. † 234 von April 25) und mit Abstechern nach Lüttich und Valkenburg (12 km ö. Maastricht), in Aachen aufhielt, vgl. Stüllein, Itinerar 92f. Dieser Zeitraum scheint aber zu weit bemessen; da der Termin für das Treffen mit dem Vater von Mathilde offenbar ziemlich genau, also nicht in zu großem Zeitabstand avisiert war, käme allenfalls das Ende des Aachener Aufenthalts für einen Aufbruch in Betracht, aber auch noch der Beginn des Monats Mai, als sich der Hof in Maastricht aufhielt (s. Stüllein a.a.O. 93 und D. † 235).

Es fragt sich jedoch, ob Mathilde die Reise überhaupt angetreten hat und ob nicht Kundschafter, die zweifellos an die flandrische Ostgrenze (Schelde) vorausgeschickt worden waren, von der Unmöglichkeit der Querung Flanderns berichtet hatten. Jedenfalls ist Mathilde zusammen mit dem Hof an Pfingsten in Utrecht (s. Stüllein a.a.O. 93f.), wo sie auch am 14. Mai mit DMa.5 urkundete; nachdem Heinrich nach Ausweis von D.238 sich noch am 2. Juni in Utrecht befand, ist anzunehmen, dass er erst kurz vor dem Pfingstfest in Utrecht eingetroffen war und demnach, zusammen mit Mathilde, das ca. 140 km entfernte Maastricht etwa gegen Ende der ersten Maiwoche verlassen hatte, wo man womöglich länger Station gemacht und die Rückkehr der Kundschafter abgewartet hatte. Der Bote mit Mathildes Brief an Heinrich I. ist allerdings sicher nicht erst aus Maastricht, sondern wohl gegen Ende April aus Aachen abgefertigt worden.

Zu den denkbaren Motiven des Grafen Karl von Flandern (1119–1127), Mathilde den Durchzug durch sein Territorium zu verweigern, vgl. u.a. Leyser a.a.O. 235f. Über den Zweck der Reise Mathildes lässt sich nach Berg, England u. der Kontinent 299 Anm. 61 letztlich nur spekulieren; Berg selbst war der Meinung, Mathilde habe ihren Vater wahrscheinlich “über die letzten politischen Entwicklungen im Deutschen Reich – etwa bezüglich der deutschen Diskussion um die Lösung des Investiturproblems – zu informieren gewünscht”, was recht unwahrscheinlich ist, da dafür kein persönliches Zusammentreffen erforderlich war und ein Brief genügt hätte; Meyer von Knonau a.a.O. 271 dachte daran, es sei bei der Begegnung (wie 1124) um das gemeinsame Vorgehen Heinrichs I. und des Kaisers gegen den König von Frankreich gegangen; Leyser vertrat jüngst im Rahmen seiner Untersuchung der durch den Tod des englischen Königssohnes Wilhelm am 25. November 1120 ausgelösten Nachfolgefrage (a.a.O. 225ff.) dezidiert die Auffassung (a.a.O. 235), es sei bei der geplanten Begegnung auf Mathildes Seite (“with the full consent of her husband”) am ehesten um die Erörterung dieser Frage gegangen, nachdem die zu Anfang des Jahres 1121 mit Adelheid, der Tochter Hz. Gottfrieds V. von Niederlothringen, geschlossene neue Ehe Heinrichs I. bisher, wie auch weiterhin, kinderlos geblieben war; demgegenüber hatte Berg a.a.O. 316 noch die Meinung vertreten, erst der Tod Heinrichs V. habe den König veranlasst, “seiner einzigen legitimen Tochter, Mathilde, größere[!] Beachtung in den Überlegungen zur Regelung der Thronfolge zu schenken”, was aber Leysers Interpretation nicht ausschließt.