Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

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Heinrich bestätigt dem durch EB. Lull von Mainz gegründeten und in den Schutz des Reiches gestellten Kloster Hersfeld die auf einer Synode zu Quierzy unter dem Vorsitz Karls des Großen verliehene Immunität und das Recht der freien Abtwahl sowie die Schenkung der Pfarrkirchen zu Allstedt, Osterhausen und Riestedt mit dem gesamten zugehörigen Zehnt im Friesenfeld und im Hassegau.

Merseburg, 1112 Januar 11.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 47/48 b : 69/69,5 h) im Staatsarchiv zu Marburg (A).

Drucke aus A: Wenck, Hess. Landesgesch. 3, UB 65 no 65. – Schmidt, UB d. Hochst. Halberstadt 1,98 no 135. – Posse, CD Sax. regiae 1.2,29 no 33 Auszug. – Struve in Hess. Jahrb. 19,115 Anh. no 1. Reg.: Schultes, Dir. dipl. 1,232 no 24. – Erhard, Reg. Westf. 1,220 no 1376. – Goerz, Trierer Reg. 14. – Meiller, Salzburger Reg. 4 no 15*. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 1,460 no 1647. – Böhmer-Will, Mainzer Reg. 1,245 no 16. – Fester, Reg. Baden 1,5 no 25. – Vogt, Herzogtum Lothars 151 no 14. – Böhmer Reg. 2015. – Stumpf Reg. 3083.

Geschrieben und in den selbständigen Teilen auch verfasst von Notar Adalbert B, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 71 no 2. Zu den in diesem ersten Diplom des Jahres 1112 fehlerhaften und so bis D.104 beibehaltenen Jahreskennzahlen (für das Ordinationsjahr XIII statt XIIII, für das Regierungsjahr VI statt VII) vgl. Vorbemerkung zu D.98; auf den Versuch einer Umstellung der bei ihm, wie ebendort gezeigt, äußerst inkonsequenten Reihung der Jahreskennzahlen ist es vermutlich zurückzuführen, dass der Notar dabei in D.99 die – in D.98 am Schluss stehende – Indiktionsangabe ganz übersah, die er dann ab D.100, in der Regel hinter dem Inkarnationsjahr (in D.100 davor, in D.102/A1 nochmals wie in D.98 am Schluss), wieder bietet. – Kaum als Nachlässigkeit, sondern eher als eine Reminiszenz des Notars an privaturkundliche Praxis zu werten ist die Verwendung der falschen Devotionsformel dei gratia in der Intitulatio.

In dem auf einem wohl schon in Hersfeld hergestellten und von Abt Reinhard mitgebrachten Empfängerkonzept beruhenden (so Pivec in MÖIG 46,305 und Hölk, Zehnten und Zehntkämpfe 81 mit Anm. 71) Kontext sind mehrere Vorurkunden verwendet: Im Protokoll und für die Angabe über die drei Kirchen und den Zehnt Heinrichs V. D.36 (= VU.I); für eine kurze Formulierung in der Narratio (nicht auch, wie Struve a.a.O. 115 und 117 Anm. i behauptet, für die Korroboratio) zog man DH.III.63 von 1040 Juli 28 heran (= VU.II); der narrative Hauptteil beruht auf dem DKar.89 von 775 Jan. 5, schöpft jedoch nicht unmittelbar aus dessen Text, sondern, wie schon bei Meyer von Knonau, Jahrb. 6,250 Anm. 57 vermerkt (vgl. auch Hölk a.a.O. sowie Struve a.a.O., der die betreffenden Partien durch Sperrdruck kennzeichnet), aus den durch c.16 und 19 von Lamberts von Hersfeld Vita Lulli (ed. Holder-Egger) überlieferten Formulierungen (= VU.III); da die aus c.16 übernommenen Partien in D.99 auf zwei Stellen verteilt sind (vgl. Anm. i und m’), haben wir für diese die VU.-Sigle IIIa, für diejenigen aus c.19 die Sigle IIIb verwendet (vgl. Anm. r); schließlich stützt sich die Patrozinien-Nennung von Judas und Wigbert auf das DO.I.356 von 968 Febr. 15 (= VU.IV), vgl. auch das parallele DO.II.17 vom selben Tage.

Struve, der die Verwendung von D.36 vernachlässigte, behauptet stattdessen (a.a.O. 115 u. 116 Anm. g) fälschlich die Benützung des DKar.†229 von 777 Okt. 21 (zu diesem s. Vorbemerkung zu D.36); dies nahm jedoch allenfalls insofern Einfluss, als womöglich aufgrund des dortigen dreimaligen aecclesiam das in D.36 verwendete, dort aus dessen Vorurkunde übernommene capellas (s. Anm. p’) hier durch ecclesias dominicales ersetzt wurde; ganz verfehlt ist seine, allein auf die Verwendung des Begriffs testamentum in der Formulierung Additum est etiam in … testamentis (Z. ■) gestützte Feststellung (a.a.O. 115 u. 116 Anm. d), das die Fälschung DKar.†229 pauschal bestätigende (singulariter religiosi imperatoris Caroli testamentum) Privileg P. Paschals II. von 1111 April 15 (JL 6292; Germ. pont. 4.4,282 no 14; Wenck a.a.O. 2, UB 58 no 49) “trete … deutlich in Erscheinung”.

D.99 diente, neben D.36 und DKar.†229, und wie diese nur geringfügig, insbesondere für die Formulierung tres ecclesias dominicales (s. oben), als Diktatvorlage für DLo.III.68 von 1134 Okt. 26 (B.-Petke Reg. 416), mit dem, gestützt auf eine Mainzer Synodalentscheidung von 1133 Okt. 21 (Stimming, Mainzer UB 1,505 no 588; Germ. pont. 4.4,283 no 17; B.-Petke Reg. 367), die auch von Innocenz II. durch Privileg von 1134 Nov. 1 (JL 7659; Germ. pont. 4.4,283 no 18, vgl. auch no 19 u. 20) bestätigt wurde, der Zehntstreit mit Halberstadt zugunsten Hersfelds entschieden wurde und seinen Abschluß fand. Dass das Kloster nach dem weniger als vier Jahre zurückliegenden Fürstenspruch von D.36 ein neues Diplom erwirkte, hatte sicher zum Ziel, den durch eigene Nachlässigkeit in D.36 stehengebliebenen Terminus capellas (s. oben) zu eliminieren, da sich daran mit dem kirchenrechtlichen Argument, dass es sich um keine zehntberechtigten Taufkirchen handle (s. Hölk a.a.O. 81 und Wehlt, Reichsabtei 189), der Widerstand Halberstadts gegen den verfügten Verzicht auf seine Zehntansprüche festmachen ließ. Mit dem Anliegen war Heinrich zweifellos schon im Frühjahr 1111 in Rom befasst worden, falls Abt Reinhard das nur zwei Tage nach Heinrichs Kaiserkrönung ausgestellte Paschal-Privileg (s. oben) dort persönlich erwirkt hatte (so Wehlt a.a.O.). Aus Abt Reinhards möglicher Anwesenheit bei der Kaiserkrönung zu folgern, dass er, der außer hier und in D.36 nie am Hofe erwähnt wird, den ersten Italienzug mitgemacht hätte (so Feierabend, Reichsabteien 125 und Vogtherr in Die Salier u. das Reich 2,459), dürfte zu weit gehen. Sicher aber war die Angelegenheit bei Heinrichs Aufenthalt in Hersfeld im November 1111 (s. D.98) besprochen worden, und von dort aus wird auch die Ladung B. Reinhards von Halberstadt nach Merseburg ergangen sein. Ob Abt Reinhard seit November 1111 in Heinrichs Gefolge blieb (so Vogtherr a.a.O.), muss offenbleiben. – Entschieden wurde der erneute Streit nicht durch ein Fürstengericht wie in D.36, sondern durch einfaches, auf bloßem Beurkundungsbefehl beruhendes Diplom (vgl. Bogumil, Bistum Halberstadt 35 Anm. 163f.), das B. Reinhard zudem durch seine Zeugenschaft bekräftigen musste.

Das Scheitern seiner Pläne dürfte zum Abfall des Bischofs von Heinrich V. im Sommer 1112 beigetragen haben (vgl. Hölk a.a.O. 81 Anm. 72 und Wehlt a.a.O. 189 Anm. 166; s. auch B.-Petke Reg. 20). – Bei dem marchio Deide handelt es sich um den Grafen Dedo IV. von Wettin († 1124), der auch in dem ein halbes Jahr jüngeren D.100 mit dem ihm zukommenden comes-Titel begegnet (vgl. auch D.43 von 1109); die hiesige, einmalige Verwendung des marchio-Titels für ihn ist zweifellos ein durch die folgende Nennung des Markgrafen Hermann (von Baden) verursachtes Versehen des Notars.

(C.) In nomine sanctę et individuę trinitatis. Heinricvs dei gratia quartus Romanorum imperator augustus. Sicut priorum temporum reges christiani atque imperatores fecerunt, ut suis quidem scriptis et edictis denunciarent posteris, qualiter ob amorem dei locis venerabilibus proderant, nos quoque notum facimus tam futuris quam presentibus Christi nostrique fidelibus, quomodo venerabilis vir Reginhardvs abbas Herosfeldensis maiestatem nostram adiit ac secum in conscriptis inde privilegiis attulit, qualiter per successorem sancti martyris Bonifatii, beatum Lvollvm Mogontinę ęcclesię archiepiscopum, Herosfeldensis locus succisis ibi arbustis, primum institutus sit; quomodo partim studio Karoli quoque imperatoris, partim liberalitate principum totius regni, qui pio archiepiscopi desiderio summa ope pariter annitebantur, in brevi opibus, agris ac familiis auctus sit; qualiter etiam ipsum locum cum omnibus, que iuris eius essent, beatus Lvollvs in tutela supradicti imperatoris tradiderit et hanc traditionem ac patrocinandi ius cunctis deinceps in regnum succedentibus ratum manere statuerit; quomodo ipse archiepiscopus in locum, cui nomen est Carisiacus, synodum indixerit, ubi imperator cum principibus Gallię ad cognitionem rerum ęcclesiasticarum assedit, ubi ipse post cetera, quorum causa hęc indictio fuerat celebrata, ad petitionem archiepiscopi, cunctis principibus in idipsum faventibus, legem tulit ratamque fore in perpetuum iussit, ne quis deinceps privato nomine nec publice dignitatis optentu vim aliquam loco illi faceret; non rex, non episcopus, non aliqua eminens in regno persona ibi quicquam iuris sibi usurparet; eligendi abbates penes monachos esse, suggererent tantum super eius ordinatione regi vel imperatori, quemcunque illis diebus contigisset preesse rei publicę. Additum est etiam in ipsis privilegiorum testamentis, quomodo idem imperator sanctis dei apostolis Symoni et Ivdę, quibus attitulata est Herosfeldensis ęcclesia, sanctoque Wigberto, qui corporaliter ibidem requiescit, inter cęteras donationes tradiderit tres ęcclesias dominicales, unam in Altstedi, alteram in Ostirhvosvn, terciam in Rietstedi, cum omnibus que ad eas pertinent in Frisonofelde et Hassega decimationibus. Hęc ergo, quę per manifesta conscriptionum atque sigillorum indicia ad nos usque venerunt, sicut antecessores nostri Karolvs, Livdewicvs et alii reges et imperatores, atavus, avus atque pater noster suis privilegiis probaverunt et confirmaverunt, nos quoque laudavimus, confirmavimus. roboravimus atque stabilivimus. Hi sunt testes, qui viderunt et audierunt: Brvno Treuerensis archiepiscopus, Adilgoz Magedeburgensis archiepiscopus, Cvonradvs Salzburgensis archiepiscopus, Bvorchardvs Monasteriensis episcopus, Reginhardvs Halberstatensis episcopus, Albewinvs Merseburgensis episcopus; marchio Deide, marchio Herman, comes Godefrid, comes Livodewic, comes Sizzo et alii quamplures. Ut autem firmum et inconvulsum omni evo permaneat, hanc cartam inde conscriptam nostri impressione sigilli, ut inferius apparet, propriaque manu roboratam iussimus insigniri.

Signum domni Heinrici quarti Romanorum imperatoris (M.8.) augusti (SMP.)

Adilbertus archiepiscopus et archicancellarius recognovi. (SI.3.)

Data III. idus ianuar., anno dominicę incarnationis millesimo CXII, regnante Heinrico quinto rege Romanorum anno sexto, ordinationis eius anno XIIIo, imperii vero eius Io; actum est Merseburc; in nomine domini amen.