Abschrift im Codex minor Spirensis von 1280/81 f. 35va–36ra im
Generallandesarchiv zu Karlsruhe (B). – Notarielles Transsumpt der
Inschrift von 1340 April 1 im Stadtarchiv zu Speyer (C; Original 1945
zugrunde gegangen). – Abschrift nach B im Diplomatarium Spirensis
ecclesie aus der Mitte des 14. Jh. f. 19r–20r im Historischen Archiv
der Stadt Köln (D). – Abschrift nach C mit deutscher Übersetzung im
städtischen Kopialbuch von ca. 1350 p. 160–169 im Stadtarchiv zu
Speyer (E). – Abschrift des 15. Jh. (1417) in cod. 5113 f. 131r–v der
Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien (Ea).
Drucke: Von I/III/II: Eysengrein, Chronolog. rer. urbis Spirae lib. XVI Bl. 203v–206r. – Simonis, Beschreibung aller Bischoffen zu Speyr 1.263 in deutscher Übersetzung. – Lehmann, Chronica 1.2350, 3306 aus Eysengrein. – Trithemius, Annal. Hirsaug. 1,351. – de Mutterstatt, Chron. Spir. in Senckenberg, Selecta iuris 6,171. – Würdtwein, Paraenetica 23 (aus Lehmann
ed. I). – Geissel, Der Kaiser-Dom zu Speyer 1,64 in deutscher Übersetzung (II nur als
Regest). – Aus B: Dümgé, Reg. Badensia 29 (nur II, vorausgehend Regest von I/III). – Remling, UB von Speyer 1,88 no
80. – Ders., Gesch. der Bischöfe zu Speyer 1,349 in deutscher Übersetzung. – Aus
C: Hilgard, Urk. der Stadt Speyer 17 no
14. – Kraus, Christl. Inschr. der Rheinlande 2,70ff. no
1521–2
(S. 70 aus Mutterstatt, S. 72 aus C). – Keutgen, Urk. zur städt. Verf.-Gesch. 14 no
21 Auszug aus Hilgard. – Bendel
in Mitt. d. Hist. Ver. der Pfalz 32,56 Beilage I sowie 39ff. Auszug
mit Paralleldruck des DF.I.827. – Aus B/C: Wibel
in AfU 6,261. – Doll
in Pfälz. Heimatbl. Jahrg. 9 no
8 (August 1961) in deutscher Übersetzung.
Nur von I/III: Crusius, Annales Svevici 2,318. – Guillimann, De ep. Argentin. 218 Auszug. – Lünig, Reichsarchiv 14,462. – Dumont, Corps diplomatique 1.1,64 no
113 (aus Lehmann
ed. III). – Würdtwein, Nova subsidia 1,136 = Bondam, Charterboek van Gelderland 1,164 no
17 = Gengler, Stadtrechte 449. – Sloet, OB Gelre en Zutfen 218 no
221 Auszug aus Dumont. – Fried-Lengle, Dok. z. Gesch. von Staat u. Ges. in Bayern 2.3,221 no
165 Auszug aus Remling.
Reg.: Zu I/III/II: Eccard, Corp. hist. 2,2263. – Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,493 no
16 (= I/III) und 524 no
3 (= II). – Ehlers, Metropolis 368 u. 278 no
44. – Stumpf
Reg. 3071 (= I/III) und 3072 (= II). Nur zu I/III: Grandidier, Hist. eccl. d’Alsace 2,215 no
557. – Erhard, Reg. Westf. 1,220 no
1373. – Stillfried-Maercker, Mon. Zoll. 1,5 no
4. – Goerz, Trierer Reg. 14. – Wauters, Table chronol. 2,53. – Gebele, Hermann von Augsburg 117 no
35. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 1,459 no
1643. – Ladewig-Müller, Constanzer Reg. 1,84 no
679. – Knipping, Kölner Reg. 2,13 no
84. – Wentzcke, Strassburger Reg. 1,301 no
384. – Kubach-Haas, Der Dom zu Speyer, Textb. 37 no
91. – Zoepfl-Volkert, Augsburger Reg. 1,247 no
404. – Müller, Urkundeninschriften 43 no
2. – Naumann-Hubeck, Grafen von Sponheim 63 no
39. – Böhmer
Reg. 2008.
Die erschöpfendste Untersuchung des D.90 bietet Müller
a.a.O. 23ff. und 43ff. Danach haben wir es, wie schon in den
Untersuchungen von Bendel
a.a.O. 23ff., bes. 32f. und in den kritischen Anmerkungen dazu von Hafen
ebenda 33,205ff. sowie von Wibel
a.a.O. 245ff. erkannt, mit einem einzigen Diplom Heinrichs zu tun,
wie denn auch das Barbarossa-Diplom von 1182 (s. unten) immer nur im
Singular von dem
privilegium des Vorgängers spricht (vgl. Anm. l’ und an). Demgegenüber waren die
gesamte handschriftliche Überlieferung – mit der einzigen Ausnahme von
G (s. Anm. a und t’) – und darauf beruhend alle Drucke und Regesten
sowie die ältere Literatur von zwei selbständigen Diplomen
ausgegangen, wobei das erste den ersten Teil [I] und das Eschatokoll
mit der Datierung [III], das zweite die Bestimmungen von [II], ohne
jede Einkleidung, umfasst gehabt hätte – nur der einfachen
Kennzeichnung dieses Sachverhalts dient unsere Zufügung der römischen
Ziffern I–III in eckigen Klammern.
Das Diplom war ferner, womit es auf deutschem Boden ohne Beispiel ist,
von Anfang an und ausschließlich als Inschrift konzipiert, das heißt, die (verlorene)
Inschrift hatte das
Original dargestellt: Es hat nie ein der Inschrift als Vorlage
dienendes besiegeltes Diplom existiert (vgl. zuletzt Ehlers
a.a.O. 122 Anm. 227 u. 137 Anm. 281), woraus sich auch das,
keinesfalls den Kopisten anzulastende, letztlich selbstverständliche
Fehlen von Signum- und Rekognitionszeile erklärt; aber auch im
nachhinein wurde die Inschrift nicht als Vorlage zur Herstellung einer
urkundlichen Ausfertigung verwendet, da das Transsumpt von 1340 (C)
sich ausdrücklich nur auf die Inschrift stützen konnte (s. Anm. a).
Schließlich steht fest, dass der überlieferte Text in allen Punkten
als unzweifelhaft echt zu gelten hat: Einerseits schloss die
exponierte Lage der Inschrift, auf die sich alle Handschriften
berufen, von vornherein jede nachträgliche Manipulation aus. Außerdem
hat die Dispositio weitgehend wörtlich Eingang gefunden in das als
Original erhaltene DF.I.827 von 1182 Mai 27 (= NU. bzw. NU.I; dieses
wörtlich transsumiert in dem von uns gelegentlich als NU.II zitierten
D. Ottos IV. von 1208 Dez. 2., B.-Ficker
Reg. 247, Hilgard
a.a.O. 27 no
25; zu weiteren Erneuerungen des Fridericianum vgl. Bendel
a.a.O. 24 Anm. 5 und Ehlers
a.a.O. 162 Anm. 383).
Neben der sachlich gebotenen Auslassung des Abschnittes über die
Seelgerätstiftung bietet das Fridericianum umgekehrt einige
Zufügungen, nämlich die Interpretation der Bestimmung über das
budeil (s. Anm. l’), eine Zusatzbestimmung am Schluss der Dispositio (s. Anm.
ag), aber auch eine Interpolation (s. Anm. g”). Während letztere schon
von Meyer von Knonau, Jahrb. 6,207 Anm. 161 richtig als “Einschub” gewertet ist (s. auch Wibel
a.a.O. 259, Müller
a.a.O. 46; bei Remling
ist der Satz in runde Klammern gesetzt), halten die Bearbeiter der
Barbarossa-Diplome den in dessen Original mittels Verweiszeichens am
Schluss der Zeugenliste nachgetragenen Satz (vgl. Faks. bei Hilgard
a.a.O. nach S. 565 und Koch, Schrift der Reichskanzlei Abb.84), der dann leicht verkürzt auch im
Otto-Diplom von 1208 auftaucht (s. Anm. g”), das demnach den Terminus
ad quem für die Interpolation bildet, für aus D.90 geschöpft; während Herkenrath, Reichskanzlei (1181–1190) 134 ausdrücklich erklärt, der Notar Robert
habe “bei der Reinschrift einen Satz aus der Vorurkunde [= D.90]
übersehen und ausgelassen”, der von anderer Hand nachgetragen worden
sei, ist im Druck zu dem in Petitsatz wiedergegebenen Satz (S. 34 Z.
44 – S. 35 Z. 1) in Anm. b nur die Nachtragung von anderer Hand
vermerkt; Koch, der a.a.O. 266–270 und 301 wiederholt auf die Schrift des DF.I.827
(= Stumpf Reg. 4341) eingeht, äußert sich überhaupt nicht zu der
Interpolation.
Dieser Satz war jedoch mit Sicherheit nicht in D.90 enthalten; es wäre
doch äußerst verwunderlich, wenn sowohl die Kopisten der ältesten
Handschriften unseres D. als auch der Verfasser des DF.I.827 denselben
Satz übersehen haben sollten. Wenn übrigens dieser Satz – aus der NU.
geschöpft – erstmals in dem Kopialbuch E in den Text von D.90
eingefügt ist, dann ergibt sich daraus, dass die Datierung dieses
Kopialbuches durch Hafen
(a.a.O. 206f. mit Anm. 1) in die Jahre 1333–1337 nicht zutreffen
kann, da der Satz in dem sonst mit E fast überall übereinstimmenden
Transsumpt C von 1340 (vgl. bes. Anm. o, al und at) noch fehlt,
weshalb die Datierung von E durch Müller
(a.a.O. 44) auf “um 1350” den Vorzug verdient (in seinem Stemma
a.a.O. 46 ist E auch richtig als von C abhängig gekennzeichnet; eine
umgekehrte Abhängigkeit des Transsumptes C von E scheidet auch deshalb
aus, weil die transsumierenden Notare von C sich ausdrücklich auf die
Inschrift als Vorlage berufen:
litteras subscriptas … descriptas [s. Anm. a] legimus et de verbo ad verbum transcripsimus …). – Lediglich erwähnt sei, dass in der Urkunde Herzog Philipps von
1198 Jan. 21 (B.-Ficker
Reg. 15; Hilgard
a.a.O. 25 no
22) die Einsetzung des Rats in Speyer letztlich auf Heinrich V.
zurückgeführt wurde (secundum ordinationem H. felicis memorie imperatoris augusti), vgl. dazu Arnold, Verf.-Gesch. d. Freistädte 1,179ff.
Abweichend von den gesicherten Feststellungen Müllers hatte zuvor insbesondere Wibel
a.a.O., dem sich Schramm
in NA 47,491ff. angeschlossen hatte, mit verfehlten, von Müller
a.a.O. 25 zurückgewiesenen Argumenten die Rückführung der Inschrift
unmittelbar auf Heinrich V. angezweifelt und Anfertigung durch die
Bürgerschaft spätestens vor 1182 aufgrund eines dabei verfälschten
echten Diploms Heinrichs V. angenommen, wobei dann auch eine
ursprünglich diplomgemäße Korroboratio umgestaltet worden sei; falls
doch schon eine frühere Inschrift existiert habe, sei deren Text bei
Renovierungen nach Dombränden von 1137 oder 1159 verfälscht worden. –
Die divergierenden Ansichten haben ihre Wurzel darin, dass die
Originalinschrift, nach Erneuerungen in den Jahren 1408 und 1429, bei
dem großen Dombrand von 1450 vollständig zerstört wurde (vgl. u.a. Müller
a.a.O. 47).
Wir haben uns deshalb auch bei der Textherstellung auf die vor diesem
Zeitpunkt entstandenen Abschriften beschränkt, auf die jüngeren nur
gelegentlich verwiesen; den bei Müller
a.a.O. 44f. verzeichneten 20 Handschriften können wir noch die
Überlieferungen Ea und Eb hinzufügen (vgl. die Empfänger-Übersicht, wo
wie auch im Folgenden bzw. in den Anmerkungen Müllers Siglen beibehalten sind). Selbständigen Wert können letztlich nur B,
an dessen Orthographie wir uns orientieren, und C beanspruchen; zum Verhältnis des Transsumptes C von 1340 (dessen Original ging
gleichfalls im Jahre 1945 zugrunde, die von uns mitgeteilten Lesungen
stützen sich auf die angegebenen Drucke bei Hilgard, Kraus, Bendel
und Wibel; letzterer, der Varianten von B und C bietet, stellt a.a.O. 255f.
sogar die Originalität des verlorenen Transsumptes in Frage), zu E
vgl. oben.
Textlich nicht verwertbar ist die von uns vereinzelt als “inscr.”
zitierte, nach der 1450 erfolgten Zerstörung des Originals
hergestellte Erneuerung der Inschrift, die ihrerseits, in damals schon
verstümmeltem Zustand, im Jahre 1755 beim Umbau des Westwerkes des
Domes beseitigt wurde und nur durch eine zuvor durch den
Stadtschreiber P. H. Blum gefertigte Nachzeichnung überliefert ist
(das Original der Nachzeichnung, früher Stadtarchiv Speyer Urk. no
165, ging ebenfalls 1945 zugrunde; Kupferstich danach bei Baur, Leben des berühmten Christoph Lehmanns, 1756, nach S. 126; Abb.
davon u.a. bei Kraus
a.a.O. 68f., Hilgard
a.a.O. nach S. 19, zu weiteren Abb. vgl. Müller
a.a.O. 45). – Die 7 fragmentarische Zeilen umfassenden Reste zeigen,
dass der Text der Erneuerung eine verkürzende, teilweise
umformulierende und umgruppierende (s. bes. Anm. t’) Überarbeitung des
Heinricianum, und zwar in einer interpolierten Fassung (s. Anm. g”;
zur Interpolation vgl. oben), dargestellt hatte, die zudem offenbar
über den Text des D.90 hinausging (in Z. 6 und 7 stehen Reste zweier
Bestimmungen, in denen jeweils von
naulum die Rede ist).
Während aus unserem D. und dem DF.I.827 sowie den jüngeren Quellen (zu
den Handschriften vgl. z.B. Anm. a, t’ und an; zu den sonstigen
Quellen vgl. Bendel
a.a.O. 32ff. und 47ff., Wibel
a.a.O. 247ff., Müller
a.a.O. 47f.), die über die materielle Ausführung der Inschrift
teilweise widersprüchliche Angaben machen, hinsichtlich ihrer
Plazierung zu entnehmen sein dürfte, dass sie sich, wie die jüngere
Inschrift, unter dem Gewölbe der Vorhalle (Paradies) über dem
mittleren Eingangstor zum Kircheninnern befunden hatte, verlautet
nichts über ihre textliche Anordnung. Der einzigen konkreten Vorgabe
der Korroboratio unseres D. über die
interposicio des Kaiserbildes hatte auch die jüngere Inschrift entsprochen, doch
kann in der Originalinschrift der Text nicht wie dort in im Bogen
angeordneten und durchlaufenden, nur durch das Kaiserbild
unterbrochenen Zeilen angebracht gewesen sein.
Der merkwürdige Befund der kopialen Überlieferung kann wohl nur durch
das Modell Müllers a.a.O. 48 (ebenso schon Hafen
a.a.O. 208ff. und ähnlich Bendel
a.a.O. 44ff.; zum Unterschied zwischen beiden s. Müller
a.a.O. Anm. 29; von Wibel
a.a.O. 257 als Erklärungsmöglichkeit ausdrücklich zurückgewiesen)
erklärt werden, dass der Text im flachen Tympanonfeld (nach der
Handschrift L [s. unten] mit geradem unteren Abschluss?) in drei
Kolumnen untergebracht war, von denen die linke und rechte Kolumne die
beiden Teile des Kontextes, [I] und [II], enthielten, die mittlere
Kolumne, unterhalb des sie zweifellos eröffnenden Kaiserbildes, den
Text des Eschatokolls [III] mit der umfangreichen Korroboratio und der
Datierung; die Kopisten hätten die überlieferte Unordnung dadurch
verursacht, dass sie die Texte der drei Kolumnen in der äußerlichen
Abfolge – [I], [III], [II] – abschrieben.
Die Gestaltung der mittleren Kolumne hätte dabei übrigens auch allen
kompositorischen Ansprüchen genügt: Der Text [III] in der unteren
Hälfte hatte fast exakt den halben Umfang der beiden seitlichen
Kolumnen, das mit einem angemessenen Abstand darüber angebrachte
Kaiserbild hätte die obere Kolumnenhälfte gefüllt und zugleich, an den
oberen Rand des Tympanonbogens reichend, die beiden seitlichen
Kolumnen ein wenig überragt (dies ist vielleicht in NU. S. 34 Z. 19f.
[s. Anm. an] mit dem
expressam et prominentem
continens imaginem gemeint; vgl. auch das
eminet des M-Randvermerkes in Anm. a).
Wie durchdacht diese Anordnung gewesen wäre, wird erst deutlich, wenn
eine Antwort zum Aussehen des Kaiserbildes gesucht wird: Schon Bendel
a.a.O. 27 hatte wegen des Hinweises in der Korroboratio, dass die
ymaginis interposicio der Beglaubigung dienen sollte (ut vigeat, corroboratum), an Ähnlichkeit mit dem Kaisersiegel gedacht, und Hafen
a.a.O. 211 nimmt darüber hinaus an, dass das Bild “eine Umschrift
nach Art der Siegelumschriften” hatte, die zugleich das in der
Textüberlieferung vermisste – weil nie vorhandene – Protokoll, mit
symbolischer Invokatio in Gestalt des Legendenkreuzes und Intitulatio,
ersetzen konnte.
Die Annahme, dass das Kaiserbild tatsächlich eine Wiedergabe des
Kaisersiegels gewesen sein dürfte, findet eine Stütze darin, dass in
der von der jüngeren Inschrift (inscr.) gebotenen Intitulatio (s. Anm.
a) nicht die diplomgemäße Devotionsformel
divina favente clementia, sondern die in den Siegellegenden verwendete Formel
dei gratia enthalten ist, damit womöglich den Befund der zerstörten
Originalinschrift bewahrend.
Das durch seinen Inhalt die Intitulatio vertretende Siegelbild wäre
aber gleichzeitig, durch seine Plazierung über Text [III], dem
formalen Vorbild eines Diploms gerecht geworden, wo sich das Siegel
als Beglaubigungsmittel (s. oben) immer in räumlicher Nähe zum
Eschatokoll befindet. – Nicht im Sinne Müllers a.a.O. 48 als zusätzliches Argument für den Siegelcharakter des
Kaiserbildes zu verwerten ist übrigens die von ihm zitierte
Handschrift L; denn die dort, am linken Rand von f. 26r in mittlerer
Höhe neben [II] gezeichnete Skizze eines Halbkreises (mit geradem
unteren Abschluß, daher evtl. nicht den Platz des Bildes, sondern das
ganze Tympanonfeld markierend) hat nicht, wie von ihm behauptet, die
mitgeteilte Intitulatio in Majuskelbuchstaben als “Umschrift”, sondern
als eine 5 waagerechte, durch den Halbkreis zerteilte Kurzzeilen
umfassende beseitende Beischrift:
HE/IN RI/CVS QVA/RTVS ROM. / IMPERA TOR / AVG. (die Schrägstriche markieren jeweils den Wechsel von der linken zur
rechten Seite); über der Skizze steht noch eine fehlerhafte
Wiederholung der Intitulatio in Normalschrift:
Henricus 4. Romanorum semper[!] augustus.
Fast durchwegs übersehen wurde bisher die für die Genese des Diploms
wichtige Tatsache, dass zwischen Handlung und Beurkundung eine Woche
verging (von Ehlers
a.a.O. 122 lediglich kommentarlos vermerkt) – und zugleich ein
Ortswechsel erfolgt war, vgl. dazu Stüllein, Itinerar 8f.
Der Termin für den ersten Besuch Speyers nach der Rückkehr vom
Italienzug war offenbar sorgsam vorausgeplant: In Rom hatte Heinrich
V. von P. Paschal II. die Lösung Heinrichs IV. von der zuletzt auf der
Fastensynode des Jahres 1102 erneuerten Exkommunikation erreicht (vgl.
die Chronik Ekkehards rec. III, ed. Schmale-Ott
304 Z. 35 – 305 Z. 4; s. Meyer von Knonau
a.a.O. 206 mit Anm. 159, Ehlers
a.a.O. 221), was schon in der emphatischen Seelgerätformel für
Heinrichs Eltern in DD.86 u. 87 seine Berücksichtigung gefunden hatte
(vgl. auch die Verwendung des Attributs
felicis memorie für Heinrich IV. in D.89). Der für die erst jetzt mögliche kirchliche
Beisetzung Heinrichs IV. gewählte Tag, der im Text nicht angegebene 7.
August (zu den Belegen vgl. Stüllein
a.a.O. 7 Anm. 14), an dem auch die Handlung erfolgte (in ipsa die sepulture eius), war identisch mit Heinrichs IV. Todestag im Jahre 1106 (vgl. die
Belege bei Meyer von Knonau
a.a.O. 5,314 Anm. 68; ebenda Anm. 66 zu Heinrichs IV. auf dem
Sterbebett geäußertem Wunsch nach Beisetzung im Speyerer Dom).
Zugleich wurde am 7. August das Fest der von Heinrich IV. besonders
verehrten Hl. Afra gefeiert, und in der von ihm gestifteten, aber noch
unvollendeten und daher noch nicht geweihten Afra-Kapelle an der
Nordseite des Domes (zur Kapelle vgl. Kubach-Haas
a.a.O. 447ff.; Ehlers
a.a.O. 120 mit Anm. 216 und 278 no
44 betont allerdings nachdrücklich, dass die Kapelle erst nach der
Umbettung Heinrichs IV. und ihrer danach erfolgten Konsekration das
Afra-Patrozinium erhielt) hatte der gebannte Kaiser seine vorläufige
Ruhestätte gefunden. Zu diesen und anderen Zusammenhängen vgl. Kubach-Haas
a.a.O. 447 Anm. 30, insbesondere aber Maschek
in MÖIG 47,186ff., der in D.90 eine doppelte Sühnestiftung Heinrichs
V. sieht, sowohl für die früheren Vergehen des jetzt vom Bann gelösten
Vaters als auch für sein eigenes schuldhaftes Verhalten diesem
gegenüber.
Die Ausfertigung, das heißt im vorliegenden Fall die Anerkennung der
Textvorlage für die Inschrift durch die Kanzlei, erfolgte nicht mehr
in Speyer, auf das sich nur das
actum der Datierung bezieht: Am 15. August befand sich der Hof schon in dem
drei Tagereisen (ca. 80 km) von Speyer entfernten Mainz, wo der
Kanzler und Mainzer Elekt Adalbert von Heinrich im Rahmen eines
Hoftages die Investitur als Erzbischof erhielt (vgl. Meyer von Knonau
a.a.O. 209f. mit Anm. 165; Stüllein
a.a.O. 7 Anm. 16 und 49); es ist daher anzunehmen, dass der Hof schon
am Vortag, dem für das
datum genannten 14. August, in Mainz eingetroffen war, jedenfalls spätestens
am 11. oder 12. August Speyer verlassen hatte; die Möglichkeit, dass
das
datum, also die Verabschiedung des Textes, nicht auf Mainz, sondern auf das
auf halbem Weg zwischen Speyer und Mainz gelegene Worms zu beziehen
wäre, wo man sicher, aber wohl nur für eine Übernachtung,
Zwischenstation gemacht hatte, ist wenig wahrscheinlich.
Völlig verfehlt ist die von Bendel
a.a.O. 29 als wahrscheinlich vertretene Ansicht, “dass Heinrich V.
vor seiner Abreise nach Mainz (am 14. August[!]) der feierlichen
Aufstellung der Inschrift noch persönlich beiwohnte”; die zweifellos
mehrere Wochen beanspruchende materielle Herstellung der umfangreichen
Metall-Inschrift
opera civium konnte erst nach der Verabschiedung des Textes vom 14. August und
seiner Übersendung nach Speyer in Angriff genommen werden. – Man wird
im übrigen mit Sicherheit davon ausgehen können, dass Heinrich
möglicherweise schon im September 1111 auf seinem Weg von Mainz nach
Straßburg (zwischen Sept. 4 u. 24), spätestens aber auf dem Rückweg
nach Mainz im Oktober (zwischen Okt. 2 u. 22; vgl. Stüllein
a.a.O. 49f.) in Speyer Station machte, um das fertige Werk in
Augenschein zu nehmen, bei welcher Gelegenheit auch seitens der
Kanzlei eine Überprüfung der textlichen Korrektheit erfolgt sein wird!
Aus der verzögerten Datierung des Textes ergibt sich, dass Notar
Adalbert A, dessen Diktat u.a. Protokoll, Publikatio, Seelgerätformel
(vgl. dazu DD.86 u. 87, s. oben), (Anfang der) Korroboratio und
Datierung entsprechen (vgl. Wibel
a.a.O. 258; Hausmann, Reichskanzlei 65 no
40 spricht von seinem Diktat nur für St. 3071 = I/III, natürlich gilt
seine Verfasserschaft auch für II) und der zunächst noch während der
auf den 7. August folgenden nächsten Tage des Speyerer Aufenthaltes, am
8. und 9. August, zwei Diplome für andere Empfänger verfasst hatte
(DD.87 u. 89), sich für die Herstellung des Textes, bei der er die
Formierung als Inschrift vorwegzunehmen hatte, relativ viel Zeit nahm.
Der Erfolg seiner Bemühungen zeigt sich einmal in der nicht nur ihrem
Umfang nach ganz ungewöhnlichen Korroboratio, in der er gehäufte und
zugleich ineinander verquickte rhetorische Figuren verwendete, nämlich
eine Art Reimprosa, den Cursus in allen vier Varianten sowie die
Parenthesis, indem jeweils die wie eine Interjektion wirkenden kleinen
Finalsätze einem Partizip vorgeschaltet sind (ut maneat, compositum usw.). – Da Vergleichbares in den sonstigen Diplomen des Notars nicht
anzutreffen ist, hat er sich bei der Formulierung vielleicht fremder
Hilfe bedient; es ist aber wohl allzu spekulativ, dabei an den in
D.114 genannten Speyerer Scholaster und Rhetoriklehrer Onulf (zu
diesem vgl. dortige Vorbemerkung) zu denken.
Die Eröffnung der Datierung in B mit
Datum (s. Anm. ap), bezogen auf das in der Korroboratio verwendete
insigne, statt des kanzleiüblichen, auf
carta oder
pagina bezogenen
Data, scheint uns übrigens eine Konsequenz der Konzeption des Diploms als
Inschrift zu sein. – Auch die unterstellte Aufteilung des Kontextes
auf zwei Kolumnen, wobei mit jeweils fast exakt gleichem Umfang (s. Bendel
a.a.O. 46) auf die Inschrift Bedacht genommen wurde, ist nicht rein
äußerlich, sondern spiegelt auch inhaltliche und formale Unterschiede
wider.
Teil [I], die zur Dotation der als primärer Zweck der Beurkundung
anzusehenden Seelgerätstiftung erteilte Befreiung der Bürgerschaft vom
budeil, ist als kaiserliche Gewährung (concessimus) dargestellt. Da es sich dabei aber letztlich um die Beschneidung
eines Rechts des Bischofs als Stadtherr handelte, war nicht nur dessen
Mitwirkung erforderlich, sondern vermutlich ist das auf ihn bezogene
concedente (s. Anm. o’), trotz der stilistischen Härte durch seine Stellung vor
dem kaiserlichen
concessimus, bewusst gewählt. Der Einbeziehung des Bischofs, der seinen Verzicht
persönlich vom
pulpitum aus erklären musste, diente vermutlich auch seine in einem Diplom
ungewöhnliche Erwähnung in der Datierung, die Wibel
a.a.O. 258f., unter Verweis auf die Parallele in D.114, wohl
unrichtig als privaturkundlichen Brauch wertet, ohne daraus direkt
einen Beleg für seine Annahme einer späteren Verfälschung abzuleiten.
Beim
budeil und dem erst durch das Barbarossa-Diplom mit einbezogenen Hauptrecht
(s. Anm. l’) handelt es sich um zwei verschiedene Arten der beim Tode
von Hörigen/Zensualen zu entrichtenden Abgaben, vgl. dazu Schulz
in Festschr. Helbig
121ff. und in Beiträge z. hochmal. Städtewesen 81ff., Opll, Stadt und Reich 145f. und Fuchs, Inschr. der Stadt Worms 31; eine exakte zeitgenössische Definition
beider Begriffe liefert letztlich das DF.I.853 für Worms von 1184 Jan.
3 (S. 83 Z. 9–23).
Hinsichtlich der hier genannten Fürsten macht Ehlers
in seiner Analyse des D.90 (a.a.O. 121ff.) geltend, es bestehe eine
angeblich auffallende “Kongruenz” mit dem Personenkreis der “römischen
Geheimverhandlungen” des Jahres 1111 (s. D.65); abgesehen davon, dass
diese Kongruenz nur ganz partiell gegeben ist (vgl. a.a.O. 121 mit
Anm. 223 und 123 mit Anm. 234) und sich einfach daraus erklärt, dass
ein Großteil der Teilnehmer des Italienzuges zur Beisetzung Heinrichs
IV. mit nach Speyer gekommen war, kann daraus und in Verbindung damit
aus dem Umstand, dass es nicht Bischof und Domkapitel waren, sondern
die Bürgerschaft, die durch D.90 privilegiert und mit der
Verantwortung für das Totengedenken betraut wurde (a.a.O. 123, s.a.
240 u. 249ff.), keineswegs mit Ehlers
auf ein kaiserliches “Programm” geschlossen werden.
Die auf die ihr
consilium erteilenden
principes folgenden fünf Laien, die Hilgards Register alle jeweils als
comes verzeichnet, sind als Vertreter der Bürgerschaft anzusehen (zum “Rat”
s. oben)
– Gerungus begegnet auch in dem zwei Jahre jüngeren D.114 für das Speyerer
Domkapitel –, und auf sie ist zweifellos das
peticione zu beziehen, während in Teil [II] nur von
principum consilio die Rede ist.
Dieser zweite Teil der Dispositio [II], der mit einem erneuten
argumentum und nochmaliger Erwähnung des Fürstenrates eröffnet wird, versteht
sich nach der einleitenden Formulierung
corroborare decrevimus primär nicht als Neuverleihung (trotz des
hactenus in der ersten Bestimmung), sondern als Anerkennung einer Reihe wohl
schon bestehender
iura des
locus Speyer. Auffällig ist dabei, dass nur in den drei ersten sowie der
sechsten der insgesamt 10 Einzelbestimmungen Heinrich selbst spricht,
in den beiden ersten mit den stärkeren Verben
statuimus bzw.
remittimus, in der dritten und sechsten (s. auch Anm. g”) mit dem schwächeren
volumus eciam; die restlichen sechs Bestimmungen sind objektiv formuliert (darunter
auch die achte Bestimmung, die sich neben dem in der ersten, subjektiv
formulierten Bestimmung genannten
theloneum in civitate auf das
theloneum in toto episcopatu bezieht).
Dieser Befund spricht dafür, dass der Notar über eine von der
Bürgerschaft gelieferte Vorlage verfügte, die sicher insgesamt
objektiv formuliert gewesen war; offen bleibt, ob die subjektiv
formulierten Bestimmungen tatsächlich Neuverleihungen Heinrichs waren,
oder ob alle Bestimmungen schon in der Vorlage enthalten waren und der Notar, evtl. aus Nachlässigkeit, bei der Mehrzahl die
subjektive Umformulierung unterließ. Denkbar wäre auch, dass die
unterschiedliche Formulierung, die übrigens in NU. beibehalten ist,
dadurch verursacht war, dass die Bürgerschaft in der Endphase des
Speyerer Aufenthaltes die nachträgliche Aufnahme einzelner Artikel
begehrte (zu analoger Vermutung hinsichtlich des DF.I.853 für Worms
von 1184, dass “die Wormser Empfänger … um Zusätze eingekommen waren”,
vgl. Fuchs
a.a.O. 30), was auch die separate Nennung des
theloneum in toto episcopatu (s. oben) verständlich machen könnte. Auszuschließen ist jedenfalls,
dass sich dahinter spätere Interpolationen verbergen; erst recht ist
die verfehlte Vorstellung Wibels a.a.O. 259 von der Existenz eines zusätzlich durch B. Bruno den
Bürgern verliehenen Privilegs, das bei den vermeintlichen Erneuerungen
der Inschriften mit dem Diplom vermengt worden wäre, als Erklärung
abzulehnen.