Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
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Heinrich gewährt anlässlich der Beisetzung seines Vaters, Kaiser Heinrichs IV., durch ein in goldenen Lettern am Dom angebrachtes Privileg den Einwohnern der Stadt Speyer unter Mitwirkung B. Brunos die Befreiung vom Buteil, wofür diese zum feierlichen Begängnis des Jahrtages Heinrichs IV. in Verbindung mit einer Armenspende verpflichtet werden, und bestätigt den Bürgern als Anerkennung für die beständige Treue weitere einzeln aufgeführte Rechte.

Speyer, 1111 (August 7) – (Mainz), 1111 August 14.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift im Codex minor Spirensis von 1280/81 f. 35va–36ra im Generallandesarchiv zu Karlsruhe (B). – Notarielles Transsumpt der Inschrift von 1340 April 1 im Stadtarchiv zu Speyer (C; Original 1945 zugrunde gegangen). – Abschrift nach B im Diplomatarium Spirensis ecclesie aus der Mitte des 14. Jh. f. 19r–20r im Historischen Archiv der Stadt Köln (D). – Abschrift nach C mit deutscher Übersetzung im städtischen Kopialbuch von ca. 1350 p. 160–169 im Stadtarchiv zu Speyer (E). – Abschrift des 15. Jh. (1417) in cod. 5113 f. 131r–v der Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien (Ea).

Drucke: Von I/III/II: Eysengrein, Chronolog. rer. urbis Spirae lib. XVI Bl. 203v–206r. – Simonis, Beschreibung aller Bischoffen zu Speyr 1.263 in deutscher Übersetzung. – Lehmann, Chronica 1.2350, 3306 aus Eysengrein. – Trithemius, Annal. Hirsaug. 1,351. – de Mutterstatt, Chron. Spir. in Senckenberg, Selecta iuris 6,171. – Würdtwein, Paraenetica 23 (aus Lehmann ed. I). – Geissel, Der Kaiser-Dom zu Speyer 1,64 in deutscher Übersetzung (II nur als Regest). – Aus B: Dümgé, Reg. Badensia 29 (nur II, vorausgehend Regest von I/III). – Remling, UB von Speyer 1,88 no 80. – Ders., Gesch. der Bischöfe zu Speyer 1,349 in deutscher Übersetzung. – Aus C: Hilgard, Urk. der Stadt Speyer 17 no 14. – Kraus, Christl. Inschr. der Rheinlande 2,70ff. no 1521–2 (S. 70 aus Mutterstatt, S. 72 aus C). – Keutgen, Urk. zur städt. Verf.-Gesch. 14 no 21 Auszug aus Hilgard. – Bendel in Mitt. d. Hist. Ver. der Pfalz 32,56 Beilage I sowie 39ff. Auszug mit Paralleldruck des DF.I.827. – Aus B/C: Wibel in AfU 6,261. – Doll in Pfälz. Heimatbl. Jahrg. 9 no 8 (August 1961) in deutscher Übersetzung.

Nur von I/III: Crusius, Annales Svevici 2,318. – Guillimann, De ep. Argentin. 218 Auszug. – Lünig, Reichsarchiv 14,462. – Dumont, Corps diplomatique 1.1,64 no 113 (aus Lehmann ed. III). – Würdtwein, Nova subsidia 1,136 = Bondam, Charterboek van Gelderland 1,164 no 17 = Gengler, Stadtrechte 449. – Sloet, OB Gelre en Zutfen 218 no 221 Auszug aus Dumont. – Fried-Lengle, Dok. z. Gesch. von Staat u. Ges. in Bayern 2.3,221 no 165 Auszug aus Remling.

Reg.: Zu I/III/II: Eccard, Corp. hist. 2,2263. – Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,493 no 16 (= I/III) und 524 no 3 (= II). – Ehlers, Metropolis 368 u. 278 no 44. – Stumpf Reg. 3071 (= I/III) und 3072 (= II). Nur zu I/III: Grandidier, Hist. eccl. d’Alsace 2,215 no 557. – Erhard, Reg. Westf. 1,220 no 1373. – Stillfried-Maercker, Mon. Zoll. 1,5 no 4. – Goerz, Trierer Reg. 14. – Wauters, Table chronol. 2,53. – Gebele, Hermann von Augsburg 117 no 35. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 1,459 no 1643. – Ladewig-Müller, Constanzer Reg. 1,84 no 679. – Knipping, Kölner Reg. 2,13 no 84. – Wentzcke, Strassburger Reg. 1,301 no 384. – Kubach-Haas, Der Dom zu Speyer, Textb. 37 no 91. – Zoepfl-Volkert, Augsburger Reg. 1,247 no 404. – Müller, Urkundeninschriften 43 no 2. – Naumann-Hubeck, Grafen von Sponheim 63 no 39. – Böhmer Reg. 2008.

Die erschöpfendste Untersuchung des D.90 bietet Müller a.a.O. 23ff. und 43ff. Danach haben wir es, wie schon in den Untersuchungen von Bendel a.a.O. 23ff., bes. 32f. und in den kritischen Anmerkungen dazu von Hafen ebenda 33,205ff. sowie von Wibel a.a.O. 245ff. erkannt, mit einem einzigen Diplom Heinrichs zu tun, wie denn auch das Barbarossa-Diplom von 1182 (s. unten) immer nur im Singular von dem privilegium des Vorgängers spricht (vgl. Anm. l’ und an). Demgegenüber waren die gesamte handschriftliche Überlieferung – mit der einzigen Ausnahme von G (s. Anm. a und t’) – und darauf beruhend alle Drucke und Regesten sowie die ältere Literatur von zwei selbständigen Diplomen ausgegangen, wobei das erste den ersten Teil [I] und das Eschatokoll mit der Datierung [III], das zweite die Bestimmungen von [II], ohne jede Einkleidung, umfasst gehabt hätte – nur der einfachen Kennzeichnung dieses Sachverhalts dient unsere Zufügung der römischen Ziffern I–III in eckigen Klammern.

Das Diplom war ferner, womit es auf deutschem Boden ohne Beispiel ist, von Anfang an und ausschließlich als Inschrift konzipiert, das heißt, die (verlorene) Inschrift hatte das Original dargestellt: Es hat nie ein der Inschrift als Vorlage dienendes besiegeltes Diplom existiert (vgl. zuletzt Ehlers a.a.O. 122 Anm. 227 u. 137 Anm. 281), woraus sich auch das, keinesfalls den Kopisten anzulastende, letztlich selbstverständliche Fehlen von Signum- und Rekognitionszeile erklärt; aber auch im nachhinein wurde die Inschrift nicht als Vorlage zur Herstellung einer urkundlichen Ausfertigung verwendet, da das Transsumpt von 1340 (C) sich ausdrücklich nur auf die Inschrift stützen konnte (s. Anm. a).

Schließlich steht fest, dass der überlieferte Text in allen Punkten als unzweifelhaft echt zu gelten hat: Einerseits schloss die exponierte Lage der Inschrift, auf die sich alle Handschriften berufen, von vornherein jede nachträgliche Manipulation aus. Außerdem hat die Dispositio weitgehend wörtlich Eingang gefunden in das als Original erhaltene DF.I.827 von 1182 Mai 27 (= NU. bzw. NU.I; dieses wörtlich transsumiert in dem von uns gelegentlich als NU.II zitierten D. Ottos IV. von 1208 Dez. 2., B.-Ficker Reg. 247, Hilgard a.a.O. 27 no 25; zu weiteren Erneuerungen des Fridericianum vgl. Bendel a.a.O. 24 Anm. 5 und Ehlers a.a.O. 162 Anm. 383).

Neben der sachlich gebotenen Auslassung des Abschnittes über die Seelgerätstiftung bietet das Fridericianum umgekehrt einige Zufügungen, nämlich die Interpretation der Bestimmung über das budeil (s. Anm. l’), eine Zusatzbestimmung am Schluss der Dispositio (s. Anm. ag), aber auch eine Interpolation (s. Anm. g”). Während letztere schon von Meyer von Knonau, Jahrb. 6,207 Anm. 161 richtig als “Einschub” gewertet ist (s. auch Wibel a.a.O. 259, Müller a.a.O. 46; bei Remling ist der Satz in runde Klammern gesetzt), halten die Bearbeiter der Barbarossa-Diplome den in dessen Original mittels Verweiszeichens am Schluss der Zeugenliste nachgetragenen Satz (vgl. Faks. bei Hilgard a.a.O. nach S. 565 und Koch, Schrift der Reichskanzlei Abb.84), der dann leicht verkürzt auch im Otto-Diplom von 1208 auftaucht (s. Anm. g”), das demnach den Terminus ad quem für die Interpolation bildet, für aus D.90 geschöpft; während Herkenrath, Reichskanzlei (1181–1190) 134 ausdrücklich erklärt, der Notar Robert habe “bei der Reinschrift einen Satz aus der Vorurkunde [= D.90] übersehen und ausgelassen”, der von anderer Hand nachgetragen worden sei, ist im Druck zu dem in Petitsatz wiedergegebenen Satz (S. 34 Z. 44 – S. 35 Z. 1) in Anm. b nur die Nachtragung von anderer Hand vermerkt; Koch, der a.a.O. 266–270 und 301 wiederholt auf die Schrift des DF.I.827 (= Stumpf Reg. 4341) eingeht, äußert sich überhaupt nicht zu der Interpolation.

Dieser Satz war jedoch mit Sicherheit nicht in D.90 enthalten; es wäre doch äußerst verwunderlich, wenn sowohl die Kopisten der ältesten Handschriften unseres D. als auch der Verfasser des DF.I.827 denselben Satz übersehen haben sollten. Wenn übrigens dieser Satz – aus der NU. geschöpft – erstmals in dem Kopialbuch E in den Text von D.90 eingefügt ist, dann ergibt sich daraus, dass die Datierung dieses Kopialbuches durch Hafen (a.a.O. 206f. mit Anm. 1) in die Jahre 1333–1337 nicht zutreffen kann, da der Satz in dem sonst mit E fast überall übereinstimmenden Transsumpt C von 1340 (vgl. bes. Anm. o, al und at) noch fehlt, weshalb die Datierung von E durch Müller (a.a.O. 44) auf “um 1350” den Vorzug verdient (in seinem Stemma a.a.O. 46 ist E auch richtig als von C abhängig gekennzeichnet; eine umgekehrte Abhängigkeit des Transsumptes C von E scheidet auch deshalb aus, weil die transsumierenden Notare von C sich ausdrücklich auf die Inschrift als Vorlage berufen: litteras subscriptas … descriptas [s. Anm. a] legimus et de verbo ad verbum transcripsimus …). – Lediglich erwähnt sei, dass in der Urkunde Herzog Philipps von 1198 Jan. 21 (B.-Ficker Reg. 15; Hilgard a.a.O. 25 no 22) die Einsetzung des Rats in Speyer letztlich auf Heinrich V. zurückgeführt wurde (secundum ordinationem H. felicis memorie imperatoris augusti), vgl. dazu Arnold, Verf.-Gesch. d. Freistädte 1,179ff.

Abweichend von den gesicherten Feststellungen Müllers hatte zuvor insbesondere Wibel a.a.O., dem sich Schramm in NA 47,491ff. angeschlossen hatte, mit verfehlten, von Müller a.a.O. 25 zurückgewiesenen Argumenten die Rückführung der Inschrift unmittelbar auf Heinrich V. angezweifelt und Anfertigung durch die Bürgerschaft spätestens vor 1182 aufgrund eines dabei verfälschten echten Diploms Heinrichs V. angenommen, wobei dann auch eine ursprünglich diplomgemäße Korroboratio umgestaltet worden sei; falls doch schon eine frühere Inschrift existiert habe, sei deren Text bei Renovierungen nach Dombränden von 1137 oder 1159 verfälscht worden. – Die divergierenden Ansichten haben ihre Wurzel darin, dass die Originalinschrift, nach Erneuerungen in den Jahren 1408 und 1429, bei dem großen Dombrand von 1450 vollständig zerstört wurde (vgl. u.a. Müller a.a.O. 47).

Wir haben uns deshalb auch bei der Textherstellung auf die vor diesem Zeitpunkt entstandenen Abschriften beschränkt, auf die jüngeren nur gelegentlich verwiesen; den bei Müller a.a.O. 44f. verzeichneten 20 Handschriften können wir noch die Überlieferungen Ea und Eb hinzufügen (vgl. die Empfänger-Übersicht, wo wie auch im Folgenden bzw. in den Anmerkungen Müllers Siglen beibehalten sind). Selbständigen Wert können letztlich nur B, an dessen Orthographie wir uns orientieren, und C beanspruchen; zum Verhältnis des Transsumptes C von 1340 (dessen Original ging gleichfalls im Jahre 1945 zugrunde, die von uns mitgeteilten Lesungen stützen sich auf die angegebenen Drucke bei Hilgard, Kraus, Bendel und Wibel; letzterer, der Varianten von B und C bietet, stellt a.a.O. 255f. sogar die Originalität des verlorenen Transsumptes in Frage), zu E vgl. oben.

Textlich nicht verwertbar ist die von uns vereinzelt als “inscr.” zitierte, nach der 1450 erfolgten Zerstörung des Originals hergestellte Erneuerung der Inschrift, die ihrerseits, in damals schon verstümmeltem Zustand, im Jahre 1755 beim Umbau des Westwerkes des Domes beseitigt wurde und nur durch eine zuvor durch den Stadtschreiber P. H. Blum gefertigte Nachzeichnung überliefert ist (das Original der Nachzeichnung, früher Stadtarchiv Speyer Urk. no 165, ging ebenfalls 1945 zugrunde; Kupferstich danach bei Baur, Leben des berühmten Christoph Lehmanns, 1756, nach S. 126; Abb. davon u.a. bei Kraus a.a.O. 68f., Hilgard a.a.O. nach S. 19, zu weiteren Abb. vgl. Müller a.a.O. 45). – Die 7 fragmentarische Zeilen umfassenden Reste zeigen, dass der Text der Erneuerung eine verkürzende, teilweise umformulierende und umgruppierende (s. bes. Anm. t’) Überarbeitung des Heinricianum, und zwar in einer interpolierten Fassung (s. Anm. g”; zur Interpolation vgl. oben), dargestellt hatte, die zudem offenbar über den Text des D.90 hinausging (in Z. 6 und 7 stehen Reste zweier Bestimmungen, in denen jeweils von naulum die Rede ist).

Während aus unserem D. und dem DF.I.827 sowie den jüngeren Quellen (zu den Handschriften vgl. z.B. Anm. a, t’ und an; zu den sonstigen Quellen vgl. Bendel a.a.O. 32ff. und 47ff., Wibel a.a.O. 247ff., Müller a.a.O. 47f.), die über die materielle Ausführung der Inschrift teilweise widersprüchliche Angaben machen, hinsichtlich ihrer Plazierung zu entnehmen sein dürfte, dass sie sich, wie die jüngere Inschrift, unter dem Gewölbe der Vorhalle (Paradies) über dem mittleren Eingangstor zum Kircheninnern befunden hatte, verlautet nichts über ihre textliche Anordnung. Der einzigen konkreten Vorgabe der Korroboratio unseres D. über die interposicio des Kaiserbildes hatte auch die jüngere Inschrift entsprochen, doch kann in der Originalinschrift der Text nicht wie dort in im Bogen angeordneten und durchlaufenden, nur durch das Kaiserbild unterbrochenen Zeilen angebracht gewesen sein.

Der merkwürdige Befund der kopialen Überlieferung kann wohl nur durch das Modell Müllers a.a.O. 48 (ebenso schon Hafen a.a.O. 208ff. und ähnlich Bendel a.a.O. 44ff.; zum Unterschied zwischen beiden s. Müller a.a.O. Anm. 29; von Wibel a.a.O. 257 als Erklärungsmöglichkeit ausdrücklich zurückgewiesen) erklärt werden, dass der Text im flachen Tympanonfeld (nach der Handschrift L [s. unten] mit geradem unteren Abschluss?) in drei Kolumnen untergebracht war, von denen die linke und rechte Kolumne die beiden Teile des Kontextes, [I] und [II], enthielten, die mittlere Kolumne, unterhalb des sie zweifellos eröffnenden Kaiserbildes, den Text des Eschatokolls [III] mit der umfangreichen Korroboratio und der Datierung; die Kopisten hätten die überlieferte Unordnung dadurch verursacht, dass sie die Texte der drei Kolumnen in der äußerlichen Abfolge – [I], [III], [II] – abschrieben.

Die Gestaltung der mittleren Kolumne hätte dabei übrigens auch allen kompositorischen Ansprüchen genügt: Der Text [III] in der unteren Hälfte hatte fast exakt den halben Umfang der beiden seitlichen Kolumnen, das mit einem angemessenen Abstand darüber angebrachte Kaiserbild hätte die obere Kolumnenhälfte gefüllt und zugleich, an den oberen Rand des Tympanonbogens reichend, die beiden seitlichen Kolumnen ein wenig überragt (dies ist vielleicht in NU. S. 34 Z. 19f. [s. Anm. an] mit dem expressam et prominentem continens imaginem gemeint; vgl. auch das eminet des M-Randvermerkes in Anm. a).

Wie durchdacht diese Anordnung gewesen wäre, wird erst deutlich, wenn eine Antwort zum Aussehen des Kaiserbildes gesucht wird: Schon Bendel a.a.O. 27 hatte wegen des Hinweises in der Korroboratio, dass die ymaginis interposicio der Beglaubigung dienen sollte (ut vigeat, corroboratum), an Ähnlichkeit mit dem Kaisersiegel gedacht, und Hafen a.a.O. 211 nimmt darüber hinaus an, dass das Bild “eine Umschrift nach Art der Siegelumschriften” hatte, die zugleich das in der Textüberlieferung vermisste – weil nie vorhandene – Protokoll, mit symbolischer Invokatio in Gestalt des Legendenkreuzes und Intitulatio, ersetzen konnte.

Die Annahme, dass das Kaiserbild tatsächlich eine Wiedergabe des Kaisersiegels gewesen sein dürfte, findet eine Stütze darin, dass in der von der jüngeren Inschrift (inscr.) gebotenen Intitulatio (s. Anm. a) nicht die diplomgemäße Devotionsformel divina favente clementia, sondern die in den Siegellegenden verwendete Formel dei gratia enthalten ist, damit womöglich den Befund der zerstörten Originalinschrift bewahrend.

Das durch seinen Inhalt die Intitulatio vertretende Siegelbild wäre aber gleichzeitig, durch seine Plazierung über Text [III], dem formalen Vorbild eines Diploms gerecht geworden, wo sich das Siegel als Beglaubigungsmittel (s. oben) immer in räumlicher Nähe zum Eschatokoll befindet. – Nicht im Sinne Müllers a.a.O. 48 als zusätzliches Argument für den Siegelcharakter des Kaiserbildes zu verwerten ist übrigens die von ihm zitierte Handschrift L; denn die dort, am linken Rand von f. 26r in mittlerer Höhe neben [II] gezeichnete Skizze eines Halbkreises (mit geradem unteren Abschluß, daher evtl. nicht den Platz des Bildes, sondern das ganze Tympanonfeld markierend) hat nicht, wie von ihm behauptet, die mitgeteilte Intitulatio in Majuskelbuchstaben als “Umschrift”, sondern als eine 5 waagerechte, durch den Halbkreis zerteilte Kurzzeilen umfassende beseitende Beischrift: HE/IN RI/CVS QVA/RTVS ROM. / IMPERA TOR / AVG. (die Schrägstriche markieren jeweils den Wechsel von der linken zur rechten Seite); über der Skizze steht noch eine fehlerhafte Wiederholung der Intitulatio in Normalschrift: Henricus 4. Romanorum semper[!] augustus.

Fast durchwegs übersehen wurde bisher die für die Genese des Diploms wichtige Tatsache, dass zwischen Handlung und Beurkundung eine Woche verging (von Ehlers a.a.O. 122 lediglich kommentarlos vermerkt) – und zugleich ein Ortswechsel erfolgt war, vgl. dazu Stüllein, Itinerar 8f.

Der Termin für den ersten Besuch Speyers nach der Rückkehr vom Italienzug war offenbar sorgsam vorausgeplant: In Rom hatte Heinrich V. von P. Paschal II. die Lösung Heinrichs IV. von der zuletzt auf der Fastensynode des Jahres 1102 erneuerten Exkommunikation erreicht (vgl. die Chronik Ekkehards rec. III, ed. Schmale-Ott 304 Z. 35 – 305 Z. 4; s. Meyer von Knonau a.a.O. 206 mit Anm. 159, Ehlers a.a.O. 221), was schon in der emphatischen Seelgerätformel für Heinrichs Eltern in DD.86 u. 87 seine Berücksichtigung gefunden hatte (vgl. auch die Verwendung des Attributs felicis memorie für Heinrich IV. in D.89). Der für die erst jetzt mögliche kirchliche Beisetzung Heinrichs IV. gewählte Tag, der im Text nicht angegebene 7. August (zu den Belegen vgl. Stüllein a.a.O. 7 Anm. 14), an dem auch die Handlung erfolgte (in ipsa die sepulture eius), war identisch mit Heinrichs IV. Todestag im Jahre 1106 (vgl. die Belege bei Meyer von Knonau a.a.O. 5,314 Anm. 68; ebenda Anm. 66 zu Heinrichs IV. auf dem Sterbebett geäußertem Wunsch nach Beisetzung im Speyerer Dom).

Zugleich wurde am 7. August das Fest der von Heinrich IV. besonders verehrten Hl. Afra gefeiert, und in der von ihm gestifteten, aber noch unvollendeten und daher noch nicht geweihten Afra-Kapelle an der Nordseite des Domes (zur Kapelle vgl. Kubach-Haas a.a.O. 447ff.; Ehlers a.a.O. 120 mit Anm. 216 und 278 no 44 betont allerdings nachdrücklich, dass die Kapelle erst nach der Umbettung Heinrichs IV. und ihrer danach erfolgten Konsekration das Afra-Patrozinium erhielt) hatte der gebannte Kaiser seine vorläufige Ruhestätte gefunden. Zu diesen und anderen Zusammenhängen vgl. Kubach-Haas a.a.O. 447 Anm. 30, insbesondere aber Maschek in MÖIG 47,186ff., der in D.90 eine doppelte Sühnestiftung Heinrichs V. sieht, sowohl für die früheren Vergehen des jetzt vom Bann gelösten Vaters als auch für sein eigenes schuldhaftes Verhalten diesem gegenüber.

Die Ausfertigung, das heißt im vorliegenden Fall die Anerkennung der Textvorlage für die Inschrift durch die Kanzlei, erfolgte nicht mehr in Speyer, auf das sich nur das actum der Datierung bezieht: Am 15. August befand sich der Hof schon in dem drei Tagereisen (ca. 80 km) von Speyer entfernten Mainz, wo der Kanzler und Mainzer Elekt Adalbert von Heinrich im Rahmen eines Hoftages die Investitur als Erzbischof erhielt (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 209f. mit Anm. 165; Stüllein a.a.O. 7 Anm. 16 und 49); es ist daher anzunehmen, dass der Hof schon am Vortag, dem für das datum genannten 14. August, in Mainz eingetroffen war, jedenfalls spätestens am 11. oder 12. August Speyer verlassen hatte; die Möglichkeit, dass das datum, also die Verabschiedung des Textes, nicht auf Mainz, sondern auf das auf halbem Weg zwischen Speyer und Mainz gelegene Worms zu beziehen wäre, wo man sicher, aber wohl nur für eine Übernachtung, Zwischenstation gemacht hatte, ist wenig wahrscheinlich.

Völlig verfehlt ist die von Bendel a.a.O. 29 als wahrscheinlich vertretene Ansicht, “dass Heinrich V. vor seiner Abreise nach Mainz (am 14. August[!]) der feierlichen Aufstellung der Inschrift noch persönlich beiwohnte”; die zweifellos mehrere Wochen beanspruchende materielle Herstellung der umfangreichen Metall-Inschrift opera civium konnte erst nach der Verabschiedung des Textes vom 14. August und seiner Übersendung nach Speyer in Angriff genommen werden. – Man wird im übrigen mit Sicherheit davon ausgehen können, dass Heinrich möglicherweise schon im September 1111 auf seinem Weg von Mainz nach Straßburg (zwischen Sept. 4 u. 24), spätestens aber auf dem Rückweg nach Mainz im Oktober (zwischen Okt. 2 u. 22; vgl. Stüllein a.a.O. 49f.) in Speyer Station machte, um das fertige Werk in Augenschein zu nehmen, bei welcher Gelegenheit auch seitens der Kanzlei eine Überprüfung der textlichen Korrektheit erfolgt sein wird!

Aus der verzögerten Datierung des Textes ergibt sich, dass Notar Adalbert A, dessen Diktat u.a. Protokoll, Publikatio, Seelgerätformel (vgl. dazu DD.86 u. 87, s. oben), (Anfang der) Korroboratio und Datierung entsprechen (vgl. Wibel a.a.O. 258; Hausmann, Reichskanzlei 65 no 40 spricht von seinem Diktat nur für St. 3071 = I/III, natürlich gilt seine Verfasserschaft auch für II) und der zunächst noch während der auf den 7. August folgenden nächsten Tage des Speyerer Aufenthaltes, am 8. und 9. August, zwei Diplome für andere Empfänger verfasst hatte (DD.87 u. 89), sich für die Herstellung des Textes, bei der er die Formierung als Inschrift vorwegzunehmen hatte, relativ viel Zeit nahm.

Der Erfolg seiner Bemühungen zeigt sich einmal in der nicht nur ihrem Umfang nach ganz ungewöhnlichen Korroboratio, in der er gehäufte und zugleich ineinander verquickte rhetorische Figuren verwendete, nämlich eine Art Reimprosa, den Cursus in allen vier Varianten sowie die Parenthesis, indem jeweils die wie eine Interjektion wirkenden kleinen Finalsätze einem Partizip vorgeschaltet sind (ut maneat, compositum usw.). – Da Vergleichbares in den sonstigen Diplomen des Notars nicht anzutreffen ist, hat er sich bei der Formulierung vielleicht fremder Hilfe bedient; es ist aber wohl allzu spekulativ, dabei an den in D.114 genannten Speyerer Scholaster und Rhetoriklehrer Onulf (zu diesem vgl. dortige Vorbemerkung) zu denken.

Die Eröffnung der Datierung in B mit Datum (s. Anm. ap), bezogen auf das in der Korroboratio verwendete insigne, statt des kanzleiüblichen, auf carta oder pagina bezogenen Data, scheint uns übrigens eine Konsequenz der Konzeption des Diploms als Inschrift zu sein. – Auch die unterstellte Aufteilung des Kontextes auf zwei Kolumnen, wobei mit jeweils fast exakt gleichem Umfang (s. Bendel a.a.O. 46) auf die Inschrift Bedacht genommen wurde, ist nicht rein äußerlich, sondern spiegelt auch inhaltliche und formale Unterschiede wider.

Teil [I], die zur Dotation der als primärer Zweck der Beurkundung anzusehenden Seelgerätstiftung erteilte Befreiung der Bürgerschaft vom budeil, ist als kaiserliche Gewährung (concessimus) dargestellt. Da es sich dabei aber letztlich um die Beschneidung eines Rechts des Bischofs als Stadtherr handelte, war nicht nur dessen Mitwirkung erforderlich, sondern vermutlich ist das auf ihn bezogene concedente (s. Anm. o’), trotz der stilistischen Härte durch seine Stellung vor dem kaiserlichen concessimus, bewusst gewählt. Der Einbeziehung des Bischofs, der seinen Verzicht persönlich vom pulpitum aus erklären musste, diente vermutlich auch seine in einem Diplom ungewöhnliche Erwähnung in der Datierung, die Wibel a.a.O. 258f., unter Verweis auf die Parallele in D.114, wohl unrichtig als privaturkundlichen Brauch wertet, ohne daraus direkt einen Beleg für seine Annahme einer späteren Verfälschung abzuleiten.

Beim budeil und dem erst durch das Barbarossa-Diplom mit einbezogenen Hauptrecht (s. Anm. l’) handelt es sich um zwei verschiedene Arten der beim Tode von Hörigen/Zensualen zu entrichtenden Abgaben, vgl. dazu Schulz in Festschr. Helbig 121ff. und in Beiträge z. hochmal. Städtewesen 81ff., Opll, Stadt und Reich 145f. und Fuchs, Inschr. der Stadt Worms 31; eine exakte zeitgenössische Definition beider Begriffe liefert letztlich das DF.I.853 für Worms von 1184 Jan. 3 (S. 83 Z. 9–23).

Hinsichtlich der hier genannten Fürsten macht Ehlers in seiner Analyse des D.90 (a.a.O. 121ff.) geltend, es bestehe eine angeblich auffallende “Kongruenz” mit dem Personenkreis der “römischen Geheimverhandlungen” des Jahres 1111 (s. D.65); abgesehen davon, dass diese Kongruenz nur ganz partiell gegeben ist (vgl. a.a.O. 121 mit Anm. 223 und 123 mit Anm. 234) und sich einfach daraus erklärt, dass ein Großteil der Teilnehmer des Italienzuges zur Beisetzung Heinrichs IV. mit nach Speyer gekommen war, kann daraus und in Verbindung damit aus dem Umstand, dass es nicht Bischof und Domkapitel waren, sondern die Bürgerschaft, die durch D.90 privilegiert und mit der Verantwortung für das Totengedenken betraut wurde (a.a.O. 123, s.a. 240 u. 249ff.), keineswegs mit Ehlers auf ein kaiserliches “Programm” geschlossen werden.

Die auf die ihr consilium erteilenden principes folgenden fünf Laien, die Hilgards Register alle jeweils als comes verzeichnet, sind als Vertreter der Bürgerschaft anzusehen (zum “Rat” s. oben) – Gerungus begegnet auch in dem zwei Jahre jüngeren D.114 für das Speyerer Domkapitel –, und auf sie ist zweifellos das peticione zu beziehen, während in Teil [II] nur von principum consilio die Rede ist.

Dieser zweite Teil der Dispositio [II], der mit einem erneuten argumentum und nochmaliger Erwähnung des Fürstenrates eröffnet wird, versteht sich nach der einleitenden Formulierung corroborare decrevimus primär nicht als Neuverleihung (trotz des hactenus in der ersten Bestimmung), sondern als Anerkennung einer Reihe wohl schon bestehender iura des locus Speyer. Auffällig ist dabei, dass nur in den drei ersten sowie der sechsten der insgesamt 10 Einzelbestimmungen Heinrich selbst spricht, in den beiden ersten mit den stärkeren Verben statuimus bzw. remittimus, in der dritten und sechsten (s. auch Anm. g”) mit dem schwächeren volumus eciam; die restlichen sechs Bestimmungen sind objektiv formuliert (darunter auch die achte Bestimmung, die sich neben dem in der ersten, subjektiv formulierten Bestimmung genannten theloneum in civitate auf das theloneum in toto episcopatu bezieht).

Dieser Befund spricht dafür, dass der Notar über eine von der Bürgerschaft gelieferte Vorlage verfügte, die sicher insgesamt objektiv formuliert gewesen war; offen bleibt, ob die subjektiv formulierten Bestimmungen tatsächlich Neuverleihungen Heinrichs waren, oder ob alle Bestimmungen schon in der Vorlage enthalten waren und der Notar, evtl. aus Nachlässigkeit, bei der Mehrzahl die subjektive Umformulierung unterließ. Denkbar wäre auch, dass die unterschiedliche Formulierung, die übrigens in NU. beibehalten ist, dadurch verursacht war, dass die Bürgerschaft in der Endphase des Speyerer Aufenthaltes die nachträgliche Aufnahme einzelner Artikel begehrte (zu analoger Vermutung hinsichtlich des DF.I.853 für Worms von 1184, dass “die Wormser Empfänger … um Zusätze eingekommen waren”, vgl. Fuchs a.a.O. 30), was auch die separate Nennung des theloneum in toto episcopatu (s. oben) verständlich machen könnte. Auszuschließen ist jedenfalls, dass sich dahinter spätere Interpolationen verbergen; erst recht ist die verfehlte Vorstellung Wibels a.a.O. 259 von der Existenz eines zusätzlich durch B. Bruno den Bürgern verliehenen Privilegs, das bei den vermeintlichen Erneuerungen der Inschriften mit dem Diplom vermengt worden wäre, als Erklärung abzulehnen.

[I] Omnibus Christi nostrique fidelibus tam futuris quam presentibus notum fieri volumus, qualiter nos pro remedio anime cari patris nostri felicis memorie Heinrici imperatoris, consilio ac peticione principum nostrorum, Friderici videlicet Coloniensis archiepiscopi, Brunonis Treuerensis archiepiscopi, Brunonis Spirensis episcopi, Cunonis Strazburgensis episcopi, Vdalrici Constanciensis episcopi, Ottonis Babenbergensis episcopi, Burchardi Monasteriensis episcopi, Hermanni Augustensis episcopi, Friderici ducis, comitum quoque: Godefridi de Kalwa, Friderici de Zolra, Hartmanni de Dilinga, Berngarii de Sulcbach, Gerhardi de Gelra; Heinrici, Dǒdonis, Stephani, Gerungi, Waltheri, in ipsa die sepulture eius omnes, qui in civitate Spirensi modo habitant vel deinceps habitare voluerint, undecumque venerint vel cuiuscumque condicionis fuerint, a lege nequissima et nefanda, videlicet a parte illa, que vulgo budeil vocabatur, per quam tota civitas ob nimiam paupertatem adnichilabatur, ipsos suosque heredes excussimus; ne vero aliqua persona maior vel minor, non advocatus, non eorum naturalis dominus illis morientibus de eorum suppellectile quicquam auferre presumat, interdiximus; et ut omnes liberam potestatem habeant suis heredibus bona sua relinquendi vel pro anima sua dandi, vel cuicumque persone dare voluerint, ipso Spirensi episcopo Brunone in pulpito astante et concedente, concessimus et confirmavimus, ea tamen interposita condicione, ut in anniversario patris nostri sollempniter ad vigilias et ad missam omnes conveniant et candelas in manibus teneant et de singulis domibus panem unum pro elemosina dare et pauperibus erogare studeant.

[II] Quoniam superne pietatis amminiculante gracia locum istum ob insignem patrum nostrorum memoriam et fidem civium ipsius erga nos semper constantissimam pre ceteris sublimare proponimus, iura ipsius imperiali auctoritate pro nostrorum principum consilio corroborare decrevimus: liberos ab omni theloneo, quod in civitate Spirensi hactenus dari solebat, cives nostros statuimus; nummos, quos vulgo banphenning, cum illis, quos appellaverunt schozphenning, piper quoque, quod de navibus exactum est, eis remittimus; volumus eciam, ut nullus civium nostrorum extra urbis ambitum advocati sui placitum cogatur requirere; nullus prefectus aut alicuius domini nuncius suo serviturus domino a panificis vel a macellariis seu ab aliquo genere hominum in civitate suppellectilem aliquam presumat illis invitis accipere; nullus prefectus vinum, quod appellatur banwin, presumat vendere aut alicuius civis navim ad opus sui domini illo invito accipere; volumus eciam, ut nichil exigatur ab hiis, qui res proprias propriis seu conductis navibus transvehunt; monetam quoque nulla potestas in levius aut in deterius inminuat aut aliqua racione nisi communi civium consilio permutet; nullus ab eis theloneum in toto episcopatu aut in locis fiscalibus, idest ad utilitatem imperatoris singulariter pertinentibus, extorqueat; si quis curtem aut domum per annum et diem sine contradictione possederit, nulli hoc interim scienti ultra inde respondeat; causam in civitate iam inceptam non episcopus aut alia potestas extra civitatem determinari compellat.

[III] Ut autem hec nostra concessio et confirmacio rata et inconvulsa omni evo permaneat et ne aliquis imperator aut rex vel episcopus aut comes vel aliqua potestas maior vel minor infringere audeat, in perpetuam specialis privilegii nostri memoriam hoc insigne, stabili ex materia, ut maneat, compositum, litteris aureis, ut deceat, expolitum, nostre ymaginis interposicione, ut vigeat, corroboratum, in ipsius templi fronte, ut pateat, annitente nostrorum opera civium, constat expositum, singularem erga ipsos continens nostre dilectionis affectum.

Datum XVIIII. kal. septembr., indictione IIII, anno dominice incarnacionis millesimo CoXIo, regnante Heinrico quinto rege Romanorum anno VIo, imperante primo; actum est Spire; in Christo feliciter, sub Brunone venerabili presule Spirensi ecclesie presidente, amen.