Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<87.>>

Heinrich lässt aufgrund der Klage des Abtes Megingaud von Weissenburg gegen die von dessen Vögten unter Verletzung der Verfügungen König Dagoberts verübten Übergriffe durch ein Weistum der Hörigen des Klosters die Rechte des Vogtes feststellen.

Speyer, 1111 August 8.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift des Transsumpts König Albrechts I. von 1303 Januar 19 im Weissenburger Kopialbuch von 1491, Cod. F 1 no 86b p. 23–24 im Landesarchiv zu Speyer (B). – Desgleichen in Abschrift des 16. Jh. in Confirmationes privilegiorum, deutsche Expedition, Fasz. 234, Konv. Weissenburg f. 5r–7r im Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien (C). – Desgleichen in Abschrift des 18. Jh. im Nachlass Grandidier, Karton II, fasc. 2 f. 314v (nur Anfang, s. Anm. q) im Generallandesarchiv zu Karlsruhe (D). – Beglaubigte Abschrift des Weissenburger Archivars Schweigheußer von 1751 Nov. 15 in Cod. F 1 no 98 f. 15r–16r (mit Signaturangabe des Originals; vgl. dazu Glöckner in Elsaß-Lothring. Jahrb. 19,63) im Landesarchiv zu Speyer (E).

Drucke: De Papelier, Diss. inaug. de mundato Weissenburgensi 9 und 59 Auszüge. – Aus dem verlorenen Original: SCHOEPFLIN, Alsatia dipl. 1,188 no 240 (s) = Grandidier, Hist. eccl. d’Alsace 2,214 no 556 Auszug. – Schönemann, Codex für die pract. Diplomatik 115 no 63. – ZEUSS, Trad. Wizenburg. 323 no 6 (= D. Albrechts I.). – Klewitz, Ausgew. Aufsätze 141 Auszug.

Reg.: Erhard, Reg. Westf. 1,220 no 1371. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 1,459 no 1642. – Knipping, Kölner Reg. 2,13 no 82. – Wentzcke, Strassburger Reg. 1,301 no 385. – Duvernoy, Ducs de Lorraine 25 no 32. – Wampach, UB d. altluxemb. Territorien 1,489 no 341. – Diestelkamp-Rotter, Urk.-Regesten 1,122 no 173. – Ehlers, Metropolis 278 in no 44. – Böhmer Reg. 2006. – Stumpf Reg. 3068.

Weitgehend wörtliche Wiederholung des DH.IV.473 von 1102 Februar 11 (= VU.) durch Notar Adalbert A (vgl. Hausmann, Reichskanzlei 65 no 38), der das Eschatokoll seinem Diktat gemäß gestaltete, darüber hinaus nur die in VU. zeitlich weit zurückgreifende Seelgerätformel (s. Anm. h’), in einer mit D.86 weitgehend identischen, in D.90 partiell aufgegriffenen Formulierung, auf die Nennung von Heinrichs V. Eltern (zum konkreten Anlass bezüglich Heinrichs IV. vgl. unten) reduzierte und die Intervenientenliste aktualisierte, wobei er die dortige, durch Ortswechsel bedingte zweite Liste ganz eliminieren konnte (s. Anm. r”). – In der Datierung hat der Notar das von ihm längere Zeit verwendete falsche 5. Regierungsjahr (zuletzt in D.86) richtig auf VI erhöht, so dass ab jetzt bis in den Spätherbst des Jahres 1111 (D.97), bevor Adalbert A seit D.98 vorübergehend durch Adalbert B abgelöst wurde, alle Jahreskennzahlen stimmen.

Woher der Notar die Vorlage für das von ihm nur selten und hier erstmals gebotene Beizeichen (SMP.) nahm, muss letztlich offenbleiben. Grundsätzlich kommt dafür nur ein Diplom Heinrichs III. oder Heinrichs IV. in Frage. Von den drei Weissenburger Diplomen dieser beiden Herrscher, deren kopiale Überlieferungen keine Wiedergabe des Beizeichens aufweisen, scheiden jedoch zwei von vornherein aus: Das DH.III.58 von 1040 Juli 4, weil das Beizeichen in Heinrichs III. Kanzlei überhaupt erst mit dem DH.III.87 von 1041 Nov. 9 eingeführt wurde (s. DDH.III. Einl. S. XXXVIII); hinzu kommt, dass das in E wiedergegebene Zeichen nicht die asymmetrische Gestalt aus der Kanzlei Heinrichs III. aufweist, sondern die symmetrische Zeichnung, die es in der Kanzlei Heinrichs IV. bei seiner Wiedereinführung im Jahre 1084 (s. DDH.IV. Einl. S. XCV) erhalten hatte, woraus sich zugleich ergibt, dass auch das DH.IV.195 von 1067 außer Betracht bleibt.

Nun fehlt aber in der ebenfalls in E enthaltenen Schweigheußer-Abschrift des dritten Diploms, des DH.IV.473, also der unmittelbaren VU. unseres D., die eine sorgfältige Nachzeichnung des Monogramms bietet (a.a.O. f. 14r), gleichfalls die Nachzeichnung eines Beizeichens, so dass bei der zuverlässigen Arbeitsweise Schweigheußers die Vermutung zunächst dafür spricht, dass das Zeichen auch dem verlorenen Original fehlte, der Notar also, wenn man nicht an ein Deperditum für Weissenburg (nach 1084) denken will, seine Anregung einem D. Heinrichs IV. für einen anderen Empfänger verdankt haben müsste, was aber als höchst unwahrscheinlich anzusehen ist. Es ist denn auch nicht auszuschließen, dass das Original des DH.IV.473 doch ein, von Schweigheußer vernachlässigtes Beizeichen enthalten hat; nach der dortigen Vorbemerkung war nämlich dessen Schreiber vermutlich ein Lütticher Notar, von dem auch die DDH.IV.470/471 aus dem Jahre 1101 geschrieben waren – und diese sind beide mit einem Beizeichen versehen!

Dass für D.87 eine nochmalige Anhörung erfolgt wäre, wie es der Text durch seinen Verzicht auf eine Erwähnung der VU. nahelegen möchte, muss wohl bezweifelt werden; wahrscheinlich wurde seitens des Klosters lediglich das in der Vorbemerkung zu DH.IV.473 als dessen Vorlage angenommene Weistum erneut vorgelegt. An dieser Erneuerung der nur wenige Jahre alten VU. war das Kloster sicher deshalb interessiert, weil Heinrich IV. zum Zeitpunkt der Erteilung der VU. exkommuniziert war (dies wird vermutlich auch der Grund für das Verschweigen der VU. gewesen sein); unter diesem Gesichtspunkt bot sich die am Vortage, dem 7. August, erfolgte kirchliche Beisetzung des vom Makel der Exkommunikation befreiten Heinrich IV. (s. D.90) als geeigneter und frühestmöglicher Zeitpunkt für die Erneuerung regelrecht an.

Wenn wir ausnahmsweise auch die mit der VU. übereinstimmenden Intervenienten durch Petitsatz kennzeichnen, geschieht dies aus zwei Gründen: Von den hiesigen Auslassungen abgesehen und unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Personenwechsel auf den Stühlen von Speyer und Würzburg deckt sich die Reihenfolge genau mit der dortigen, was für eine unmittelbare Verwertung spricht (die Liste in D.90 mit einem Mehr und einem Weniger an Bischöfen bietet eine andere Reihenfolge); andererseits dokumentiert die Auslassung der in der VU. verzeichneten Bischöfe von Hildesheim, Paderborn, Minden und Metz, die auch in D.90 nicht genannt werden, deren Abwesenheit bei Heinrichs IV. Beisetzungsfeierlichkeiten.

Zu dem frühestens nach den beiden Salierdiplomen von 1102/1111 gefälschten D. Dagoberts von angeblich 623 (DMer. † 31 zu 633; zusammen mit dem DF.I.961 von 1187 Juli 12 gleichfalls in dem Transsumpt Albrechts I. enthalten) vgl. u.a. Tyc, L’immunité de l’abbaye de Wissembourg 26ff., Mayer in MÖIG 47,140ff., Decker in Hist. Jahrb. 70,42ff. und Dette, Liber Possessionum Wizenburgensis 12ff.; zum Vogt Eckbert, zugleich Graf im Speyergau (als comes Spirensis erstmals 1109 belegt) sowie Vogt (s. D.114) und Burggraf von Speyer, vgl. Tyc a.a.O. 7ff., Werle in Archiv f. mittelrhein. Kirchengesch. 8,335 und Doll in ZGO 117,245ff. – Der Abdruck orientiert sich an den auf dem Original basierenden Überlieferungen E und Schoepflin (s).

In nomine sancte et individue trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Notum sit omnibus Christi nostrique fidelibus tam futuris quam presentibus, qualiter fidelis noster abbas Meingaudus Wizenburgensis ecclesie clementiam nostram Spire adiit in conspectu omnium, qui tunc ibi aderant, principum nostrorum, videlicet Friderici Coloniensis archiepiscopi, Brunonis Treuerensis archiepiscopi, episcoporum: Brunonis Spirensis, Erlungi Werceburgensis, Burchardi Monasteriensis, Oberti Leodiensis, Burchardi Traiectensis, Ebrehardi Eistetensis, Ottonis Bauenbergensis, Cuononis Strazburgensis, ducum quoque: Friderici, Theoderici, ceterorumque fidelium nostrorum, conquerendo exponens, exponendo conquerens calamitates et oppressiones, quas servientes et familia ecclesie sibi commisse sustinuit ab his precipue, qui sub advocati nomine eandem ecclesiam deberent defendere, et maxime ab Ecberto tunc temporis advocatiam a duce Friderico in beneficium retinente, qui fregerunt statuta et decreta, que eadem ecclesia accepit a fundatore suo Dagoberto rege, compellentes eos iniuste non reddenda reddere. Cuius querimonie iuste condolentes pro remedio anime patris nostri felicis memorie Heinrici imperatoris matrisque nostre pie memorie imperatricis Berthe nostreque et corporis salute et pro imperii et regni nostri stabilitate Wizenburgensem ecclesiam Christo et apostolis eius Petro et Paulo specialiter attitulatam, fundatoris sui legibus destitutam, in leges et in iura fundatoris Dagoberti regis hoc modo restituimus: Fecimus videlicet servientes ac familiam eiusdem ecclesie iurare, ut nec adderent nec minuerent, sed in veritate dicerent, quid iuris domino suo abbati, quid advocato ecclesie, quid sibimetipsis retinere deberent. At illi, sicut erant commoniti, sub lege sacramenti id dicebant esse iuris sui, ut, quicunque serviens Wizenburgensis ecclesie ex domino abbate beneficium haberet, soli abbati serviret, nec aliquam potestatem super eum advocatus exerceret, nisi forte ex aliqua inobedientia quasi rebellem illum servientem constringendum abbas eundem advocatum invitaret; affirmabant etiam sub eodem sacramento illud idem ius illum hominem retinere debere, quemcunque de familia eiusdem cenobii abbas in beneficium servientis vellet promovere. Reliqua vero familia legitimo loco et tempore ter in anno pro iusticia facienda ad placitum advocati debent convenire et in servicium advocati, si presens est, singuli singulos denarios solvere exceptis his, qui sunt constituti in munitate; quodsi ex his placitis absens fuerit advocatus, nihil ei ex his denariis debetur, nisi in servicio aut imperatoris aut ducis esse probetur. Illud quoque inter omnia veraciter affirmabant, quod nullum ex his, qui vulgo postadvocati nominantur, ad placitandum recipere debeant. Hanc eorum iusticiam, sicut ex ore eorum per sacramentum audivimus, ex aliis iniuste corruptam nos iuste eis redintegravimus atque in eternum possidendam ecclesie Wizenburgensi tradendo firmavimus, firmando tradidimus et querimoniam supradicti abbatis per hanc cartam Spire conscriptam finivimus multis principibus, qui illuc confluxerant, presentibus. Et ut hoc nullus imperator, nullux rex, nullus dux, nulla persona parva vel magna infringere audeat, sed firmum et inconvulsum omni evo permaneat, hanc cartam inde conscribi et, ut infra videtur, propria manu corroboratam sigilli nostri impressione iussimus insigniri.

Signum domni Heinrici quarti Romanorum imperatoris invictissimi. (M.7.) (SMP.)

Albertus cancellarius recognovit.

Data VI. idus aug., indictione IIII, anno dominice incarnationis millesimo CXI, regnante Heinrico quarto rege Romanorum anno VI, imperante primo; actum est Spire; in Christo feliciter amen.