Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<*81.>>

Unsicher.

Heinrich gewährt dem Bischof (Gregor) von Arezzo wieder seine Huld, restituiert die Besitzungen der bischöflichen Kirche und verpflichtet die bischöflichen fideles zur Dienstleistung.

(wohl 1111 Mai/Juni).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –.

Auf ein entsprechendes Diplom (und Mandat) darf womöglich aus dem im Codex Udalrici (cod. Vind. 398 f. 112va–b; cod. Zwetl. 283 p. 244) überlieferten Brief P. Paschals II., den dieser bald nach Heinrichs Abzug aus Rom ( post parvi temporis spacium) an ihn gerichtet hatte (Eccard, Corp. hist. 2,275 no 268 ohne Datum; Jaffé, Mon. Bamberg. 279 no 152; JL 6293; It. pont. 3,152 no 28, alle zu 1111 April), geschlossen werden. – Nach einer bewegten Klage (quiddam de vobis sinistrum audivimus, quod nos valde conturbat) darüber, dass Heinrich dem Vernehmen nach bei Arezzo (apud Ariciam) unter Störung des kirchlichen Friedens einen gewissen H. entlassen habe, so dass dieser nach wie vor entfremdeten Kirchenbesitz behalten und Unruhe stiften könne, während der Bischof von Arezzo (frater noster Aretinus) weiterhin in Bedrängnis sei, heißt es: Dilectionem itaque vestram litteris presentibus rogamus et commonemus, sicut de vobis confidimus, ut predicto fratri nostro gratiam vestram reddatis et possessiones ecclesię restituatis; fidelibus quoque suis iniungite, ut ab eius servitio ulterius se non subtrahant … Für die Identifizierung des H. fehlen Anhaltspunkte. Unter den fideles sind wohl bischöfliche Vasallen zu verstehen, jedenfalls nicht clerus et cives Aretini, die von Paschal II. in einem vermutlich gleichzeitigen Mandat (Eccard a.a.O. no 244; Jaffé a.a.O. no 153; JL 6294; It. pont. 3,152 no 29) zur Rückkehr in die Obödienz ihres Bischofs aufgefordert werden; zu beiden Schreiben vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,177 mit Anm. 83, Schwartz, Besetzung 202 und Delumeau, Arezzo 2,855f.; Schwartz weist darauf hin, dass der nach ihm seit Oktober 1104 oder 1105, nach Delumeau (a.a.O. 853f.) seit 1106 amtierende B. Gregor der erste vom Papst und nicht vom Kaiser eingesetzte Bischof von Arezzo war, woraus sich seine Obödienzprobleme erklären könnten.

Der Paschal-Brief gehört zu einer im Codex Udalrici im Anschluss an die Aktenstücke über die römischen Vorgänge von 1111 Februar-April eingetragenen kleinen Gruppe von Schreiben Paschals II. an Heinrich (bei Eccard a.a.O., der die handschriftliche Reihenfolge beibehielt, die no 267ff.), vgl. Pivec in MÖIG 45,480 und in MÖIG 46,340 (Tabelle) sowie Schmale in ZBLG 20,451f.; zum Briefwechsel vgl. auch Meyer von Knonau a.a.O. 220ff.

Die Gründe, die Schmale dazu veranlassten, diese Schriftstücke neben anderen (a.a.O. 437ff.) als Fiktionen zu verwerfen, beruhen auf falschen Vorstellungen über die Vorlagen-Abhängigkeit des Codex Udalrici, vgl. dazu Vorbemerkung zu D.1. Bei der Verwerfung der drei Paschal-Briefe, die uns hier als Grundlagen für DD.*81–*83 unmittelbar interessieren, geht er zudem von falschen Voraussetzungen aus: Für die Zustellung dieser drei Schreiben – und zweier weiterer (Eccard a.a.O. no 266 u. 267) – musste der Papst in dem “kurzen Zeitraum”, dem sie in der Tat angehören dürften (s. unten), keineswegs “fünf einzelne Boten auf die Reise” schicken, sie konnten auch einem einzigen oder vielleicht auch zwei (päpstlichen; zu Alternative s. unten) Boten anvertraut worden sein; der Inhalt der Briefe hätte auch nicht “leicht in einem Brief erledigt werden können”.

Die drei Briefe, die vom Kaiser Tätigwerden in drei verschiedenen Angelegenheiten begehrten, können in Parallele gesetzt werden zur Mandats-Praxis der päpstlichen Kanzlei, auch wenn dort jeweils geistliche Amtsinhaber die Adressaten sind, die zugunsten eines Dritten, der der eigentliche Empfänger war und in dessen Archiv in der Regel auch die Mandate archiviert wurden, tätig werden sollten; behandelte die Kanzlei diese Briefe, wegen des analogen Zweckes, analog zu den Mandaten, kam eine Zusammenfassung der Gegenstände in einem einzigen Brief nicht in Betracht; es wäre sogar denkbar, dass ein Abgesandter der jeweiligen Institution, die dem Papst – der ja sicher nicht “motu proprio” tätig geworden war – ihre Anliegen vorgetragen hatte, auch mit der Überbringung des Briefes betraut wurde.

Es stimmt schließlich bedenklich, dass sich Schmale sachlich schlecht informiert zeigt, wenn er a.a.O. 451f. gegen die Glaubwürdigkeit der Papstbriefe, speziell gegen die Mahnungen wegen bisher unterbliebener Rückgabe von Besitzungen der römischen Kirche in Paschals Brief von 1111 Mai 3 (zu diesem vgl. weiter unten) geltend macht, wir wüssten “nichts von Restitutionsverpflichtungen Heinrichs”, wo sich doch Heinrich zweimal ausdrücklich zur Rückgabe der patrimonia et possessiones beati Petri (s. D.65 von 1111 Febr. 4) bzw. der patrimonia et possessiones Romanę ecclesię, quę abstuli (s. D.70/IV von 1111 April 11) verpflichtet hatte (vgl. dazu Servatius, Paschalis II. 78 Anm. 146; s. auch D.*93).

Auch wenn somit Schmales Gründe gegen die Authentizität der Briefe als nicht tragfähig abzulehnen sind, steht damit ihre Echtheit nicht zweifelsfrei fest, ist auch nicht auszuschließen, dass Udalrich den Wortlaut veränderte, wobei wir allerdings nicht annehmen, dass er die Angaben über die Begünstigten erfunden hätte; so ist z.B. auffällig, dass in den beiden den DD.*81 u. *82 zugrundeliegenden Briefen Heinrich durchgehend in der 2. pers. plur., in demjenigen von D.*83 hingegen im sing. angesprochen wird. – Diese Ungewissheit ist einer der Gründe, warum wir die drei Stücke als “unsicher” bezeichnen; der zweite Grund ist der, dass zwar nicht daran gezweifelt werden kann, dass Heinrich – die Echtheit der Briefe vorausgesetzt – den Bitten des Papstes nachgekommen wäre, wir aber nicht wissen, ob dies in schriftlicher Form erfolgte und wir mit wirklichen Deperdita zu rechnen haben.

Die drei Papstbriefe werden in der Literatur seit Jaffé, der dafür keine Begründung anzugeben weiß, den drei aufeinander folgenden Monaten April (*81), Mai (*82) und Juni (*83) zugewiesen (vgl. auch Pivec a.a.O. 46,340 und Schmale a.a.O. 452, der für D.*83 Anfang Juni angibt). Sicher ist wohl nur, dass der unser Deperditum auslösende Papstbrief noch in die zweite Aprilhälfte gehört (bald nach dem 13. April, s. oben); ob die anderen später anzusetzen sind, ist nach dem oben Gesagten völlig offen. Andererseits können die Reaktionen Heinrichs nicht vor dem Mai erfolgt sein, aber wohl alle noch auf italienischem Boden, bevor Heinrich etwa um die Mitte des Monats Juni nach Deutschland zurückkehrte, worauf sich unsere Einreihung der drei Deperdita stützt.

Ein Terminus post quem für D.*81 ergibt sich aus den Aussagen des Briefes: Danach hatte Heinrich auf seinem Rückmarsch aus Rom, der ihn anscheinend in Eilmärschen in die Emilia Romagna führte, wo er wohl in der letzten Aprilwoche in Forlimpopoli Station machte (vgl. D.72), zunächst dieselbe Route wie auf dem Hinweg eingeschlagen (vgl. dazu Thiel, Beiträge ■), hatte nach Zwischenhalt in Sutri am 22. April (D.71) auch wieder in Arezzo Station gemacht (s. Meyer von Knonau a.a.O. 177), das er zu Jahresbeginn zur Bestrafung der rebellischen Bürgerschaft zerstört hatte (vgl. Vorbemerkung zu D.62). Fiel nun Heinrichs Aufenthalt in Arezzo in die letzte Aprilwoche, kann ihn der durch die Meldung der dortigen Vorgänge nach Rom ausgelöste Papstbrief frühestens in der zweiten Maiwoche erreicht haben; das würde bedeuten, dass Heinrichs angenommene Reaktion in Gestalt des D.*81 in zeitliche Nähe zu seinem dreitägigen Aufenthalt bei Mathilde auf deren Burg Bianello am 6.–8. Mai gerückt würde; lagen Paschals Briefe schon damals vor, wird sich Mathilde zweifellos für die Erfüllung der päpstlichen Wünsche eingesetzt haben.

Eine ganze Serie denkbarer Restitutionsmandate, die Heinrich schon vor dem 3. Mai, wohl auf von Paschal in Rom geäußerte konkrete Wünsche hin oder aufgrund von Heinrichs Restitutionsversprechen (s. oben), ausgestellt haben müsste, sowie weiterer noch auszustellender könnten noch aus dem oben erwähnten Brief Paschals an Heinrich von 1111 Mai 3 (cod. Vind. f. 112r–v; cod. Zwetl. p. 243; Eccard a.a.O. no 266; Jaffé a.a.O. no 154; MGH Const. 1,569 no 398; JL 6295) resultieren, wo es nach der Frage nach Heinrichs Befinden heißt: Licet quidam iussioni vestrę in his, quę beato Petro restitui precepistis, adhuc noluerint obedire, incolę videlicet Civitatis Castellanę, Castri Corcolli, Montis Alti, Montis Acuti et Narnienses; nos tamen ea et comitatus Perusinum, Egubinum [Hss.: Egubrinum], Tudertinum, Urbenetum, Balneum Regis, Castellum Felicitatis, ducatum Spoletanum, marchiam Fermanam [Hss.: Fermaniam] et alias beati Petri possessiones per mandati vestri preceptionem confidimus obtinere (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 177f.; Servatius, Paschalis II. 78; s. dazu auch D.*59); auf Berücksichtigung entsprechender Mandate durch einzelne Ausweisung als Deperdita glaubten wir verzichten zu dürfen.