Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<†8.>>

Unecht.

Heinrich entscheidet aufgrund eines Fürstengerichts in der Klage des Stiftes St. Adalbert zu Aachen gegen Bedrückungen der Pfarrei Olne durch Untervögte, dass es außer dem Herzog nur einen Vogt haben soll, und regelt dessen Rechte.

Aachen, (1103) 1106 August 13.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Angebliches Original (ca. 54/55 b: 40/41,5 – 48 h) aus der ersten Hälfte des 12. Jh. im Hauptstaatsarchiv zu Düsseldorf (A); Rückvermerk vom Anfang des 13. Jh.: de Olne; 15. Jh.: Bulla Heinr. V. Cop. huius bul. continetur in antiquo [erg.: registro] vid(elicet) script. in perg.

Drucke: Ritz in Allg. Archiv 10,220 no 22 (angeblich aus A, tatsächlich aus Kopie; gilt auch für Reiffenberg und Ernst) = Quix, CD Aquensis 1,43 no 62. – Aus A: Lacomblet, Niederrhein. UB 1,169 no 261. – Reiffenberg in Compte rendu de la comm. royale d’hist. 1.8,301 no 6. – Ernst, Histoire du Limbourg 6,115 no 30 = Chestret de Haneffe, Hist. de Gronsveld 101 no 166. – Aus A: Meuthen, Aachener Urk. 409 no 166.

Reg.: Erhard, Reg. Westf. 1,214 no 1312. – Wauters, Table chronol. 2,13. – Chestret de Haneffe a.a.O. 17. – Böhmer-Will, Mainzer Reg. 1,307 no 312 zu 1103 Aug. 13. – Knipping, Kölner Reg. 2,8 no 43 zu [1106] [Aug. 13]. – Coenen, Limburg. Oork. 1,113 no 229 zu 1103 Aug. 13. – Stumpf Reg. 3006 zu 1103 *Aug. 13 (“Wenn echt, gehört die Urk. nach 1106”).

Das sich schon durch das Querformat des Perg.-Blattes und die Art der Besiegelung mittels eingehängten Siegels (s. Anm. q’) als nicht zeitgemäß verratende D. ist eine Fälschung der 30er Jahre des 12. Jh. durch zwei Hände des Adalbertstiftes, von denen sich eine auf die Nachtragung des Chrismon (s. Anm. a) und des Eschatokolls (s. Anm. g’) beschränkte, vgl. Stiennon, L’écriture de Liège 195 und Meuthen in seiner Vorbemerkung. – Die Schrift der Haupthand steht derjenigen einiger Urkunden für das Adalbertstift und für Kl. Burtscheid aus den Jahren 1130–1135 nahe (Meuthen a.a.O. no 167, 168 und 201 [die beiden letzten auch mit eingehängtem Siegel], vgl. Vorbemerkung zu no 166; die von Oppermann, Rhein. Urk.-Studien 1,369 behauptete Handgleichheit trifft nicht zu), deren Schreiber offensichtlich auch der Diktator war, woraus sich stellenweise, unten durch Petitsatz gekennzeichnete Anklänge erklären, so mit Meuthen no 167 von 1130 (= VU.IV) und no 168 von 1135 (= VU.II); der Schreiber war wohl auch der Diktator der um 1135 erfolgten Verfälschung einer nur kopial überlieferten Notitia von 1086 (Wisplinghoff, Rhein. UB 1,13 no 9 = VU.III).

Der Fälscher benützte darüber hinaus zwei ältere Diplome für St. Adalbert als Vorlagen: Dem DH.II.392 von 1018 (= VU.I) entnahm er zunächst die Formulierung der Intitulatio, weshalb hier die in Heinrichs Kanzlei von Anfang an (s. DD.3, 4, 9) fast regelmäßige Erweiterung um Romanorum fehlt, sowie vermutlich einen Ausdruck in der Arenga (s. Anm. d). – Insbesondere aber ist das Eschatokoll ab der Korroboratio (s. Anm. z) anfangs eine wörtliche Übernahme aus VU.I und dann, in der Korroboratio einsetzend, aus dem nur kopial überlieferten DH.III.73 von 1041 Febr. 13 (= VU.V), dessen Vorbild überdies, wie auch bei Rück, Bildberichte 4 festgestellt, die Gestaltung des Monogramms (s. Anm. h’) und des der Kanzlei Heinrichs V. völlig fremden Rekognitionszeichens (s. Anm. l’) entspricht.

Zum hier nachgeahmten ersten Königsmonogramm Heinrichs III. vgl. DDH.III. Einl. S. LXf. und die Abbildungen bei Rück a.a.O. 128ff. Abb. 445–468. Mit diesem hat das Monogramm des D. †8 in erster Linie gemeinsam, dass die rechte Vertikale nur für die Wiedergabe des E verwendet ist und keine Belegung mit Buchstaben aufweist. Dass das hiesige Monogramm außerdem an Kopf und Fuß der linken Vertikalen lediglich Serifen aufweist, hat es ebenfalls – ein Beweis für die Exaktheit der Nachahmung – mit einem Teil der bei Rück gebotenen Beispiele gemeinsam, nämlich mit Abb. 449, 456, 458–461 und 463–465, wovon Abb. 458–461 (= DDH.III.65…87) denn auch in die zeitliche Nähe zu DH.III.73 gehören (eine Abbildung des Monogramms von D.73 selbst fehlt bei Rück, da es nur kopial überliefert ist); die anderen Beispiele des Monogramms Heinrichs III. besitzen – wie alle Monogramme Heinrichs V. – an dieser Stelle nach rechts gerichtete horizontale Abstriche zur Wiedergabe eines eckigen “C”.

Zum Aussehen des Rekognitionszeichens vgl. die Abbildung bei Rück a.a.O. 90 Abb. 131 und Beschreibung S. 4f.: Die obere Bogenrundung eines torförmigen Bogens ist dicht mit durchgehenden kurzen Strichen mit kleinen Ringlein an beiden Enden belegt; es handelt sich demnach nicht etwa um Haarborsten, erst recht ist es verfehlt, wenn Rück a.a.O. 4 davon spricht, der Bogen sei “mit brennenden Kerzen bestückt” (sollen die an beiden Enden gebrannt haben?). Im Inneren hat das Zeichen einen die Bogenrundung unten abschließenden horizontalen Strich, der mit alBeRTVS belegt ist, darunter schief ein flaches Diagonalkreuz und unter diesem einen nach unten durchhängenden Bogen, der bogig mit cancellaRIVS belegt ist. Ob diese groteske Darstellung, vom Austausch des Kanzlernamens abgesehen, genau dem Vorbild des DH.III.73 entsprach, muss angesichts des Verlustes des Originals offen bleiben, scheint jedoch fraglich: Die nur im Kopialbuch des 13. Jh. f. 2r enthaltene Nachzeichnung des SR. des DH.III.73 (fehlt bei Rück) weist zwar die gleiche Verzierung der Bogenrundung wie D. †8 auf, bietet unter dem horizontalen Strich jedoch nur ein gleichmäßiges Diagonalkreuz (was aber auch für die Nachzeichnung des SR. unseres D. †8 ebenda f. 2v gilt!), in welches – gleich zweifach und jeweils dreizeilig – Eberhardus cancl̄l̄s eingeschrieben ist. – Womöglich spiegelt sich die originale Anordnung des eingeschriebenen Kanzlernamens in DH.III.73 in dem sonst anders aussehenden SR. des nur zwei Tage jüngeren DH.III.74 (Abb. bei Hoefer in Zs. f. Archivkunde 2, Abb. d nach S. 182 und bei Rück a.a.O. 90 Abb. 132; ähnlich Abb. 134 aus DH.III.92): Dort dienen die Arme eines unter dem Horizontalstrich befindlichen Schrägkreuzes als Zeilenbasen für überkreuz eingeschriebenes EBERHARDVS / CANCELLARIVS, vgl. Rück a.a.O. 5. – Wenn Rück (S. 4) meint, D. †8 biete “das m. W. einzige Kanzlersignum eines Diploms Heinrichs V.”, so trifft dies für die Kanzleiausfertigungen zwar zu, er übersieht dabei aber das von ihm selbst auf S. 155 Abb. 648 gebotene Beispiel nach D. †270A, vgl. außerdem das Beispiel des nur kopial erhaltenen (von Rück nicht beachteten) D.121.

Mit der Feststellung der Abhängigkeiten des D. †8 erledigt sich natürlich die Behauptung Oppermanns, Korroboratio, Signum- und Rekognitionszeile sowie das Monogramm (das besonders auffällige Rekognitionszeichen vergaß er zu erwähnen) seien einem echten D. Heinrichs V. nachgebildet. Da auch die Formulierung der nach Meuthens Kennzeichnung “verwirrten Datierung”, von den Änderungen bei Namen sowie Inkarnationsjahr und Monatsnamen abgesehen, wörtlich auf VU.V beruht, erklären sich dadurch auch die nicht zum angegebenen Inkarnationsjahr 1103 passenden Zahlen für Indikation und Ordinationsjahr (eigenartigerweise ist auf die Übernahme der Regierungsjahre verzichtet), so dass nur das Inkarnationsjahr einer Interpretation bedarf, während das Tagesdatum trotz der Übernahme auch des idus aus der Vorurkunde wohl nicht in Zweifel zu ziehen ist.

Während Oppermann ohne Begründung meint, 1103 stehe für 1110, wohingegen Meuthen zu Recht die Nennung des Erzkanzlers Ruthard († 1109 Mai 2) als Terminus ante quem wertet, ist die Zahl MCIII zweifellos eine bloße Verlesung des gänzlich unkundigen Fälschers für MCVI, die leicht zustandekommen konnte, wenn die V in der Vorlage mit relativ geraden Schäften geschrieben war. In Verbindung mit der Tagesangabe und dem Handlungsort Aachen kommt nach Heinrichs Itinerar in der Tat nur das Jahr 1106 in Betracht (s. auch Meyer von Knonau, Jahrb. 5,181 Anm. 17 und 6,7 Anm. 2), als der König nach der Nachricht von Heinrichs IV. Tod, der am 7. August 1106 in Lüttich verstorben war, noch eine Zeitlang in Aachen, wo er zu Anfang des Monats eingetroffen war, verweilte, vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 6,6ff. und Stüllein, Itinerar 24f.

Man wird daher, ohne letzte Sicherheit gewinnen zu können, von der Existenz eines echten D. Heinrichs V. von 1106 August 13 ausgehen dürfen, das ohne Beteiligung der Kanzlei, der aber sicher die Namen von Kanzler und Erzkanzler zu verdanken waren, von Empfängerseite unter Verwendung von VUU.I und V für Protokoll und Eschatokoll hergestellt worden war; dass diese Urkundenteile im ursprünglichen Original kanzleigemäß formuliert gewesen und erst vom Fälscher gegen die Formulierungen der Vorurkunden ausgetauscht worden wären, wird man ausschließen müssen; an den Formen von Monogramm und Rekognitionszeichen wird sich die noch unerfahrene Kanzlei kaum gestört haben.

Zum angegebenen Datum passen denn auch einige der am Gerichtsverfahren beteiligten Personen: B. Burkhard von Münster hatte die ihm von Heinrich IV. anvertrauten Reichsinsignien, Schwert und Ring, nach Aachen gebracht (s. Meyer von Knonau a.a.O. 5,313 und 6,6 u. 14); der bis zum Schluss auf seiten des Kaisers verharrende (s. D.*15 und Meyer von Knonau a.a.O. 6,9 Anm. 6) B. Otbert von Lüttich hatte sich zusammen mit anderen Anhängern Heinrichs IV. in Aachen am Hofe eingefunden, um sich Heinrich V. zu unterwerfen (s. Meyer von Knonau a.a.O. 11f.).

Oppermann, der alle sonstigen Verfahrensbeteiligten als auf das echte Diplom zurückgehend bezeichnete, hatte davon den “Herzog Heinrich von Limburg” ausgenommen, wohl weil dieser drei Monate zuvor von Heinrich V. als Herzog von Niederlothringen zugunsten des Grafen Gottfried von Löwen abgesetzt worden war (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 5,300f. mit Anm. 40); dass erst der Fälscher seinen Namen eingefügt haben sollte, was Oppermann wohl vorschwebte, erscheint eine abwegige Annahme. Gesichert ist vielmehr, dass der Limburger, der als eine der wichtigsten Stützen Heinrichs IV. sicher zu denjenigen zählte, für die der sterbende Kaiser um Vergebung bitten ließ (vgl. a.a.O. 5,313 und 6,6), sich dem König stellte; wenn auch der denkbare Versuch Heinrichs, das Herzogtum wiederzuerlangen, fehlschlug und er vom König in Haft genommen wurde, so ist die Verwendung des dux-Titels durch den Empfängerdiktator dennoch erklärlich, da der Limburger, Vogt des Adalbertstiftes, in Aachen noch über Anhänger verfügte, was es ihm nach geglückter Flucht aus der Haft erleichtert haben dürfte, im Jahre 1107 bei seinem gewaltsamen Versuch der Wiedereroberung des Herzogtums vorübergehend die Stadt Aachen zu besetzen (vgl. a.a.O. 6,12f. mit Anm. 15 sowie Werner in Die Salier u. das Reich 1,407 mit Anm. 234 und 431f. mit Anm. 355). – Mit der Anwesenheit Heinrichs hängt womöglich auch die Nennung des sonst erst wieder im Jahre 1122 am Hof belegten (s. DD.233–235), hier die Reihe der liberi homines eröffnenden Grafen Giselbert von Duras zusammen, da Heinrich Obervogt von St. Truiden und Giselbert sein Untervogt war (s. DD.*15, *25 u. *144).

Nach dem Verlust des Siegels bleibt ungewiss, ob es sich dabei um das echte 1. Königssiegel Heinrichs gehandelt hatte, das von dem – dadurch dann als solches erwiesenen – echten Original übertragen worden wäre; immerhin entspricht der Wulst-Abdruck (s. Anm. q’) ungefähr dessen Durchmesser von 6,5 cm. – Hinsichtlich des Inhalts des verlorenen Originals lässt sich nur vermuten, dass der beurkundete Gerichtsspruch sich schon gegen Übergriffe von Untervögten richtete, wobei aber unentschieden bleibt, ob es auch schon ein Verbot von Untervögten enthielt. Aus den Übernahmen des Fälschers aus VUU.II–IV ist andererseits zu schließen, dass die Verfälschungen auf eine Begrenzung der Vogteirechte zielten, weshalb auch die genaue Festlegung des servitium zu den verfälschenden Zutaten zählen könnte. – Zur Vogtei über das nach Vorbemerkung zu Meuthen a.a.O. 451 no 195 von Heinrich II. geschenkte Olne (ca. 12 km sö. Lüttich) vgl. noch Meuthen no 184 u. 188 und Werner a.a.O. 412 mit Anm. 259.

(C.) In nomine sanctae et individuę trinitatis. Heinricus divina favente clementia rex. Adiuvant celestis regis clementia sanctarum loca ęcclesiarum detinenda censemus et promovenda. Qua spe familia sancti Adalberti de parrochia Olnę, quę sita est in pago Ardennę, conductu prepositi Teoderici et fratrum ad nostrum auxilium confugit, verbera, rapinas et multas iniurias á subadvocatis eis illatas nobis deploravit. Condolentibus itaque tam principibus quam episcopis illorum miseriis et admirantibus super inauditis iniuriis iudicatum est in presentia nostra, quia post ducem unum solum advocatum, qui bannum habeat á nobis, debeant habere et in tribus solummodo placitis generalibus in anno debeant eum suscipere et servitium ei dare. Si vero ipse legitimus advocatus voluerit, consilio prelati nuntium sub se constituere poterit, qui tamen nec sit advocatus nec ius placiti habeat, sed iustum servitium domini sui recipiat. Huic iudicio affuerunt et consenserunt: archiepiscopus Coloniensis Fredericus; episcopi: Leodicensis Obertus, Monasteriensis Borchardus; dux Heinricus de Lemburch; comites: Wibertus de Saxonia, Berengarius de Solzbac, Arnulfus de Los; liberi homines: Giselbertus de Duraz, Arnulfus de Rode, Giselbertus de Grules, qui erat legitimus eorum advocatus. Facto itaque et diffinito iudicio precipiendo interdiximus advocato Giselberto, ne ulterius superponeret eis subadvocatum nec contra iusticiam requireret ab eis servitium aut placitum. Tale est autem servitium, quod ei debetur in tribus generalibus placitis per annum: XIIcim maldra tritici et XXXta et I maldrum avenę, VIIIto porci et IIIIor porcelli, VIIIto friskingę ovinę, XXXta et VI pulli, XVcim solidi ad vinum. Si vero aliquis pro culpa ab advocato deprehensus fuerit, consilio ministrorum debet eum tractare, non penitus confundere. Et ut hęc nostrę confirmationis pagina stabilis et inconvulsa permaneat, eam manu propria roborantes sigilli nostri impressione iussimus insigniri.

Signum domni Heinrici quinti (M.) regis invictissimi.

Albertus cancellarius vice Rothardi archicancellarii recognovi. (SR.)

Data idus aug., indictione VIIII, anno incarnationis dominicę MCIII, anno autem domni (SP.D.) Heinrici quinti ordinationis eius XIII; actum Aquisgrani; feliciter amen.