Angebliches Original (ca. 54/55 b: 40/41,5 – 48 h) aus der ersten
Hälfte des 12. Jh. im Hauptstaatsarchiv zu Düsseldorf (A); Rückvermerk
vom Anfang des 13. Jh.:
de Olne; 15. Jh.:
Bulla Heinr. V. Cop. huius bul. continetur in antiquo [erg.:
registro] vid(elicet) script. in perg.
Drucke: Ritz
in Allg. Archiv 10,220 no
22 (angeblich aus A, tatsächlich aus Kopie; gilt auch für Reiffenberg
und Ernst) = Quix, CD Aquensis 1,43 no
62. – Aus A: Lacomblet, Niederrhein. UB 1,169 no
261. – Reiffenberg
in Compte rendu de la comm. royale d’hist. 1.8,301 no
6. – Ernst, Histoire du Limbourg 6,115 no
30 = Chestret de Haneffe, Hist. de Gronsveld 101 no
166. – Aus A: Meuthen, Aachener Urk. 409 no
166.
Reg.: Erhard, Reg. Westf. 1,214 no
1312. – Wauters, Table chronol. 2,13. – Chestret de Haneffe
a.a.O. 17. – Böhmer-Will, Mainzer Reg. 1,307 no
312 zu 1103 Aug. 13. – Knipping, Kölner Reg. 2,8 no
43 zu [1106] [Aug. 13]. – Coenen, Limburg. Oork. 1,113 no
229 zu 1103 Aug. 13. – Stumpf
Reg. 3006 zu 1103 *Aug. 13 (“Wenn echt, gehört die Urk. nach 1106”).
Das sich schon durch das Querformat des Perg.-Blattes und die Art der
Besiegelung mittels eingehängten Siegels (s. Anm. q’) als nicht
zeitgemäß verratende D. ist eine Fälschung der 30er Jahre des 12. Jh.
durch zwei Hände des Adalbertstiftes, von denen sich eine auf die
Nachtragung des Chrismon (s. Anm. a) und des Eschatokolls (s. Anm. g’)
beschränkte, vgl. Stiennon, L’écriture de Liège 195 und Meuthen
in seiner Vorbemerkung. – Die Schrift der Haupthand steht derjenigen
einiger Urkunden für das Adalbertstift und für Kl. Burtscheid aus den
Jahren 1130–1135 nahe (Meuthen
a.a.O. no
167, 168 und 201 [die beiden letzten auch mit eingehängtem Siegel],
vgl. Vorbemerkung zu no
166; die von Oppermann, Rhein. Urk.-Studien 1,369 behauptete Handgleichheit trifft nicht
zu), deren Schreiber offensichtlich auch der Diktator war, woraus sich
stellenweise, unten durch Petitsatz gekennzeichnete Anklänge erklären,
so mit Meuthen
no
167 von 1130 (= VU.IV) und no
168 von 1135 (= VU.II); der Schreiber war wohl auch der Diktator der
um 1135 erfolgten Verfälschung einer nur kopial überlieferten Notitia
von 1086 (Wisplinghoff, Rhein. UB 1,13 no
9 = VU.III).
Der Fälscher benützte darüber hinaus zwei ältere Diplome für St.
Adalbert als Vorlagen: Dem DH.II.392 von 1018 (= VU.I) entnahm er
zunächst die Formulierung der Intitulatio, weshalb hier die in
Heinrichs Kanzlei von Anfang an (s. DD.3, 4, 9) fast regelmäßige
Erweiterung um
Romanorum fehlt, sowie vermutlich einen Ausdruck in der Arenga (s. Anm. d). –
Insbesondere aber ist das Eschatokoll ab der Korroboratio (s. Anm. z)
anfangs eine wörtliche Übernahme aus VU.I und dann, in der
Korroboratio einsetzend, aus dem nur kopial überlieferten DH.III.73
von 1041 Febr. 13 (= VU.V), dessen Vorbild überdies, wie auch bei Rück, Bildberichte 4 festgestellt, die Gestaltung des Monogramms (s. Anm.
h’) und des der Kanzlei Heinrichs V. völlig fremden
Rekognitionszeichens (s. Anm. l’) entspricht.
Zum hier nachgeahmten ersten Königsmonogramm Heinrichs III. vgl.
DDH.III. Einl. S. LXf. und die Abbildungen bei Rück
a.a.O. 128ff. Abb. 445–468. Mit diesem hat das Monogramm des D. †8 in
erster Linie gemeinsam, dass die rechte Vertikale nur für die
Wiedergabe des
E verwendet ist und keine Belegung mit Buchstaben aufweist. Dass das
hiesige Monogramm außerdem an Kopf und Fuß der linken Vertikalen
lediglich Serifen aufweist, hat es ebenfalls – ein Beweis für die
Exaktheit der Nachahmung – mit einem Teil der bei Rück
gebotenen Beispiele gemeinsam, nämlich mit Abb. 449, 456, 458–461 und
463–465, wovon Abb. 458–461 (= DDH.III.65…87) denn auch in die
zeitliche Nähe zu DH.III.73 gehören (eine Abbildung des Monogramms von
D.73 selbst fehlt bei Rück, da es nur kopial überliefert ist); die anderen Beispiele des
Monogramms Heinrichs III. besitzen – wie alle Monogramme Heinrichs V.
– an dieser Stelle nach rechts gerichtete horizontale Abstriche zur
Wiedergabe eines eckigen
“C”.
Zum Aussehen des Rekognitionszeichens vgl. die Abbildung bei Rück
a.a.O. 90 Abb. 131 und Beschreibung S. 4f.: Die obere Bogenrundung
eines torförmigen Bogens ist dicht mit durchgehenden kurzen Strichen
mit kleinen Ringlein an beiden Enden belegt; es handelt sich demnach
nicht etwa um Haarborsten, erst recht ist es verfehlt, wenn Rück
a.a.O. 4 davon spricht, der Bogen sei “mit brennenden Kerzen
bestückt” (sollen die an beiden Enden gebrannt haben?). Im Inneren hat
das Zeichen einen die Bogenrundung unten abschließenden horizontalen
Strich, der mit
alBeRTVS belegt ist, darunter schief ein flaches Diagonalkreuz und unter diesem
einen nach unten durchhängenden Bogen, der bogig mit cancellaRIVS belegt ist. Ob diese groteske Darstellung, vom Austausch des
Kanzlernamens abgesehen, genau dem Vorbild des DH.III.73 entsprach,
muss angesichts des Verlustes des Originals offen bleiben, scheint
jedoch fraglich: Die nur im Kopialbuch des 13. Jh. f. 2r enthaltene
Nachzeichnung des SR. des DH.III.73 (fehlt bei Rück) weist zwar die gleiche Verzierung der Bogenrundung wie D. †8 auf,
bietet unter dem horizontalen Strich jedoch nur ein gleichmäßiges
Diagonalkreuz (was aber auch für die Nachzeichnung des SR. unseres D.
†8 ebenda f. 2v gilt!), in welches – gleich zweifach und jeweils
dreizeilig
– Eberhardus cancl̄l̄s eingeschrieben ist. – Womöglich spiegelt sich die originale Anordnung
des eingeschriebenen Kanzlernamens in DH.III.73 in dem sonst anders
aussehenden SR. des nur zwei Tage jüngeren DH.III.74 (Abb. bei Hoefer
in Zs. f. Archivkunde 2, Abb. d nach S. 182 und bei Rück
a.a.O. 90 Abb. 132; ähnlich Abb. 134 aus DH.III.92): Dort dienen die
Arme eines unter dem Horizontalstrich befindlichen Schrägkreuzes als
Zeilenbasen für überkreuz eingeschriebenes
EBERHARDVS / CANCELLARIVS, vgl. Rück
a.a.O. 5. – Wenn Rück
(S. 4) meint, D. †8 biete “das m. W. einzige Kanzlersignum eines
Diploms Heinrichs V.”, so trifft dies für die Kanzleiausfertigungen
zwar zu, er übersieht dabei aber das von ihm selbst auf S. 155 Abb.
648 gebotene Beispiel nach D. †270A, vgl. außerdem das Beispiel des
nur kopial erhaltenen (von Rück
nicht beachteten) D.121.
Mit der Feststellung der Abhängigkeiten des D. †8 erledigt sich
natürlich die Behauptung Oppermanns, Korroboratio, Signum- und Rekognitionszeile sowie das Monogramm (das
besonders auffällige Rekognitionszeichen vergaß er zu erwähnen) seien
einem echten D. Heinrichs V. nachgebildet. Da auch die Formulierung
der nach Meuthens
Kennzeichnung “verwirrten Datierung”, von den Änderungen bei Namen
sowie Inkarnationsjahr und Monatsnamen abgesehen, wörtlich auf VU.V
beruht, erklären sich dadurch auch die nicht zum angegebenen
Inkarnationsjahr 1103 passenden Zahlen für Indikation und
Ordinationsjahr (eigenartigerweise ist auf die Übernahme der
Regierungsjahre verzichtet), so dass nur das Inkarnationsjahr einer
Interpretation bedarf, während das Tagesdatum trotz der Übernahme auch
des
idus aus der Vorurkunde wohl nicht in Zweifel zu ziehen ist.
Während Oppermann
ohne Begründung meint, 1103 stehe für 1110, wohingegen Meuthen
zu Recht die Nennung des Erzkanzlers Ruthard († 1109 Mai 2) als
Terminus ante quem wertet, ist die Zahl
MCIII zweifellos eine bloße Verlesung des gänzlich unkundigen Fälschers für
MCVI, die leicht zustandekommen konnte, wenn die
V in der Vorlage mit relativ geraden Schäften geschrieben war. In
Verbindung mit der Tagesangabe und dem Handlungsort Aachen kommt nach
Heinrichs Itinerar in der Tat nur das Jahr 1106 in Betracht (s. auch Meyer von Knonau, Jahrb. 5,181 Anm. 17 und 6,7 Anm. 2), als der König nach der
Nachricht von Heinrichs IV. Tod, der am 7. August 1106 in Lüttich
verstorben war, noch eine Zeitlang in Aachen, wo er zu Anfang des
Monats eingetroffen war, verweilte, vgl. Meyer von Knonau
a.a.O. 6,6ff. und Stüllein, Itinerar 24f.
Man wird daher, ohne letzte Sicherheit gewinnen zu können, von der
Existenz eines echten D. Heinrichs V. von 1106 August 13 ausgehen
dürfen, das ohne Beteiligung der Kanzlei, der aber sicher die Namen
von Kanzler und Erzkanzler zu verdanken waren, von Empfängerseite
unter Verwendung von VUU.I und V für Protokoll und Eschatokoll
hergestellt worden war; dass diese Urkundenteile im ursprünglichen
Original kanzleigemäß formuliert gewesen und erst vom Fälscher gegen
die Formulierungen der Vorurkunden ausgetauscht worden wären, wird man
ausschließen müssen; an den Formen von Monogramm und
Rekognitionszeichen wird sich die noch unerfahrene Kanzlei kaum
gestört haben.
Zum angegebenen Datum passen denn auch einige der am Gerichtsverfahren
beteiligten Personen: B. Burkhard von Münster hatte die ihm von
Heinrich IV. anvertrauten Reichsinsignien, Schwert und Ring, nach
Aachen gebracht (s. Meyer von Knonau
a.a.O. 5,313 und 6,6 u. 14); der bis zum Schluss auf seiten des
Kaisers verharrende (s. D.*15 und Meyer von Knonau
a.a.O. 6,9 Anm. 6) B. Otbert von Lüttich hatte sich zusammen mit
anderen Anhängern Heinrichs IV. in Aachen am Hofe eingefunden, um sich
Heinrich V. zu unterwerfen (s. Meyer von Knonau
a.a.O. 11f.).
Oppermann, der alle sonstigen Verfahrensbeteiligten als auf das echte Diplom
zurückgehend bezeichnete, hatte davon den “Herzog Heinrich von
Limburg” ausgenommen, wohl weil dieser drei Monate zuvor von Heinrich
V. als Herzog von Niederlothringen zugunsten des Grafen Gottfried von
Löwen abgesetzt worden war (vgl. Meyer von Knonau
a.a.O. 5,300f. mit Anm. 40); dass erst der Fälscher seinen Namen
eingefügt haben sollte, was Oppermann
wohl vorschwebte, erscheint eine abwegige Annahme. Gesichert ist
vielmehr, dass der Limburger, der als eine der wichtigsten Stützen
Heinrichs IV. sicher zu denjenigen zählte, für die der sterbende
Kaiser um Vergebung bitten ließ (vgl. a.a.O. 5,313 und 6,6), sich dem
König stellte; wenn auch der denkbare Versuch Heinrichs, das Herzogtum
wiederzuerlangen, fehlschlug und er vom König in Haft genommen wurde,
so ist die Verwendung des
dux-Titels durch den Empfängerdiktator dennoch erklärlich, da der
Limburger, Vogt des Adalbertstiftes, in Aachen noch über Anhänger
verfügte, was es ihm nach geglückter Flucht aus der Haft erleichtert
haben dürfte, im Jahre 1107 bei seinem gewaltsamen Versuch der
Wiedereroberung des Herzogtums vorübergehend die Stadt Aachen zu
besetzen (vgl. a.a.O. 6,12f. mit Anm. 15 sowie Werner
in Die Salier u. das Reich 1,407 mit Anm. 234 und 431f. mit Anm.
355). – Mit der Anwesenheit Heinrichs hängt womöglich auch die Nennung
des sonst erst wieder im Jahre 1122 am Hof belegten (s. DD.233–235), hier die Reihe der
liberi homines eröffnenden Grafen Giselbert von Duras zusammen, da Heinrich Obervogt
von St. Truiden und Giselbert sein Untervogt war (s. DD.*15, *25 u.
*144).
Nach dem Verlust des Siegels bleibt ungewiss, ob es sich dabei um das
echte 1. Königssiegel Heinrichs gehandelt hatte, das von dem – dadurch
dann als solches erwiesenen – echten Original übertragen worden wäre;
immerhin entspricht der Wulst-Abdruck (s. Anm. q’) ungefähr dessen
Durchmesser von 6,5 cm. – Hinsichtlich des Inhalts des verlorenen
Originals lässt sich nur vermuten, dass der beurkundete Gerichtsspruch
sich schon gegen Übergriffe von Untervögten richtete, wobei aber
unentschieden bleibt, ob es auch schon ein Verbot von Untervögten
enthielt. Aus den Übernahmen des Fälschers aus VUU.II–IV ist
andererseits zu schließen, dass die Verfälschungen auf eine Begrenzung
der Vogteirechte zielten, weshalb auch die genaue Festlegung des
servitium zu den verfälschenden Zutaten zählen könnte. – Zur Vogtei über das
nach Vorbemerkung zu Meuthen
a.a.O. 451 no
195 von Heinrich II. geschenkte Olne (ca. 12 km sö. Lüttich) vgl.
noch Meuthen
no
184 u. 188 und Werner
a.a.O. 412 mit Anm. 259.