Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<7.>>

Unsicher.

Heinrich beklagt gegenüber den Fürsten den auf dem Zug nach Lüttich, wo für Ostern (25. März) ein Reichstag geplant war, von Herzog H(einrich von Niederlothringen) und dem Bischof (Otbert) von Lüttich an der Maas verübten verräterischen Überfall als Anschlag auf das Reich und die Fürsten und lädt sie zur Sammlung für einen Feldzug zum 1. Juli nach Würzburg.

(Mainz, 1106 wohl Anfang Mai).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Autograph der Vita Heinrici IV. imperatoris c. 13 in clm 14.095 f. 23r–24r der Bayerischen Staatsbibliothek zu München (B).

Drucke aus B: MGH LL 2.1,63 (zu 1106 April/Mai, als “fragmentum” bezeichnet). – MGH SS 12,281 = Const. 1,132 no 80 (zu 1106 April/Mai, gleichfalls als “fragmentum” bezeichnet). – SS rer. Germ. 358 (ed. Wattenbach-Eberhard),40. – Schmale in Qu. z. Gesch. Ks. Heinrichs IV. 458 mit dt. Übers. – Dt. Übers. von Jaffé in Gesch.-Schr. d. dt. Vorzeit 450,46f. – Zu den mit Aventin (1518) einsetzenden zahlreichen älteren Drucken, auf deren Verzeichnung wir verzichten, vgl. u.a. Wattenbach in SS 12,268 u. 270 und Potthast, Bibl. hist. 21,607.

Reg.: Wauters, Table chronol. 2,26. – Stumpf Reg. 3008 (beide zu 1106 April-Mai),

Nach der in c. 12 der Vita gebotenen ausführlichen Schilderung der am 22. März (vgl. unten) stattgefundenen Schlacht von Visé (ca. 15 km n. Lüttich), wohin Heinrich einen Voraustrupp zur Sicherung der dortigen Maasbrücke entsandt hatte, heißt es, die im Schreiben erwähnten Stationen Köln und Bonn vorwegnehmend, zu Beginn von c. 13: His ita transactis rex iter Coloniam convertit; sed cum illa quoque aditum sibi preclusisset, in villa, quę dicitur Bunna, dominica tantum paschę [25. März] peracta Mogontiam [-a auf Rasur von -na] festinus rediit et sparsis ubique legatis querimoniam ad proceres in hunc modum direxit. – Zum Mainzer Aufenthalt, dem das Schreiben zuzurechnen ist und der vor dem 13. Mai endete, an welchem Tag der Hof zum Pfingstfest in Worms weilte, vgl. Stüllein, Itinerar 22 mit Anm. 16–18.

Dem offenbar im Kloster St. Emmeram zu Regensburg schreibenden Autor (vgl. Bischoff in Stud. u. Mitt. 51,136 Anm. 141, Nachdruck in Ders., Mittelalterl. Studien 2,109 mit Anm. 146, zuletzt Märtl in DA 42,151f. mit Anm. 17) war von dem aus Mainz – sicherlich in mehreren, durch Boten überbrachten Exemplaren ( sparsis ubique legatis) – ausgegangenen Schreiben vermutlich das an einen bayerischen Adressaten gerichtete Exemplar zugänglich, in dem sicher nur für die Truppen aus dem Osten des Reiches der Sammelort Würzburg angegeben war, während sich das westliche Kontingent wohl am Rhein einfinden sollte (vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 5,301 Anm. 43; Stüllein a.a.O. 23). – Zur aus St. Emmeram stammenden Handschrift mit der einzigen Überlieferung der Vita vgl. Beumann in Festschr. Spörl (1965) 204ff.

Bis heute letztlich ungeklärt ist die Frage nach dem Verfasser der Vita Heinrici, als den man jedoch überwiegend, ohne letzte Sicherheit, B. Erlung von Würzburg, den letzten Kanzler Heinrichs IV., annehmen möchte, vgl. zuletzt Beumann in Festschr. Fleckenstein (1984) 305ff. (zu älteren Zusammenfassungen der kontroversen Literatur vgl. u.a. Meyer von Knonau a.a.O. 363ff. Excurs III, Schmale a.a.O. 35ff.); in diesem Sinne greift Beumann (1984) 319 eine sehr zurückhaltende Vermutung bei Schmale-Ott in ZBLG 34,460f. als vorstellbar auf, der mit B. Erlung befreundete B. Otto von Bamberg könnte der Adressat der Vita gewesen sein. – Statt der Deutung der als Stütze der Verfasserschaft Erlungs herangezogenen zweimaligen Erwähnung der capta urbs in c. 4 der Vita (ed. Wattenbach-Eberhard 18 Z. 28 und 19 Z. 1, ed. Schmale 424 Z. 8 u. 10; vgl. u.a. Beumann [1984] 305f. mit Anm. 6 u. 10 und 307 Anm. 24; zum Begriff vgl. das auf Rom bezogene capta urbe bei Sallust, Cat. c. 52) auf Würzburg bot in jüngerer Zeit Freise in MGH Libri memoriales N.S. 3,101 einen anderen Vorschlag: Da unter der capta urbs “ohne weiteres” auch das von Heinrich V. im Januar 1105 besetzte Regensburg (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 241ff., bes. 247) verstanden werden könne, zieht er in Verbindung mit dem Überlieferungsort der Handschrift in Betracht, dass der aus politischen Motiven 1105/6 von Heinrich V. abgesetzte Abt Pabo von St. Emmeram als Verfasser in Frage komme.

Sehr viel unentschiedener als in der Verfasserfrage ist die Literatur in der Frage, ob unserem D.7 ein echtes Aktenstück zugrunde liegt, welche Frage sich auch bei der in c. 11 der Vita enthaltenen, im März aus Lüttich an Heinrich V. adressierten Botschaft Heinrichs IV. (ed. Wattenbach-Eberhard 36 Z. 23 – 38 Z. 8; Schmale 452 Z. 25 – 456 Z. 5) stellt. Man ist sich weitgehend darin einig, dass beide Texte vom Verfaser der Vita zumindest stilistisch überarbeitet wurden; dafür könnte, neben der von einigen Autoren hervorgehobenen stilistischen Verwandtschaft der beiden Texte mit der ganzen Vita, u.a. ein Umstand sprechen, auf den Druffel, Ks. Heinrich IV. 99 hinwies, dass nämlich beide Texte mit den Worten in hunc modum eingeführt sind (zu D.7 vgl. oben), woraus auf die Absicht einer nur sinngemäßen Wiedergabe geschlossen werden könnte; allerdings ist denkbar, dass es sich dabei um eine Entlehnung aus Sallusts De coniuratione Catilinae handelt, der in c. 20, 52 u. 57 die dort eingerückten Reden jeweils mit huiuscemodi orationem [20: or. h.] habuit einleitet (vgl. auch c. 50: huiuscemodi verba locutus est); eine ähnliche Formulierung begegnet auch da, wo Sallust durch Legaten beförderte Mandate einrückt (c. 32: legatos misit cum mandatis huiusque modi), während er für eingerückte Briefe den Terminus exemplum verwendet (c. 34 u. 44: litteras … quarum [34: earum] exemplum infra scriptum est). – Beide Texte bieten sicher auch nicht den vollen Wortlaut der anzunehmenden Vorlage, sondern allenfalls jeweils nur einen Auszug, ohne Eingangs- und Schlussteile (zur unvermittelten Eröffnung von D.7 vgl. die genaue Parallele am Anfang der Botschaft Heinrichs IV.: Si interrogem te …), worauf die vereinzelte Charakterisierung des D.7 als “fragmentum” (vgl. oben zu den Editionen) abzielt.

Während die Botschaft Heinrichs IV. überwiegend als Fiktion des Vitenverfassers beurteilt wird (vgl. z.B. Wattenbach-Holtzmann 1,381: “frei erdacht”, Schmale 453 Anm. 10: “sicherlich nicht echt”), ist eine Reihe von Autoren zu Recht davon überzeugt, dass dem D.7 inhaltliche Echtheit zuzubilligen ist, vgl. u.a. Giesebrecht, Gesch. d. dt. Kaiserzeit 23,1145 (“beruht … gewiß auf einem echten Actenstück”, in 53,1201 abgemildert zu “beruht … wohl …”), Needon, Beiträge 16 Anm. 23, Busson in MIÖG 4,548 Anm. 2, Meyer von Knonau a.a.O. 300 Anm. 39, Wattenbach-Holtzmann a.a.O. (“authentisch”), Schmale a.a.O. 459 Anm. 3, Wattenbach-Holtzmann-Schmale 2,381 Anm. 66.- Andere Autoren vertreten jedoch entschieden die Unechtheit des D.7, z.B. Pivec in MÖIG 46,258 Anm. 2, Erdmann in AfU 16,228 Anm. 1 (für ihn sind die zwei Schreiben, “die formal zusammengehören”, beide “nur literarische Fiktionen”), zustimmend Haefele, Fortuna Heinrici IV. imp. 27 mit Anm. 44, und Schneider, Die Vita Heinrici IV. und Sallust 78 mit Anm. 1 meint, bei D.7 könne es sich “nur um einen fingierten Brief handeln”. – Von einer Bewertung des Briefes als Fiktion geht auch Beumann (1984) 315f. aus, wenn er hinter den dort vertretenen staatsrechtlichen Vorstellungen nicht den König, sondern den Vitenverfasser sieht. Millotat, Staatsvorstellungen 228 Anm. 59 hält den Brief “trotz Zweifel(n) an seiner Echtheit … als Beleg zeitgenössischen Beußtseins (für) wertvoll”. Ohne Infragestellung der Echtheit ist der Brief bei Weinfurter in Qu. u. Abh. z. Mittelrhein. Kirchengesch. 68,20 zitiert.

Mit diplomatischen Mitteln, auf die Koch, Sacrum imperium 18 Anm. 89 seine Hoffnung setzte, lässt sich die Echtheitsfrage nicht lösen. Einerseits erscheint es unmöglich, aus dem vorliegenden Text, dem Resultat einer wohl unbezweifelbaren stilistischen Überarbeitung (vgl. aber unten), den ursprünglichen Kern herauszuschälen; andererseits wird man ausschließen müssen, dass der Kanzleinotar Adalbert A, an dessen uns nur aus Diplomen bekanntes Diktat nicht die geringsten Anklänge feststellbar sind, mit der Abfassung eines solchen hochpolitischen Schreibens beauftragt gewesen war, sondern es ist davon auszugehen, dass dafür ein anderer dazu befähigter Angehöriger der Hofkapelle oder auch einer der sonstigen politischen Berater des Königs herangezogen wurde, wobei wohl auch an den Kanzler Adalbert gedacht werden kann und muss.

Nachdem das Schreiben in die Ladung der Fürsten einmündet, die auf jeden Fall zum ursprünglichen Kern gehört haben müsste, wird man annehmen dürfen, dass diesem auch schon der emphatische Tenor zu eigen war, durch den die als Mitbetroffene angesprochenen principes zur Teilnahme am Feldzug motiviert werden sollten. Schließlich ist auch der eigenartige Wechsel in der Verwendung von Singular und Plural für den Aussteller am ehesten erklärlich, wenn man ihn auf die von Erregung diktierte Vorlage zurückführt: Nach Eröffnung mit singularischen Verbformen (schon dort der unpassende Plural nostrę) folgt zunächst (ab et nos armis …) durchgehend Plural, der im Mittelteil (ab Igitur constrictus …) ebenso durchgängig durch Singular abgelöst wird, ehe für den Schlussteil (ab An hęc inpune feremus …) wieder zum Plural gewechselt wird. – All dies würde bedeuten, dass sich evtl. stilistische Überarbeitungen der Vorlage doch in engen Grenzen gehalten hätten, wir demnach über einen weitgehend zuverlässigen Text verfügten. Das stärkste sachliche Indiz für die tatsächliche Existenz einer nicht vom Verfasser der Vita herrührenden, sondern von ihm vorgefundenen echten Vorlage des D.7 ist in unseren Augen der bes. von Busson a.a.O. 548 mit Anm. 2 dargestellte Widerspruch zwischen D.7 und c. 12 der Vita in der Darstellung der Schlacht von Visé: Während nach D.7 dort von Anfang an ein Hinterhalt bereitet gewesen wäre ( insidias posuerant …), hätte sich nach c. 12 die Schlacht erst allmählich aus einer “Art Kampfspiel” (Druffel) heraus entwickelt gehabt. – Zur Schlacht von Visé, die – mit einer einzigen mit der Vita übereinstimmenden Ausnahme – nach allen anderen chronikalischen Quellen am Gründonnerstag, dem 22. März, stattfand, während die Vita in c. 12 dafür in parasceuae (Karfreitag, der 23. März) angibt, vgl. Busson a.a.O. 544ff., Meyer von Knonau a.a.O. 298ff. sowie 359ff. Excurs II (mit allen Quellen), Stüllein a.a.O. 21 (ebenda Anm. 15 zu weiteren Quellen über die Osterfeier in Bonn) und Kupper, Liège et l’église impériale 151f., 346, 394. – Von den beiden im Brief als für die Niederlage verantwortlich genannten Hauptgegnern, die nach Aussage von c. 11 der Vita den Kaiser zum Bleiben in Lüttich bewogen haben sollen, hat B. Otbert sich im August 1106 mit dem König ausgesöhnt (vgl. Vorbemerkung zu D. †8), Heinrich von Limburg war jedoch, zweifellos als Vergeltung für den Überfall von Visé, auf dem Wormser Hoftag vom 13. Mai als Herzog von Niederlothringen abgesetzt worden (vgl. ebenda; zu Heinrich vgl. auch D.*15); schon angesichts der Tatsache, dass der Limburger im Text noch als dux bezeichnet wird, ist es verfehlt, wenn NEEDON a.a.O. 16 annimmt, Heinrich habe D.7 auf dem Wormser Hoftag – in Wirklichkeit der Terminus ante quem für dessen Entstehung –, und zwar angeblich “mit Zustimmung der anwesenden Fürsten”, ausgehen lassen.

Si per invasionem regnum occupassem, tamen resistentes potestati nostrę retunderem, in quantum possem. Nunc autem, cum in sumpta regni dignitate vestris paruerim preceptis, ausus est quisquam impune in publicam contumeliam regnum et nos armis vexare? Cum enim Leodium ituri, ubi nobis curia pascalis habenda fuerat, ad fluvium Masa venissemus, episcopus Leodicensis et dux H., de quorum fide et obsequii devotione multum presumebamus, nobis latenter insidias posuerant et nostros inscios et ad pugnam imparatos cedebant, capiebant, fugabant. Quę et quanta clades ibi acciderit, tam pudet referre quam inultum dimittere. Igitur constrictus et eventus asperitate et temporis articulo Coloniam diverti. Quę cum me recipere satis superbe refutaret, apud villam Bunnam sanctum diem paschę utcumque peregi. Cui umquam regię personę tanta contumelia facta est? Nec solum me petit hęc contumelia, vos despecti estis. Isti presumptores decreta vestra auctoritatem habere nolunt, sua tantum statuta firma esse volunt; denique, in quos totum regni pondus se reclinet, haberi cupiunt. Regem, quem constituistis, destituere parant, ut nihil eorum, quę vos decernitis, ratum sit. Igitur hęc iniuria mea regni potius est quam mea; nam unius capitis, licet summi, deiectio reparabile regni dampnum est, principum autem conculcatio ruina regni est. An hęc inpune feremus, et ex ignobili pacientia nostra magis tumebit eorum superbia? Absit, ut, qui dicimur inhonorati, dicamur et inulti. Pauca dixisse sat est; desides animi prolixę cohortationis stimulo opus habent. Causa magis ad incitamentum sit quam verba. Quia igitur contra tam superbos hostes rei publicę viribus utendum est, expeditionem vobis et rogando precipimus et precipiendo rogamus, cuius collectioni et tempus kalendas iul. et locum Wirziburgensem urbem prefinimus.