Original (ca. 44/45 b : 58 h) im Kapitelsarchiv zu Cremona (A).
Druck aus A: Muratori, Ant. Ital. 12,77; 24,135 unvollständig.
Reg.: Cavitelli, Annales 40a. – Ughelli, Italia sacra 14,812; 24,599. – Zaccaria, Cremon. episc. series 107. – Sanclementi, Series episc. Cremon. 78, alle zu 1114. – Robolotti, Repertorio dipl. Cremonese 1,32 no
262 zu 1111 Juni 14 (nach Muratori
ed. I, der aber das richtige Tagesdatum
XIV. kalendas iunii hat) und 33 no
266 zu 1114 (nach Zaccaria). – Astegiano, CD Cremonae 1,97 no
20. – Indices … Muratorii
87 no
784. – Böhmer
Reg. 1999. – Stumpf
Reg. 3058.
Verfasst und geschrieben von Notar Adalbert A, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 65 no
27. Für das Diktat benutzte der Notar eine Empfängervorlage, die für
den Kontext bis auf wenige Erweiterungen eine wörtliche Wiederholung
des am 22. Oktober 1097 zu Cremona ausgestellten Diploms von Heinrichs
V. Bruder Konrad (D.5 = VU.) darstellt; auf die unreflektierte
Übernahme des Wortlauts der VU. dürfte auch die zweimalige Verwendung
des Terminus
regalis/regali (Z. ■ u. ■) zurückzuführen sein, während in der Pönformel das
regali der VU. richtig zu
imperiali geändert ist (s. Anm. w).
Das Konrad-Diplom seinerseits war eine Erneuerung des DH.III.354 von
1055 Oktober 15, dessen Besitzliste es nur
Azanellum und das
oratorium sancti Mavritii hinzugefügt hatte. Während unser Diplom selbst auf das DH.III.354
nicht zurückgegriffen hat, wurde dieses im DLo.III.44 von 1132 (B.-Petke
Reg. 320), welches sich nur im dispositiven Mittelteil auf D.77
gestützt hat (= NU.I; wegen des
regni nostri in Z. 18 setzt die Verwendung von D.77 schon dort ein, nicht erst, wie
gekennzeichnet, ab Z. 21), insbesondere für den Anfangs- und
Schlussteil herangezogen (auf parallele Benützung des DH.III.354 auch
im Mittelteil des DLo.III.44 weist das in beiden fehlende hiesige
olim von Z. ■ hin).
Alle Besitzungen einschließlich des (im Konrad-Diplom noch fehlenden)
altare sancti Ymerii (in ausführlicherer Formulierung:
oblationes etiam altaris sancti Imerii et ceterorum altarium vestrae
ecclesiae; im unten zu erwähnenden Privileg P. Urbans II. von 1095 [JL 5557] noch
erweitert durch:
sancte Marie maioris) sind auch fast wörtlich gleichlautend in dem Privileg P. Calixts II.
von 1123 März 6 (JL 7021; It. pont. 6.1, 275 no
2; Druck: Muratori
a.a.O. 15,247ff.; Robert, Bullaire 2,120 no
351 = NU.II) genannt, das wegen seiner weitgehenden textlichen
Anlehnung an unser D. und einiger Unregelmäßigkeiten aber nicht
unverdächtig erscheint. Das nur durch Dragoni
überlieferte ältere Privileg P. Urbans II. von 1095 März 30 (JL 5557;
It. pont. 6.1,275 no
† 1; Druck: Pflugk-Harttung, Acta 2,159 no
192), in dem nur, wie auch in DH.III.354 (s. oben), das
oratorium sancti Mauritii noch fehlt, ist gefälscht oder zumindest interpoliert und scheidet als
VU. aus.
Ein Großteil der Besitzungen war offenbar weiterhin zwischen Kapitel
und Bischof streitig. In diesem Zusammenhang ist das in doppelter
Fassung überlieferte, in Augsburg ausgestellte DH.IV.36 von 1058 Juni
15 für die bischöfliche Kirche zu sehen: Dessen Fassung D.36a, die im
übrigen eine Wiederholung des seinerseits auf einer Reihe früherer
Diplome (seit DO.I.429 von 973) zurückgehenden DKo.II.162 von 1031
Februar 27 darstellt, enthält folgenden über dieses hinausgehenden, in
der Vorbemerkung als nachträgliche Verunechtung oder auf Erschleichung
beruhend bewerteten Passus mit drei dem Domkapitel gehörenden
Objekten:
altare quoque sancti Ymerii, canonicam(!), porcos … fotrum, terram de Butaningo, Radaldisco, que omnia ipse [scil.
episcopus] tenuit octo dies antea, quam imperator postremo Ueronam
venisset, et sui antecessores semper tenuerunt.
Der letztlich sinnlose Satz spielt auf den durch das DH.III.357 von
1055 November 11 für San Zeno in Verona belegten Veroneser Aufenthalt
Heinrichs III.(!) an, was aus dem bloßen
imperator schließlich nicht herauszulesen ist. In der Vorbemerkung zu DH.IV.36a
ist nun als Zwischenglied zwischen diesem und dem DKo.II.162 ein
verlorenes DH.III. vermutet; in der Tat konnte nur ein in Verona für
Cremona ausgestelltes Diplom Heinrichs III. in Cremona die Kenntnis
seines Veroneser Aufenthalts vermittelt haben. Dies könnte aber erst nach 1055 November 3, dem Datum des in Guastalla
ausgestellten DH.III.356, angesetzt werden, so dass die Rechnung mit
dem
octo dies antea, die ganz zweifellos im Sinne einer Anciennität gegen das
domkapitelsche DH.III.354 von 1055 Oktober 15 gerichtet war, nicht
aufgeht.
Die zweite Fassung des Heinrich-Diploms, DH.IV.36b, mit viel kürzerer
Dispositio und völlig abweichender Besitzliste, kumuliert nun noch die
bischöflichen Ansprüche auf Besitzungen des Domkapitels mit der Liste
Forum novum …, Fontanellam … Azanello … Botalianum (eingeleitet mit
ea omnia, que episcopatus Cremonensis per vetus tempus tenuit vel que
idem memoratus episcopus [scil.
Hubaldus] adquirendo superaddidit). In der Vorbemerkung zu D.36b ist aufgrund der Tatsache, dass das
ar von
quartus in der Intitulatio auf Rasur steht (also ursprünglich
quintus dort gestanden hätte), die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass
einmal die Absicht bestanden hatte, den eines Eschatokolls
ermangelnden bloßen Entwurf auf Heinrich V. zuzuschneiden; immerhin
dürfte sich daraus eine Entstehung des Entwurfs während oder nach der
Regierungszeit Heinrichs V. ergeben.
Diese bildet dann auch den Terminus post quem für eine in diesem
Zusammenhang bisher übersehene Urkunde, nämlich das zweifellos
ebenfalls, wie die beiden oben erwähnten Papsturkunden, gefälschte
oder zumindest verunechtete, von Kehr
in It. pont. 6.1,264 no
1 unbeanstandet gelassene Privileg P. Alexanders II. von 1066 Oktober
30 (JL 4596; Druck: Falconi, Le carte Cremonesi 1,520 no
213); denn dieses vereint in sich Textpassagen bzw. Inhalte der
beiden Fassungen von DH.IV.36a/b: der Text bei Falconi
a.a.O. 521 Z. 15–27 (eingeleitet mit
ea que tue ecclesię sunt iuste collata seu in futurum conferenda
queque in precepto karissimi filii nostri regis Henrici continentur) entspricht DH.IV.36a S. 44 Z. 22ff. – S. 45 Z. 5 (bis
fotrum), darin allerdings von den dem Domkapitel gehörigen Objekten nur
altare quoque sancti Ymerii, abschließend mit
et cetera que in prefato precepto continentur; unmittelbar daran anschließend eine frei formulierte Fortführung der
Besitzliste (curte quoque que Barianum dicitur …), die unter ihren 14 Objekten von den 16 Objekten des DH.IV.36b
insgesamt 11 wiederholt, mittendrin
medietatem curtis Botariano infra castrum et extra aufführt und mit
seu etiam in Azanello, Fontanella endet.
Die von Cavitelli
(Jahreszahl nur auf S. 39b am Rand ausgeworfen) vorgenommene und von
den Späteren übernommene Datierung des D.77 auf 1114 (erst Robolotti
a.a.O. 292 wertet die Datierung seiner no
266 als “sbalgio”, ohne den chronologischen Widerspruch aufzulösen)
beruht darauf, dass er die Nachricht über den Veroneser Aufenthalt
Heinrichs im Anschluss an diejenige über die Kaiserkrönung bringt, die
er ihrerseits auf 1114 April 3 statt auf 1111 April 13 datiert.
Außer dem falschen Jahr übernahmen Ughelli, Zaccaria
und Sanclementi
von Cavitelli
auch die Umdeutung der Mutter Heinrichs zu seiner Gemahlin (pro remedio animæ suæ et Bertæ eius uxoris) sowie die angebliche Intervenienz des schon 1110 März 15 gestorbenen
(s. Asteglano
a.a.O. 2,171) Cremoneser Bischofs Walther, vgl. dazu Schwartz, Besetzung 113 Anm. 1, dessen Bemerkung, dass Cavitelli
für seine Notiz “mit großer Wahrscheinlichkeit” unser D. “mittelbar
oder unmittelbar benutzte”, zu zurückhaltend formuliert ist.
Wohl durch Cavitelli
verleitet, beansprucht Ughelli
(wörtlich von Zaccaria
wiederholt) in dem in unmittelbarem Anschluss an das Regest unseres
D. gebotenen Regest des D.183 für Pieve Gurata von 1116 Mai 29 auch
für dieses den B. Walther als Intervenienten (Idem Walterus impetravit ab Henrico IV. dicto V. imperatore …), obwohl der Name in dem von ihm selbst anschließend (1813; 2599f.) gedruckten Text dieses Diploms unter den Intervenienten
natürlich fehlt; und Sanclementi
schließlich errechnet (a.a.O. 79) unter Berufung darauf, in
Verbindung mit dem nekrologisch überlieferten Todestag März 15, das
Jahr 1117 als Sterbejahr Walthers.