Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<77.>>

Heinrich bestätigt den Domkanonikern zu Cremona die genannten, durch die Bischöfe entfremdeten Besitzungen, ferner den Altar des hl. Imerius sowie die übrigen Ländereien nebst deren Leistungen und befreit sie vom Fodrum und anderen Abgaben.

Verona, 1111 Mai 19.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 44/45 b : 58 h) im Kapitelsarchiv zu Cremona (A).

Druck aus A: Muratori, Ant. Ital. 12,77; 24,135 unvollständig.

Reg.: Cavitelli, Annales 40a. – Ughelli, Italia sacra 14,812; 24,599. – Zaccaria, Cremon. episc. series 107. – Sanclementi, Series episc. Cremon. 78, alle zu 1114. – Robolotti, Repertorio dipl. Cremonese 1,32 no 262 zu 1111 Juni 14 (nach Muratori ed. I, der aber das richtige Tagesdatum XIV. kalendas iunii hat) und 33 no 266 zu 1114 (nach Zaccaria). – Astegiano, CD Cremonae 1,97 no 20. – Indices … Muratorii 87 no 784. – Böhmer Reg. 1999. – Stumpf Reg. 3058.

Verfasst und geschrieben von Notar Adalbert A, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 65 no 27. Für das Diktat benutzte der Notar eine Empfängervorlage, die für den Kontext bis auf wenige Erweiterungen eine wörtliche Wiederholung des am 22. Oktober 1097 zu Cremona ausgestellten Diploms von Heinrichs V. Bruder Konrad (D.5 = VU.) darstellt; auf die unreflektierte Übernahme des Wortlauts der VU. dürfte auch die zweimalige Verwendung des Terminus regalis/regali (Z. ■ u. ■) zurückzuführen sein, während in der Pönformel das regali der VU. richtig zu imperiali geändert ist (s. Anm. w).

Das Konrad-Diplom seinerseits war eine Erneuerung des DH.III.354 von 1055 Oktober 15, dessen Besitzliste es nur Azanellum und das oratorium sancti Mavritii hinzugefügt hatte. Während unser Diplom selbst auf das DH.III.354 nicht zurückgegriffen hat, wurde dieses im DLo.III.44 von 1132 (B.-Petke Reg. 320), welches sich nur im dispositiven Mittelteil auf D.77 gestützt hat (= NU.I; wegen des regni nostri in Z. 18 setzt die Verwendung von D.77 schon dort ein, nicht erst, wie gekennzeichnet, ab Z. 21), insbesondere für den Anfangs- und Schlussteil herangezogen (auf parallele Benützung des DH.III.354 auch im Mittelteil des DLo.III.44 weist das in beiden fehlende hiesige olim von Z. ■ hin).

Alle Besitzungen einschließlich des (im Konrad-Diplom noch fehlenden) altare sancti Ymerii (in ausführlicherer Formulierung: oblationes etiam altaris sancti Imerii et ceterorum altarium vestrae ecclesiae; im unten zu erwähnenden Privileg P. Urbans II. von 1095 [JL 5557] noch erweitert durch: sancte Marie maioris) sind auch fast wörtlich gleichlautend in dem Privileg P. Calixts II. von 1123 März 6 (JL 7021; It. pont. 6.1, 275 no 2; Druck: Muratori a.a.O. 15,247ff.; Robert, Bullaire 2,120 no 351 = NU.II) genannt, das wegen seiner weitgehenden textlichen Anlehnung an unser D. und einiger Unregelmäßigkeiten aber nicht unverdächtig erscheint. Das nur durch Dragoni überlieferte ältere Privileg P. Urbans II. von 1095 März 30 (JL 5557; It. pont. 6.1,275 no † 1; Druck: Pflugk-Harttung, Acta 2,159 no 192), in dem nur, wie auch in DH.III.354 (s. oben), das oratorium sancti Mauritii noch fehlt, ist gefälscht oder zumindest interpoliert und scheidet als VU. aus.

Ein Großteil der Besitzungen war offenbar weiterhin zwischen Kapitel und Bischof streitig. In diesem Zusammenhang ist das in doppelter Fassung überlieferte, in Augsburg ausgestellte DH.IV.36 von 1058 Juni 15 für die bischöfliche Kirche zu sehen: Dessen Fassung D.36a, die im übrigen eine Wiederholung des seinerseits auf einer Reihe früherer Diplome (seit DO.I.429 von 973) zurückgehenden DKo.II.162 von 1031 Februar 27 darstellt, enthält folgenden über dieses hinausgehenden, in der Vorbemerkung als nachträgliche Verunechtung oder auf Erschleichung beruhend bewerteten Passus mit drei dem Domkapitel gehörenden Objekten: altare quoque sancti Ymerii, canonicam(!), porcos … fotrum, terram de Butaningo, Radaldisco, que omnia ipse [scil. episcopus] tenuit octo dies antea, quam imperator postremo Ueronam venisset, et sui antecessores semper tenuerunt.

Der letztlich sinnlose Satz spielt auf den durch das DH.III.357 von 1055 November 11 für San Zeno in Verona belegten Veroneser Aufenthalt Heinrichs III.(!) an, was aus dem bloßen imperator schließlich nicht herauszulesen ist. In der Vorbemerkung zu DH.IV.36a ist nun als Zwischenglied zwischen diesem und dem DKo.II.162 ein verlorenes DH.III. vermutet; in der Tat konnte nur ein in Verona für Cremona ausgestelltes Diplom Heinrichs III. in Cremona die Kenntnis seines Veroneser Aufenthalts vermittelt haben. Dies könnte aber erst nach 1055 November 3, dem Datum des in Guastalla ausgestellten DH.III.356, angesetzt werden, so dass die Rechnung mit dem octo dies antea, die ganz zweifellos im Sinne einer Anciennität gegen das domkapitelsche DH.III.354 von 1055 Oktober 15 gerichtet war, nicht aufgeht.

Die zweite Fassung des Heinrich-Diploms, DH.IV.36b, mit viel kürzerer Dispositio und völlig abweichender Besitzliste, kumuliert nun noch die bischöflichen Ansprüche auf Besitzungen des Domkapitels mit der Liste Forum novum …, Fontanellam … Azanello … Botalianum (eingeleitet mit ea omnia, que episcopatus Cremonensis per vetus tempus tenuit vel que idem memoratus episcopus [scil. Hubaldus] adquirendo superaddidit). In der Vorbemerkung zu D.36b ist aufgrund der Tatsache, dass das ar von quartus in der Intitulatio auf Rasur steht (also ursprünglich quintus dort gestanden hätte), die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass einmal die Absicht bestanden hatte, den eines Eschatokolls ermangelnden bloßen Entwurf auf Heinrich V. zuzuschneiden; immerhin dürfte sich daraus eine Entstehung des Entwurfs während oder nach der Regierungszeit Heinrichs V. ergeben.

Diese bildet dann auch den Terminus post quem für eine in diesem Zusammenhang bisher übersehene Urkunde, nämlich das zweifellos ebenfalls, wie die beiden oben erwähnten Papsturkunden, gefälschte oder zumindest verunechtete, von Kehr in It. pont. 6.1,264 no 1 unbeanstandet gelassene Privileg P. Alexanders II. von 1066 Oktober 30 (JL 4596; Druck: Falconi, Le carte Cremonesi 1,520 no 213); denn dieses vereint in sich Textpassagen bzw. Inhalte der beiden Fassungen von DH.IV.36a/b: der Text bei Falconi a.a.O. 521 Z. 15–27 (eingeleitet mit ea que tue ecclesię sunt iuste collata seu in futurum conferenda queque in precepto karissimi filii nostri regis Henrici continentur) entspricht DH.IV.36a S. 44 Z. 22ff. – S. 45 Z. 5 (bis fotrum), darin allerdings von den dem Domkapitel gehörigen Objekten nur altare quoque sancti Ymerii, abschließend mit et cetera que in prefato precepto continentur; unmittelbar daran anschließend eine frei formulierte Fortführung der Besitzliste (curte quoque que Barianum dicitur …), die unter ihren 14 Objekten von den 16 Objekten des DH.IV.36b insgesamt 11 wiederholt, mittendrin medietatem curtis Botariano infra castrum et extra aufführt und mit seu etiam in Azanello, Fontanella endet.

Die von Cavitelli (Jahreszahl nur auf S. 39b am Rand ausgeworfen) vorgenommene und von den Späteren übernommene Datierung des D.77 auf 1114 (erst Robolotti a.a.O. 292 wertet die Datierung seiner no 266 als “sbalgio”, ohne den chronologischen Widerspruch aufzulösen) beruht darauf, dass er die Nachricht über den Veroneser Aufenthalt Heinrichs im Anschluss an diejenige über die Kaiserkrönung bringt, die er ihrerseits auf 1114 April 3 statt auf 1111 April 13 datiert.

Außer dem falschen Jahr übernahmen Ughelli, Zaccaria und Sanclementi von Cavitelli auch die Umdeutung der Mutter Heinrichs zu seiner Gemahlin (pro remedio animæ suæ et Bertæ eius uxoris) sowie die angebliche Intervenienz des schon 1110 März 15 gestorbenen (s. Asteglano a.a.O. 2,171) Cremoneser Bischofs Walther, vgl. dazu Schwartz, Besetzung 113 Anm. 1, dessen Bemerkung, dass Cavitelli für seine Notiz “mit großer Wahrscheinlichkeit” unser D. “mittelbar oder unmittelbar benutzte”, zu zurückhaltend formuliert ist.

Wohl durch Cavitelli verleitet, beansprucht Ughelli (wörtlich von Zaccaria wiederholt) in dem in unmittelbarem Anschluss an das Regest unseres D. gebotenen Regest des D.183 für Pieve Gurata von 1116 Mai 29 auch für dieses den B. Walther als Intervenienten (Idem Walterus impetravit ab Henrico IV. dicto V. imperatore …), obwohl der Name in dem von ihm selbst anschließend (1813; 2599f.) gedruckten Text dieses Diploms unter den Intervenienten natürlich fehlt; und Sanclementi schließlich errechnet (a.a.O. 79) unter Berufung darauf, in Verbindung mit dem nekrologisch überlieferten Todestag März 15, das Jahr 1117 als Sterbejahr Walthers.

(C.) In nomine sanctae et individue trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Quoniam a deo omnium rerum inspectore meritam et condignam retributionem nos recipere minime dubitamus, si nostrę regalis munificentię benivolentiam deo devote servientium petitionibus clementer ac benigne accomodamus, volumus, ut omnium sanctę dei ecclesię nostrorumque fidelium tam futurorum quam presentium diligens industria noscat, qualiter nos pro remedio animę nostrę nostręque genitricis beate memorię Bertę et ob incrementum regni nostri canonicorum sanctę Cremonensis ęcclesię in honore beatissimę dei genitricis Marie constructę necessitatibus providentes illis confirmamus ac nostra regali auctoritate corroboramus terras suas, quas prefatę canonicę presules eiusdem ęcclesię vi et iniuste olim tulerant, scilicet Bvtaningvm, Castrum Uetus, Insulam, Radaldiscvm, Casam Nouam, Bvtalianvm, Acenellum, Fontanellam, capellam sancti Saluatoris necnon oratorium sancti Mauritii cum eorum pertinentiis, altare quoque sancti Ymerii confessoris cum eiusdem altaris oblationibus et omnibus ad idem pertinentibus, nec minus et cęteras terras, quas canonici predicti in Cremonensi episcopatu vel alicubi secundum instrumenta cartarum vel documenta legum nunc vel in futuro iuste ac legaliter per loca detinere videntur, cum districtu, cum porcis et vervecibus, cum operibus et albergariis et omnib[us] scuphiis. Preterea sanccimus atque precipimus, ut nullus episcopus, comes, procurator aut decanus aut portinarius de ipsa canonica aut de terris eiusdem canonicę fodrum aut aliquas dationes seu albergariam illis tollere aut eos de ipsis terris seu altari predicto sine legali iudicio molestare vel disvestire presumat. Si quis vero contra huius nostrę confirmationis auctoritatem temerarius violator occurrerit, centum libras auri optimi componat, medietatem imperiali camere nostrę et medietatem predictis canonicis. Hoc autem ut verius credatur firmiusque ab omnibus teneatur, hanc sedulam (!) inde conscriptam manu propria corroborantes sigilli nostri impressione precipimus insigniri.

Signum domni Henrici quarti Romanorum imperatoris invictissimi. (M.7.)

Burcardus Monasteriensis episcopus et cancellarius vice Alberti archicancellarii, Maguntine sedis electi, recognovit. (SI.D.)

Data XIIIIo kl. iunii, indictione IIII, anno dominicę incarnationis millesimo CXI, regnante Heinrico quinto rege Romanorum anno V, imperante primo, ordinationis eius XI; actum est Veronę; in Christo feliciter amen.