Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<73.>>

Heinrich nimmt die Domkanoniker von Parma mit ihren Besitzungen in seinen Schutz und gewährt ihnen die Immunität.

Marengo, 1111 Mai 16.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Zwei notarielle Transsumpte von 1400 Februar 19 im Staatsarchiv (B) und im Kapitelsarchiv (C) zu Parma.

Drucke: Aus C: Aff@, Storia della città di Parma 2,343 no 44 (mit VII. Kal. Junii ). – Aus BC: Drei, Carte degli archivi Parmensi 3,29 no 31 zu 1111 Mai 26 (im Text: VII ante kal. iunii).

Reg.: Böhmer Reg. 2002 mit “apud Maringam” zu 1111 Mai 26. – Stumpf Reg. 3064 mit Marciaga zu 1111 Mai 26.

Der von Empfängerseite gefertigte Text, dem Adalbert A nur das Eschatokoll hinzugefügt hatte (s. Hausmann, Reichskanzlei 65 no 33 zu 1111 V 26), verwendete aus der Reihe der älteren Diplome für das Domkapitel als Haupt-Vorlage das DO.II.238 von 980 Dezember 28 (= VU.I), stützte sich daneben jedoch vereinzelt auf das jüngere DO.III.210 von 996 (= VU.II), woher auch drei über VU.I hinausgehende Güternamen (s. Anm. n’, a”) in der im übrigen gegenüber den Vorurkunden verkürzten Besitzliste entnommen sind. VUU.I und II stimmen zwar in weiten Teilen wörtlich überein, VU.II ist aber vielfach, namentlich in der Sanctio knapper gefasst (vgl. Anm. ab, ah mit zusätzlichen Verweisen); da unser Diplom primär der ausführlicheren Fassung (VU.I) folgt, haben wir für VU.II nur bei den ausschließlich von dort entlehnten Stellen die Rand-Kennziffer II verwendet (s. bei Anm. g, s, n’, a”), auch wenn die anschließende, wieder nur mit der Randziffer I gekennzeichnete, Fortsetzung ebenso auch in VU.II steht; sonstige Hinweise auf von VU.I abweichende Übereinstimmungen mit VU.II, die sich in der Regel auf einzelne Wörter beschränken, sind ohne Text-Randziffer in die Anmerkungen verwiesen (s. Anm. e, c’, e”, ak, an, au, bc, bf).

Auf das Vorbild von VU.II (s. Anm. s) dürfte auch zurückzuführen sein, dass der seit Ende 1110 (s. D. †61) als italienischer Erzkanzler fungierende Mainzer Adalbert (in der Rekognitionszeile ohne Namensnennung) bei seiner zweimaligen Nennung als Intervenient vom Empfängerdiktator nur den Titel canzelarius erhielt; an eine Verlesung von Adelberti für Burchardi (s. Anm. f) wird man wohl nicht zu denken haben.

Während die beiden VUU. sich auf die Bestätigung des Besitzes und dessen Immunität beschränkten (vgl. das in Anm. k zitierte dortige omnes canonicales res gegenüber dem hiesigen ipsos canonicos), geht die Personalisierung in unserem Diplom (s. noch Z. ■ und ■) auf die Schutzverleihung Heinrichs III. von 1055 (DH.III.342) zurück, die aber mit einer Ausnahme (s. Anm. m) auf das Diktat sonst keinen Einfluss nahm. – Für die meisten der hier gegenüber den VUU. neu genannten Besitzungen fehlen ältere Titel: Zwei (gesperrt) sind schon in DO.I.142 von 952 genannt (cum villis, quę vocantur Sablone et Marsallia, Ponpeniano et Coriatico ); zu sancto Secundo vgl. DO.III.343 von 1000 (curtem de Palacioni [s. bei Anm. x], quę dicitur sancti Secundi); zu Pizzo (com. S. Secundo Parmense) vgl. DH.IV.341 von 1081 (vgl. auch das DF.I.286 von 1158); zu Marzaglia s. noch D.168; zum Parmeser Hafen Copermio vgl. die Vorbemerkung zu D.192. – Schumann, Parma 105 u. 108 sowie Chart. VII no 9 rechnet fälschlich auch das ca. 17 km nö. Modena gelegene Zena zu den in D.73 verzeichneten Besitzungen; desgleichen führt bei ihm das Coruiacho des Textes zu einer sich auf D.73 berufenden doppelten Verzeichnung in Chart. VIII: unter no 13 richtig mit dem heute nicht mehr existierenden Coriatico (s. oben zu DO.I.142; auf Schumanns Map 9 ö. Reggio eingezeichnet) sowie fälschlich nochmals unter no 22 mit Cavriago (ca. 10 km w. Reggio).

Die in Italien verbreitete, der Zahlwortschreibung septimodecimo (statt decimoseptimo) entsprechende umgekehrt-additive Ziffernschreibung der Kalendenzahl (s. Anm. bt), die für die bisherige falsche Datierung und Ortszuweisung verhängnisvoll wurde, lässt für den Befund im verlorenen Original zwei Deutungen zu: Falls die Datierung vom Kanzleinotar geschrieben war, wäre ein ursprünglich vergessenes X bei dessen Nachtragung falsch plaziert worden, oder aber das Datum war – nach dem Diktat des Notars – vom italienischen Empfängerschreiber, der dann als Schreiber des ganzen Originals zu gelten hätte (ihm ist dann auch die falsche Devotionsformel von Anm. a anzulasten), eingetragen; für diese Art der Ziffernschreibung vgl. das von dem mathildischen Notar Dominicus geschriebene Placitum D.177 von 1116 (sowohl in der Jahreszahl mit millesimo C sesto X als auch im Tagesdatum mit duo X. die), ferner DD.157 und 164 (jeweils nur in der Jahreszahl). Zu allem Unglück hat Aff@ in seinem Druck die X einfach weggelassen, woraus sich der 26. Mai ergab, und Drei bietet in seinem Druck die Lesung VII ante kal. iunii! Dass nur die Tagesangabe VIIX/XVII kal. iunii richtig ist, ergibt sich zwingend daraus, dass hier in D.73 noch die falsche 3. Indiktion verwendet ist (s. Anm. 1), die der Notar erst später in Verona, während der Ausfertigung der vier zum 19. Mai (XIIII. kal. iunii) datierten DD.74–77, korrigierte (s. Vorbemerkung zu D.74).

Das durch die Weglassung der X in den Drucken gewonnene und von der gesamten bisherigen Literatur übernommene falsche Datum des 26. Mai hatte nun Stumpf zusätzlich dazu veranlasst, mit Rücksicht auf das am 24. Mai bei Garda ausgestellte D.80 auch den Handlungsort in das nördlich von Garda gelegene Marciaga (com. Costermano prov. Verona) zu verlegen, wogegen Baur, Das Reichsgut in Venetien 26 Anm. 1, der das Maringam als Druckfehler für Marnigam wertete, es mit Marniga (com. Brenzone prov. Verona) identifizieren wollte; obwohl Drei in seinem Druck von 1950 die richtige Identifizierung mit dem ca. 11 km nördlich von Mantua gelegenen Marengo (com. Marmirolo prov. Mantova) geboten hatte, hat man auch danach noch an dem falschen Marciaga festgehalten (vgl. z.B. Hausmann a.a.O und 26; Stüllein, Itinerar 48 Anm. 1).

Das mit ca. 27 km einen Tagesmarsch von Verona entfernte, aber von der Marschroute Mantua-Verona ein wenig nach Westen wegführende Marengo war sicher nicht zufällig gewählt worden: Der Ort gehörte zum Besitz der Markgräfin Mathilde, die hier auch mehrfach geurkundet hat (s. Goez, Urk. Mathildes no 9 u. 19); die dortige Valentinskirche hatten Mathildes Vorfahren dem Kloster San Benedetto Po/Polirone geschenkt (a.a.O no 138), und Mathilde selbst hat diese Kirche, die mit D.78 (s. auch D.219) von Heinrich dem Kloster bestätigt wurde, noch 1113 mit einer Landschenkung ausgestattet (a.a.O. no 129). Stellt man in Rechnung, dass Heinrich nach seinem Aufenthalt vom 6.–8. Mai bei Mathilde auf deren Burg Bianello (s. D.72) für die in drei Tagesmärschen zurückzulegenden knapp 90 km nach Marengo eine reichliche Woche zur Verfügung hatte, dann muss er wohl einige mehrtägige Zwischenhalte eingelegt haben, von denen – neben Parma und Mantua – einer am ehesten im ca. 18 km südöstlich von Mantua gelegenen San Benedetto, dem Lieblingskloster Mathildes, angenommen werden kann, diesem Aufenthalt hätte das Kloster das nachträglich am 21. Mai in Verona ausgefertigte D.78 (s. oben) zu verdanken; die Wahl der “canusinischen” Etappen könnte außerdem bedeuten, dass Mathilde nach Heinrichs in Bianello erfolgter Einsetzung als Allodialerbe ihn ein Stück des Weges durch ihre Lande begleitet hätte, wogegen nicht unbedingt sprechen muss, dass sie weder in D.73 noch in D.78 als Intervenientin genannt wird. Die Impetration von D.73 darf bei Heinrichs Aufenthalt in Parma, vor oder eher nach dem Abstecher nach Bianello (s. D.72), vermutet werden. – Zum Fehlen des Vollziehungstriches im Monogramm (s. Anm. bo) vgl. Vorbemerkung zu D.74.

In nomine sancte et individue trinitatis. Henricus divina providencia Romanorum imperator augustus quartus. Omnium sancte dei ecclesie nostrorumque presencium ac futurorum fidelium noverit industria, quod canonici sancte Parmensis ecclesie in ea communiter viventes interventu ac peticione Adelberti canzelarii fidelissimi nostri nostram exorantes celsitudinem suppliciter postulaverunt, quatinus ipsos canonicos, qui nunc ibi sunt et qui pro tempore fuerint, omnesque ipsius facultates ecclesie sub nostri mundiburdii tuicionem reciperemus. Quorum iustam postulacionem considerantes idque mente revolventes, quod, qui deo servientes in hoc seculo tuetur, eterne felicitatis premio remuneratur, predicti canzellarii dilecti nostri precibus annuentes tam supradictos canonicos quam universa bona prefate ecclesie in tuicionem nostram recepimus, videlicet que sunt posita intra civitatem Parmam vel extra in circuitu ipsius, castella quoque et villas in episcopatu Parmensi, castrum scilicet de Palacione et de Pizo et de sancto Secundo cum omnibus eorum adiacenciis et pertinenciis atque familiis, operis quoque tam de castellanis quam de colonis, Matricullum quoque et Gayanum, Aquallatullam et Ballonem cum omnibus adiacenciis et pertinenciis eorum et portum integrum de Copermul(o) et cortem de Tune et cortem de Meletullo, medietatem de corte Barce, in episcopatu vero Regensi castrum de Coruiacho, in episcopatu Mutinensi Sablonem, cortem de Marzalia, cortem de Lama, castrum de Sala in episcopatu Boloniensi cum suis pertinenciis, et cum mansionibus, que sunt in suburbano territorio Ferarie, et mansiones intra civitatem Boloniam cum capellis, Arcetum in episcopatu Regensi, in episcopatu Parmensi plebem sancti Martini, plebem sancti Prosperi de Gayano, plebem sancti Cassiani et sancti Iohannis de Cusianno cum decimis earum, item plebem sancti Martini de Malandriano, plebem sancti Petri de Purpurianno, plebem sancti Petri de Vicatuli, plebem sancti Pancracii – sine decimis –, similiterque decimas omnium hominum habitancium Parme laborancium suburbanas terras, que dividuntur a plebibus, necnon etiam duas partes tolonei eiusdem civitatis. Insuper et omnia, que a prelibata ecclesia quocumque locorum in nostro Italico imperio possidentur tam in planiciebus quam in montibus, sive molendinos sive piscaciones sive silvas, aqueductus, flumina, fontanas, et tam ea, que prenominata ecclesia in presenti habet quam que in futurum deo adiuvante adquirere poterit. Eo vero modo eoque tenore sub nostri precepti confirmacione predictos canonicos et suprascripte ecclesie bona recepimus, ut nullus dux, marchio, archiepiscopus, episcopus, comes, vicecomes, sculdaxius, gastaldius vel aliquis publice rei exactor seu aliqua magna vel parva nostri imperii persona quovis in tempore de predictis castelis et cortibus et villis seu quibuscumque terris paratas aut operas, albergarias vel aliquam publicam exactionem querere presumat aut predictos Parmenses canonicos de iamdictis omnibus rebus molestare vel devestire vel illorum personas ledere presumat. Si quis vero umquam inventus fuerit, qui contra hoc nostrum preceptum perperam agere temptaverit, sciat se compositurum auri libras centum, medietatem camere nostre, reliquam vero medietatem prelibatis canonicis, quibus molestiam intulerit. Quod ut verius credatur diligenciusque ab omnibus observetur, manu propria roborantes sigilli nostri inpressione subter iussimus insigniri.

Signum domini Henrici quarti Romanorum imperatoris (M.7.) augusti invictissimi.

Burcardus [Monasteri]ensis episcopus et canzelarius vice archicanzelarii recognovit.

Dat. VIIX. kal. iunii, indicione tercia, anno dominice incarnacionis milesimo centesimo undecimo, regnante Henricho V. rege Romanorum anno V, imperante primo, ordinacionis eius XI; actum est apud Maringam; in Christo feliciter amen.