Original, nördliches Pergament (ca. 40/41 b : 62/65 h), im
Staatsarchiv zu Florenz (A); Rückvermerk des 13. Jh. in großer
Unziale:
Henric9
impr. V9, darüber von späterer Hand
IIII; 14. Jh. (später nachgezogen):
Eximit etiam sub protectione sua heremum Ca. et mon. sancti Donati
Fontisbone … et sancti Saluatoris de Berardengha … – Notarielles Transsumpt in Diplomform vom Ende des 12. Jh. ebenda (B).
Drucke: Mittarelli-Costadoni, Ann. Camald. 3, app. 227 no
157. – Posse, CD Sax. regiae 1.2,22 no
26 Auszug. – Schiaparelli-Baldasseroni, Reg. di Camaldoli 2,39 no
717 Auszug.
Reg.: Ficker
in Wilmans, Add. z. Westf. UB 91 no
116/14. – Knipping, Kölner Reg. 2,13 no
78. – Dobenecker, Reg. Thur. 1,226 no
1065. – Böhmer
Reg. 1998. – Stumpf
Reg. 3055.
Das sonst gut erhaltene Original ist unter Einwirkung von Feuchtigkeit
stark geschrumpft. Das
exemplar (B) aus südlichem Pergament, wie A in gerollter Form und zusammen mit
diesem verwahrt, geschrieben von
Iohannes iudex Enrici imperatoris (unter den drei anderen Unterschreibenden noch
Azo iudex serenissimi imperatoris Frederici und
Iacopinus iudex atque notarius Frederici imperatoris), wurde vielleicht zur Erwirkung des Diploms Heinrichs VI. von 1186
Okt. 6 (B.-Baaken
Reg. 20) hergestellt; Mittarelli-Costadoni
a.a.O. 3,141 erwähnt noch ein “Exemplar” von D.72, “quod asservatur
in parthenone sancti Petri de Luco [sac. K. n. 46]”, in dem zusätzlich
(als Interpolation) auch
monasterium sancti Petri de Luco de terra Florentina genannt sei (vgl. JL 6014:
monasterium sancti Petri situm Luci; s. auch DLo.III.108:
monasterium quod dicitur Lucum). – Rein orthographische Varianten von B bleiben im Apparat
unberücksichtigt.
Im Druck sind Übereinstimmungen innerhalb der Enumeratio mit dem
Privileg P. Paschals II. von 1105 März 23 (JL 6014; It. pont. 3,170 no
5; Druck: Mittarelli-Costadoni
a.a.O. app. 191 no
132; Migne, PL 163,152 no
143 = VU.) durch Petitsatz gekennzeichnet, ohne damit dessen
unmittelbare Benützung behaupten zu wollen, da es neben fast doppeltem
Umfang auch eine andere Reihenfolge der Besitzungen aufweist. In den
Anmerkungen ist vereinzelt auf das DLo.III.108 von 1137 (B.-Petke
Reg. 548 = NU.I), dem unser D. für den Kontext einschließlich der
Korroboratio als Vorlage diente, und dessen stark erweiterte
Wiederholung in DF.I.90 von 1154 (= NU.II) verwiesen.
Nach Hausmann, Reichskanzlei 63 no
25 stammen Schrift und Diktat des Originals von Notar Adalbert A,
ebenso schon Pivec
in MÖIG 51,27. – Hinsichtlich des Diktats ist die Feststellung
zutreffend (zu
causa dei vgl. Vorbemerkung zu D.5, zur Arenga Pivec
a.a.O.); der konsequent fehlerhaften Berechnung des Notars
entsprechen auch die falschen Jahreskennzahlen der Datierung (s. Anm.
2/3). Mit der Schrift verhält es sich jedoch anders: Von der Hand des
Notars stammt mit Sicherheit nur die Elongata der ersten Zeile und
vermutlich das Monogramm (vgl. unten), der Rest von anderer Hand.
Dem Notar die Schrift der ganzen Urkunde zuweisen zu wollen, muss
allein schon an der fehlerhaften Schreibung der Signumzeile (s. Anm.
o’) scheitern. Vor allem aber ist dem Notar völlig fremd die in
zunehmendem Maße erfolgte, in der zweiten Texthälfte ihre höchste
Steigerung erfahrende exzessive Ausgestaltung der
Oberlängenverschleifungen an langem
s und
f mit bis zu fünf Doppelschleifen, die, nach links auslaufend, entweder
schräg nach oben (so zumeist), horizontal oder senkrecht nach oben
gestellt sind, und dies in ständigem Wechsel mit Verwendung der für
den Notar typischen Gestaltung ohne oder allenfalls mit einer einzigen
Doppelschleife; häufig wird auch der Aufstrich des
&-Kürzels verschleift, einmal sogar die Oberlänge eines
d (s. Anm. b; s. auch Anm. y), was beides der Notar nie praktiziert.
Äußerst sparsam ist auch gegenüber dem regelmäßigen Gebrauch des
Notars die Verwendung von ę, wobei die cauda eine winzige geschlossene
Form aufweist.
Abgesehen von diesen Unstimmigkeiten haben wir es bei dem Schreiber
jedoch mit einem Imitationskünstler hohen Grades zu tun, der die
Schrift des Notars sowohl in Kontext- als auch in Elongataschrift fast
vollkommen nachzubilden versteht; das zeigt sich z.B. in der
Gestaltung der
st-Ligatur mit oben spitzer Verbindung, weniger vollkommen bei der
Nachahmung der
ct-Ligatur. Besonders gelungen ist die Nachahmung der für den Notar charakteristischen spitzigen Gestaltung
des dipl. Kürzungszeichens; nur verrät sich gerade an dessen
unregelmäßiger Verwendung, dass es dem Schreiber in seiner eigenen
Schreibpraxis offenbar gänzlich fremd gewesen sein muss: In den ersten
fünf Zeilen gelingt ihm zwar bis auf zwei Ausnahmen (s. Anm. d und i)
dessen regelmäßige Anwendung auf Anhieb, in den beiden nächsten Zeilen
verfällt er jedoch fast vollständig in die ihm geläufige Kürzungsweise
mittels titulus planus (s. Anm. l), um dann wieder zu vorwiegendem
Gebrauch des dipl. Kürzungszeichens zurückzukehren, muss im übrigen in
einer Reihe von Fällen einen ursprünglichen titulus planus erst
nachträglich durch das dipl. Kürzungszeichen ersetzen (s. Anm. i, t,
a’, f’, h’).
Der graphische Befund stellt sich für uns so dar, dass tatsächlich ein
von Adalbert A geschriebenes Original existiert haben muss, das
vermutlich inhaltlich den Empfänger nicht zufriedengestellt hatte; die
erbetene Neuausfertigung wollte sich der Notar jedoch nicht selbst
aufladen, sondern beschränkte sich auf die Eintragung der elongierten
1. Zeile und betraute mit der Fertigstellung, einschließlich der
Unterfertigungszeilen (s. Anm. o’) und der Datierung (s. Anm. t’), die
offensichtlich unverändert aus der Erstausfertigung übernommen wurde,
einen anderen Schreiber, der das verworfene erste Original als
striktes Schriftmuster verwendete. Von der Hand des Notars stammte
dann anscheinend nur noch das vermutlich gleichzeitig mit der 1. Zeile
vorweg eingezeichnete Monogramm, mit dem später die vom Textschreiber
eingetragene Signumzeile kollidierte (s. Anm. o’ und p’).
Da, entgegen der Behauptung Schums in NA 1,144, der für das Eschatokoll blassere Tinte und für das
Datum andere Hand konstatierte, für die ganze Urkunde, also für die
Anteile des Notars und des fremden Schreibers, völlig einheitliche
Tinte verwendet ist, kann man davon ausgehen, dass der Schreiber
sozusagen “unter den Augen des Notars” gearbeitet hat, der diesem
dabei den Gebrauch des dipl. Kürzungszeichens – mit nicht ganz
vollständigem Erfolg – schon unterm Schreiben, nicht erst bei einer
Endkontrolle, die insbesondere angesichts Anm. o’ womöglich gar nicht
stattgefunden hat, regelrecht aufgenötigt haben muss.
Aus der Verwendung nördlichen Pergaments ergibt sich außerdem
zwingend, dass die Neuausfertigung, bei der sowohl aufgrund der
Mitwirkung des Notars als auch der Wiederholung der Dispositio in
DLo.III.108 eine verfälschende Absicht ausgeschlossen werden kann,
erst nach der Rückkehr nach Deutschland erfolgte, wo erstmals in
Passau mit dem D.84 von 1115 Juni 24 geurkundet wurde. – Das die
Neuausfertigung nicht noch in Italien zustandekam, hängt vermutlich
wiederum mit einem anderen Sachverhalt zusammen: Wir haben es nämlich
bei D.72 ohne Zweifel mit einem Fall von uneinheitlicher Datierung zu
tun, die sich im verlorenen Original vermutlich in Nachtragung des
Tagesdatums zu erkennen gegeben hatte.
Nach der zum weiteren Itinerar Heinrichs passenden, daher wohl
zuverlässigen Nachricht in Donizos Vita Mathildis v. 1250ff. (MGH SS
12,403; vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,178f. mit Anm. 89 u. 90) war er am 6.–8. Mai zu Gast bei
der Markgräfin Mathilde auf deren nördlich von Canossa gelegenen Burg
Bianello (s. Goez, Urk. Mathildes Dep. 80); Heinrich kann daher nicht noch am 2. Mai in
dem ca. 180 km und damit ungefähr eine Marschwoche entfernten
Forlimpopoli gewesen sein; die dortige Handlung muss daher frühestens
in der letzten Aprilwoche angesetzt werden, während man erst auf dem
weiteren Zuge, der wahrscheinlich auf der Via Emilia über Forli,
Faenza, Imola, Bologna, Modena und Reggio nell’Emilia in die Nähe von
Parma führte, wo man zu dem ca. 20 km südöstlich gelegenen Bianello
abgebogen sein wird, zur Vornahme der Beurkundung kam. Geht man davon
aus, dass dieser Weg nicht ohne Zwischenaufenthalte zurückgelegt
wurde, dann bietet sich von den Zwischenstationen für eine erste
Beurkundung am 2. Mai als wahrscheinlichster Ort Modena an, eher als
das noch ca. 85 km von Parma entfernte Bologna.
Zum Besuch Mathildes hatte Heinrich sicher nur ein kleines Gefolge
mitgenommen, das Heer jedoch an der Via Emilia zurückgelassen, evtl.
nicht unmittelbar vor Parma, sondern eher in der Nähe des knapp 10 km
ö. Parma gelegenen S. Ilario d’Enza, von wo man im Tal der Enza am
leichtesten nach Bianello gelangen konnte. – Spätestens nach dem
Verlassen Bianellos hat dann Heinrich zweifellos in Parma Station
gemacht, wo die Impetration des D.73 für die dortigen Kanoniker
angenommen werden darf. Von Parma führte das Itinerar weiter über
Mantua und das nördlich davon gelegene Marengo (Ausstellort des D.73
vom 16. Mai) nach Verona, wo man am 17. oder 18. Mai eingetroffen sein
wird. Ob nun für die Erfüllung des klösterlichen Wunsches nach
Neuausfertigung während des Zuges sich keine Gelegenheit bot oder der
Wunsch zu spät vorgetragen wurde, in Verona selbst blieb angesichts
der dortigen dichten Urkundenproduktion (s. Vorbemerkung zu D.74)
dafür erst recht keine Zeit, ebensowenig wie bei dem folgenden, dem
Alpenübergang vorangehenden kurzen Zwischenhalt vom 24. Mai am
Gardasee (D.80), so dass der zu vermutende Empfängerschreiber dem Hof
nach Deutschland gefolgt sein muss, wo er dann aber wahrscheinlich sehr bald die neue Urkunde entgegennehmen konnte.
Bei Camaldoli ist, wie in unserem Diplom geschehen (vgl. auch Anm. h;
s. auch D.267), zu unterscheiden zwischen dem mit
hospitium verbundenen Kloster (Fontebuona) mit Donatuskirche und der 2,5 km
oberhalb gelegenen Eremitei mit Salvatorkirche (s. Kurze
in Lex. d. MA 2,1405). – Dass das
habitant und
habitare vel vivere in der Bestimmung über den Gerichtsstand nicht allein auf die
Klosterinsassen zu beziehen ist, sondern auch und in erster Linie (so
unser Regest) auf die Klosteruntertanen, zeigt das DF.I.426 von 1164
(S. 317 Z. 6:
fideles Christi Camaldulenses heremitas et proprios eorum homines eis
servientes). Zu den
ermanni (s. bei Anm. p) und den Besitzrechten Camaldolis in Anghiari vgl. Haverkamp, Herrschaftsformen 1,193–196, besonders 194 Anm. 131.