Notariell beglaubigte Abschrift aus der 2. Hälfte des 14. Jh. im
Stadtarchiv zu Turin (B). – Unbeglaubigte Abschrift derselben Hand
ebenda (C). – Unbeglaubigte Abschrift aus dem Ende des 14. Jh. ebenda
(D).
Faks. von B: Chiaudano
in “Torino”, Rassegna mensile della città 18 no
5,24. – Torino, Immagini e documenti dell’archivio storico del comune
2f.
Drucke: Ferrero, Istoria di Torino 2, Annot. 88 no
15 (f) “Ex Archi. Civitatis” (= wohl aus D; vgl. z.B. Anm. p, s und
bes. Anm. b”). – Guichenon, Histoire généal. de Savoye 12.6,30; 24.1, preuves 30 (g) Auszug “tirée des archives de ladite Ville”, mit
“apud Sutrium in castris” (s. Anm. u’). – Aus B: Mon. patr. chart.
1,737 no
444 = Barelli
in Boll. stor.-bibliogr. subalpino 12,103 Anm. 3 Auszug. – Cognasso, Documenti di Torino 5 no
5, alle zu 1111 März 23.
Reg.: Moriondo, Mon. Aquensia 2,316 no
38. – Carutti, Reg. com. Sabaudiae 92 no
252 “apud Sutrium”. – Inventario degli Atti dell’Archivio comunale
1,9 no
1. – Böhmer
Reg. 1997 “apud Sutrium in castris”. – Stumpf
Reg. 3052 “Intra”, alle zu 1111 März 23.
Das notarielle Transsumpt, das wegen der Nennung des Turiner Bischofs
J. (= Johannes Orsini de Rivalta, 1364–1411) in der notariellen
Unterfertigung frühestens in das 7. Jahrzehnt des 14. Jh. gehört, ist
womöglich nur ein Entwurf, da der Notar in seiner Unterfertigung zu
den von anderer Hand geschriebenen Abschriften von weiteren
infrascripti notarii publici spricht, deren Unterfertigungen jedoch fehlen. – Auf dem mit unserem
D. eröffneten Pergamentblatt folgen noch das DH.V.190 und das
DLo.III.106 von 1136 (B.-Petke
Reg. 542), die alle drei den gemeinsamen Fehler aufweisen, dass sie
von den im Original sicher vorhanden gewesenen zwei
Unterfertigungszeilen nur die jeweils in mittlerer Höhe des Monogramms
eingetragene Signumzeile (s. Anm. r’) übernahmen; das in BCD jeweils
in voller Größe im Freiraum zwischen Kontext und Datumzeile
eingezeichnete Monogramm ist in allen drei Texten (von diesen fehlt
D.190 in D) schematisch vor
invictissimi plaziert.
Das Bild der erhaltenen Überlieferungen spricht dafür, dass CD auf B
zurückgehen, doch kommt auch eine “originalere” Parallelfassung von B
(s. oben) als Vorlage von CD in Betracht. Da auch die
Vorlagen-Abhängigkeit der beiden ältesten Drucke letztlich
unentschieden bleibt, wurden deren Varianten in den Anmerkungen
berücksichtigt: Während Ferrero
(f) vermutlich von D abhängt, könnte für Guichenon
(g), dessen starke Umstellungen, Auslassungen und Umformulierungen
innerhalb seines knappen Auszugs (s. Anm. t, c’, e’, f’) ein Urteil
erschweren, namentlich angesichts seiner beiden über den Text von BCD
hinausgehenden Informationen (s. Anm. w und u’, vgl. auch Anm. y’)
eine andere verlorene Vorlage vermutet werden.
Verfasst von Notar Adalbert A; vgl. Hausmann, Reichskanzlei 65 no
24, mit prinzipiell richtiger Zuweisung zu “1111 (IV) 22, (Sutri)”
(zur Beschränkung dieses Datums auf die Beurkundung vgl. weiter
unten). – Ganz offensichtlich allein eine spielerische Zutat des
Notars ist die, von den Kopisten als
et palatinus verlesene Erweiterung der Intitulatio um
et patritius (s. Anm. c), die er nochmals in D.75 aufgreift. Da deren Herleitung
aus einer älteren Vorurkunde in beiden Fällen ausscheidet, ist in
Erwägung zu ziehen, wenn auch relativ unwahrscheinlich, dass sich der
Notar an das Vorkommen dieses Zusatzes in dem zwar nicht von ihm
stammenden, aber sicherlich vor der Ausfertigung durch seine Hand
gegangenen D.36 erinnerte; den äußeren Anstoß dazu, dem Herrscher den
Titel eines
patritius (Romanorum) zuzulegen, lieferte jedoch ohne Zweifel die eine Woche zurückliegende
Kaiserkrönung vom 13. April, die mit der Übertragung des Patriziats
durch die Römer verbunden war (vgl. dazu D.70 Anm. s” u. nr). Zu den
drei Diplomen vgl., ohne weiterführende Bewertung, Merta
in Intitulatio III, 197 mit Anm. 162–164. Den von Karl dem Großen
eingeführten Zusatz
et patritius, den dieser nur bis zur Kaiserkrönung (versehentlich auch noch in dem
ersten als Kaiser ausgestellten Diplom, DKar.196 von 801) verwendet
hatte, konnte man danach zunächst allein in Fälschungen antreffen (s.
DLo.I.†141 [mit
serenissimus Romanus patricius] und DKa.III.†184, ferner in den verfälschten Intitulationen der
beiden Fuldaer DLD.78 und DKa.III.97), in nachkarolingischer Zeit nur
noch in DH.IV.408 für Stablo (vgl. dazu D.49 Anm. d) und in dem
gefälschten DH.IV.†453 für Porto (vgl. noch das
patritius Romanorum in den interpolierten Invokationen von DD.O.I.252 u. 425 für Kl. Lorsch).
In der Datierung ist das
aprilis (s. Anm. w’) sicher keine Verlesung der Kopisten, sondern eine dem
Notar unterlaufene versehentliche Einsetzung des Namens des laufenden
Monats statt des durch die Kalendenrechnung geforderten
maii. Die Berichtigung ergibt sich nicht nur aus der Verwendung des
Kaisertitels in Intitulatio, Signumzeile und Datierung, sondern auch
aus dem Monogramm, dessen durch die Kopisten freilich entstellte
Gestalt (s. Anm. s’) der nach der Kaiserkrönung eingeführten neuen
Zeichnung entspricht (erstmals einwandfrei in D.72; in DD.73, 74,
77–79 fehlt gleichfalls, wie in D.71, der Vollziehungsstrich). Merta
a.a.O., die an der falschen Datierung auf den 23. März – übrigens dem
Datum des
iuxta Romam entstandenen D.69! – festhält (Anm. 162), versucht dies mit der
abwegigen Vorstellung eines “zumindest fallweisen Gebrauchs des
Kaisertitels” durch die Kanzlei schon vor der Kaiserkrönung zu retten.
Gegenüber dem bei Stumpf
als Handlungsort angegebenen, vom Itinerar her unmöglichen Intra am
Westufer des Lago Maggiore (com. Verbania prov. Novara) ist das ins
Itinerar passende, reichlich 40 km nw. Rom gelegene Sutri, wo Heinrich
auch schon auf dem Hinweg Station gemacht hatte (s. D.66 vom 9.
Februar), sowohl durch die, von wo auch immer gewonnene, Angabe Guichenons (s. Anm. u’) als auch durch den handschriftlichen Befund (s. Anm.
b”) gesichert; vgl. zu dieser Korrektur schon Vorbemerkung zu
DLo.III.106.
Im übrigen ist bei D.71 von uneinheitlicher Datierung auszugehen; denn
aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten des weiteren Itinerars kann die
Beurkundung am 22. April erst erfolgt sein, als der Hof Sutri schon
lange verlassen hatte, während die dortige Handlung wohl bald nach dem
15. April anzusetzen ist, vgl. dazu Thiel
S. ■. – Die Ungereimtheiten der überlieferten Datierung waren für Bresslau, Jahrb. Ko.II.1,406 Anm. 3 der Grund dafür gewesen, D.71 als “stark
verdächtig” zu erklären und daher auf seine Verwertung für den hier
erstmals als solcher bezeichneten Markgrafen Rainer von Monferrato
(vgl. Settia
in Boll. stor.-bibliogr. subalpino 73,515f.) zu verzichten; die
Zweifel an der Echtheit des D.71 wurden von Hellmann, Grafen von Savoyen 36 Anm. 2 und von Previté Orton, Early history of Savoy 279 Anm. 3 aufgegriffen, jedoch von Usseglio, Marchesi di Monferrato 1,123f. zurückgewiesen und in der
Vorbemerkung zu DLo.III.106 mit dem Hinweis auf die engen
Diktatbeziehungen des D.71 zu D.72 ausgeräumt.
Die Formulierung der Dispositio muss als wenig gelungen bezeichnet
werden. Das dem
stratam zugeordnete
eundo et redeundo gehört sachlich eigentlich zu den
transeuntes peregrini ac negociatores. Unpräzise ist auch die Formulierung über die “Unterstellung” (retinendam … concessimus atque firmavimus) der
strata publica, womit die nach Norden zum Mont Cenis und nach Osten über
Vercelli-Pavia-Piacenza weiterführende “Via Francigena” gemeint ist;
zu deren Verlauf vgl. Renouard
in Boll. stor.-bibliogr. subalpino 61,244 sowie Sergi
ebenda 76,410 und Ders., Potere e territorio 31 (mit Carta I), zu ihrem weiteren Verlauf über
Lucca bis Rom vgl. Schrod, Reichsstrassen 27ff.
Wegen der unklaren Formulierung des Textes ist sich die Literatur,
soweit sie überhaupt auf das Problem eingeht, insbesondere über die
Bedeutung der Erwähnung des ca. 25 km w. Turin am Eingang zum Valle di
Susa gelegenen Sant’Ambrogio uneins; während Sergi
(in Boll. 77,168f. und in Potere 79f.), wie offenbar vorher schon
andere (z.B. Darmstädter, Reichsgut 211, Schaube, Handelsgesch. 335 und Tyler, The Alpine passes 164), an die Unterstellung der ganzen Straße
zwischen Turin und dem Mont Cenis denkt, mit der Ortsangabe als bloßem
Hinweis auf Richtung und Verlauf, ist Tabacco
in Die Alpen in der europ. Gesch. 239 der Auffassung, es handle sich
nur um das Straßenstück zwischen Turin und Sant’Ambrogio. Zu dieser
Deutung passt am ehesten auch der Schluss-Zusatz des DLo.III.106, da
das dortige Verbot einer Verlegung der Straße (ut strata penes ipsos sit nullusque alias eam divertere audeat vel
presumat) darauf abzielt, die Straße mit der – ebenfalls ganz unbestimmt
gelassenen, zumeist als Gerichtsbarkeit (und Zoll) gedeuteten
– iusticia im Hoheitsbereich von Turin zu erhalten, so dass auch in D.71
Sant’Ambrogio am wahrscheinlichsten als westlicher Endpunkt des
Verlaufs innerhalb des Turiner Hoheitsgebietes verstanden werden kann.
Die Intervenientenliste unseres D. bildet für einige Personen den
einzigen Beleg ihrer Teilnahme an Heinrichs 1. Italienzug: Dies gilt
in erster Linie für B. Eberhard I. von Eichstätt; für die Richtigkeit
der Nennung (Barellis Druck bietet unerklärlicherweise die Lesung
Berardi Costantiensis!) spricht einerseits die Tatsache, dass Eberhard sowohl kurz vor
Beginn des Zuges (s. Vorbemerkung zu D.334) als auch kurz nach dessen
Beendigung (s. D.87 von 1111 August 8) bei Heinrich weilte, und
andererseits der Befund, dass Heidingsfelder
(Eichstätter Reg.), dem unser Beleg aufgrund der falschen Lesungen
der Drucke entgangen ist, für die Zwischenzeit keine einzige Nennung
Eberhards kennt.
Die Intervention der vier Piemonteser Markgrafen bzw. Grafen, von
denen nur Markgraf Rainer von Monferrato (s. DD.168 u. 187; vgl. oben) sowie Graf Albert von
Biandrate (s. D.70/V: einer von Heinrichs Eidhelfern) auch anderweitig
am Hof nachzuweisen sind, erklärt sich aus deren Interesse an dem für
die lokalen Verhältnisse wichtigen Inhalt von D.71.
Demgegenüber kann die von Guichenon
überlieferte – evtl. von ihm erfundene – Petenten-Rolle des Grafen
Amadeus III. von Savoyen (s. Anm. w) außer wegen der übertrieben
wirkenden Bezeichnung als
consanguineus noster charissimus (zur Verwandtschaft vgl. D.226) schon deshalb keine Glaubwürdigkeit
beanspruchen, weil nach seinem Text umgekehrt die eigentlichen
Intervenienten zu bloßen Zeugen (praesentes, s. Anm. f’) degradiert wären. Während Kallmann
in Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 14,63f., der sogar an zwei verschiedene
unserem D. zugrundeliegende Urkunden denkt, die von Guichenon
gebotene “Fassung” mit der Amadeus-Nennung ernst nimmt, ist bei Previté Orton
a.a.O. 279ff. und Tyler
a.a.O. 60 ein engeres Verhältnis des Grafen Amadeus zu Heinrich V.
überhaupt in Zweifel gezogen, und Haverkamp
in ZBLG 31,787 Anm. 74 und in Hist. Zs. Beiheft 7,186 sieht in D.71,
mit seiner Nennung der als Konkurrenten der Grafen von Savoyen
angesehenen Piemonteser Herren, sogar eine “deutliche Spitze” gegen
Amadeus, wodurch seine gleichzeitige Nennung ausgeschlossen erscheinen
müsste; zur Entwicklung des Verhältnisses zwischen Amadeus und Turin
vgl. B.-Petke
a.a.O. und Reg. 537. – Zu dem hier erstmals belegten B. Siegfried von
Vercelli, einem vermutlichen früheren Speyerer Domkanoniker, vgl. Schwartz, Besetzung 140.