Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<70.>>

(Kaiserliches “Manifest” über die) Abmachungen zwischen Heinrich und Papst Paschal II., wonach der Papst ihm das Recht der Investitur mit Ring und Stab zugestehen (I), auf jede Vergeltung für Heinrichs bisheriges Verhalten verzichten, nie den Bann gegen ihn verhängen und ihn zum Kaiser krönen werde (II), was genannte Kardinäle beschworen (III), [wohingegen Heinrich beschwor, den Papst und alle Mitgefangenen sowie seine Geiseln freizulassen, den Anhängern des Papstes und dem römischen Volk auf Gegenseitigkeit Frieden und Sicherheit zu garantieren, den Papst bei der Bewahrung der Papstwürde zu unterstützen, die Besitzungen der römischen Kirche zu restituieren und dem Papst gegenüber Gehorsam zu wahren (IV), was genannte Eidhelfer beschworen (V)], woraufhin Heinrich die Kaiserkrone empfing (nach VI) und der Papst über seine Zusagen ein Privileg ausstellte (VII).

(Bald nach 1111 April 13).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Der Übersichtlichkeit halber werden die Handschriften jeweils mit neuem Zeilenbeginn und mit Voranstellung der Siglen sowie nach Gruppen aufgegliedert verzeichnet; die von uns (außer bei P und B; zu den P-Siglen vgl. Vorbemerkung zu D.65) durch andere ersetzten Siglen Weilands (MGH Const. 1,134–137) werden in eckigen Klammern nachgesetzt:

I. Fassungen mit Zwischentexten (= “Manifest”):

a) Mit Insert I–III, VIa, VII (d.h. ohne IV u. Vb):

V1 [RII.1]: Codex Udalrici in Cod. 398 f. 111va–112rb der Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien.

Z [RII.2]: Codex Udalrici in Hs. 283 p. 241–243 der Stiftsbibliothek zu Zwettl.

Pr [RII.3]: Ms. lat. 10.402 f. 68v–70v der Nationalbibliothek zu Paris.

Vd: Cod. 61 (alt 82) f. 1r–2r der Stadtbibliothek zu Verdun (bricht gegen Ende von VII ab, s. Anm. mu).

b) Mit Insert II–IV, Vb, VIa, VII (d.h. ohne I, aber mit IV u. Vb):

W [M]: Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum lib. 5 c. 421–424 (ed. Mynors 1,767–770).

II. Nur die Inserte bietend (= “Collectio”):

a) Mit allen Inserten (Reihenfolge: IV, Vb, I–III, VII, VIb):

O [C.1]: Cod. 194 f. 129r der Stadtbibliothek zu St. Omer.

G [C.2]: Autograph des “Liber Floridus” des Domherrn Lambert von St. Omer in Ms. 92 (alt 16) f. 106r–107r der Universitätsbibliothek zu Gent; Weiland benützte nur den Druck Jurets von 1585.

S [C.5]: Chronik des Sigebert von Gembloux in Hs. 18.239 f. 55r–v der Staatsbibliothek zu Brüssel (= ohne I; IV, Vb und III stark gekürzt oder nur in Paraphrase).

b) Mit Insert IV, Vb, I–III, VII (d.h. ohne VIb):

H: Ms. P.I.3 f. Ir–IIr der Kathedralbibliothek zu Hereford.

F [C.4]: Chronik des Florenz von Worcester (ed. Thorpe 2,60–64) (daraus Fs, vgl. S. ■■■).

L [C.3]: Hs. Cotton, Faustina B VI f. 95r–v der British Library zu London (mit Anfangsstellung des Inserts VII; s.a. Weiland a.a.O. 136 Z. 24ff.).

c) Mit Insert I, II, IV, Va:

P5 p. 397a–b, lib. 4 c.40.

d) Mit Insert II, IV, Va:

P1 f. 195r–v. – Separat in derselben Handschrift (Vat. lat. 1984) f. 193v = PI [V]: zusätzlich I u. VII.

P2 f. 137rb (IV u. Va) und f. 159vb (II); vgl. Anm. cb.

P4 f. 123ra–va (alt 146ra–va) in no CXXXVIIII.

e) Nur mit Insert VII:

B: Msc. Bibl. 87 f. 82v der Staatsbibliothek zu Bamberg.

V3 [W]: Cod. 2213 f. 14v der Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien.

Drucke: Aus P5: Sigonius, Hist. de regno Italiae lib. 10 (ed.II, Basel 1575), 406 (Paraphrase mit Auszügen bzw. Versatzstücken aus II, IV, V). – Aus O: Ivonis ep. Carnotensis epistolae (Paris 1585) 252v–253v, Interpret. ad epist. 238 = Ivonis Carnotensis operum pars altera, quae continet epistolas, cum notis … Iureti canonici Lingonensis et Soucheti canonici Carnotensis (Paris 1647) 194 = Migne, PL 162,405. – Binius, Concilia 3,1312 (aus P5 und W, daher die Inserte IV u. V zweimal). – Baronius, Annales ecclesiastici 12 (Rom 1607), 79 (“Ex Paschalis papae vitae actis” = entspricht O, wohl nach Juret; Inserte I–IV, V u. VII, davon II gekürzt mit Rückverweis auf vollständigen Text auf S. 78 nach P5); S. 80 das Insert VIb mit der Angabe: “in notis … Massoni ad Ivonis epistolas haec ita scripta ex antiquo codice leguntur” (vgl. dazu Const. 1,135 Anm. 3) = ed. Theiner 18 (1869),211 c. 18–23. – Aus W: Goldast, Const. imp., Rationale 58. – Conc. coll. regia 26,784 (aus Binius). – Labbé, Conc. 10,778 (aus Binius) – Aus G(?): Goldast, Collectio const. imp. ed. II.III.1,253. – Bernard, Recueil des traitez 1,16 no 20–22 (aus Goldast). – Hardouin, Acta conc. 6.2,1908 (aus Labbé). – Lünig, Reichsarchiv 15,151 no 62 (aus Goldast). – Aus V1: Eccard, Corp. hist. 2,271 no 264 u. 265. – Dumont, Corps diplomatique 1.1,63 no 111 (aus Goldast, Labbé u.a.). – Lünig, Corp. iur. feud. 1,21 no 9 (aus Reichsarchiv). – Hartzheim, Conc. Germaniae 3,262 (aus Dumont). – Mansi, Conc. 21 (Venedig 1776), 43 (I–III, VI, aus Eccard). – Muletti, Memorie di Saluzzo 1,411 (IV u. V aus Baronius). – Aus P1: MGH LL 2.1,71 = SS 5,476 = Doeberl, Mon. Germ. Sel. 3,58 no XXb (nur VII). – Aus F: SS 5,565. – Aus S: SS 6,374. – Aus P5: SS 7,781. – Aus F: Florentii Wigorniensis monachi Chronicon ed. Thorpe 2,60 = (aus Florentius) Symeonis monachi opera omnia ed. Arnold 2,242. – Aus W: SS 10,479. – Watterich, Vitae pont. 2,64 (aus P1, L, Eccard und SS 6). – Aus V1Z: Jaffé, Mon. Bamberg. 274 no 150. – Aus P4: Fabre-Duchesne, Lib. cens. 1,412. – Aus P1: Duchesne, Lib. pont. 2,342. – Aus fast allen Hss.: Wieland in MGH Const. 1,151 no 101 (die Inserte separat no 91–97). – Aus G: Delisle in Notices et extraits 38,671f. no 179 (Auszüge). – Bernheim, Wormser Konkordat 8 no IIa–d (Auszüge aus I, II, IV u. VII, aus Const.) = Bernheim, Qu. z. Gesch. d. Investiturstreites ed. 1.22,36 no 16 (die Inserte separat 27ff. no 12 u. 13) = Fritz, Qu. z. Wormser Konk. 45 no 25 (die Inserte separat 35ff. no 20 u. 21). – Aus G: Lamberti Liber Floridus ed. Derolez 215. – Aus P5: SS 34,508.

Reg.: Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,492 no 10. – Erhard, Reg. Westf. 1,219 no 1368. – Valentinelli in Abh. d. k. bayer. Akad. d. Wiss., Hist. Cl. 9.2,415 no 121 (Ins. IV). – Dobenecker, Reg. Thur. 1,226 no 1064 (Ins. V). – Knipping, Kölner Reg. 2,12 no 77 (Ins. V). – Tallone, Reg. dei marchesi di Saluzzo 3 no 7 (Ins. V). – Stumpf Reg. 3054 (nur Ins. IV [u. V = Erwähnung des Kanzlers Adalbert]).

Weilands sorgfältige Edition in Const. 1 benützte fast alle erhaltenen Handschriften (vgl. Verzeichnis a.a.O. 136f.); unberücksichtigt ließ er die handschriftlichen Überlieferungen von Vd, S und G (zu Vd und G vgl. a.a.O. 136 Z. 36ff.), noch unbekannt war ihm die wichtige Handschrift H. Wir selbst haben uns für die in jeweils mehreren Handschriften überlieferten Chroniken W und F nur auf die Drucke gestützt (gilt auch für Fs); zur Verfasserfrage der unter dem Namen des Florenz von Worcester verbreiteten Chronik vgl. Holtzmann in NA 50,294 Anm. 1 (Nachdruck: Ders., Beitr. z. Reichs- u. Papstgesch. 116 Anm. 4) und Lex. d. MA 4,553f.

Zur Überlieferung der Inserte II, IV und Va in den Handschriften P1.2.4 der päpstlichen “Relatio” und der dortigen Weglassung der Inserte I (dieses nur in P5 und PI), III, VI und VII (letzteres nur in PI) vgl. Vorbemerkung zu D.65. – Von kaiserlicher Seite wurde für die Verbreitung der in D.70 enthaltenen Aktenstücke in zweifacher Weise Sorge getragen, einerseits in Gestalt einer bloßen Zusammenstellung der nur mit Rubra versehenen Aktenstücke, andererseits durch einen darstellenden Bericht, der die Aktenstücke mit Zwischentexten versah, die allerdings zwischen den – alle dem 11. April angehörenden – Inserten I–V (das nur in P am Schluss von V überlieferte Datum bezieht sich auf alle 5 Stücke) kaum den Umfang von Rubra überschreiten.

Wir übernehmen im Folgenden für den durch die Handschriften der Gruppe I überlieferten darstellenden Text, den Weiland a.a.O. 136 u. 151 als “Relatio caesarea posterior/altera” (Sigle: RII) bezeichnete, die von Hausmann, Reichskanzlei 85f. (neben dem wegen Fehlens von Aussteller und Adresse unpassenden Begriff “Rundschreiben”) gewählte Bezeichnung “Manifest”, zur Unterscheidung von der subjektiv formulierten “Enzyklika” des D.68, während Holtzmann a.a.O. 282 (107) von DD.68 und 70 als den “zwei Enzykliken” Heinrichs V. spricht; der proklamatorische Charakter eines Manifests verrät sich auch durch die, nur in Vd und Pr überlieferte (s. Anm. a) Eröffnung mit einer Invokatio. – Für die Aktenzusammenstellung behalten wir die von Weiland a.a.O. eingeführte Bezeichnung “Collectio (monumentorum)” (Sigle: C) bei; zu dieser sowie zu W vgl. auch Holtzmann a.a.O. 282ff. (107ff.). Das “Manifest” war in die verlorene Geschichte des 1. Romzuges eingebaut gewesen, die der Iroschotte David, Würzburger Scholastikus und Kaplan der Hofkapelle, seit 1120 Bischof des nordwalisischen Bangor, in Heinrichs Auftrag verfasst hatte, vgl. dazu die Anonyme Kaiserchronik (lib. III, ed. Schmale-Ott 254 Z. 7ff.) und die Chronik Ekkehards (rec. III, a.a.O. 300 Z. 6ff.): Providerat autem rex … se non solum armatis, sed etiam literatis viris necessario muniri, paratis scilicet ad rationem omni poscenti reddendam. Inter quos claruit quidam Scotigena nomine David, quem dudum scolas Wirciburg regentem … rex sibi capellanum assumpsit. Hic itaque iussus a rege totam huius expeditionis seriem … tribus libris digessit …; die Darstellung iuxta iamdicti relationem hystoriographi setzt mit der Ankunft in Ivrea ein). – Zu David vgl. Hausmann a.a.O. 83ff., der, unter Zurückweisung weitestgehender sonstiger Diktatzuweisungen an David durch Pivec (vgl. Exkurs a.a.O. 310ff.), immerhin für möglich hält, dass David (“höchstens”) der Verfasser des “kaiserlichen Manifestes über die Ereignisse des Aprils 1111” (= D.70) gewesen ist, wofür jedoch alle Anhaltspunkte fehlen; vielmehr dürfte David, was Hausmann a.a.O. 85 als andere Möglichkeit in Betracht zieht, das ohne seine Mitwirkung verfasste “Manifest” lediglich seinem Geschichtswerk einverleibt haben.

Die einzige und – hinsichtlich der Texte des D.70 evtl. über David hinausgehende (s. weiter unten) – komplette Übernahme des “Manifests” aus dem Werk des von ihm schon als Bancornensis episcopus bezeichneten David Scottus bietet Wilhelm von Malmesbury in lib. 5 c. 421–425 seiner Gesta regum Anglorum (= W), der lediglich das Insert I wegließ, offensichtlich aus der Überlegung heraus, dass dieses inhaltlich nur das “Pravileg” (VII) vorwegnahm und daher überflüssig sei (s. Anm. m u. p’).

Die von Wilhelm dem David angelastete Parteilichkeit (ed. Mynors 1,764: magis in regis gratiam quam historicum deceret acclinis; s. auch Anm. p’), von der – zusätzliches Indiz gegen seine Verfasserschaft – in D.70 freilich nicht die geringste Spur zu finden ist, kann sich demnach nur in anderen Teilen seines verlorenen Werkes ausgedrückt haben, wofür Wilhelm lediglich zwei Beispiele anführen kann, den auch von der Anonymen Kaiserchronik und Ekkehard (a.a.O. 258 Z. 2f. bzw. 302 Z. 26f.) übernommenen Hinweis auf Jakobs Kampf mit dem Engel (Gen. 32,26) als Entschuldigung (laudi ducit) für die Gefangennahme des Papstes und den Versuch einer Rechtfertigung für Heinrichs Anspruch auf das hominium bei der Investitur (quia non sit seculare negotium, si clericus laico fecerit homininium; vgl. dazu Minninger, Von Clermont zum Wormser Konkordat 168f.). – Übrigens bieten Kaiserchronik und Ekkehard in ihrem sonst äußerst knappen Bericht nur an einer Stelle (a.a.O. 258 Z. 16ff. bzw.304 Z. 4ff.) auf der Benützung des David’schen Textes beruhende wörtliche Entlehnungen aus dem Schluss des berichtenden Textes vor Insert VII (cum nimio … tripudio, … sub testimonio astantis ęcclesię …, sub anathemate confirmabat).

Nicht der aus David geschöpfte W-Text war jedoch das “Manifest”, das nach Hausmanns Meinung (a.a.O. 84 u. 86) “weite Verbreitung gefunden hat” (s. auch Weiland a.a.O. 136 Z. 13f.), sondern eine – im übrigen mit W übereinstimmende – Fassung, die aus propagandistischen Gründen die in W enthaltenen Inserte IV und Vb, d.h. Heinrichs ganzen Part an den Abmachungen, ausgelassen hatte und damit u.a. auch das in IV erwähnte Faktum der Gefangennahme des Papstes verschwieg. – Wir haben deshalb diese Partien in Text und Kopfregest in eckige Klammern gesetzt, da sie eben nicht zum “Manifest” gehörten. Aus einem bestimmten Exemplar fand dieses (verkürzte) “Manifest” Eingang in den Codex Udalrici (V1Z). – Ein anderes Exemplar war womöglich in gleicher Weise wie die “Enzyklika” (D.68, vgl. dortige Vorbemerkung) an EB. Bruno von Trier gelangt, woraus sich die Überlieferung Vd aus dem Gebiet des Trierer Suffraganbistums Verdun erklären könnte. Vd und das mit ihm eng verwandte Pr, beide nicht voneinander abhängig, sondern auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehend, bieten übrigens öfters gegenüber dem Codex Udalrici die besseren Lesungen (vgl. z.B. Anm. g, k, x, i’ und öfter) und enthalten insbesondere den sonst nur von W (d.h. David) und der separaten Überlieferung des “Pravilegs” in V3 gebotenen bedeutsamen Zusatz von Anm. li (s. Weiland a.a.O 136 Z. 43f.; vgl. weiter unten).

Neben dem “Manifest” steht die zweifellos am Hof entstandene anonyme und nur die Vertragstexte bietende “Collectio”, welche die im “Manifest” unterschlagenen Inserte IV und Vb noch enthielt, mit diesen sogar die Textsammlung eröffnete.

Die Überlieferung der “Collectio” spaltet sich in zwei, durch jeweils drei Repräsentanten vertretene Zweige (s. auch Holtzmann a.a.O. 283f./107f.): Eine in Flandern verbreitete Fassung (OG), die auch Sigebert von Gembloux in seiner Chronik verwertete (= S), umfasst alle sieben Vertragstexte, wobei die Kommunionformel VIb ganz am Schluss hinter VII eingeordnet ist. Die beiden aus St. Omer stammenden Überlieferungen O und G gehen eindeutig auf eine gemeinsame Vorlage zurück (vgl. z.B. Anm. w”, cp, ge, gv und öfter); jedoch ist O keineswegs eine Kopie von G, wie Delisle a.a.O. 671 Anm. 2 behauptet (s. Holtzmann a.a.O. 283/108); das beweisen u.a. der ständige Ersatz von rex u.ä. durch imperator in G (s. Anm. r mit Verweisen), zahlreiche Auslassungen gegenüber O (vgl. z.B. Anm. bc, dm, ko, na), die Umstellungen von Anm. fk und fn und andere Varianten oder Fehler (vgl. z.B. Anm. t, ax, cs, da, ks, np); andererseits war aber auch O nicht die Vorlage von G, wie verschiedene Auslassungen in O (vgl. z.B. Anm. bx, gf, my) und besonders das dortige Fehlen der von G gebotenen unsinnigen Datierung von Anm. gy zeigen.

Eine andere, ausschließlich in England verbreitete Fassung (HFL) ließ demgegenüber das Insert VI aus; in der aus Canterbury stammenden Londoner Handschrift (L) ist sogar, bei sonst mit HF (und OGS) übereinstimmender Abfolge, das dort nur mit seinem Schluss erhaltene (s. Anm. ii und lc), die Krönung des Vertragswerkes darstellende “Pravileg” (VII) an die Spitze der Texte gestellt.

Über den Zeitpunkt der Entstehung der “Collectio” sind wir genauestens unterrichtet, durch den auf dem vorderen Vorsatz der Hereforder Handschrift (H) überlieferten, die “Collectio” als Insert den Adressaten übermittelnden Brief (Holtzmann a.a.O. 300/122) mit der Adresse Dominis et amicis suis R. filio R. et G. cap(ellano) B. servus eorum; Holtzmann hat a.a.O. 286ff. (111ff.) überzeugend nachgewiesen, dass es sich bei dem Absender um den Kanoniker des Aachener Marienstiftes und kaiserlichen Kaplan Burchard, seit 1114 Bischof von Cambrai (s. D.*131), und bei den Adressaten um den mit dem englischen König Heinrich I. verwandten Roger FitzRichard aus der Familie Clare (dieser, wie Burchard, im Jahre 1110 einer der Brautführer der Königstochter Mathilde, s. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,117 mit Anm. 11) und den königlichen Kaplan Gilbert handelte.

Die Empfänger sollten nach Burchards Wunsch das privilegium (als wichtigster Inhalt stellvertretend für die “Collectio”) u.a. dem Bischof (Robert I.) von Chester (seit 1102 Sitz in Coventry) zeigen – auf diesem Wege sollte die “Collectio” zweifellos an König Heinrich I. als den eigentlich gemeinten Adressaten gelangen (s. Holtzmann a.a.O. 300/121f.), zumal es sich nach Aussage des Briefes offenbar um die erste Abschrift der “Collectio” gehandelt hat (et hoc sit vobis notum: nullus nisi rex [Heinrich V.] adhuc habet istud privilegium). – Ebenfalls nach Aussage des Briefes ist die “Collectio” unmittelbar nach den Ereignissen, am Ort der Abfassung des Briefes, in campo zusammengestellt worden, d.h. im Feldlager, in das Heinrich noch am Krönungstag des 13. April zurückgekehrt war (vgl. Anm. ii: statim ad castra in campum egreditur), und noch vor dem alsbald angetretenen Rückmarsch, auf dem wir den Hof schon am 22. April in Sutri finden (s. D.71).

Die Empfänger sorgten offenbar umgehend (neben der Weiterleitung an König Heinrich) für die Verbreitung der “Collectio” – u. zw. zusammen mit dem Begleitbrief, den nach Holtzmanns Feststellung a.a.O. 294f. (116ff.) jedenfalls Florenz von Worcester gekannt haben muss (s. auch Schluss der Anm. nr); aus dessen Werk fand der “Collectio”-Text wörtlich Eingang in die dem Simeon von Durham zugesprochene Historia Regum aus der 2. Hälfte des 12. Jh. (ed. Arnold, Symeonis monachi opera omnia 2,242–245; vgl. dazu Gransden, Historical Writings in England 148ff.), deren wenigen Varianten wir mit der Sigle “Fs” notiert haben (s. Anm. o, x, ao, bq, dc, ef’, iz, kh, lx, lz, nr).

Die “Collectio” mit ihrer fast naiv anmutenden Voranstellung der Inserte IV und Vb war demnach die erste Stufe der kaiserlichen Dokumentation über die Ereignisse des April 1111. Das “Manifest” kann auf dieser Grundlage erst nachträglich, wenn auch sicher nicht viel später, verfasst worden sein. Es verwundert gleichwohl, dass die Kanzlei in kurzer Zeit zwei so unterschiedliche, beide zur Propagierung bestimmte (vgl. oben: ad rationem … reddendam) Dokumentationen hinausgehen ließ. Auf jeden Fall wird man davon ausgehen können, dass nach Abfassung des “Manifests” mit seiner Eliminierung der Inserte IV und Vb die weitere Verbreitung der “Collectio” gestoppt wurde. – Umso mehr irritiert, dass W (David) als Vertreter des “Manifest”-Typus die beiden Inserte enthielt. Daher ist wenigstens vermutungsweise in Betracht zu ziehen, dass Wilhelm in Davids Bericht tatsächlich nur die Standardform des “Manifests” vorgefunden hatte und in dieses selbständig, aus einem ihm zugänglichen Exemplar der “Collectio”, die beiden Inserte einfügte; dass Wilhelm die “Collectio” gekannt hat, ergibt sich mit Sicherheit aus den starken Übereinstimmungen innerhalb der Vertragstexte zwischen ihm und den “Collectio”-Handschriften OGSHFL (vgl. z.B. Anm. ab, ai, ak, an, cg, ck, cm, cw, da, ds, dt). Die Frage lässt sich letztlich nicht entscheiden; jedenfalls hatte ja David nach Wilhelms und Ekkehards Darstellung (s. oben) die in Insert IV enthaltene Nachricht über die Gefangennahme des Papstes nicht unterschlagen gehabt.

Das “Manifest” wird, obwohl es sich bei dessen Inserten ausschließlich um von päpstlicher Seite verfasste Texte handelt, von uns als Ganzes ediert, weil es eine, der “Enzyklika” D.68 vergleichbare, auf kaiserlicher Initiative beruhende und als offiziell zu bewertende Verlautbarung darstellt. Bei der Einfügung der nicht zu ihm gehörigen (zum Klammereinschluss s. oben), nur in der “Collectio” und der päpstlichen “Relatio”, aber auch in W überlieferten Inserte IV und Vb, zugleich der einzigen Texte der kaiserlichen Seite, wird die auch durch die Aufeinanderfolge von IV und Va in der “Relatio” (s. Anm. ei) gestützte Plazierung in W beibehalten. – Für Insert VI und dessen Voraustext ist in Spaltdruck zusätzlich die abweichende Fassung der “Collectio”-Handschriften OGS aufgenommen. Für Insert V haben wir dem Text von WOGHFL (= Vb) in Spaltdruck den ausführlicheren Text der “Relatio” vorangestellt, da dieser auch die Datierung (11. April) für die Inserte I–V bietet. – Der als Const. no 95 gedruckte entsprechende Text ist übrigens so in keiner Handschrift überliefert, sondern bildet eine, in der dortigen Vorbemerkung nicht überzeugend begründete Kombination aus Vb und dem Schluss des “Relatio”-Textes von Va ab Sic dominus rex (vgl. Anm. ei und fd).

Im textkritischen Apparat sind, ausgenommen die nur nach Drucken verwendeten Überlieferungen W und F, auch rein orthographische Varianten der zahlreichen Handschriften vollständig erfasst. Eine Sonderbehandlung erfährt die e-caudata: Das in fast allen Handschriften (besonders regelmäßig in V1ZPrVdGOHL, seltener in V3, fast nie in P5 und in P2 überhaupt nicht) begegnende Flexions-ę am Wortende (außerdem in hęc) ist, auch bei Vorkommen nur in einzelnen Handschriften, immer beibehalten, ohne dass an den fraglichen Stellen das Fehlen in anderen Handschriften angemerkt wird; andererseits werden die jeweils nur in wenigen Handschriften anzutreffenden und zumeist sinnwidrigen ę-Schreibungen im Anlaut (öfters bei ęccl-, besonders in V3), im Wortinnern oder im Auslaut, wie sie besonders massiert in L begegnen (vgl. beiläufige Erfassungen in Anm. p’, z’, cb, da, dd, ea und öfter), grundsätzlich und ohne entsprechende Anmerkungen vernachlässigt.

Zum zeitlichen Ablauf der Ereignisse des April vgl. die hauptsächlich auf der “Relatio” (s. dazu die Auszüge in Anm. p’ und ii) beruhenden Darstellungen u.a. bei Meyer von Knonau a.a.O. 167ff., Holtzmann a.a.O. 296ff. (118ff.) und Servatius, Paschalis II. 244ff. Wir beschränken uns im Folgenden auf die zum Verständnis des in D.70 allzu knappen und nur die Schlussphase berücksichtigenden Berichts nötigen Angaben sowie auf erforderlich erscheinende Berichtigungen bzw. Präzisierungen:

Während des Osterfestes am 2. April befand sich Heinrichs Lager in geringer Entfernung nördlich von Rom am Ponte Salario (Übergang der auf der linken Tiberseite von Norden kommenden Via Salaria über den Aniene nahe seiner Mündung in den Tiber; vgl. Ekkehard a.a.O. 258 Z. 14: pascha non longe ab Urbe in castris celebravit, s. JL S. 743; Schmale-Ott a.a.O. 258 Anm. 79 sprechen fälschlich von dem weit östlich gelegenen Aniene-Übergang der Via Tiburtina[!] von Ponte Lucano b. Tivoli; s. weiter unten), wohin er den bis dahin im farfensischen Kastell Tribuco (an der Mündung der Farfa in den Tiber; s. JL S. 743; von Meyer von Knonau a.a.O. 164 u. 168 Anm. 66 und noch von Schmale-Ott a.a.O. fälschlich mit dem ca. 15 km sö. Subiaco am Oberlauf des Aniene gelegenen Trevi nel Lazio identifiziert) zusammen mit 6 Kardinälen gefangen gehaltenen Papst hatte herbeibringen lassen.

Dort kam es zwischen beiden schon zu einer vorläufigen Regelung, vgl. dazu Ekkehard a.a.O. 258 Z. 14ff. (ibique sedatis inter ipsum et apostolicum … dissensionibus inveteratis) sowie Anm. b und nr nach F: Das dortige ad pontem viæ Salariæ, ubi paschalem festivitatem in campo celebraverunt, pacem cum eo fecit und in paschali festivitate facta est concordia ist eine das Datum einengende Umformulierung des Burchard-Briefes (s. oben; vgl. Spaltdruck bei Holtzmann a.a.O. 294f./117): Ad pontem vie Salarie fuimus in pascha, et ibi festivitatem in campo celebravimus, et ibi facta est concordia inter papam et regem; d.h. die concordia mit dem Papst, der seit seiner Herbeiholung zweifellos ständig in Heinrichs Lager gehalten wurde, muss bei einem womöglich mehrtägigen Aufenthalt am Ponte Salario nicht unbedingt am 2. April selbst erfolgt sein.

Erst nachdem die in ihrer Mehrheit in Corcolle (ca. 6 km ssw. Tivoli) in Haft gehaltenen Kardinäle hinzugezogen worden waren, kam es am 11. April, nach erneuter Verlegung des Feldlagers, zum sog. “Vorvertrag von Ponte Mammolo” (= Inserte I–V; s. JL S. 743). Die Ortsangabe in agro iuxta Pontem Mammeum am Schluss von Va (s. auch Anm. p’) variiert die “Relatio” wenige Zeilen später in einem Rückbezug darauf (s. Anm. ii): in eodem campo, qui Septem Fratrum dicitur; zur ungefähren räumlichen Deckung der beiden Angaben vgl. Holtzmann a.a.O. 297f. (119f.). Mit dem Argument, mit der Wahl des neuen Lagerortes sei man den in Corcolle festgehaltenen Kardinälen “entgegen” gezogen (s. auch Servatius a.a.O. 246), möchte Holtzmann den Ponte Mammolo mit dem w. Tivoli bei Ponte Lucano gelegenen Übergang der Via Tiburtina über den Aniene gleichsetzen, wo nach der “Relatio” Heinrich schon im Februar Station gemacht hatte (s. Meyer von Knonau a.a.O. 164); abgesehen davon, dass sich Heinrich zuletzt immer in der unmittelbaren Umgebung Roms bewegt hatte (vgl. schon D.69 vom 23. März: actum est iuxta Romam), und es daher nicht einleuchtet, wieso er unmittelbar vor seinem eigentlichen Ziel kurzfristig sein Lager mehr als 25 km nach Osten verlegt haben sollte, scheint diese Lokalisierung schon angesichts der knappen verfügbaren Zeit – wenigstens am Morgen des 12. April war das Lager noch am Ponte Mammolo und am Abend desselben Tages schon am neuen Lagerplatz (s. unten) – äußerst fraglich; demgegenüber spricht mehr für die von Holtzmann (a.a.O. 297/120) ausdrücklich zurückgewiesene Ansicht Meyers von Knonau a.a.O. 168 mit Anm. 66, der die Brücke “nahe vor Rom” suchte, wo die Via Tiburtina nochmals den Aniene quert, und eine Lokalisierung “zu weit vor Rom hinaus” ablehnte. Für eine relative Nähe zu Rom spricht ja auch die Nachricht, dass auf der anderen Fluss-Seite die Römer Stellung bezogen hatten (s. Anm. p’: in agro iuxta pontem Mammeum, qui Romanos a Teutonicis dirimebat). Hier am Ponte Mammolo wurde dann noch, während man schon das Lager abbrach, am 12. April das “Pravileg” konzipiert (s. Anm. ii).

Hinsichtlich der mit dem “Vorvertrag” verbundenen Vorgänge divergiert übrigens die Darstellung des “Manifests” (s. linke Spalte des Voraustextes zu Insert VI) von dem nur in OGS überlieferten “Collectio”-Text (rechte Spalte): Dem “Manifest” zufolge hatte, nach der am 11. April erfolgten eidlichen Anerkennung der conventio expleta durch die Kardinäle, am folgenden 12. April (Mittwoch) der Papst im Rahmen einer feierlichen Messe – mit dem Officium des vorangegangenen Sonntags “Quasimodogeniti” (9. April) – eine Kommunionformel mit der Bekräftigung von pax et vera amicicia (s. auch Anm. gh) bzw. vera concordia et pax (= VIa; VIb: vera pax et concordia) gesprochen, was die “Collectio” in die Krönungsmesse des 13. April verlegt (ebenso Meyer von Knonau a.a.O. 174, jedoch mit Verwendung der Kommunionformel des “Manifests”!), für die aber einerseits nach dem “Manifest” das Osterofficium verwendet wurde (S.■ Z.■) und andererseits nach P5 (s. Anm. gh und ii) dabei auch eine völlig andere Kommunionformel gesprochen wurde. Die Umdatierung war zweifellos der Grund dafür, dass in OGS das Insert VIb erst hinter dem “Pravileg” (VII) eingeordnet wurde (s. Anm. ge); verfehlt ist der Lösungsvorschlag Meyers von Knonau a.a.O. 173 Anm. 75, beim Verfasser des “Manifests” einen Irrtum zu vermuten und dessen Bericht über die Handlung vom 12. April ganz auszuschalten.

An dem nach Überquerung des Tiber iuxta pontem Salarium (Anm. ii, vgl. oben; s. JL S. 743) wieder nördlich von Rom errichteten neuen Lagerplatz apud Octavum (scil. milenarium an der rechts des Tiber von Norden kommenden Via Flaminia; zur Lokalisierung bei Prima Porta, ca. 5 km nördlich der Aniene-Mündung, s. Holtzmann a.a.O. 298/120) wurde schließlich in der Nacht vom 12. auf den 13. April durch einen aus Rom herbeigerufenen Skriniar das “Pravileg” mundiert (s. Anm. ii); während in D.70 vereinfachend (und beschönigend) gesagt ist, dass der Papst das “Pravileg” am 13. April nach der Kaiserkrönung an Heinrich übergab (S.■ Z.■ : domino H. imperatori propria manu dedit), hatte es der Papst nach Aussage der “Relatio” gleich nach der Reinschrift an Heinrich aushändigen müssen, der es in einer theatralischen Szene (s. Anm. ii: contra omnem consuetudinem) erst während der Krönungsmesse wieder an Paschal zurückgab, um es dann wiederum aus dessen Hand entgegenzunehmen. – Zu einer von W gebotenen ausführlicheren Darstellung der Vorgänge am Krönungstag bis zum Zeitpunkt der Krönung vgl. Anm. gz.

Servatius, der a.a.O. 246 von der selbstverständlichen Tatsache ausgeht, dass die Vertragstexte unter maßgeblicher Beeinflussung der kaiserlichen Kanzlei erarbeitet wurden, nimmt andererseits an, dass der unter den gefangenen Kardinälen befindliche päpstliche Kanzler Johannes von Gaeta, Kardinaldiakon von S. Maria in Cosmedin (s. Ins. III: Iohannes diaconus sanctę Marię in Scola Greca; zu dieser alternativen Bezeichnung der Kirche vgl. Gnoli, Topogr. e toponom. di Roma 294), “den päpstlichen Vertragsteil von der stilistischen Seite her mitgestalten durfte”. Insbesondere meint er a.a.O. 248ff. hinsichtlich des “Pravilegs”, dessen Inhalt festgelegt gewesen sei, dass sein “Diktat getrost dem päpstlichen Kanzler überlassen werden” konnte. Zu den Elementen, die es der päpstlichen Partei “durch scharfsinnige Textgestaltung” in den Text einzubauen gelungen sei, rechnet er u.a. das Teutonicorum regi der Inskriptio. Dabei ist Servatius ein ganz anderer, zweifellos auf den päpstlichen Kanzler zurückgehender bedeutsamer Aspekt der Inskriptio entgangen, auf den schon Bernheim, Wormser Konk. 15ff. und Hofmeister, Wormser Konk. 14ff., sodann Hoffmann in DA 15,423ff. aufmerksam gemacht haben: Während Heinrich mit D.68/V (… dilecto filio Heinrico regi eiusque successoribus in perpetuum) ein förmliches “Privileg” hatte entgegennehmen können, erhielt er mit D.70/VII (… karissimo in Christo filio Heinrico glorioso Teutonicorum regi et … imperatori augusto salutem et apostolicam benedictionem) der Form nach eine bloße “Littera”, und zwar für sich persönlich, wie es die (das “Pravileg” ja textlich ausklammernde) “Relatio” auch zutreffend wertete (vgl. das personaliter in dem Schlusspassus Restabat … in Anm. ii). Dass die “persönliche Fassung” ein Einvernehmen Heinrichs und Paschals ausdrücke, wie Hoffmann a.a.O. 424 Anm. 136 meint, scheint ausgeschlossen; Heinrich selbst und auch seiner Kanzlei dürfte die mit Titel-Geklingel überdeckte Finesse überhaupt nicht aufgefallen sein!

Für den Passus über das Investiturrecht in VII (ebenso in I) wurden nach Märtl, Die falschen Investiturprivilegien 69f. mit Anm. 219, diese zwischen der Mitte der 80er Jahre des 11. Jh. und den ersten Jahren des 12. Jh. und vermutlich in kaisertreuen Kreisen Italiens gefälschten (vgl. a.a.O. 75f. und 90ff., bes. 95) sog. “Investiturprivilegien” als “Formulierungshilfe” verwendet. Während Pivec in MÖIG 46,282 lediglich Benützung des auf den Namen P. Hadrians I. gefälschten “Hadrianum” vermutete, ergibt sich aus dem Zusatz von Anm. li Heranziehung auch des auf den Namen P. Leos VIII. gefälschten “Minus” und aus der Erwähnung der Investitursymbole anulus und virga zusätzlich die des “Maius”; mit dem “Hadrianum” deckt sich die Formulierung a nemine consecretur. Es ist also eine alle drei Texte berücksichtigende (eigens für VII überarbeitete?) Fassung als Vorlage zu vermuten. – Wir haben im Text auf eine Kennzeichnung dieser Abhängigkeit durch Petitsatz verzichtet, da wir diesen für die Markierung der Übereinstimmungen zwischen I und VII benötigten (s. Anm. m und ii); stattdessen haben wir die relevanten Stellen in Anm. 1 zitiert.

Wenn Servatius a.a.O. 246 Anm. 207 offenbar der Ansicht ist, dass die Verwendung der “falschen Investiturprivilegien” auf die Kurie zurückgehe (so muss wohl die Bemerkung “deren Authentizität die Kurie damals wohl nicht bezweifelte” verstanden werden), wird man dies bezweifeln müssen. Diese Annahme könnte allenfalls für den die Interessen des Papstes berücksichtigenden, aus dem “Minus” stammenden Zusatz von Anm. li gelten, der aber gerade in der “Vulgata”-Fassung des “Pravilegs” (auch in der päpstlichen Überlieferung PI!) fehlt, im übrigen aber auch in der päpstlichen Urkunde des Wormser Konkordats eine partielle Entsprechung hat (vgl. Const. 1,161 Z. 25f.: Exceptis omnibus, quae ad Romanam ecclesiam pertinere noscuntur = fehlt im Cod. Udalrici!).

Woher die “Manifest”-Fassungen PrVdW sowie die isolierte Abschrift V3 die “Pravileg”-Fassung mit diesem Zusatz bezogen, bleibt gänzlich ungewiss; aus der Einleitung Ex decretis Paschasii pape … in V3 (s. Anm. ii) darf aber jedenfalls nicht etwa auf Verwendung des verlorenen Registers Paschals II. als Vorlage geschlossen werden: In V3 (zur Handschrift vgl. zuletzt Märtl a.a.O. 109ff.) steht das “Pravileg” unmittelbar hinter den Texten des “Hadrianum”, des “Minus” und der gleichfalls zu den falschen Investiturprivilegien gehörigen “Cessio” (f. 12r–14v); obige Einleitung von V3 entspricht nun genau den Überschriften, die “Hadrianum” und “Minus” in einigen Handschriften aufweisen (s. Märtl a.a.O. 137 u. 148, jeweils mit Anm. a), allerdings nicht in der Wiener Handschrift selbst (bei Märtl: W); daher ist anzunehmen, dass die aus der Pfalz stammende Handschrift des 12./13. Jh. mit einer vermutlich in antigregorianischen Kreisen Italiens entstandenen (s. Märtl a.a.O. 111) Sammlung von Texten zum Investiturstreit zwar bei den beiden anderen Texten die in ihrer Vorlage vorgefundenen Überschriften variiert, die des “Pravilegs” jedoch unverändert von dort übernommen hatte. – Sollte der fragliche Zusatz etwa in einem ersten päpstlichen Entwurf enthalten gewesen und aus diesem auf Heinrichs Veranlassung vor der Reinschrift entfernt worden sein, bliebe rätselhaft, wie dieser verworfene Entwurf Verbreitung gefunden und so auch in einige “Manifest”-Exemplare gelangt sein könnte.

Die in dem, im “Manifest” fehlenden, Insert IV vom 11. April (Dienstag) von Heinrich für den nächsten und übernächsten Tag (quarta vel quinta feria proxima = Mittwoch/Donnerstag 12./13. April) versprochene Rückgabe der päpstlichen Geiseln kann übrigens zum vorgesehenen Termin allenfalls unvollständig erfolgt sein, wie der Klage des Papstes in seinem Brief von 1111 Oktober 26 (JL 6305; vgl. Vorbemerkung zu D.*93) über schlechte Behandlung der Geiseln zu entnehmen ist; eine dieser damals noch in Heinrichs Hand befindlichen, demnach von ihm nach Deutschland mitgenommenen Geiseln war Paschals II. Neffe Galfred, den Heinrich sogar für seinen Hofdienst herangezogen hatte (vgl. Vorbemerkung zu D.126); ein Sohn des Petrus Leonis, vermutlich der Gracianus von D.68/II, hatte sich nach dem Bericht des Ordericus Vitalis über das Reimser Konzil von 1119 (lib. 12 c. 21, ed. Chibnall 6,266) sogar in der Hand EB. Friedrichs von Köln befunden, der ihn damals an P. Calixt II. zurückgab (filium quoque Petri Leonis, quem obsidem habebat, ob amoris specimen gratis reddidit), s. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,133 Anm. 41.

Es ist im übrigen wohl mit Sicherheit davon auszugehen, dass es sich im April noch um dieselben Geiseln handelte (darunter die in D.68/II genannten Verwandten Pierleonis), deren Rückgabe Heinrich am 4. Februar im Vorvertrag von S. Maria in Turri für den Krönungstag zugesagt hatte (s. DD.65b und 68/IV; nicht in D 66, dem zu Sutri am 9. Februar geleisteten Eid, wiederholt!): Die hinsichtlich des genauen Zeitpunkts ohnedies widersprüchlichen chronikalischen Nachrichten über einen im Februar vorgenommenen Geiselaustausch (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 6,149 mit Anm. 18; Servatius a.a.O. 233f.) verdienen u.E. keinerlei Glauben, einerseits weil es ja damals nicht zur Kaiserkrönung kam, mit der die Freigabe terminiert war, und auch die kriegerischen Ereignisse des 12.–15. Februar eine Freigabe kaum zuließen, und weil andererseits von der Stellung neuer Geiseln im April nirgendwo die Rede ist; auch Meyer von Knonau (a.a.O., Schlus von Anm. 18) hält für möglich, dass sich die päpstliche Klage vom 26. Oktober auf die Geiseln des Februar bezog. – Zu den ordo-Zitaten in I und im Voraustext zu VII vgl. D.*67.

Von den in Insert V genannten 14 Eidhelfern Heinrichs haben die drei Italiener, die Markgrafen Bonifatius (del Vasto) und Werner (von Ancona?, in Va: comes) sowie Graf Albert (I.) von Biandrate, den Rückmarsch des Heeres offenbar bis zum Ende von Heinrichs Italienaufenthalt mitgemacht, da sie alle in dem am 19. Mai in Verona ausgestellten D.75 als Intervenienten erscheinen; zu dem auch in D.71 vom 22. April begegnenden Grafen Albert, der eigenartigerweise in der “Relatio” (s. Anm. p’) als einziger der regis latęralęs namentlich erwähnt wird, vgl. Raggi, I conti di Biandrate 27ff., ebenda 31 Anm. 51 der Hinweis auf Alberts Erwähnung in DF.I.257 von 1159 für seinen Sohn Wido (patre eius [ohne Namensnennung] in servicio imperii defuncto); zur Identifizierung des Fridericus comes Frisingensis vgl. D.*58.

In nomine patris et filii et spiritus sancti. Hęc est conventio inter dominum papam Paschalem et Heinricum imperatorem, inter regnum et sacerdotium, de conservatione et confirmatione verę pacis et amicicię:

[I] “Dominus papa Paschalis concedet domino regi Heinrico et regno eius et privilegio suo sub anathemate confirmabit et corroborabit, episcopo vel abbate libere electo sine symonia assensu regis quod dominus rex illum anulo et virga investiat. Episcopus autem vel abbas a rege investitus libere accipiat consecrationem ab eo, ad quem pertinuerit. Si quis vero a clero et populo eligatur, nisi a rege investiatur, a nemine consecretur. Et archiepiscopi et episcopi libertatem habeant consecrandi a rege investitos. Super his etiam dominus papa Paschalis non inquietabit regem Heinricum nec eius regnum et imperium”.

[II] Istud est sacramentum, per quod confirmata est inter papam P. et imperatorem H. superius scripta conventio: “Dominus papa Paschalis non inquietabit dominum regem Heinricum neque eius regnum vel imperium de investitura episcopatuum et abbatiarum, neque de iniuria sibi illata et suis in persona et bonis neque aliquod malum reddet sibi vel alicui personę pro hac causa, et penitus in personam regis Heinrici numquam anathema ponet. Nec remanebit in domino papa, quin coronet eum, sicut in ordine continetur. Et regnum et imperium officii sui auxilio eum tenere adiuvabit pro posse suo. Et hęc omnia adimplebit dominus papa sine fraude et malo ingenio.”

[III] Ista sunt nomina episcoporum et cardinalium, qui ex precepto domini apostolici Paschalis sacramento, quod superius scriptum est, confirmaverunt amiciciam et privilegium domino imperatori Heinrico: Petrus Portuensis episcopus, Centius Sabinensis episcopus, Rotbertus cardinalis sancti Eusebii, Bonifacius cardinalis sancti Marci, Anastasius cardinalis sancti Clementis, Gregorius cardinalis sanctorum apostolorum Petri et Pauli, item Gregorius cardinalis sancti Crisogoni, Iohannes cardinalis sanctę Potentianę, Risus cardinalis sancti Laurentii, Rainerus cardinalis sanctorum Marcellini et Petri, Vitalis cardinalis sanctę Balbinę, Diuizo cardinalis sancti Martini, Dietpaldus cardinalis sanctorum Iohannis et Pauli, Iohannes diaconus sanctę Marię in Scola Greca, Leo diaconus sancti Vitalis, Aldo diaconus sanctorum Sergii et Bachi.

[IV] [Ipse etiam rex hoc sacramentum fecit: Ego Heinricus rex quarta vel quinta feria proxima liberos dimittam dominum papam et episcopos et cardinales et omnes captivos, qui cum eo vel pro eo capti sunt, et obsides, et securos perduci faciam intra portas Transtiberinę civitatis, nec ulterius capiam aut capi permittam. Eis, qui in fidelitate domini papę Paschalis permanent, et populo Romane civitatis et Transtiberinę et Insulę pacem et securitatem servabo, tam per me quam per meos, et in personis et in rebus, qui pacem mihi servaverint. Dominum papam Paschalem fideliter adiuvabo, ut papatum quiete et secure teneat; patrimonia et possessiones Romanę ecclesię, quę abstuli, restituam, et cetera, quę iure habere debet, more antecessorum meorum recuperare et tenere adiuvabo bona fide; et domino papę Paschali obediam salvo honore regni et imperii, sicut catholici imperatores catholicis pontificibus Romanis. Hęc omnia observabo bona fide, sine fraude et malo ingenio].

Päpstliche Überlieferung

[V] a) Post hęc Coloniensis archiepiscopus Fridericus, Tridentinus Gebeardus, Monasteriensis Brucardus, Bruno Spirensis, Albertus cancellarius, comes Herimannus, Fridericus palatinus comes, Albertus comes de Blanderada, Fridericus Saxo, Beringarius comes, Fridericus comes Frisingensis, Bonifatius marchio, Guarnerius comes et Godefridus de Sueuia posita super evangelium huius iuramenti cartula iuraverunt sic ex precepto regis, sicut in hac cartula scriptum est: Sic dominus rex presens Heinricus observabit domino pape Paschali presenti sine fraude et malo ingenio. Sic me deus.

Actum III. idus april., tertia feria post octavas pasche, indictione IIII, in agro iuxta Pontem Mammeum.

Kaiserliche Überlieferung („Manifest“)

b) [Et isti sunt iuratores ex parte ipsius regis: Fredericus Coloniensis archiepiscopus, Gebehardus Tridentinus episcopus, Burchardus Monasteriensis episcopus, Bruno Spirensis episcopus, Albertus cancellarius, comes Herimannus, Fredericus comes palatinus, Berengarius comes, Fredericus comes, Bonefacius marchio, Albertus comes de Blandriaco, Fredericus comes, Godefridus comes, Warnerius marchio].

Kaiserliche Überlieferung („Manifest“)

Hac conventione expleta et predictorum episcoporum et cardinalium sacramento confirmata et osculo utrimque dato dominus papa P. in sequenti die, scilicet II. idus aprilis, sollempniter missam dominicam ‘Quasi modo geniti’ celebravit, in qua post communionem suam et ministrorum altaris domino H. imperatori corpus et sanguinem domini nostri Iesu Christi dedit in hęc verba:

Kaiserliche Überlieferung („Collectio“)

Hęc sunt verba, quę dixit dominus apostolicus domino imperatori H. in communione corporis et sanguinis Christi die coronationis suę:

[VI] a) “Hoc dominicum corpus, quod sacrosancta tenet ecclesia, natum ex Maria virgine, elevatum in cruce pro redemptione generis humani, damus tibi, fili karissime, in remissionem peccatorum tuorum et in conservationem confirmandę pacis et verę amicicię inter me et te et regnum et sacerdotium, ut dominus noster Iesus Christus, cuius hoc corpus et sanguis est, sit inter me et te et regnum et sacerdotium conservator et confirmator verę concordię et pacis”.

b) “Domine imperator Henrice, hoc corpus domini, natum ex Maria virgine, passum in cruce pro nobis, sicut sancta catholica tenet ecclesia, damus tibi in confirmationem verę pacis et concordię inter me et te. Amen”.

Et in hęc verba, papa exigente, in ipsa communione invicem se osculati sunt. His feliciter et gaudio diu expectato expletis Romam exultantes pervenerunt et in argentea porta rex a domino apostolico et a toto clero cum oratione pro[pria], quę in ordine continetur, receptus et ad mediam rotam deductus et ibi expleta oratione secunda usque ad confessionem apostolorum Petri et Pauli cum letaniis perductus et unctus est. Post hęc a domino papa ad altare eorundem apostolorum cum immenso tripudio deducitur et ibidem corona sibi ab apostolico imposita in imperatorem consecratur. Deinde missa incipitur de resurrectione domini et sollempniter celebratur, in qua ante communionem sub testimonio astantis ecclesię tam clericorum quam laicorum domnus apostolicus privilegium domino H. imperatori propria manu dedit, in quo sibi et regno suo, quod sic scriptum est, concessit et ibidem sub anathemate confirmavit:

[VII] Paschalis episcopus, servus servorum dei, karissimo in Christo filio Heinrico glorioso Teutonicorum regi et per dei omnipotentis gratiam Romanorum imperatori augusto salutem et apostolicam benedictionem. Regnum vestrum sanctę Romanę ecclesię singulariter coherere dispositio divina constituit. Predecessores siquidem vestri probitatis et prudentię amplioris gratia Romanę urbis coronam et imperium consecuti sunt. Ad cuius videlicet coronę et imperii dignitatem tuam quoque personam, fili karissime Heinrice, per nostri sacerdotii ministerium maiestas divina provexit. Illam igitur dignitatis prerogativam, quam predecessores nostri vestris predecessoribus, catholicis imperatoribus, concesserunt et privilegiorum paginis confirmaverunt, nos quoque dilectioni tuę concedimus et presentis privilegii pagina confirmamus, ut regni tui episcopis vel abbatibus libere, preter violentiam et symoniam electis investituram anuli et virgę conferas. Post investitionem vero canonice consecrationem accipiant ab episcopo, ad quem pertinuerint. Si quis autem a clero et populo preter assensum tuum electus fuerit, nisi a te investiatur, a nemine consecretur – exceptis nimirum illis, qui vel in archiepiscoporum vel in Romani pontificis solent dispositione consistere –. Sane archiepiscopi vel episcopi libertatem habeant a te investitos episcopos vel abbates canonice consecrandi. Predecessores enim vestri ecclesias regni sui tantis regalium suorum beneficiis ampliarunt, ut regnum ipsum episcoporum maxime vel abbatum presidiis oporteat communiri, et populares dissensiones, quę in electionibus sepe contingunt, regali oporteat maiestate compesci. Quamobrem prudentię et potestati tuę cura debet sollicitius imminere, ut et Romanę ecclesię magnitudo et ceterarum salus tuis prestante domino beneficiis et serviciis conservetur. Si qua igitur ecclesiastica secularisve persona hanc nostrę concessionis paginam sciens contra eam temerario ausu venire temptaverit, anathematis vinculo, nisi resipuerit, innodetur honorisque ac dignitatis suę periculum paciatur. Observantes autem hęc misericordia divina custodiat et personam potestatemque tuam ad honorem suum et gloriam feliciter imperare concedat.