Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
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Heinrich lädt die Reichsfürsten auf Ostern zu einen placitum mit seinem Vater nach Lüttich.

(1106, wohl 2. Hälfte Februar).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –.

Im “Libellus de rebellione Heinrici V.” (in den Annales Hildesheimenses, ed. Waitz 56; vgl. Wattenbach-Holtzmann-Schmale 2,451f.) heißt es im Anschluss an die Nachricht, dass angesichts der am 5. Januar 1106 in Mainz erfolgten Inthronisation Heinrichs V. (s. Vorbemerkung zu D.3) Heinrich IV. aus dem ihm zugewiesenen Aufenthaltsort Ingelheim geflohen und, um in Niederlothringen Anhänger zur Wiedererlangung der Krone zu mobilisieren, mit kleinem Gefolge über Köln nach Lüttich gezogen war, wo er das Osterfest (25. März) feiern wollte (Deinde venit [scil. Heinrich IV.] Leodio …; illi vero [scil. Herzog Heinrich von Niederlothringen et alii plures optimates] fidele sibi adiutorium promiserunt optimumque duxerunt, ut pascha domini cum eis ibidem cęlebraret): Filius autem, ut hoc audivit, nunciavit regni principibus ibidem [scil. in Lüttich] convenire et placitum cum patre habiturum; zum geplanten Ostertermin vgl. auch D.7.

Die Nachricht erreichte den König augenscheinlich auf dem, nach Beendigung des Mainzer Reichstages, wohl noch im Januar begonnenen und ihn zunächst rheinaufwärts ins Elsass führenden traditionellen Königsumritt, wie ihn Stüllein, Itinerar 19f. (s. bes. Anm. 5) zutreffend aus dem Bericht der Vita Heinrici IV. (SS rer. Germ. 358, ed. Wattenbach-Eberhard 35 Z. 19ff.) mit ihrer Erwähnung zahlreicher unbekannter Stationen folgert: finitaque curia rex superiores Reni regiones et urbes pertransiit et, ut res postulabat, hos beneficio, illos iniuria sibi subiecit; bekannt ist davon nur der zur zweiten Kategorie von Maßnahmen zu rechnende Zwischenfall mit den Einwohnern von Ruffach (ca. 15 km s. Colmar und fast 250 km von Mainz entfernt; zu den Vorgängen vgl. ausführlich die Vita a.a.O. 35 Z. 24ff.).

Am 14. Februar war Heinrich schon wieder im ca. 160 km von Ruffach entfernten Speyer, wo er D.5 ausstellte. Wie weit ihn sein Weg nach Süden über Ruffach hinaus geführt hatte (vielleicht bis zum ca. 50 km entfernten Basel) und wann und auf welchem Weg er den Rückweg antrat, ist unbekannt. Es scheint uns jedoch keine Überinterpretation, wenn aus dem in D.5 angesprochenen politischen Ziel der regni nostri stabilitas gefolgert wird, dass Heinrich diese damals noch nicht für gefährdet angesehen, die bedrohlichen Nachrichten demnach erst später erhalten hat. Gegen die Annahme, dass Speyer am 14. Februar den König schon unterwegs auf dem Zug nach Niederlothringen gesehen hätte, spricht ja auch die noch verbleibende Frist von mehr als 5 Wochen bis zum Ostertermin in dem wenig mehr als 250 km von Speyer entfernten Lüttich. Über die Schlussphase des Zuges, der den König am 18. März als Gast EB. Friedrichs II. von Köln sah ( invitatus ab eiusdem sedis episcopo), vgl. den Bericht in D.7, aus dem sich auch die Gründe für das Nichtzustandekommen des Lütticher Treffens ergeben. Zu den Vorgängen insgesamt vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 5,296f. und 6,5 sowie Stüllein a.a.O. 20f.

Es scheint uns übrigens nicht angemessen, wenn Beumann in Institutionen (Festschr. Fleckenstein) 314, unter Überbewertung der parteiischen Darstellung der Vita Heinrici IV. a.a.O. 36ff., das Motiv des Königs für die Einberufung des “Osterhoftages” nach Lüttich als eine “allein vom König” ausgehende “letzte Konfrontation” wertet, mit dem Ziel, den Vater, “der dort Zuflucht gefunden hatte”, “in Bedrängnis” zu bringen, die Ortswahl also fast als Schikane betrachtet. Die Verwendung des Terminus placitum (nicht etwa curia [s. oben], colloquium oder dergl.) besagt doch offensichtlich, dass der König ein Fürstengericht über den Kaiser wegen des Bruchs der bei seiner Resignation gemachten Versprechungen plante; da nicht erwartet werden konnte, dass der Kaiser seinen sicheren Zufluchtsort aufgeben würde, kam als Ort für das placitum dann eben nur Lüttich in Frage. Und letztlich war die “Ortswahl” doch eher ein unkalkulierbares Risiko für den König – wie D.7 beweist.