Abschriften des 12. Jh. in zwei Handschriften des Codex Udalrici: Cod.
398 f. 110rb–111va der Österreichischen Nationalbibliothek zu Wien (V1). – Hs. 283 p. 238–241 der Stiftsbibliothek zu Zwettl (Z). – Gesta
Alberonis archiepiscopi Trevirensis in Hs. 1387/6 8o
(13. Jh.) f. 5r–12v der Stadtbibliothek zu Trier (A). – Annales s.
Disibodi in Ms. Barth. 104 (14. Jh.) f. 107rb–108va der Stadt- und
Universitätsbibliothek zu Frankfurt (D). – Autograph der Chronik des
Sigebert von Gembloux († 1112) in Ms. 18.239 f. 55r–v der
Staatsbibliothek zu Brüssel (S). – Handschriften der päpstlichen
“Relatio” (nur für die Inserte IV, II u. III, in dieser Reihenfolge,
so auch Const. no
84–86): P1
f. 194r–v; in derselben Handschrift (Vat. lat. 1984) f. 193v = P1
(zusätzlich das Insert V). – P2
f. 159va–b. – P3
p. 352. – P4
f. 121va–122ra (alt 144va–145ra) no
CXXXVI u. CXXXVII. – Nur für Insert II (zur Fortsetzung s. D.65 Anm.
o”): P5
p. 388b–389a, lib. 4 c. 35. – Zu den P-Siglen vgl. Vorbemerkung zu
D.65.
Drucke: Aus D: Pistorius, Rer. Germ. Script. (Dodechinus, Ad chron. Mariani Scoti cont. hist.) 1.21,467; 3.41,668 zu 1110. – Baronius, Annales ecclesiastici 12 (Rom 1607), 72 (Insert II aus P5) und 73 (Inserte IV, II u. III aus P1) = ed. Theiner
18 (1869), 206 c. 2 und 207 c. 2f. – Goldast, Collectio const. imp. 11,53 zu 1110 (aus Pistorius); 2.31,255 zu 1111 und 4,53 zu 1110 = Bernard, Recueil des traitez 1,18 no
23. – Lünig, Reichsarchiv 15,150 no
61 (aus Pistorius). – Aus V1: Eccard, Corp. hist. 2,269 no
261–263 = Mansi, Suppl. zu Labbé-Cossart-Coleti, Conc. 2,262 (ohne den Vorspann vor Insert I). – Dumont, Corps diplomatique 1.1,61 no
109 (aus Goldast) = Lünig, Corp. iur. feud. 1,25 no
12 = Hartzheim, Conc. Germaniae 3,258. – Mansi, Conc. 21 (Venedig 1776), 41 (aus Eccard). – Aus P1: MGH LL 2.1,70 (mit separater Wiedergabe der Inserte 66ff.) = Doeberl, Mon. Germ. Sel. 3,56 no
XXa (nur V). – Aus S: SS 6,373. – Aus P5: SS 7,778. – Aus A: SS 8,244 c. 2. – Aus D: SS 17,20. – Watterich, Vitae pont. 2,61 (aus Eccard
u. Pistorius
ed. III.IV, ohne Inserte). – Aus V1ZAD: Jaffé, Mon. Bamberg. 269 no
149. – Aus A sowie DV1Z: MGH Const. 1 (ed. Weiland), 150 no
100 (die Inserte separat no
84–86, 89 u. 90) = Bernheim, Qu. z. Gesch. d. Investiturstreites 1.22,30 no
14 (die Inserte separat 23ff. no
9b–d u. 11a/b) = Carlyle, Hist. of Med. Polit. Theory 4,117 Anm. 2 (= II), 119 Anm. 1 (= V),
121 Anm. 1 und 122 Anm. 1 (mit I) = Fritz, Qu. z. Wormser Konk. 39 no
23 (die Inserte separat 31ff. no
17b–d u. 19a/b) = Lautemann, Gesch. in Quellen 2,350 no
309e (dt. Übers., ohne Inserte). – Aus P5: SS 34,500. Reg.: Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,491 no
3–5 (zu Febr. 14). – Stumpf
Reg. 3050 [= I] u. 3051 (zu Febr. 12).
Die beiden am Hofe Heinrichs mit propagandistischen Zielen
entstandenen Dokumentationen über die römischen Vorgänge des Frühjahrs
1111, D.68 mit Aktenstücken von Februar 4–12 und einem Bericht über
die vorangehenden Verhandlungen (zu diesen vgl. D. *63) sowie D.70
über die Abmachungen von April 11/12, werden – ohne Aussonderung und
gesonderte Darbietung der Inserte – im vollen Wortlaut abgedruckt,
wodurch auch die beiden Papstprivilegien, D.68/V und D.70/VII,
Aufnahme finden. Da ein Großteil der Inserte auch in der päpstlichen
“Relatio” (zu dieser s. Vorbemerkung zu D.65; ebenda zu dem nicht zur
“Relatio” gehörigen P1
mit Insert V) überliefert sind, die den in DD.68 u. 70 aufgeteilten
gesamten Zeitraum von Februar – April geschlossen behandelt, werden
deren Lesungen im Anmerkungsapparat vollständig berücksichtigt: In
D.68 betrifft dies die Inserte II–IV, von denen II und III in der
“Relatio” einige in der kaiserlichen Überlieferung V1ZDA ausgelassenen Zusätze aufweisen, die in eckigen Klammern in den
Text eingefügt sind (vgl. Anm. bf); außerdem haben wir die geringfügig
abweichende Eidformel des Inserts IV in Spaltdruck (b), unter
Kennzeichnung der beiderseitigen Übereinstimmungen durch Petitsatz,
neben die aus V1ZAD (a) gesetzt. – Zu der nur in IVb enthaltenen Formel
sine fraude et malo ingenio vgl. Vorbemerkung zu D. *67; die Verwendung dieser sonst allein in Aktenstücken der kaiserlichen Seite begegnenden Formulierung gerade
und nur in der päpstlichen “Relatio”-Überlieferung des Inserts IV
lässt auf Zusammenarbeit beider Seiten bei der Formulierung der
einzelnen Texte schließen (vgl. dazu D. *51).
Angesichts der offensichtlich weiten Verbreitung (s. Anm. a nach A:
per universum regnum transmissa) ist die Überlieferung des in der Literatur gemeinhin und zutreffend
als “Enzyklika” bezeichneten D.68 im Vergleich zu derjenigen des D.70
äußerst schmal und präsentiert sich im Grunde in nur zwei
Überlieferungssträngen:
Die voneinander unabhängigen Abschriften A und D mit dem vollständigen
Text sowie der Bericht in der Chronik Sigeberts von Gembloux (= S;
bietet neben Paraphrase der Einleitung nahezu wörtlich nur Insert I,
von II u. IV nur [Teil-]Referate, V ist radikal gekürzt, vgl. Anm. h”,
bi, er, gm; III fehlt; zu Übereinstimmungen mit AD vgl. Anm. p’, w’,
z” und öfter) basieren augenscheinlich, direkt oder indirekt, auf
einer als gemeinsame Vorlage zu postulierenden Fassung, die im
trierisch-lothringischen Raum verbreitet war. – Da die Kanzlei selbst
den Brief sicher nicht an eine unbegrenzte Zahl von Adressaten
versandte, ist vorstellbar, dass hier EB. Bruno von Trier ein ihm
zugesandtes Exemplar weiter verbreitet hat: Bruno muss als einer der
ersten Adressaten vermutet werden, nachdem er bei allen bisherigen
Verhandlungen mit der Kurie, nach der gescheiterten Gesandtschaft nach
Rom vom März 1106 beim Konzil zu Guastalla im Oktober 1106 (s. auch
Vorbemerkung zu D.20), bei den Verhandlungen von Châlons-sur-Marne im
April 1107 und bei der, Heinrichs Italienzug vorbereitenden,
Gesandtschaft nach Rom Ende 1109 als
legatus regis und Gesandtschaftssprecher maßgebend beteiligt gewesen war (vgl. Schlechte, EB. Bruno 34ff., 38ff. u. 44ff.; Minninger, Von Clermont zum Wormser Konkordat 129, 134, 146 u. 248); vgl. auch
Vorbemerkung zu D.70 zur dortigen Überlieferung Vd. – Die Lesungen der
Fassungen AD (und von S, vgl. z.B. Anm. co, cp, cr, cs und öfter)
decken sich nun bei den Inserten erstaunlich oft mit dem Wortlaut der
päpstlichen “Relatio” (gilt auch für P1), vgl. dazu Anm. bn, by, cc, co, cp, cr, cs und öfter; dies spricht
dafür, dass eine noch nicht durch Zwischenglieder beeinflusste Fassung
zugrundelag, also womöglich ein unmittelbar nach den Vorgängen und
gleich nach Heinrichs Abzug aus Rom an einen bestimmten Adressaten
ausgegangenes Exemplar, was die bezüglich EB. Brunos geäußerte
Vermutung bestätigen könnte.
Wie ein an Kirche und Volk von Parma adressiertes Exemplar in den
Codex Udalrici gelangte, der den zweiten Überlieferungsstrang
repräsentiert, bleibt eine ungelöste Frage; es irritiert übrigens,
dass dort die für deutsche Adressaten übliche Salutatio verwendet ist,
nicht das für Italiener gebräuchliche
gratiam suam et bonam voluntatem (vgl. Opll
in MIÖG 84,295).
Während sich die Varianten aller Überlieferungen angesichts ihrer sich
vom 12. bis zum 14. Jh. erstreckenden Entstehungszeit im Rahmen des
Üblichen bewegen (Fälle wie z.B. die von Anm. bn und hl sind die
Ausnahme; die Variante von Anm. h ist als bewusste Abmilderung durch V1Z zu werten), unterscheiden sich A, D und V1Z in erheblichem Maße durch unterschiedliche Gruppierung einzelner
Textpartien voneinander.
Unsere Edition folgt, wie vorher schon Jaffé
und Weiland, der Textabfolge der Gesta Alberonis (A), die ja womöglich
unmittelbar auf das vermutungsweise dem EB. Bruno zugegangene
“Trierer” Exemplar zurückgeht. A verrät auch evtl. eine bewusste
Komposition: Nachdem der vorangehende Bericht die Ereignisse bis zum
12. Februar (unter Verschweigung des gescheiterten Planes der
Kaiserkrönung) geschildert hatte, beginnt und endet die Reihe der
Inserte mit den beiden an diesem Tag entstandenen Texten I und V, die
gewissermaßen in den Inserten II–IV (drei der vier Texte des
“Vorvertrags” von S. Maria in Turri vom 4. Februar, vgl. weiter unten)
die ihnen beiden zugrundeliegenden Vorstufen umschließen; zu einer
anderen Erklärung der Abfolge I/II und III/IV vgl. unten.
Demgegenüber bringt der Codex Udalrici (V1Z), dessen Reihenfolge Eccards
Druck beibehalten hat, eine große, das Insert I betreffende
Umgruppierung (vgl. dazu Anm. ad, ae, be, gl, kd, lk): Der einleitende
Bericht bricht mit
perveni ab (s. Anm. ad) und der folgende Abschnitt
Ubi ut ostenderem … bis einschließlich dem in A zu II gehörigen Rubrum
Hęc est carta conventionis eius ad me (S. ■ Z. ■ – ■) mit dem darin eingeschlossenen Insert I ist erst
weiter hinten unmittelbar vor dem Insert V eingefügt; dadurch schließt
einerseits Insert II übergangslos an
perveni an, andererseits ist vor das Insert V, zu dem in der A-Fassung der
vorangehende Satz (Cum ergo …) mit
hoc … privilegium proferre voluit überleitet, jetzt das unpassende obige Rubrum
Hęc est carta … des Inserts II geraten, während der Satz
Cum ergo … proferre voluit in der Luft hängt. – Gründe für diese Umstellung sind nicht
ersichtlich; da der Text von V1Z keinerlei Datierungen aufweist, kann man ausschließen, dass eine
chronologische Umordnung beabsichtigt war, nämlich Eröffnung mit II–IV
vom 4. Februar und Abschluss mit I/V vom 12. Februar. – Zu einer
weiteren Umstellung innerhalb des Inserts V vgl. Anm. kd und lk.
Noch größer sind die Umstellungen in D (vgl. dazu Anm. r”, ad, ae, bd,
fn, fz, lx): Hier bricht der einleitende Bericht noch früher ab,
nämlich nach
sicut in carta conventionis plenius videre poteritis (s. Anm. q”); vielleicht war dies der Grund dafür, dass daran gleich
das mit dem ähnlich klingenden (in V1Z an dieser Stelle weggelassenen, s. oben) Rubrum
Hęc est carta conventionis eius ad me eröffnete Insert II angeschlossen wurde, mit unveränderter Fortsetzung
bis zum Ende von Insert IVa (
… scriptum est, s. Anm. fn); hiernach folgt dann erst der in A den einleitenden
Bericht abschließende Text
Ubi ut ostenderem …(wegen des jetzt unpassenden
Ubi umformuliert zu
Ego vero ut ostenderem …, s. Anm. ae) mit der das Insert I enthaltenden Fortsetzung bis
Hoc decreto … adimpleret (s. Anm. bd); danach dann der in A auf das Insert IV folgende Text
Cum ergo … privilegium proferre voluit und das anschließende Insert V, so dass auch in D die Inserte I u. V
zusammengerückt sind; während mit Insert V die anderen Überlieferungen
enden, folgt in D endlich noch – wegen der erst hier gebotenen
Erwähnung des Einzugs in St. Peter ganz unpassend – der vor
Ubi ut ostenderem … stehende Berichts-Passus
De traditione vero … perveni (s. Anm. r”). Unwahrscheinlich ist, dass die keiner anderen
Überlieferung bekannte Schlussbemerkung von D (Quod sic …, s. Anm. lx) auf die Vorlage zurückgeht. – Die Brüche in V1Z und D schließen jedenfalls aus, dass sie die ursprüngliche Ordnung
bewahrten; auch für A lässt sich dies mangels exakter Parallelen zwar
nicht mit Gewissheit behaupten, doch spricht dafür immerhin, dass auch
in S auf den einleitenden Bericht das Insert I folgt (vgl. Anm. ae).
Obwohl der Bericht nur bis zu den Vorgängen des 12. Februar reicht
(wahrscheinlich deshalb nehmen Weiland
a.a.O. 150 Z. 9 und Meyer von Knonau, Jahrb. 6,184 an, dass der Schluss fehle), demnach nichts mehr über
die Turbulenzen dieses Tages mit der Gefangennahme des Papstes (s.
Anm. lx) sowie die verlustreichen Kämpfe der folgenden Tage verlautet,
können Abfassung und Versendung der Enzyklika frühestens zu einem
Zeitpunkt erfolgt sein, nachdem Heinrich in der Nacht vom 15. zum 16.
Februar die Stadt verlassen hatte (vgl. Anm. a:
Roma redeunte), vgl. dazu den Bericht der “Relatio” (Const. 1,148 Z. 29ff.; s. Meyer von Knonau
a.a.O. 163).
Für die von Hausmann, Reichskanzlei 15 no
7, 23ff. und 312ff. für den Kanzler Adalbert beanspruchte
Verfasserschaft der Enzyklika, einschließlich der Vertragstexte (!
ausdrücklich zu D.68/I = Stumpf
Reg. 3050 vgl. a.a.O. 15 no
6 und 23 mit Anm. 4), lässt sich der diktatmäßige Nachweis nicht
führen (vgl. dazu D. *51), wenn auch an seiner Mitwirkung nicht zu
zweifeln sein dürfte.
Der fraglos parteiische Charakter der Enzyklika findet seinen Ausdruck
namentlich in dem im Vergleich mit der “Relatio” allzu verkürzten
einleitenden Bericht, der dem gleich eingangs mit der pejorativen
Bezeichnung
ille Paschalis (s. Anm. h) bedachten Papst die alleinige Schuld am Scheitern der
Verhandlungen zuweist.
Darüber hinaus hat die Enzyklika – in der vorliegenden Gestalt – auch
die Vertragstexte manipuliert, indem sie in einseitiger Auswahl einerseits, darin der päpstlichen
“Relatio” vergleichbar (aus D.68 fehlt dort das Insert V, vgl. D.65),
einige Texte ganz wegließ, andererseits die Inserte II–IV durch
Auslassungen und Abweichungen gegenüber dem Wortlaut der
“Relatio”-Texte in Heinrichs Sinn veränderte; vgl. dazu die
Einzelnachweise bei Meyer von Knonau
a.a.O. 184f. mit Anm. 100 (teilweise schon bei Gernandt, Romfahrt 24ff.). – Die Auslassungen sind in Insert II/III durch
eckige Klammern gekennzeichnet (s. Anm. bf); der Spaltdruck für Insert
IV zeigt, dass Heinrichs persönliche Eidleistung unterdrückt wurde.
Zur Gänze fehlen der Text über Heinrichs in Sutri am 9. Februar
eingegangenen Verpflichtungen (D.66) und entsprechend der das D.66
vorbereitende Text von D.65 mit Heinrichs Part des “Vorvertrags” von
S. Maria in Turri vom 4. Februar. – Nach durch chronikalische
Nachrichten (vgl. die umfassende Zusammenstellung bei Meyer von Knonau
a.a.O. 370ff. in Excurs I) gestützter allgemeiner Auffassung kann
aber nicht bezweifelt werden, dass Heinrich am 12. Februar zumindest
eine dem D.65 entsprechende Urkunde über den Investiturverzicht
ausstellte und verlesen ließ, vgl. Gernandt
a.a.O. 38f., Meyer von Knonau
a.a.O. 153 mit Anm. 28 u. 184 und Servatius, Paschalis II. 238.
Ein erster Entwurf der Enzyklika hat aber nun zweifellos auch den Text
des D.65 (bzw. ein Äquivalent) selbst enthalten gehabt: Im
einleitenden Bericht (S. ■ Z. ■f.) spricht Heinrich nämlich nicht nur
von seiner Absicht des Investiturverzichts, sondern verweist dafür
auch ausdrücklich auf die, als in der Enzyklika enthalten
gekennzeichnete (
sicut … plenius videre poteritis), diesbezügliche
carta conventionis (= D.65; s. Anm. 2). – Die Enzyklika hätte damit, wie die “Relatio”,
alle vier Texte des “Vorvertrags” vom 4. Februar (Const. no
83–86) enthalten gehabt, lediglich in veränderter Reihenfolge (in der
“Relatio” sind die beiden Texte zugunsten des Papstes, DD.65 u. 68/IV
mit den Verpflichtungen Heinrichs und seiner Eidhelfer, denjenigen
zugunsten des Königs, D.68/II u. III, vorangestellt; die Enzyklika
plaziert – nach der Abfolge von A – an den Anfang die beiden
Verpflichtungen I [statt D.65] u. II und lässt die beiden Eide III/IV
folgen) und mit vielleicht absichtsvollem Verzicht auf eine Datierung,
wodurch die zum 4. Februar gehörigen Inserte leicht als Bestandteil der Vorgänge des 12. Februar
erscheinen konnten (wir haben die in der “Relatio” bei dem dort den
Abschluss bildenden D.68/III stehende, auf alle vier Texte zu
beziehende Datierung an dieser Stelle belassen).
Als man sich erst nachträglich entschloss, auf die Aufnahme des D.65
(konsequenterweise auch des auf D.65 basierenden D.66, s. oben) zu
verzichten – bzw. es durch I zu ersetzen (s. unten) –, hat man, um den
Eingriff zu kaschieren, folgerichtig den nur in der “Relatio”
überlieferten Anfang des Inserts II mit dem Hinweis auf D.65
weggelassen (s. Anm. bf), ebenso denselben Hinweis am Schluss des
Inserts III (s. Anm.ek), wo nur der Hinweis auf die päpstliche
Verpflichtung des Inserts II stehen blieb (vgl. schon Schneider, Vertrag von Santa Maria del Turri 54ff.). – Bei dieser Manipulation
hat man offensichtlich die verräterische Passage der Einleitung
schlicht zu eliminieren vergessen!
Dies legt den Schluss nahe, dass die Enzyklika unter beträchtlichem
Zeitdruck zustande kam, worauf weitere Schwächen der Redaktion
hinweisen:
In den berichtenden Teilen spricht Heinrich von sich in ständigem
Wechsel zwischen Plural und dem auch in Insert I gebrauchten Singular:
Nach dem Plural in der Publikatio wechselt er gleich zum Singular, um
aber ab Z. ■ regelmäßigen Plural zu verwenden, ab Z. ■ begegnet dann
wieder Singular in unregelmäßigem Wechsel mit Plural, im
Verbindungstext zwischen I und II hingegen ausschließlich Singular, in
demjenigen am Beginn von IV wiederum Plural und in demjenigen vor V
nochmals Singular und Plural im Wechsel; an zwei Stellen ist ein wohl
ursprünglicher Singular, wie ihn AD bieten, in V1Z in den Plural geändert (s. Anm. m und af).
In Insert II werden die Verpflichtungen des Papstes alle in objektiver
Form wiedergegeben, doch dann erfolgt unvermittelt (S. ■ Z. ■) Wechsel
zu subjektiver Formulierung: Zunächst die Haftungserklärung
Pierleonis, die eigentlich zwingend in objektiver Form gefasst sein
müsste, in der 1. pers. sing. (eröffnet mit
ego; vgl. dazu Servatius
a.a.O. 226 Anm. 82), dann die Verpflichtung zur Rückgabe der
königlichen Geiseln in der – bezugslosen – 1. pers. pl. (zweimal
reddemus), schließlich die Verpflichtung zur Stellung eigener Geiseln wieder
in der 1. pers. sing., wohinter nochmals Pierleoni steht, da von
seinen Verwandten mit dem Possessivpronomen
meus gesprochen wird.
Bei dem von keiner anderen Quelle bestätigten Bericht über Kämpfe mit
den Römern schon beim Einzug nach St. Peter handelt es sich womöglich
um eine (bewusste) Verquickung mit den sonst verschwiegenen Kämpfen,
die erst während der Verlesung des Papstprivilegs (V) ausbrachen.
Über die Bewertung des Inserts I besteht in der Literatur bislang
keine Klarheit. Servatius
a.a.O. 238, der bloß das Fehlen der den Abmachungen des “Vorvertrags”
(D.65) entsprechenden “königlichen Urkunde” in der Überlieferung
feststellt und sich zum Inhalt von I nicht äußert, erklärt lediglich
für gewiss, dass das dortige
decretum nicht in dem ihm von der Enzyklika zugewiesenen Zusammenhang verlesen
wurde. – Meyer von Knonau
a.a.O. 152 Anm. 26, der das an den Bericht über die Ankunft der
Prozession vor St. Peter (ad ecclesię beati petri ianuas) anknüpfende
Ubi fälschlich so interpretiert, als habe dort die Verlesung von I
stattgefunden (ebenso Weiland
a.a.O. 140 Z.23; es ist aber zweifellos nur auf das
ecclesia zu beziehen), meint deswegen, das
decretum entspreche “unzweifelhaft” der nach der “Relatio” vor der Silbernen
Pforte geleisteten
professio imperatoria, obwohl der Text von I mit dem in seinem Kern den Schutz des Papstes
beinhaltenden Kaisergelübde (zu diesem vgl. D. *67) nichts zu tun hat.
Eine weitgehend richtige Sicht der Dinge bot zuvor schon Schneider
a.a.O. 55ff., der erstmals kategorisch erklärte: “dieses Dekret ist
überhaupt nicht erlassen”, an dieser Stelle sei vielmehr die
“kaiserliche Verzichtleistung” (D.65) zu erwarten, an deren Stelle der
Text von I eingeschoben worden sei, den er als “Kaisergelübde in
veränderter Gestalt” bewertet (druckt a.a.O. 56 Anm. 3 den Text des
decretum und einen Text der
professio [in der Pertz’schen Fassung von LL 2.1, 68 Z. 29–34; vgl. dazu D. *67]). – Während
letztere Deutung des Inhalts von I sicher nicht zutrifft, kann nach
obigen Feststellungen an der Richtigkeit der These der Eliminierung
eines ursprünglichen Äquivalents des D.65 nicht gezweifelt werden: Da
es nach dem Kontext der Enzyklika Heinrichs Forderung nach der
Erfüllung (adimpleret) der päpstlichen Verpflichtung von D.68/II in Gestalt des Privilegs
D.68/V begründete, muss es nach den für ein
pactum (zu diesem Begriff s. D.65 Anm. a) geltenden Regeln eine dem D.68/V
gleichwertige förmliche Urkunde dargestellt haben. – Es muss daher
auch angenommen werden, dass der Passus
Hoc decreto a me lecto et subscripto … zum ursprünglichen Konzept des D.68 gehört und sich auf den
eliminierten Text bezogen hat (ein “Kaisergelübde” wurde nicht
beurkundet, sondern nach dem in einem
liber enthaltenen Wortlaut mündlich ausgesprochen, s. D. *67).
Zur Deutung des auf das
decretum bezogenen
subscriptum (S. ■ Z. ■) vermutet Schlögl, Unterfertigung 176f. (spricht immer von St. 3151 statt 3051), dass
die Unterfertigung des fraglichen Dokuments in Analogie zum Wormser
Konkordat (mit Kreuz [Heinrichs] und Rekognition EB. Friedrichs I. von
Köln) aus einem Kreuz von Heinrichs Hand “mit nachfolgender Beglaubigung durch
den Kanzler Adalbert I. von Mainz” bestanden haben dürfte. Diese
Vermutung findet ihre Bestätigung in dem Bericht Gerhochs von
Reichersberg, De investigatione Antichristi lib. 1 c. 25 (Ldl 3,333;
Teilzitat bei Meyer von Knonau
a.a.O. 381 Anm. 47) über den Austausch der beiderseitigen
Vertragsurkunden mit hervorgehobener Beteiligung des Kanzlers:
Iamque ventum erat in medium ecclesie beati Petri … Proferuntur in
medium litere de parte imperatoris ad Romanum pontificem directe, et
quesitum per cancellarium domni papae a domno imperatore eiusque cancellario, an eas suas et a se missas recognoscerent. Cumque responsum fuisset,
ab eis etiam eedem in palam litere lectae
sunt promissa domni regis ad domnum papam continentes. Similiter et
ex parte domni regis literis, que a domno papa directae fuerant, in
medium prolatis …
Der Wortlaut des beim Austausch der Vertragsurkunden verlesenen
eliminierten Dokuments muss inhaltlich weitestgehend dem D.65
entsprochen haben: Dies ist für den Investiturverzicht durch Heinrichs
eigenen Bericht gesichert (s. oben), für die Freigabe der Kirchen
durch den Schluss des Papstprivilegs (s. Anm. lk und weiter unten zu
V). – Die gänzliche Auslassung dieser Urkunde in seiner Enzyklika ist
die letzte Konsequenz des in D.66 dokumentierten Strebens Heinrichs,
von seinen Zusagen des D.65 abzurücken. Was den überlieferten Text von
I angeht, ist wohl der Ansicht Gernandts
a.a.O. 36f. zuzustimmen, der ihn schlicht für “simuliert” erklärt und
mit Schneider
a.a.O. die Abgabe einer solchen Erklärung für ausgeschlossen hält.
Sicher unrichtig ist die von Peiser, Investiturstreit 73f. geäußerte Vermutung, das
decretum habe vielleicht “einen Zusatz zu dem [verschwiegenen]
Investiturverzicht” (= D.65) gebildet. – Heinrich war am 12. Februar
ja doch keinesfalls über seine Zusagen des D.65 hinausgegangen! Wenn
in Insert IV unter den nur fünf Eidhelfern Heinrichs neben dem Kanzler
und drei Grafen auch der dem Ministerialenstand angehörende
(Truchsess) Volkmar (zu ihm vgl. D.24) erscheint, kann dies u.E. als
starkes Indiz für die Richtigkeit der von Servatius
a.a.O. 231f. ausgesprochenen, von Beulertz, Laieninvestitur 143 Anm. 536 als “ansprechende These” bezeichneten
Ansicht gewertet werden, dass die Rückgabe der Regalien Heinrich nicht
in eine Aporie stürzte, sondern ihm “politisch willkommen” sein
konnte, da sie ihm (durch die Vergabe der Regalien an Ministerialen)
“eine straffe, zentralisierte Verwaltung des Reichsgutes durch vom
König abhängige Ministerialen” ermöglicht hätte; vgl. ähnlich Minninger
a.a.O. 160f. mit Anm. 331, die die Realisierungsmöglichkeit in
“Umwandlung von Kirchenvasallen in unmittelbare Kronvasallen und
Betrauung von Reichsministerialen mit bisherigen reichskirchlichen
Verwaltungsaufgaben” sieht. – Die vielfach in Zweifel gezogene
Ernsthaftigkeit des Interesses, das Heinrich demnach an der
Durchführung des Arrangements vom 4. Februar gehabt hätte (so z.B.
noch Hoffmann
in DA 15,423, der den [beiderseitigen] Plan für “absurd” erklärt und
Heinrich unterstellt, “das Ganze längst als Farce inszeniert” zu
haben), sieht übrigens Blumenthal
in Law, Church and Society 9ff. in gleicher Weise auf päpstlicher
Seite gegeben, indem sie den “forgotten aspect” des Interesses
Paschals II. herausstreicht, für die Hergabe der Regalien die
Restitution und Sicherung der
patrimonia et possessiones beati Petri zu gewinnen.
Das Papstprivileg (V), in dessen ausführlicher Narratio Servatius
a.a.O. 239 “ein Stück Geschichtsdeutung” sieht und das dem König
zweifellos nicht erst bei seiner – abgebrochenen – Verlesung bekannt
wurde, sondern ihm vor Beginn der Feierlichkeiten des 12. Februar
vorgelegt und in einem – so in die Enzyklika eingegangenen – Exemplar
übergeben worden sein muss, war offenbar schon in den voraufgegangenen
Tagen ausgearbeitet worden, weshalb es in seinem Schlussteil die
vorgesehene, aber unterbliebene Kaiserkrönung als erfolgt darstellt.
In dem betreffenden Satz
Porro ecclesias …, der die in D.65 enthaltene Restitutionszusage Heinrichs teilweise
wörtlich wiederholt (durch Petitsatz gekennzeichnet, s. Anm. lk) und
deren Erneuerung am Krönungstag voraussetzte (promisisti), ist eigenartigerweise das
dimittet ecclesias liberas des D.65 in eine Verfügung des Papstes umgedeutet (liberas manere decernimus), um in der Fortsetzung
oportet enim … die Freigabe der Kirchen konkret als deren Freiheit vom Reichsdienst
interpretieren zu können. – Am Beginn der auf die Narratio folgenden
Dispositio ist der Anfang der päpstlichen Zusage des Inserts II
teilweise wörtlich aufgegriffen, die Übereinstimmungen haben wir durch
Petitsatz hier wie dort gekennzeichnet (s. Anm. bf und gm); aufgrund
der Entlehnungen aus den beiden “Vorvertrags”-Texten vom 4. Februar
(DD.65 u. 68/II) ist daher anzunehmen, dass die Abfassung des
Privilegs bald danach in Angriff genommen wurde. – Unzutreffend ist
die Bemerkung bei Meyer von Knonau
a.a.O. 155 Anm. 30, D.68/V stimme mit dem Brief Paschals II. an EB.
Ruthard von Mainz von 1105 November 11 (JL 6050; Stimming, Mainzer UB 1,328 no
423; vgl. Servatius
a.a.O. 154f., 217f. u. 272ff.) “vielfach überein”.