Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<65.>>

(Königliche und päpstliche Abgesandte vereinbaren, dass) Heinrich an seinem Krönungstag gegen die päpstliche Zusage der Rückgabe der Regalien schriftlich auf jede Investitur verzichten, alle Kirchen mit ihren nicht zum Reich gehörigen Besitzungen freigeben, die Besitzungen des Hl. Stuhles restituieren und deren Erhalt nach Kräften unterstützen sowie nichts zum Schaden des Papstes und seiner Bürgen unternehmen oder zulassen wird; für die Einhaltung der Sicherheitszusage wird er dem Papst genannte Bürgen stellen, welche die Zusage beschwören werden, wird am kommenden Donnerstag (9. Februar) genannte Geiseln stellen, wird die päpstlichen Geiseln zu gegebener Zeit freigeben und wird päpstlichen Abgesandten sicheres und schadenfreies Geleit gewähren.

(Rom in der Kirche S. Maria in Turri, 1111 Februar 4).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschriften des 12. Jh. in Cod. Vat. lat. 1984 f. 194r der Vatikanischen Bibliothek zu Rom (P1). – Cod. Ottobon. lat. 3057 (Collectio Albini, 1188/89) f. 159va ebenda (P2). – Cod. lat. XIV 102 (= 2805) p. 352 der Bibliotheca Marciana zu Venedig (P3). – Cod. Vat. lat. 8486 (Liber censuum des Cencius, 1192) f. 121va–b (alt 144va–b) no CXXXV der Vatikanischen Bibliothek zu Rom (P4). – Cod. 450 (Chronik lib. 4 c. 35) p. 387a–388b der Klosterbibliothek zu Montecassino (P5).

Drucke: Aus P5: Sigonius, De regno Italiae lib. 10 (Basel 1575), 401 (stark variiert). – Baronius, Annales ecclesiastici 12 (Rom 1607), 71 = ed. Theiner 18 (1869), 203 no 2 u. 3. – Muratori, SS 3.1,360 (“ex cardinali Aragonio”; dazu vgl. unten). – Aus P1: MGH LL 2.1,66 = SS 5,473. – Aus P5: SS 7,778. – (Aus P4): Theiner, CD dominii temp. s. Sedis 1,10 no 11 (“Ex Cencio Camerario fol. 130” = Hs. des Lib. cens. aus dem 15. Jh., s. Const. 1,135 Z. 31–34). – Aus P1.4: Watterich, Vitae pont. 2,50. – Aus P4: Fabre-Duchesne, Lib. cens. 1,409. – Aus P1: Duchesne, Lib. pont. 2,338. – Aus P1–4: MGH Const. 1,137 no 83 = Bernheim, Das Wormser Konkordat 7 no Ia (Auszug) = Bernheim, Qu. z. Gesch. d. Investiturstreites 2,22 no 9a = Carlyle, Hist. of Med. Polit. Theory 4,117 Anm. 1 (1. Hälfte von a) = Fritz, Qu. z. Wormser Konk. 30 no 17a = Lautemann, Gesch. in Quellen 2,345 no 308 (dt. Übers.). – Aus P5: SS 34,500.

Reg.: Gradl, Mon. Egrana 1,11 no 26 (Auszug). – Doeberl, Reg. u. Urk. d. Dipoldinger Markgr. 3 no 7. – Dobenecker, Reg. Thur. 1,225 no 1062. – Jaksch, Mon. duc. Carinthiae 3,221 no 544 (Auszug). – Klaar, Eppensteiner in Kärnten 63 no 85. – Stumpf Reg. – (Weiland in Const. 1,137 gibt fälschlich “Stumpf, Reg. 3047” an = D.66).

Die für den Papst bestimmten beiden Texte von D.65 (= Const. no 83) und D.66 (= Const. no 87 u. 88) sind die einzigen Aktenstücke der Verhandlungen des Jahres 1111, die nicht in deren kaiserliche Überlieferung, die “Enzyklika” D.68 und das “Manifest” D.70, Aufnahme fanden, sondern nur durch eine von Weiland in Const. 1,134 als “Relatio papalis” bezeichnete päpstliche Darstellung der Vorgänge überliefert sind. – In Weilands Druck (S. 147ff. no 99) unter dem Titel “Relatio registri Paschalis II.” sind die Inserte ausgespart und gesondert unter no 83–88, 92, 94 u. 95 wiedergegeben; von diesen Inserten finden sich Const. no 84–86 in unserer Wiedergabe der kaiserlichen “Enzyklika” (D.68/IV.II.III), no 92, 94 und 95 in der Wiedergabe des kaiserlichen “Manifests” (D.70/II.IV.V).

Zu den Handschriften dieser “Relatio” vgl. Weiland a.a.O. 134f., dessen “P”-Siglen wir beibehalten haben, obwohl dem Alter nach P3 eigentlich vor P2 gehört (s. unten), sowie Blumenthal in Law, Church and Society 13f. – Die vollständige Überlieferung der “Relatio” enthalten die voneinander unabhängigen (s. Weiland a.a.O. 135 Z. 28) Fassungen P1 und P4, die auch die als Const. no 99 gedruckten umfangreichen berichtenden Texte bieten, während sich P2.3 im wesentlichen auf die Wiedergabe der bloßen Aktenstücke beschränken, die sie allerdings in derselben Reihenfolge wie P1 und P4 liefern; da auch die Edition in Const. 1 diese Reihenfolge beibehalten hat, bevorzugen wir im Folgenden die dortige Zählung mit Zufügung der Nummern unserer Edition in runden Klammern.

Zu der häufig untersuchten ältesten Handschrift mit P1, deren Textfassung Duchesne vollständig wiedergibt, vgl. Pertz in Archiv 5,80ff., Bethmann in Archiv 11,841ff., Watterich, Vitae 1,XLIIIff., Duchesne a.a.O. 2,XXIIff., v. Glanvell, Die Kanonessammlung d. Kardinals Deusdedit 1, XXXIff., Nogara, Cod. Vaticani latini 3,387ff., zuletzt monographisch Whitton in Bull. dell’Ist. stor. It. 84,125ff. Die “Relatio” steht dort auf f. 194r–195v (zu f. 193v vgl. weiter unten) innerhalb einer Textgruppe, die von Pertz in SS 5,468 nicht sehr zutreffend als “Annales Romani” (vgl. dazu Rep. font. hist. med. aevi 2,324) bezeichnet ist und die einen Großteil von zwölf am Schluss der Handschrift zugefügten Blättern (Quaternio f. 191–198, zwei Doppelblätter f. 199–202) aus schlechtem und die Lesbarkeit erschwerend transparentem Pergament füllen.

Die Texte der Inserte enthält (fast) vollständig nur die Albinus-Handschrift mit P2 von 1188/89: Auf f. 159va–b stehen, in der Reihenfolge von P1.4, nach kurzer Eröffnung (s. unten Anm. a) die Texte von Const. no 83 (D.65), no 84–86 (D.68/IV.II.III) und no 87 (D.66a; bricht mitten im Text ab, wodurch auch no 88/D.66b fehlt, s. D.66 Anm. f) sowie von no 92 (D.70/II). – Die gegenüber P1.4 noch fehlenden Texte von Const. no 94 u. 95 (D.70/IV.Va) enthält die Handschrift separat von diesem Eintragsblock auf f. 137rb; zur Erklärung dieses Befundes vgl. D.70 Anm. cb.

Zu der aus dem Besitz Fontaninis stammenden Marciana-Handschrift mit P3 vgl. Schum in NA 1,130f. (mit Mitteilung des unten in Anm. a mitgeteilten eröffnenden Textes und Varianten zum Druck in SS 5,472) und Blumenthal a.a.O. 19 Anm. 34. Das rückseitig mit Papier unterklebte und nur vorderseitig beschriftete Pergamentblatt p. 352 enthält, mit gleicher Eröffnung wie P2 (s. Anm. a), nur die Texte von Const. no 83–86 (D.65 u. D.68/IV.II.III) und den Anfang von no 87 (D.66a), der am Seitenende (ohne Schluss-Interpunktion!) an derselben Stelle wie P2 abbricht (s. D.66 Anm. f); es ist daher Weilands Annahme (a.a.O. 135 Z.21) zuzustimmen, dass P2 und P3 engstens zusammenhängen, wobei ungeklärt bleiben muss, ob die der ersten Hälfte des 12. Jh. angehörende Abschrift P3 die unmittelbare Vorlage von P2 bildete, das für die Fortführung ja jedenfalls eine andere Überlieferung herangezogen haben muss. Da in P2 der Abbruch der no 87 mitten in Spalte 159vb vor der Weiterführung mit no 92 (D.70/II) erfolgte, ist übrigens die von Weiland a.a.O. 135 Z.13 über die Ursache geäußerte Vermutung, in der Handschrift von P2 seien einige Blätter verloren gegangen, verfehlt.

Die Abschrift P4 in der wichtigsten der zahlreichen Handschriften des Liber censuum, Vat. lat. 8486 f. 121va–123va (alt 144v–146v) no CXXXV – CXXXVIIII, deckt sich in den berichtenden Teilen und den Inserten vollständig mit P1, so dass diese als Vorlage für P4 in Betracht käme; doch hat schon Stevenson in Archivio di Storia Patria 8,375 festgestellt, dass von den verschiedenen Überlieferungen keine von der anderen abhängig ist (s. Weiland a.a.O. 135 Z. 16f.).

Die Chronik von Montecassino (P5) bietet neben weitgehenden Übernahmen der berichtenden Partien von P1.4 von den Inserten nur eine Auswahl: In lib. 4 c. 35 (p. 387b–388b) die Texte von Const. no 83 u. 85 (D.65 u. 68/II), in c. 37 (p. 390b) eine kurze Paraphrase von Const. no 87 (D.66a), in c. 40 (p. 397a–b) eine Kombination aus Const. no 91 u. 92 (D.70/I.II; vgl. D.70 Anm. m) und den Text von no 94 (D.70/IV); dies bedeutet, dass P5 für den in P1–4 fehlenden Text von Const. no 91 (D. 70/I) eine zusätzliche Quelle benutzt haben muss (s. weiter unten).

Unberücksichtigt lassen wir bei der Textherstellung die Überlieferung der “Relatio” in der Vita Paschals II. des Kämmerers Boso (Muratori, SS 3.1,360ff.; zu Muratoris Verfasserangabe Nicolaus Aragoniae cardinalis [et alii] für seine Vitensammlung a.a.O. 277–588 vgl. Watterich, Vitae 1,LXXI mit Anm. 3 u. 4), da diese unmittelbar auf P1 zurückgeht (vgl. Weiland in Const. 1,135 Z. 38f., Blumenthal a.a.O. 14 und Engels in Konzil u. Papst 155 Anm. 50), weshalb auch Duchesne a.a.O. 2,369 auf einen nochmaligen Abdruck verzichtete und auf seinen Druck a.a.O. 338–343 innerhalb der “Annales Romani” verwies.

Die “Relatio” basierte für die einzelnen inserierten Vertragstexte nach allgemeiner Vermutung auf dem verlorenen Register P. Paschals II., was zunächst nicht unmittelbar ersichtlich ist (vgl. jedoch unten zu P1). Insbesondere aber ist die P1.4-Fassung der “Relatio” selbst ihrerseits (zusätzlich) im Register eingetragen gewesen, wie die Eröffnung von P1 beweist (s. unten Anm. a; das Incipit bezieht sich natürlich nicht auf das Register, sondern auf die “Relatio”). Für die Redaktion der “Relatio”, deren Endfassung uns in P1 und P4 entgegentritt, hat übrigens offensichtlich die Fassung von P2.3 eine Zwischenstufe dargestellt; das ergibt sich zwingend daraus, dass die sonst eine reine Zusammenstellung der Vertragstexte bildenden Fassungen P2.3 einen wörtlich mit P1.4 gleichlautenden Verbindungstext zwischen den hintereinander folgenden Texten von Const. no 86 (D.68/III) und no 87 (D.66a) aufweisen, vgl. die Textwiedergabe in D.66 Anm. a und D.68 Anm. eq).

So wie die kaiserliche “Enzyklika” D.68 aus propagandistischen Gründen die beiden Texte DD.65 und 66 über Heinrichs Verpflichtungen weggelassen hatte, traf auch die “Relatio” eine bewusste Auswahl, indem sie die beiden Paschal-Privilegien, das D.68/V (Const. no 90) und das “Pravileg” D.70/VII (Const. no 96), ferner die letzteres vorwegnehmende päpstliche Zusage von D.70/I (Const. no 91) sowie D.70/III u. VI (Const. no 93 u. 97) wegließ.

Im Register Paschals II. waren diese drei Texte allerdings gleichwohl enthalten gewesen, und aus diesem (vgl. D.70 Anm. o’) war auch, in der Reihenfolge Const. no 90 (D.68/V), 91 (D.70/I) und 96 (D.70/VII), eine Abschrift in Vat. lat. 1984 auf f. 193v (= von Weiland a.a.O. 136f. mit der Sigle “V”, von uns zur Unterscheidung von P1 mit P1 bezeichnet) aufgenommen worden.

Blumenthal a.a.O. 14f. zog aus dieser Tatsache jedoch falsche Schlüsse, indem sie den Herausgebern der “Annales Romani” wegen ihrer Beschränkung auf die Aufnahme der “Relatio” im gegebenen Umfang – beide Bezeichnungen verwirft sie überhaupt mit dem (zutreffenden, aber für die Sache nichtssagenden) Argument, dass sie in den Quellen nicht vorkommen – eine “willkürliche Auswahl” (gemeint: aus Vat. lat. 1984) vorwarf und behauptete, Vat. lat. 1984 enthalte (d.h. unter Einschluss von P1) eine nichts verschweigende, vor allem aber auch das Versprechen der Rückgabe der Regalien einschließende, päpstliche “composition analogous to the encyclical of Henry V”.

Dabei hat sie jedoch einerseits vernachlässigt, dass auch P4 nur die “Relatio” ohne diese drei Texte enthält. Insbesondere aber hat sie von dem handschriftlichen Befund, wie ihn vor allem Bethmann a.a.O. (vgl. bes. die Übersicht auf S. 842) und Whitton a.a.O. 131ff. deutlich machen, keine Kenntnis genommen: In den Zusatzlagen f. 191ff. (s. oben) hatte zunächst eine Hand (Bethmanns “dritte Hand”) die Seiten f. 191r, 192v–193r und den Schluss f. 196v–201 gefüllt; die freigelassenen Seiten beschriftete dann eine andere Hand (Bethmanns “vierte Hand”; Whittons “Hand II”, s. a.a.O. 134 und Tabelle S.144) in folgender Abfolge: 1) Unter Auslassung von f. 191v/192r verwendete sie zuerst die fragliche Seite f. 193v, auf der sie zunächst die mit dem “Pravileg” endenden drei Texte eintrug und im Anschluss daran im unteren Seitenviertel mit dem Beschluss des Laterankonzils über die Verurteilung des “Pravilegs” von 1112 März 18/23 (Const. 1,570 no 399; s. D.70 Anm. nr) begann, den sie im oberen Viertel von f.194r abschloss; 2) sie füllte dann die zunächst freigelassenen Seiten f. 191v u. 192r und griff zur Fortsetzung eines auf f. 192r begonnenen Textes mittels Verweiszeichens(!) auf den Rest der oberen Hälfte von f.194r über, unter Belassung einer Freizeile nach dem Schluss von Const. no 399; 3) erst im Anschluss daran beginnt dann, nochmals unter Belassung einer Freizeile, in der Seitenmitte von f. 194r die Abschrift der “Relatio”.

Es kann, abgesehen vom parallelen Umfang der selbständigen Abschrift P4, schon aus kompositorischen Gründen ausgeschlossen werden, dass der Kopist der “Relatio” in diese die auf der gegenüberliegenden(!) Seite f. 193v stehenden Texte integriert wissen wollte, was er dann ja wohl mit entsprechenden Vermerken oder Einfügungszeichen kenntlich gemacht haben würde. – Insbesondere aber ist in der “Relatio” die Existenz des “Pravilegs” ja keineswegs verschwiegen, sondern über seine erzwungene Entstehung ausführlich berichtet (vgl. D.70 Anm. ii: Restabat illa exactionis et extorsionis portio …), d.h. es gab jedenfalls hinsichtlich dieses Textes, dessen Aufnahme angesichts dieses Berichtstextes sogar befremdet hätte, nichts Ergänzendes zu “integrieren”. Der Kopist hat demnach fraglos, wie der Kopist von P4, die “Relatio” unverändert und vollständig in der ihm vorgelegenen, die drei Texte ausklammernden Fassung kopiert, wie sie bald nach 1111 April 13 verfasst – und verbreitet worden war. – Ganz auszuschließen ist natürlich die von Weiland a.a.O. 137 Z. 1f. offengelassene (“in dubio relinquamus oportet”) Möglichkeit, bei P1 könne es sich um “reliquiae Relationis alterius pontificiae” handeln.

Schwer vertretbar erscheint es auch, wenn Pertz, der die “Relatio” zweimal nach P1 druckte, in LL 2.1,65–73 und in SS 5,472–476 innerhalb der “Annales Romani”, in einem von Jaffé, Mon. Bamberg. 269 Anm. 1 scharf kritisierten Verfahren (vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,369 Anm. 1) den älteren LL-Druck mit verschiedenen Einschüben, darunter auch aus P1 die fraglichen drei Texte, anreicherte, worin ihm Watterich, Vitae 2,50ff. folgte: Als Eröffnung vorgeschaltet das D.64 (LL 2.1,65 Z. 32 – 66 Z. 11, aus CU), D.68/I = Const. no 89 (S. 68 Z. 41–44, aus S), D.68/V = Const. no 90 (S. 68 Z. 45 – 69 Z. 32, aus P1), die Enzyklika Heinrichs D.68 = Const. no 100 (S. 70 Z. 12–51, aus CU, ohne die gesondert wiedergegebenen Inserte), D.70/I = Const. no 91 (S. 71 Z. 23–31, aus P1), D.70/III = Const. no 93 (S. 71 Z. 48 – 72 Z. 8, aus CU), D.70/VII = Const. no 96 (S. 72 Z. 37 – 73 Z. 15, aus P1) und D.70/VIb = Const. no 97b (S. 73 Z. 19–23, aus S); vgl. auch D.*67.

Zur nicht erweislichen Zuschreibung des Diktats von D.65 an den Kanzler Adalbert durch Hausmann, Reichskanzlei 15 no 4, 23, 317 u. 319 (ebenso Servatius, Paschalis II. 225 Anm. 75) vgl. Vorbemerkung zu D.*51.

Unser D.65 bildet zusammen mit den sowohl in der “Relatio” als auch in Heinrichs Enzyklika überlieferten Texten von D.68/II–IV (Const. no 85.86.84) den sog. “Vorvertrag von S. Maria in Turri”; die zu allen vier Texten gehörigen Angaben über Tag ( II. nonas febr.) und Ort der Handlung enthält nur die “Relatio”-Überlieferung des dort als vierter Text eingeordneten D.68/III (Const. no 86); das dortige in atrio beati Petri in ecclesia beatę Marie, quę dicitur in Turri, präzisiert die Angabe in porticum sancti Petri des Textes von Anm. a; zur Lage der Kirche am Eingang des Atriums vor der Peterskirche vgl. Eichmann, Kaiserkrönung 2,20 und Servatius a.a.O. 224 Anm. 72. – Durch Petitsatz haben wir die Übereinstimmungen mit D.66 gekennzeichnet, mit dem der “Vorvertrag” des D.65 zum vorgesehen Termin des 9. Februar (proxima quinta feria) – in veränderter und eingeschränkter Form (s. dortige Vorbemerkung) – anerkannt wurde. Der Satz Et dimittet … fand Eingang in den Schlussteil des Paschal-Privilegs D.68/V (s. dortige Anm. lk).

Zur Bedeutung der eine Neuerung darstellenden Tatsache, dass Heinrich in den Verhandlungen des Jahres 1111 statt einer bloßen Bekräftigung durch Handschlag persönliche Eide leistete (s. außer dem a-Text sowie Anm. o” nach P5 noch D.66 Anm. a und D.70/IV), zu denen die Fürsteneide (s. außer dem b-Text noch DD.66b, 68/IV und 70/V) lediglich eine Ergänzung darstellten, vgl. Goez in DA 42,524f. mit Anm. 47 u. 52; beachtlich erscheint in diesem Zusmmenhang, dass es in der kaiserlichen Fassung des Fürsteneides von D.68/IV (linke Spalte) heißt: iuro …, quia dominus rex … principes iurare faciet, was in der päpstlichen Fassung (ebenda rechte Spalte) erweitert ist zu: … rex … iurabit et principes iurare faciet; in Heinrichs Verpflichtung von D.68/I ist ebenfalls der Begriff des Eides vermieden und affirmo verwendet. Das cum honoribus suis des b-Textes (aufgegriffen durch cum honore meo in D.66b) konkretisiert Goez a.a.O. 525 mit Anm. 52 so, “daß die Fürsten bei Eidbruch des Königs … ihre Reichslehen dem Geschädigten als neuem Lehnsherrn aufzutragen versprachen”.

Das eingangs angekündigte scriptum Heinrichs mit der Beurkundung seiner Zusagen von D.65 ist nicht überliefert (vgl. Gernandt, Romfahrt 38f., Meyer von Knonau, Jahrb. 6,153 mit Anm. 28, Hausmann a.a.O. 23f., Servatius a.a.O. 225 Anm. 77 u. 238), es war aber offensichtlich in einem ersten Entwurf zu Heinrichs Enzyklika, D.68, enthalten gewesen (vgl. dortige Vorbemerkung, spez. zu Insert I). – Servatius a.a.O. 225 hat in seinem Referat des D.65 übrigens das contra episcopos sinnwidrig mit dem Dativ “seinen Bischöfen” wiedergegeben!

Der unter den mediatores aufgeführte Graf Hermann (v. Winzenburg; zu ihm s. D.127) ist der einzige Laie, der neben den EB. Friedrich v. Köln und Bruno v. Trier sowie dem Kanzler Adalbert in Ann. Patherbrunn. (ed. Scheffer-Boichorst 120) schon als Teilnehmer der großen (cum pompa non parva) Gesandtschaft genannt wird, die Heinrich Ende des Jahres 1109 nach Rom geschickt hatte und die dem König im März 1110 in Lüttich Bericht erstattete (a.a.O. 122; vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 105 u. 115). Zur Frage, ob diese Gesandtschaft den vermutlich von Sigebert von Gembloux im Jahre 1109 im Auftrag Heinrichs verfassten “Tractatus de investitura episcoporum” (ed. Krimm-Beumann in DA 33,66ff.) als Argumentationshilfe mit sich geführt hatte, vgl. schon Meyer von Knonau a.a.O. 106ff., ferner Krimm-Beumann a.a.O. 38 sowie Dieselbe (Beumann), Sigebert von Gembloux 93 und Servatius a.a.O. 228ff.

a) Rex scripto refutabit omnem investituram omnium ecclesiarum in manu domini papę, in conspectu cleri et populi, in die coronationis suę. Et postquam dominus papa fecerit de regalibus, sicut in alia carta scriptum est, sacramento firmabit, quod numquam se de investituris ulterius intromittet. Et dimittet ecclesias liberas cum oblationibus et possessionibus, quę ad regnum manifeste non pertinebant. Et absolvet populos a iuramentis, quę contra episcopos facta sunt. Patrimonia et possessiones beati Petri restituet et concedet, sicut a Karolo, Lodouico, Heinrico et aliis imperatoribus factum est, et tenere adiuvabit secundum suum posse. Non erit in facto aut consilio, ut dominus papa perdat papatum Romanum vel vitam vel membra, vel capiatur mala captione, aut per se aut per summissam personam, nec ipse nec fideles ipsius, qui pro ipso securitatem ei fecerint, idest Petrus Leonis cum filiis suis, quorum bona dampnum studiose non patiantur, vel alii, quos regi significaverit; et si quis ei vel eis fecerit, rex eos fideliter adiuvabit.

b) Pro huius securitatis observatione mediatores dabit rex domino pape principes, quos petiit, idest Fridericum filium sororis suę, marchionem Engilbertum, marchionem Thiebaldum, comitem Hermannum, Fridericum palatinum comitem de Saxonia, Beringarium de Bauaria, comitem Godefridum, Fridericum Saxonem, Albertum cancellarium, Cononem fratrem Beringarii, Sigebot de Bauaria, Heinricum ducem Carinthię, Bertoldum filium ducis Bertoldi. Qui iurabunt domino papę securitatem de vita, de membris, de papatu, de captione. Et si rex hęc omnia suprascripta non observaverit, ipsi cum honoribus suis ad dominum papam et ad Romanam ecclesiam se tenebunt. Obsides pro securitate domini pape dabit rex proxima quinta feria, et secure mittet ad Insulam in potestate domini papę Fridericum ducem, nepotem suum, Brunonem Spirensem episcopum, Chonradum nepotem comitis Herimanni, et filium, Heinricum fratrem comitis Friderici. Obsides si receperit, reddet in die coronationis suę transito ponte. Et si forte coronatus non fuerit aut non transierit, similiter reddet apud castellum sancti Angeli. Legatos autem, quos dominus papa ad eum miserit, in eundo et redeundo securos faciet tam a se quam a suis. Et si eis nescienter iniuria illata fuerit, ad emendandum fideliter adiuvabit.