Original auf nördlichem Pergament (ca. 48,5/50 b: 73/74,5 h) im
Kapitelsarchiv zu Arezzo (A); Rückvermerk des 12. Jh.:
Preceptum regis Heinrici quinti, fortgeführt von anderer Hand:
de pluribus bonis canonice [Einfügung des 14. Jh.:
Aretine] et de non dando fodero; 14. Jh.:
De corpore sancti Donati 1111 (verb. aus
1011). – Einzelabschrift in Diplomform etwa aus der Mitte des 12. Jh.
ebenda (Perg. no
440) (B).
Drucke aus A: Stumpf, Acta imp. 662 no
471. – Pasqui, Doc. per la storia di Arezzo 1,413 no
301. Reg.: (Dragoni), Mon. e not. istor. d’Arezzo 41 Auszug. – Stumpf
Reg. 3045.
Das Pergament des Originals, für dessen Zurichtung nach Art nördlichen
Pergaments durch beiderseitige Bearbeitung (sehr steif, tief
eingedrückte blinde Linierung von der Vorderseite her) wir keine
Erklärung wissen – erst nachträgliche Herstellung der Reinschrift nach
Rückkehr nach Deutschland, wie im anders gelagerten Fall von D.72,
muss man ausschließen –, weist an den Faltungsstellen einige Löcher
durch Mäusefraß auf, deren Textverluste mit Hilfe der Abschrift B
geheilt werden konnten.
Diese Abschrift hat nun eine sehr eigenartige, dreistufige Genese: Die
Primärabschrift, die im Protokoll unvollständig war und das
Eschatokoll ganz weggelassen hatte, ist schwer datierbar, weil sie die
Schriftmerkmale des Originals nachzuahmen trachtete. – Eine zweite
Einzelhand, die der Mitte des 12. Jh. angehört, trug dann erst, unter
Belassung einer Freizeile nach dem Kontext, zweizeilig die bis dahin
fehlende Datierung nach. – Eine dritte Phase der Überarbeitung von B
hängt zusammen mit einem Prozess zwischen den Bischöfen von Arezzo und
Siena um die Jurisdiktion des Aretiners über Pfarreien im Territorium
von Siena (vgl. umfängliches Zeugenverhör von 1177–80 bei Pasqui
a.a.O. 519–573 no
389; s. lt. pont. 3,156 no
48), mit dessen Erledigung der Kardinal Laborans beauftragt war, der
dabei die Notarsdienste seines Kaplans
Gregorius in Anspruch nahm (vgl. Pasqui
a.a.O. 563: …
exemplum a magistro Gregorio, capellano magistri Laborantis
cardinalis sancte Marie in Porticu, domini pape Alexandri legatione
fungentis in Tuscia, scriptum …; vgl. auch a.a.O. 554).
Dieser
Gregorius nahm nun in B nicht nur in Protokoll und Kontext mit hellbrauner Tinte
einige kleine Veränderungen vor (vgl. z.B. Anm. b), sondern ergänzte
die Abschrift auch um die in der Freizeile zwischen Kontext und
Datierung einzeilig eingetragenen, bis dahin fehlenden Signum- und
Rekognitionszeilen samt dem beide Formeln trennenden Monogramm (aus
Platzgründen sehr gedrückt), insbesondere aber versah er die
Abschrift, vermutlich für Prozesszwecke, unterhalb der Datierung mit
einer beglaubigenden Unterfertigung:
§ Ego GG. legi hoc exemplum, magistro Laborante card. tenente
autenticum Henrici quinti Romanorum regis bullatum (s. Pasqui
a.a.O. 413), in knapp 10 cm Abstand in gleicher Höhe gefolgt von
einem Pentagramm. – Es war aber auch Gregor, der sogar eine Korrektur
im Original bewirkte (s. Anm. b).
Ihre besondere Bedeutung hat die Abschrift B jedoch dadurch, dass
einerseits dort die offenbare Interpolation in A von Anm. d’ schon im
Text enthalten ist, andererseits aber diese interlineare Einfügung des
et æcclesias in A offensichtlich von der Hand des Schreibers von B stammt (in A und
B gleiche Schreibung und Kürzung des
æcclas mittels Verwendung des nach links durch die
1-Oberlänge gezogenen Ausläufers der Kopfschleife des langen
s als Kürzungszeichen); da die interpolierte Stelle auch im Text der NU.
von 1163 (s. unten) enthalten ist, bietet deren Datum den äußersten
Terminus ante quem sowohl für die Interpolation als auch für die
Entstehung der Abschrift B, die aber womöglich noch vor die Mitte des
12. Jh. gehört.
Die Schrift der Elongatateile von Proto- und Eschatokoll des Originals
stammt von Notar Adalbert A, auf den auch das Diktat der selbständig
formulierten Teile zurückgeht; vgl. Hausmann, Reichskanzlei 65 no
22.
In D.62 und den unmittelbar folgenden Diplomen hat der
“Rechenkünstler” Adalbert A alle über das Inkarnationsjahr
hinausgehenden Jahreskennzahlen falsch berechnet (Indiktion
III statt
IIII, Ordinationsjahr
XI statt
XIII, Regierungsjahr
V statt
VI) und hat sie, jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten, erst im Laufe
des Jahres 1111 (teilweise) korrigiert: Für Ordinations- und
Regierungsjahre hatte er lediglich die falschen Zahlen des Vorjahres
(vgl. Vorbemerkung zu D.50) um je eine Einheit erhöht. Den Fehler behielt er bei den Ordinationsjahren bis zuletzt
bei, d.h. bis zu D.79 vom 22. Mai, wonach er dann auf deren Angabe für
dauernd (zu kurzfristiger Ausnahme vgl. Vorbemerkung zu D.106)
verzichtete. – Zur Weglassung der Angabe der Ordinationsjahre seit dem
D.80 von 1111 Mai 24 (s. dortige Vorbemerkung) vgl. Thiel, Beiträge ■.
Bei der Indiktion hatte der Notar überhaupt, vielleicht aus Versehen,
die spätestens zum Jahreswechsel fällige Erhöhung ganz unterlassen und
die (damals richtige) Zahl
III des Vorjahres beibehalten, um erst während des Veroneser Aufenthaltes
für die beiden letzten (DD.76/77) der insgesamt vier dort am 19. Mai
ausgestellten Diplome (DD.74–77) das Versäumte wettzumachen. – Am
längsten blieb der Notar für die Regierungsjahre bei der falschen Zahl
V (bis D.86), um ab dem D.87 vom 8. August endlich die richtige Zahl
VI einzusetzen, womit dann auch, zumindest vorübergehend, alle
Zahlenangaben stimmten. – Zu dem von diesem, in seiner
Fehlerhaftigkeit konsequenten Schema nur scheinbar teilweise
abweichenden D.†61 vgl. die dortige Vorbemerkung.
Mit dem DH.IV.335 von 1081 Juli 10 (= VU.VI), als dessen Bestätigung
D.62 sich selbst ausgibt, bestehen nicht die geringsten textlichen
Übereinstimmungen; lediglich in der Besitzliste, die ihrerseits in
ihrer Komposition kein Vorbild in den älteren Diplomen für Arezzo
besitzt, dürften zwei Objekte von dort übernommen worden sein (vgl.
bei Anm. q und a’). Hingegen ist, von der Besitzliste abgesehen, der
gesamte übrige Text unseres D. eine fast wörtliche Wiederholung des
älteren DH.III.183 von 1047 Januar 7 (= VU.I; in der Vorbemerkung zu
DH.IV.335 ist nur gesagt, dass D.62 “dem Wortlaut des DH.III.183
nähersteht”), das seinerseits aus den DDH.II.436 und 464 sowie dem
DKo.II.263 komponiert ist; zu dessen Besitzliste wiederum gibt es in
D.62 nur eine einzige sachliche Entsprechung (s. Anm. m). Die im
übrigen sehr unvollständige Besitzliste des D.62 wurde offenbar mit
Hilfe einer Reihe von Privaturkunden (darauf bezieht sich
wahrscheinlich das
per cartas von Z. ■) neu zusammengestellt, von denen nur einige ermittelt werden
konnten: Insgesamt sieben der hiesigen Objekte begegnen in einer
Schutzverleihung des Markgrafen Gottfried von Tuszien und seiner
Gemahlin Beatrix von 1058 Juni 9 (Pasqui
a.a.O. 263 no
185 = VU.IV; vgl. Anm. m, n, p, r, u, x, y); je zwei Objekte erwähnen
Urkunden B. Helmperts von 1009 Februar 12 (Pasqui
a.a.O. 129 no
94 = VU.III.; erneuert von B. Adalbert 1015 März u. Nov. = Pasqui
a.a.O. 146 no
106 und 148 no
107, und von B. Teodald 1028 März 4 = Pasqui
a.a.O. 184 no
129; vgl. Anm. h und y) und B. Konstantins von 1064 (Pasqui
a.a.O. 272 no
192 = VU.II; vgl. Anm. f und l), und ein weiteres Objekt erscheint in
einer Tauschurkunde B. Teodalds von 1029 Febr. (Pasqui
a.a.O. 195 no
136 = VU.V; vgl. Anm. o); die abschließende Grafschafts-Aufzählung
steht am nächsten dem D. Berengars von 916 Juni 22 (Pasqui
a.a.O. 89 no
58 = VU.VII; vgl. Anm. b’).
D.62 diente seinerseits dem DF.I.412 von 1163 November 9 (= NU.) in
großem Umfang als Vorlage. Demgegenüber verblüfft die äußerst
leichtfertige Feststellung, die man über das Verhältnis beider
Diplome, wozu sich übrigens Riedmann
in MIÖG 76,47f. gar nicht erst äußert, in der Vorbemerkung des
DF.I.412 antrifft: “Als Vorlage für die Pönformel diente das DH.V.
Stumpf Reg. 3045, das jedoch ansonsten trotz einiger Gemeinsamkeiten
in der Besitzliste nicht
als Vorurkunde benützt ist”. – An dieser Behauptung stimmt nichts.
Schon der an sich zutreffende Hinweis auf die Übereinstimmung der
Pönformel (Kennzeichnung durch Petitsatz in NU. S. 296 Z. 45–47)
enthält zwei irreführende Elemente: Mit gleichem Recht hätte dies
einerseits u.a. für große Partien der ganzen Sanktio (S. 296 Z. 35–45)
festgestellt werden müssen; andererseits war das DF.I.412 gerade für
diese Partien nicht unbedingt auf das D.62 angewiesen, sondern hätte
sie auch aus dessen Vorurkunde, dem DH.III.183 (oder auch aus dessen
Vorurkunde, dem DH.II.464) unmittelbar entnehmen können, so dass die
alleinige Nennung unseres D. als Vorurkunde unberechtigt ist. Absolut
unrichtig ist jedoch die Behauptung bezüglich der Besitzliste; denn
diese, die im Umfang die Liste von D.62 übertrifft, hat in den
übereinstimmenden Partien unser D. eindeutig weitestgehend wörtlich
übernommen, so dass die entsprechenden Stellen von S. 296 Z. 8–12,
18–21 und 27–31 durch Petitsatz hätten gekennzeichnet werden müssen;
außerdem hat die Besitzliste des Fridericianum, in der aus D.62 nur
Campauana fehlt (s. Anm. o), für einzelne Objekte noch weitere Vorurkunden
benützt, nämlich das DKo.II.74 (für S. 296 Z. 13, 16, 17, 24 u. 25)
und das DH.IV.335 (für S. 296 Z. 10, 13, 21, 25 u. 26). – Schließlich
wäre auch der Hinweis darauf angezeigt gewesen, dass DF.I.412 dem D.
Heinrichs VI. von 1191 Okt. 8 (B.-Baaken
Reg. 171; Stumpf, Acta imp. 701 no
502) als wörtliche Vorlage diente, weshalb auch besser dieses statt Pasquis
Druck des DF.I.412 für die Emendation der Schäden hätte herangezogen
werden sollen.
Die Ausstellung des D.62 (wohl ebenso die von D.†61) erfolgte
vermutlich erst nach der von mehreren Chroniken (vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,135 mit Anm. 46; ausführlicher Graf, Widerstände in Reichsitalien 41 no
97) berichteten Zerstörung Arezzos durch Heinrich, der die der
Zerstörung zweifellos vorangehende Belagerung wohl frühestens zur
Jahreswende oder in der ersten Januarwoche des Jahres 1111 begonnen
haben konnte (vgl. Vorbemerkung zu D.†61 und Thiel, Beiträge ■).
An die spektakuläre Stadtzerstörung durch Heinrich konnte sich noch
eine ganze Reihe von Zeugen des Zeugenverhörs von 1177–80 erinnern
(vgl. Pasqui
a.a.O. 537, 538, 543, 546, 548, 551, 554 u. 555; zu den Aussagen des 21., 31., 42. u. 54. Zeugen vgl. Davidsohn, Gesch. von Florenz 1,366 Anm. 1, zum 21. u. 54. Zeugen vgl. Delumeau, Arezzo 2,855 Anm. 250). Die Zerstörung der Stadt war die Bestrafung
dafür, dass die Aretiner, die eine Verlegung des Bischofssitzes in die
Stadt anstrebten (vgl. Ottos von Freising Chronik lib. 7 c. 14, MGH SS
rer. Germ. 45,326, Zitat bei Meyer von Knonau
a.a.O.), den im Südosten der Stadt auf dem Hügel von Pionta gelegenen
Dom S. Donato und die bischöfliche Burg zerstört hatten, was ebenfalls
einige Zeugen erwähnten (vgl. dazu Pasqui
a.a.O. 542f. u. 547; der 15. und 20. Zeuge, a.a.O. 535 u. 537, waren
Einwohner von S. Donato; vgl. Davidsohn
a.a.O.); der 21. Zeuge (Pasqui
a.a.O. 538; Wiedergabe bei Davidsohn
a.a.O. und Delumeau
a.a.O.) wusste zudem zu berichten, dass Heinrich deren Wiederaufbau
(durch die Bürger) befohlen hatte (Sed et castrum et episcopium rehedificatum fuit auctoritate
imperatoris Henrici, tempore quo incendit Aretium).
Zu den Vorgängen vgl. Davidsohn
a.a.O. 365f., zuletzt Delumeau
a.a.O. 854ff., der im Hinblick auf die Aussage des 21. Zeugen wohl
nicht zwingend davon ausgeht, dass die Zerstörung von S. Donato im
Jahre 1110, also unmittelbar vor der Stadtzerstörung erfolgt war
(a.a.O. 855: “sans doute en 1110”);
Delumeau
a.a.O. 1006 vermutet übrigens, in Anlehnung an Davidsohn
(vgl. a.a.O. 359; Del. zitiert die it. Übers. Storia di Firenze 1,532f.), dass an der
Eroberung von Arezzo ein Sieneser Kontingent beteiligt war. – Unser D.
enthält eigenartigerweise nur eine indirekte Anspielung auf das
feindliche Verhältnis zwischen Bürgerschaft und Geistlichkeit durch
die, über die VUU. hinausgehende, Erwähnung der
terras, quas cives retinent sine eorum [= die
canonici] voluntate. – Unklar ist angesichts dessen, dass Heinrich mit der Zerstörung Arezzos
ja die bischöfliche Position vertreten hatte, was die auf B. Gregor
bezügliche päpstliche Bitte an Heinrich,
ut … gratiam vestram reddatis, in dem allenfalls ein halbes Jahr jüngeren D.*81 konkret beinhaltete.