Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<†57.>>

Verunechtet.

Heinrich bestätigt dem Kloster San Ambrogio zu Mailand vier (fünf) Höfe und überlässt dem Konvent das Fodrum von genannten Burgen.

Vercelli, (1110 Ende September) – 1110 Oktober 12.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Urkunde in Diplomform (ca. 34,5 b : 35,5/37 h) aus dem 1. Viertel des 13. Jh. (nach 1210, vgl. unten) im Staatsarchiv zu Mailand, Pergamene, Monastero di S. Ambrogio cart. 312 (früher tav. 4, cart 1 no 20) (B). – Notarielle Abschrift aus der Mitte des 13. Jh. ebenda (früher a.a.O. no 21) (C); Rückvermerk des 13. Jh.: Exemplum privilegii autentici Henrici imperatoris; andere Hand: Hoc [2 cm Rasur] privilegii Enrici regis de fodro et districto de loco Lemonta et Ciuenna.

Drucke: Aus B: Puricelli, Ambros. basilicae ac monasterii monumenta 1,534 c. 311 (p); (ed. II.) in Graevius, Thes. antiqu. Italiae 4.1,243 c. 311 = Aresius, Abbatum ser. s. Ambrosii, Priv. et dipl. 64. – Aus Bp: Morbio, Storie dei municipi Italiani 3,167 no 12 zu 1106 (im Text: millesimo nonagesimo sexto, s. Anm. o”).

Reg.: Aresius a.a.O. 19. – Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,489 no 14. – Menant in Mél. de l’école franç. de Rome 88,484 no 9. – Böhmer Reg. 1996. – Stumpf Reg. 3043.

Die in diplomgemäßer Gestalt geschriebene Überlieferung B war nie besiegelt, obwohl rechts neben Rekognitionszeile und Monogramm ausreichend Platz vorhanden gewesen wäre; ob es sich dabei um einen ersten Entwurf für das Falsum handelt oder um dessen Nachzeichnung, als was Hausmann, Reichskanzlei 65 no 20 das Stück bezeichnet, wagen wir nicht zu entscheiden. – Der Überlieferung C lag jedenfalls ein besiegeltes Exemplar zugrunde: Zwar ist in der Schlussunterfertigung des kopierenden Notars, Stephanus tabularius sacri palatii, die entsprechende Bemerkung (et erat illud autenticum sigillatum regio sigillo) erst mit anderer Tinte nachgetragen, doch steht in den vorangehenden Unterfertigungen der beiden letzten von 6 weiteren Notaren die Bemerkung sigillo regio signatum bzw. sigillatum jeweils mitten im Unterfertigungstext.

Der Falsum-Text ist verfasst unter Verwendung des im Original erhaltenen DH.II.95 von 1005 Mai 2 (= VU.I) und des auf ein (in seinem Kern in D. † 57 bewahrtes) verlorenes Diplom Heinrichs V. zurückgehenden (s. unten) Diploms Ottos IV. von 1210 April 23 (B.-Ficker Reg. 384; Or. im Staatsarchiv Mailand a.a.O. cart. 340 no 1; geschrieben von dem Kanzleinotar OF, vgl. Zinsmaier, Urk. Philipps von Schwaben u. Ottos IV. 97ff.; Druck: Aresius a.a.O. 81 und Morbio a.a.O. 179 = VU.II).

In der Bewertung des D. † 57 und seines Verhältnisses zu den Vorurkunden ist die Literatur bis heute unsicher: Giesebrecht, Gesch. d. dt. Kaiserzeit 53.2,1210 erklärt es im Ganzen als Fälschung, welcher Bewertung sich Stumpf (a.a.O. unter bloßer Erwähnung der Zweifel Giesebrechts, in den Zusätzen S. 538 jedoch mit der Feststellung [Fickers]: “Fälschung nach Arndt”) und Meyer von Knonau, Jahrb. 6,132 Anm. 41/Schluss anschließen; Hausmann a.a.O. 54 und 65 no 20 sieht hingegen keinen Grund zur Beanstandung, und ebenso erwähnt Zinsmaier a.a.O. 98 das D. † 57 ohne Einschränkung als VU. des D. Ottos IV. Ambrosioni in Il monastero di S. Ambrogio 61ff. (mit Anm. 32 u. 33) lässt wiederum die Frage nach Echtheit oder Fälschung unentschieden, während Tagliabue ebenda 310f. lediglich (verkürzend) unsere brieflich mitgeteilte Bewertung als “falso” zitiert. – Das in der vorliegenden Gestalt jedenfalls unkanzleigemäße Stück, mit einer Reihe von Merkwürdigkeiten, war offensichtlich mehreren, zu verschiedenen Zeiten vorgenommenen Manipulationen ausgesetzt, die sich angesichts der Überlieferungslage wohl kaum vollständig klären lassen.

Klarer Beweis für die Unechtheit des D. † 57 in der von BC überlieferten Fassung ist das – als Rest einer sicher ursprünglich vorhanden gewesenen Signumzeile übriggebliebene – Monogramm (s. Anm. l”): Es handelt sich dabei nämlich nicht um das Monogramm Heinrichs V. aus dem verlorenen Original, sondern dasjenige Heinrichs IV. in der Gestalt, wie sie gegen Ende seines 2. Königsjahres von dem Notar Gebehard A eingeführt und dann bis zur Kaiserkrönung (1084 März 31) verwendet worden war (erstmals in DH.IV.40 von 1058 Okt. 1; durch neues Zeichen des Adalbero C ersetzt seit DH.IV.360 von 1084 Mai 23), vgl. DDH.IV. Einl. S. XCf., Beispiele bei Rück, Bildberichte 144f. Abb. 561–568 (= DD.44 … 163). Nachdem kein D. Heinrichs IV. für S. Ambrogio überliefert ist und ein solches wohl auch nie existiert hat, kann kaum bezweifelt werden, dass man das Vorbild für das falsche Monogramm des D. † 57 dem verlorenen Original des DH.IV.330 von 1081 April 14 für das dem Kloster S. Ambrogio gehörige, verschwundene Mailänder Kloster Orona entnommen hatte; in dessen Abschrift aus dem 18. Jh. fehlt zwar auch die Signumzeile (samt Monogramm), doch ist die in der dortigen Vorbemerkung geäußerte Vermutung, dass die Signumzeile auch dem Original gefehlt habe, weil dies angeblich in “minder feierlicher Form ausgefertigt” worden sei, verfehlt, was auch für den begründenden Hinweis gilt, dass “die eigenhändige Vollziehung auch in der Corroboratio nicht angekündigt” sei, was das DH.IV.330 übrigens mit unserem D. gemeinsam hat (s. Anm. e”). Zur möglichen Erklärung des Ersatzes des ursprünglichen Monogramms Heinrichs V. vgl. weiter unten.

Andererseits steht außer Zweifel, dass ein verlorenes echtes D. Heinrichs V. mit dem überlieferten Datum existiert hat, das in den wenigen VU.-unabhängigen Partien, Protokoll und (verstümmeltem, s. oben) Eschatokoll, von Notar Adalbert A verfasst war, vgl. Hausmann a.a.O. 65 no 20, der die Diktatzuweisung auf das Eschatokoll beschränkt: Insbesondere die Datierung stimmt wörtlich mit derjenigen des D.54 überein, mit denselben für den Notar charakteristischen Fehlern bei Ordinations- und Regierungsjahr (s. Anm. 1 u. 2), aber auch mit der richtigen Indiktionszahl III gegenüber der in D.50 noch falschen Zahl IIII (vgl. dortige Vorbemerkung); die in B ganz fehlende, in C erst nachgetragene actum-Formel (s. Anm. t”) muss gleichfalls auf die Vorlage zurückgehen, wie namentlich die mit DD.50 u. 54 übereinstimmende Apprekatio beweist.

Außerdem ist die knappe Rekognitionszeile mit der alleinigen Nennung des Kanzlers Adalbert absolut kanzleigemäß (zur Rekognition durch den eigentlich nicht zuständigen deutschen Kanzler vgl. Vorbemerkung zu D. † 61): Zwar hat sie ihre Entsprechung zunächst nur in D.44 von 1109 Aug. 1, dem ersten nach dem Tode des bisherigen deutschen Erzkanzlers, EB. Ruthards von Mainz († 1109 Mai 2), ausgestellten Diplom, sowie in D.54 von 1110 Aug. 16 – in der Zwischenzeit fehlen Parallelen (DD.47 u. 49 sind ohne Rekognitionszeile; D.50 von 1110 Mai 27 ist ein Sonderfall), und in der Folge rekognoszierte die für italienische Empfänger ausgestellten DD. † 61 … 80 der als italienischer Kanzler eingesetze B. Burkhard von Münster –, doch wird nach der Rückkehr nach Deutschland ab D.84 (1111 Juni 24) durch Adalbert als deutschen Kanzler wieder regelmäßig die Kurzform von DD.44, 54 und † 57 verwendet, ehe dieser nach seiner Investitur auf den Mainzer Erzstuhl (1111 Aug. 15) ab D.92 von 1111 Sept. 4 mit der Titulatur als Erzbischof und Erzkanzler rekognoszierte.

Sicher ist gleichfalls, dass mindestens einer der Gegenstände des verlorenen Heinricianum das fotrum de castellis war. Das D. Ottos, das primär das D. Heinrichs VI. von 1196 August 12 (Stumpf Reg. 5025; B.-Baaken Reg. 540) wiederholt, beruft sich nämlich für die seine Pertinenzliste abschließende – nicht auf das Diplom Heinrichs VI. zurückgehende – foderum-Liste auf ein privilegium Heinrichs V. (folgendes Zitat nach dem Original): … cum omnibus ad se pertinentibus, cum servis, ancillis, capellis, castris, districtis, theleonariis [vgl. dazu weiter unten], vineis … piscationibus et fodero de castellis dicti monasterii, videlicet de Antiziago, Colonia, Oleoducto, Capiate, Pasiliano, Monte seu Leomonte atque Ciuenna … concedimus, sicut rationabiliter habent et eis ab antecessore nostro Heinrico quinto Romanorum rege semper augusto fuit indultum, ut in autentico privilegio suo continetur).

Die Vorlage Ottos IV. kann aber nun für diesen Passus nicht die überlieferte Textgestalt unseres D. gehabt haben; denn das hier an die vorangehende Liste, die mit der starken Copula atque endet, mit neuer Copula anschließende et Cauanago verrät sich damit als nachträgliche Zufügung, was bedeutet, dass unsere Fassung erst nach dem D. Ottos IV. entstanden ist, weshalb wir für den Passus insgesamt, ungeachtet dessen, dass wir hier unbezweifelbare Reste des verlorenen D. Heinrichs besitzen, die Kennzeichnung des Ottonianum als VU.II wählten. Es bleibt aber die Möglichkeit, dass die Erweiterung um et Cauenago gegenüber der Otto-Liste auf einem direkten Rückgriff auf das echte Heinricianum beruht.

Dies gilt jedenfalls wohl mit Sicherheit für den anderen in der Otto-Liste fehlenden Namen Carusco (= Calusco d’Adda w. Bergamo); denn dieser im Jahre 1110 noch sicher dem Kloster S. Ambrogio gehörige Besitz gelangte wenig später, successive bis zum Jahre 1130, an das Kollegiatstift S. Alessandro zu Bergamo, musste daher zwangsläufig im D. Ottos IV. fehlen; vgl. dazu Ambrosioni a.a.O. 61 Anm. 33 (die Verfasserin zieht daraus den falschen Schluß, dass für den Fall, dass D. † 57 eine Fälschung sei, diese vor 1130 hergestellt sein müsse); Calusco eröffnet übrigens die Besitzliste des DF.I.256 von 1159 für S. Alessandro.

Es könnten sich allerdings Zweifel einstellen, ob die Fodrum-Liste überhaupt zum Textbestand des echten Originals von D. † 57 – des ersten (von Brühl, Fodrum übersehenen) Diploms Heinrichs V. mit Erwähnung des Fodrum – gehört hatte: In den älteren Diplomen für S. Ambrogio ist nämlich nirgendwo vom Fodrum die Rede; erst im DF.I.903 von 1185 Mai 4 erscheint in den jeweils unterschiedlichen Pertinenzlisten einzelner Orte der Zusatz cum fodro, und zwar für 6 der 9 bzw. 10 Orte der vorliegenden Liste; der Zusatz fehlt bei Capiate; Civenna begegnet im Barbarossa-Diplom nicht, was auch für die beiden in D. † 57 über das D. Ottos IV. hinausgehenden Orte Calusco und Cavenago gilt.

Diese Zweifel an der Ursprünglichkeit sind aber mit Sicherheit unberechtigt: Das nach der Datierung der Herausgeber zu Anfang des 12. Jh., demnach etwa gleichzeitig mit der Ausstellung des Originals von D. † 57 gefälschte DKa.III. † 177 von angeblich 880 März 21 bietet – in über das D. Barbarossas hinausgehendem Umfang – ebenfalls in den Pertinenzen einer Reihe von Orten den Zusatz cum fotro, darunter auch bei 6 Orten unserer Liste: Der Zusatz fehlt bei den beiden auch bei Barbarossa genannten Orten Colonia und Basiano, der nur in unserem D. genannte Ort Cavenago fehlt dort überhaupt; aber das dort mit cum fotro-Zusatz versehene Claueso (B: Clauexo, s. S. 291 Anm. a) ist sicher mit dem obigen Calusco identisch (im Register zu DDKa.III. S. 354 sowie bei Zimmermann, Papsturkunden 3,1383 ist es fälschlich auf Chiavazza bei Biella nw. Vercelli gedeutet), so dass die Feststellung Ambrosionis a.a.O., Calusco werde in anderen Urkunden des Klosters nicht genannt, unzutreffend ist.

Zu Beginn des 12. Jh. bestand demnach in S. Ambrogio großes Interesse an der Fodrum-Frage. Und man wird schließlich feststellen müssen, dass es in unserem D. insgesamt sicher nicht um die Sicherung des Grundbesitzes an den in der Fodrum-Liste genannten Orten (drei davon schon in dem auf VU.I zurückgehenden ersten Teil unseres D.) an sich ging, da man für diesen schon in älteren Diplomen bzw. Papstprivilegien einen Rechtstitel besaß: Zur Schenkung von Felizzano, Basiano und Mons vgl. das D. Hugos u. Lothars von 942 August 15 (ed. Schiaparelli D.64); das Diplom über die in DKa.III.21 erwähnte Schenkung von Limonta durch Kg. Lothar von 947–950 ist verloren (vgl. Schiaparelli S. 377 no 4); zu Capiate vgl. erstmals DKa.III.21, zu Civenna (Zubehör des ca. 2 km nördlicher gelegenen Limonta) DO.I.138, zu Cavenago DO.III.266; zu Inzago, Colonia und Oleoducto vgl. das Privileg P. Gregors V. von 998 April 28 (JL 3882; It. pont. 6.1,89 no 1; Zimmermann a.a.O. 2,687 no 353); zur Mehrzahl der Orte vgl. auch das Privileg P. Paschals II. von 1102 Febr. 14 (JL 5890, It. pont. 6.1,89 no 4); über den Besitz von Legnano fehlt ein Erwerbstitel.

Bei dem Oleoductum, das im Register zu DDF.I. sicher unrichtig mit Origgio (com. Saronno prov. Varese) identifiziert ist, dürfte es sich um das ca. 27 km w. Brescia, an einem Übergang über den Oglio gelegene Pontoglio handeln, in welchem Falle auch unter dem in der Liste vorangehenden Colonia (nach dem Register zu DDKa.III. sowie Zimmermann a.a.O. 3,1386 Cologna bei Oggiono ö. Como, nach dem Register zu DDF.I. Colnago prov. Mailand) das ca. 9 km w. Pontoglio gelegene Cologno al Sério oder (eher) das ca. 7 km onö. Pontoglio gelegene Cologne vermutet werden darf. Für Mons (vgl. noch unten) bieten die Register zu DDKa.III., H.II. und F.I. jeweils abweichende Identifizierungsvorschläge.

Es stellt sich nunmehr zwangsläufig die nicht mit letzter Gewissheit zu beantwortende Frage, ob auch die Übernahmen aus VU.I schon zum verlorenen Original des D. † 57 gehörten oder erst im Zuge der Verfälschung eines ursprünglichen reinen Fodrum-Diploms Eingang fanden. Daß Otto IV. sich nur für die Fodrum-Liste auf das Heinricianum berief, genügt nicht als Argument gegen dessen weitergehenden Inhalt. Schwerer wiegen die Ungereimtheiten, die Giesebrecht zum Totalverdikt unseres D. bewogen. Dazu zählt die Übernahme des Namens des damaligen Abtes Iohannes, indem man lediglich das dortige abbatem durch monachum ersetzte; vor allem aber wurde der dortige Handlungsort Dorinburg (Dornburg a. d. Saale), wo sich Heinrich V. nie aufgehalten hat, beibehalten, woneben aber, in seltsamer Plazierung, unter Vorwegnahme der Angabe der Datierung, noch ein zweiter Handlungsort aput Uercellem eingeführt wurde; für Aresius (a.a.O. 19), für den die Unmöglichkeit der Dornburg-Nennung nicht erkennbar war, vereinbaren sich die Angaben in der Weise, dass der damalige Abt (Wilhelm) den Mönch Johannes zu Heinrich V. nach Dornburg geschickt habe, dessen Impetration dann bei Heinrichs Aufenthalt in Vercelli die Ausstellung unseres D. zur Folge gehabt habe, und S. 20 spricht er die Vermutung aus, dass es sich bei diesem Mönch um den gleichnamigen Nachfolger Abt Wilhelms gehandelt habe; zu den Äbten Wilhelm (…1099–1113) und Johannes II. (1113–1129…) vgl. Tagliabue a.a.O. 308ff.

Gegen die Annahme eines späteren Einbaus der VU.I in das Heinricianum spricht aber primär, dass bei dieser Manipulation der gesamte Textrahmen des ursprünglichen Originals, unter Beibehaltung nur geringer Reste, preisgegeben und durch denjenigen der VU.I ersetzt worden wäre, ein Vorgang ohne Beispiel. Von daher liegt die Annahme näher, dass von einem Empfängerdiktator für die Abfassung des Entwurfs für das verlorene echte Diplom tatsächlich das DH.II.95 – auch gegenständlich – als Vorurkunde verwendet wurde, das sich schließlich auch dadurch anbot, dass in ihm einige der in der Fodrum-Liste genannten Besitzungen bestätigt worden waren; formal erlaubte es ferner durch die Zweiteilung der Dispositio (zum Beginn des 2. Teiles s. Z. ■: Insuper concedendo confirmamus …), in deren zweiten Satz, unter Austausch gegen dessen ursprünglichen Inhalt (s. Anm. e’), die Fodrum-Liste einzubauen; dabei wäre dem Diktator das stilistische Versehen unterlaufen, neben der im ersten Teil aus VU.I übernommenen Seelgerätformel (Z. ■), über den Text von VU.I hinausgehend eine fast gleichlautende zweite Seelgerätformel einzufügen (Z. ■). – Der Aufmerksamkeit des Kanzleinotars müsste allerdings die erwähnte Unmöglichkeit der Dornburg-Nennung entgangen sein (aber detaillierte Kontrolle vorgelegter Vorurkunden dürfte ohnedies die Ausnahme gewesen sein)!

Zum ursprünglichen Wortlaut müsste dann auch die wiederum über die Petitionsformel der VU.I hinausgehende Nennung der sapientes Mediolanenses (Z. ■) gehört haben. Dies steht zwar in Widerspruch zu dem Bericht Donizos, dass die Mailänder als einzige dem König Huldigung und finanzielle Unterstützung verweigert hatten (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 131 Anm. 41); doch macht Ambrosioni a.a.O. (in Anm. 33) darauf aufmerksam, dass diese offizielle Haltung nicht die Einstellung der ganzen Stadtbevölkerung gespiegelt habe, und verweist (a.a.O. 58 Anm. 21) als Beispiel für Anhänger Heinrichs V. auf den Mailänder Otto Visconti, der nach dem Bericht der Chronik von Montecassino lib. 4 c. 39 (MGH SS 34, 505) bei den römischen Kämpfen vom 13. Febr. 1111 dem Kaiser durch Überlassung des eigenen Pferdes das Leben rettete (vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 161f. u. 374f.), sowie auf kaiserfreundliche Gesinnung des Abtes Wilhelm (a.a.O. 58 u. 63).

Wenn der Inhalt der VU.I von Anfang an zum echten Text gehört hatte, kann das Fälschungsmotiv nur in den relativ geringen Eingriffen in den VU.-Text gesucht werden: Die Erweiterung um et castella (Z. ■) diente wohl lediglich der Angleichung an das fotrum de castellis. Der entscheidende Eingriff war offensichtlich der Zusatz districtis atque theloneariis (Z. ■), der wegen seiner Formulierung (theloneariis statt theloneis) zweifellos von dem D. Ottos IV. von 1210 (vgl. obiges Zitat, mit theleonariis) beeinflusst war, womit sich nochmals die Annahme der Entstehung des Falsum nach 1210 bestätigt (s. oben): Ein theloneum ist überhaupt erstmals im D. Friedrichs I. von 1185 und dort allein als Zubehör von Basiano erwähnt. Und von districtus ist erstmals im Privileg P. Gregors V. von 998 die Rede, wobei aber unklar bleibt, ob der Begriff auf alle dort genannten Orte zu beziehen ist (cum ecclesiis, oraculis, cortibus … districtis ad ipsam respicientibus, scilicet Paxiliano, Monte …); innerhalb der Herrscherdiplome begegnet es wiederum erstmals bei Barbarossa, und zwar außer für 3 Orte der auf VU.I zurückgehenden curtes et castella-Liste (ohne Felizzano) noch für 4 Orte der Fodrum-Liste (Anziago, Colonia, Oleoducto und Capiate); das, wie oben erwähnt, zu Anfang des 12. Jh. gefälschte DKa.III.177 nennt allerdings den districtus schon für dieselben Orte wie das Fridericianum (ohne Limonta; dafür einen anderen Ort, Uite alba, nennend, für den das Privileg P. Gregors V. von 998 Uilla Alba verzeichnet, nach Zimmermann a.a.O. 3,1353 das dicht sö. Como gelegene Albate); und ein Hinweis auf das Interesse an der districtus-Pertinenz im 12. Jh. ist, dass in dem Hugo/Lothar-Diplom von 942 der Begriff für die 3 dort genannten Orte (s. oben), der noch in der ältesten Kopie aus dem 11. Jh. fehlt, erst als Interpolation in der nächstjüngeren, aus dem Jahre 1322 stammenden Kopie enthalten ist (Schiaparelli S. 192 Z. 23/24: et cum tota districta omnium hominum in eisdem cortibus habitantium).

Das Interesse an diesen Fragen war es denn wohl auch, das den Fälscher nach dem erwähnten, im Archiv von S. Ambrogio verwahrten DH.IV.330 für Orona greifen ließ, in dem auch das fodrum von einem castrum und daneben u.a. (neben herbergaria) auch jede districtio verboten wurde; er hatte dieses Diplom offenbar sogar bei der Herstellung der Fälschung vor sich liegen, was nicht nur die Übernahme seines Monogramms (s. oben) erklärt, sondern vermutlich auch die zweite Seelgerätformel (s. oben) in Verbindung mit dem pro regni nostri augmento beeinflusste (vgl. dort Z. 8: ad remedium animęnostrę ad provectumque nostri regni); und diese Vorlage war vermutlich auch die Ursache dafür, dass das mille der Pönformel der VU.I durch centum ersetzt wurde (s. Anm. a”), nachdem es nicht gerade zu den Anliegen von Fälschern zählte, die Höhe von Strafen herabzusetzen. Der Vollständigkeit halber sei noch auf den wohl auf den Fälscher zurückzuführenden Ersatz des richtigen reges (Hugo u. Lothar) der VU. durch imperatores hingewiesen (s. Anm. w).

Dass an dem – nach obigen Ausführungen womöglich im wesentlichen zuverlässigen(!) – Text des D. † 57 offenbar wiederholt manipuliert wurde, zeigen die zwei unterschiedlichen (und falschen) Alternativ-Bezeichnungen für Mons: Das Montem seu Ledegnanum in der curtes et castella-Liste dürfte auf das Barbarossa-Diplom von 1185 zurückzuführen sein, wo aufeinanderfolgen: … item possessiones de Turigla cum ecclesia et tertia parte decime; et quicquid iuris habet in villa de Ledegniano; curtem de Monte cum duabus ecclesiis … Ob das Monte seu Lemonte in der Fodrum-Liste auf das D. Ottos IV. zurückgeht, oder ob umgekehrt Otto IV. dies schon in einer früher verfälschten Fassung des verlorenen Heinricianum vorfand, bleibt unklar; jedenfalls sind Mons und das am nördlichen Westufer des Lago di Lecco gelegene Limonta (com. Oliveto Lario prov. Como), schon wegen ihrer verschiedenen Herkunft (s. oben), nicht identisch; im Privileg P. Gregors V. von 998 stehen beide Orte auch getrennt voneinander, Monte (nach Zimmermann a.a.O. 3,1438 ein Ort w. Lodi) an 2. Stelle (s. oben), Lemmonte an 6. Stelle.

(C.) In nomine sancte et individue trinitatis. Heinricvs divina favente clementia quintus Romanorvm rex. Semper enim nobis iustum esse videtur, quatenus iustis petitionibus nostrorum fidelium, sapientium videlicet Mediolanensium, aures benignas accommodare non differamus, pro quibus eos fideliores esse nobis nullo modo dubitamus. Unde fore notum volumus omnibus nostris fidelibus sub nostro iure et regimine degentibus Iohannem monachum abbatię sancti Ambrosii sanctorumque martyrum Protasii et Geruasii, ubi eorum corpora requiescunt nobiliter tumulata, nostram Dorinburg petisse clementiam, quatinus curtes et castella supradictę abbatię pertinentes cum omni sua integritate per huius nostri precepti paginam confirmando corroboraremus. Hanc igitur iustam petitionem considerantes et dignam non eorum petitionis preces turbavimus, sed pro animę remedio nostrę nostrorumque parentum statim concessimus et hac pagina nostri precepti confirmare aput Uercellem non tardavimus. Quocirca nullatenus predicti monasterii renunciata petitiones (!) has curtes, quas piissimi imperatores Ugo et Lotharius predecessores nostri pro salute animarum suarum supradicte abbatię dederunt ceterique tam reges quam imperatores concedendo confirmaverunt, videlicet Lemontam, Felicianum, Paxilianum et Montem seu Ledegnanum, concedendo confirmamus supradicto monasterio cum omnibus ad se pertinentibus, cum superioribus scilicet et inferioribus, cum servis et ancillis, aldionibus et aldiabus, cum capellis, castris, districtis atque theloneariis, vineis, campis, pratis, pascuis, silvis, montibus, alpibus, aquis aquarumque decursibus, molendinis, piscationibus ac cum omnibus eisdem pertinentibus. Insuper concedendo confirmamus per hanc nostri precepti paginam eidem monasterio in subsidio monachorum pro remedio animę nostrę et regni nostri augmento fotrum de castellis ipsius abbatię, videlicet de Anticiago, Colonia, Oleoducto, Capliate, Carusco, Paxiliano, Monte seu Lemonte atque Ciuenna et Cauanago, quod amplius ullis temporibus exigere vel recipere nolumus, sed monachis ibidem deo militantibus illud in stipendia concessimus, ita ut nullus dux, marchio, comes, vicecomes, gastaldio nullusque episcopus seu archiepiscopus, nostri regni magna parvaque persona contra hoc nostrum preceptum de supradictis rebus agere seu causare presumat. Si quis autem, quod non credimus, contra hoc nostrum preceptum agere temptaverit aut infringere voluerit, sciat se compositurum auri optimi libras centum, medietatem camerę nostrę et medietatem predictę abbatię, cui violentiam intulerit. Quod ut verius firmiusque credatur diligentiusque ab omnibus observetur, sigilli nostri inpressione subtus iussimus insigniri.

Albertus cancellarius recognovit.

(M.)

Data IIII. id. octub., indicione III, anno dominice incarnationis millesimo CX, regnante Heinrico quinto rege Romanorum anno IIII, ordinationis eius X; actum est Uercellis; in Christo feliciter amen.