H. dei gratia Romanorum rex P. patri venerando et sanctę congregationi domus dei Cluniacensis fraternę dilectionis amplexus et divinę milicię, quam exercent, ęternum comprehendere bravium feliciter triumphando. Relatu multorum frequenter audivimus, quia noster avus et pater imperatores beatę memorię sanctitatem huius loci plurimum suis temporibus dilexerunt et in magna veneratione habuerunt, quoniam orationum auxilio sanctorum virorum, qui hic deo militaverunt, se consequturos ęternam salutem indubitanter crediderunt. Eorum enim fraternitatem spem salutis veraciter promittentem habuerunt et huius loci bona, ubicumque sita fuere in eorum regno tam Theutonico quam Italico, dilectionis studio custodiverunt atque defenderunt. Quos nos in hoc profecto corde et opere desideramus imitari commendantes eos vobis rogando plurimum, ut eorum memoriam in vestris orationibus apud deum incessanter faciatis. Nos autem vestrę sanctitatis fraternitatem et vestrarum orationum auxilium et consolationem habere dignum ducimus et humili devotione postulamus fiduciam habentes in domino, quod milicię vestrę merita obtinebunt apud deum nobis salutem corporis et animę regnique nostri pacem ac stabilitatem, quam in Christo exoptamus. Bona quidem vestra, ubicumque fuerint in nostra potestate tam citra montes quam ultra, nominatim locum sancti Benedicti, unde nos rogavistis, diligenter servabimus et, si forte aliquid adversi in eis acciderit, libenter emendare curabimus. Orate, rogamus, pro unitate regni ac sacerdocii, quam diligimus et querimus, et ut dominus papa cesset contraire nobis de nostra iusticia. Voluntas vero nostra esset, si tibi placeret, ut conveniremus et tu nostram caperes noticiam et nos tuam, et inde posset oriri magnum bonum, tum quia noster consanguineus es, tum quia tuum vellemus habere consilium, antequam Romam transiremus. Quod Lausamnę posset fieri, si illuc nobis obviam venires, octavo die post assumptionem sanctę Marię, quia tunc ibi erimus.
Heinrich versichert Abt P(ontius) und die Mönche von Cluny, deren Gebetsverbrüderung er erbittet, nach dem Vorbild seines ebenfalls mit ihnen verbrüderten Großvaters und Vaters, für die er um Gebetsgedenken bittet, seines Schutzes für ihre Besitzungen, bittet um ihr Gebet für die Einheit von Reich und Kirche und dafür, dass der Papst seinen Widerstand gegen königliche Rechte aufgebe, und äußert seinen Wunsch nach einem Zusammentreffen mit Pontius, um vor seinem Romzug dessen Rat zu erhalten.
(Speyer, 1110 zweite Augusthälfte).
Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010
Originalbrief (ca. 17,5/18 b : 10,5 h) in Ms. lat. 11.826 no 3 der Nationalbibliothek zu Paris (A); Adresse im mittleren Feld der Rückseite von Texthand in etwas größerer Schrift: Cluniacensi abbati.
Faks.: Thiel in Auxilia Historica, Festschr. P. Acht zum 90. Geburtstag Abb. 24. Druck aus A: D’Achery, Spicilegium 1.22,399 ep. 16 (a) = ed. nova (de la Barre) 3,449. – Thiel a.a.O. 441. – Stumpf Reg. –.
Das Blatt aus beidseitig ziemlich rauh bearbeitetem Pergament ist auf Papier aufgezogen, das sich jedoch von der Seite her anheben lässt, wodurch die Sicht auf die rückwärtige Adresse frei ist. Die Beschriftung in 16 Zeilen auf Blindlinien entlang der Breitseite erfolgte in reiner Buchminuskel. Die Urkunde war je zweimal senkrecht und quer gefaltet, das so entstandene Päckchen mit zwei etwa 13 mm voneinander entfernten parallelen Einschnitten versehen, durch die der zur Befestigung des verlorenen Verschluss-Siegels dienende Pergamentstreifen gezogen war; die in jedem der neun Felder der aufgefalteten Urkunde befindlichen Doppeleinschnitte (parallel zu den Zeilen) liegen teils zwischen den Zeilen oder schneiden (im Bereich der 2., 8. und 14. Zeile) die Schrift, ohne deren Lesbarkeit zu beeinträchtigen. – Zur Originalität von D.55 und zur Siegeltechnik vgl. Erdmann in AfU 16,187 Anm. 4 und 189 Anm. 3 (mit Wiedergabe der Rückadresse), ebenda 186ff. Behandlung der in Ms. lat. 11.826 enthaltenen Briefe Heinrichs IV. für Cluny.
Der knapp 3 Zeilen umfassende Schluss-Satz ab Voluntas (s. Anm. k) steht, von Texthand und mit Texttinte, auf Rasur eines um etwa eine halbe Zeile knapperen (s. Anm. r) zu seinen Gunsten getilgten früheren Textes, der vermutlich weitgehend denselben Inhalt hatte (vgl. z.B. Anm. m und r) und wohl lediglich einer (stilistischen?) Umformulierung unterzogen wurde (vgl. auch Anm. o). Der Schreiber ist mit den Zeilen des neuen Textes wegen der durch die Rasur bedingten Aufrauhung des Pergaments der alten Zeilenflucht ein wenig nach oben ausgewichen (s. Anm. m und r).
Das D.55 fällt in mancherlei Hinsicht aus dem gewohnten Rahmen: Die Expedition als littera clausa, die Verbindung der Intitulatio (darin die diplomfremde Devotionsformel dei gratia) mit einer ungewöhnlich umfangreichen Inskriptio, unter folgerichtigem Verzicht auf eine Publikatio, sowie das Fehlen eines Eschatokolls, namentlich einer Korroboratio, hat das Stück in formaler Hinsicht mit Brief/Mandat gemeinsam. Auch inhaltlich hat es mit seinem Wechsel zwischen Plural und Singular für die Adressaten ein doppeltes Gesicht: Die Inskriptio wendet sich an Abt und Konvent gemeinsam, die “Dispositio”, in der die Schutzzusage für die Klosterbesitzungen in eine Gebetsbitte gekleidet ist, ist in erster Linie an den Konvent gerichtet, der Schluss beinhaltet jedoch wieder eine allein an den Abt gerichtete Bitte.
Seine besondere Bedeutung erhält D.55 jedoch durch etwas anderes: Verfasser war der Kanzler Adalbert, vgl. dazu D.*51. Da die umfangreiche Schlusskorrektur, in der offenbar noch bei der neuen Niederschrift umformuliert wurde (s. Anm. o), nicht von einem vom Diktator verschiedenen Schreiber herrühren kann, ergibt sich daraus der zwingende Schluss, dass außer dem Diktat für den ganzen Brief auch dessen Schrift Adalbert zuzuschreiben ist, wir in D.55 demnach sein Autograph besitzen; vgl. dazu Thiel a.a.O. 437ff. Die Terminangabe des Briefes (22./23. August) für die mit Pontius vorgesehene Zusammenkunft in Lausanne ist sachlich unmöglich, da zu diesem Zeitpunkt der lt. D.53 für den 19. August nach Speyer einberufene Fürstentag vermutlich noch nicht oder gerade erst beendet war; Adalbert hat vermutlich versehentlich assumptionem statt nativitatem geschrieben, so dass als eigentliches Datum der 15./16. September avisiert war; vgl. dazu Thiel a.a.O. 439f. und Ders., Beiträge ■ff.
Mit dem locus sancti Benedicti, auf den allein auch, nicht auf Clunys bona insgesamt, sich anscheinend das folgende unde nos rogavistis bezieht, ist zweifellos San Benedetto Po (Polirone) gemeint, das 1077 die Markgräfin Mathilde dem Hl. Stuhl übereignet und im selben Jahr, anlässlich des Zusammentreffens Gregors VII., Abt Hugos von Cluny und Mathildes in Canossa, der Papst dem Kloster Cluny unterstellt hatte (vgl. It. pont. 7.1,329ff. no *4 und *5, ferner no *10, *22 usw. über spätere Erneuerungen; Pivec in MÖIG 51,25f.). Die hohe Wertschätzung, die Polirone in den Augen Clunys genoss und die sich in seiner alleinigen Nennung ausdrückt, zeigt sich auch darin, dass Pontius in zwei Diplomen Heinrichs für Polirone, DD.78 (ohne seine namentliche Nennung, vgl. unten) und 148, als Petent bzw. Intervenient tätig wird.
Die wiederholte Verwendung des Begriffes (besonders auffällig das fraternę dilectionis amplexus schon in der Inskriptio) lässt keinen Zweifel am Bestehen einer förmlichen fraternitas Heinrichs (und seiner beiden Vorfahren) mit Cluny zu; unterstrichen wird dies durch deren ausdrückliche Erwähnung innerhalb der Petitionsformel von Heinrichs genanntem D.78 für Polirone (petitione Cluniacensis ecclesie, cuius fraternitatem diligimus et habemus), was dann in der Nachurkunde D. † 262, wohl ohne sachliche Berechtigung, auf Polirone selbst übertragen wird (petitione fratrum sancti Benedicti, quorum fraternitatem diligimus et habemus); letzteres wird hernach in den auf D. † 262 beruhenden DDLo.III.46 und 50 wiederholt, aber auch in DLo.III.76, das sonst nur Heinrichs D.148 als Vorlage benutzte, allein und speziell für diese Bestimmung (S. 118 Z. 8) jedoch auf D. † 262 zurückgriff, und zuletzt begegnet es nochmals auf der Grundlage von D. † 262 in DKo.III.54, während in dem teilweise auf DDLo.III.50 und 76 zurückgehenden DLo.III.111 von fraternitas keine Rede war.
Die hier angesprochene Verwandtschaft zwischen Heinrich V. und Abt Pontius, die nochmals in D.148 (consanguineus) und D.268 (cognatus) erwähnt wird, leitete sich her von dem gemeinsamen Ururgroßvater, dem 1027 gestorbenen Grafen Otto Wilhelm von Burgund, Macon u. Nevers (s. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,123 Anm. 21); beider Großmütter, Heinrichs III. Gemahlin Agnes und die mit dem Grafen Raimund I. von Melgueil vermählte Beatrix, waren Schwestern, Töchter aus der 1. Ehe von Otto Wilhelms Tochter Agnes mit dem Grafen Wilhelm V. von Aquitanien und Poitou. Durch den gemeinsamen Ahnen waren beide aber auch verwandt mit P. Calixt II. (s. D.243), in väterlicher Linie einem Urenkel des Grafen Otto Wilhelm; vgl. Wagner, Das Geschlecht der Grafen von Burgund Taf. III u. IV; Schwennicke, Europ. Stammtafeln N.F. 2, Taf. 76 und N.F. 3.3, Taf. 444.; zu den weitläufigen sonstigen verwandtschaftlichen Beziehungen P. Calixts II. vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 7,717.