Heinrich lädt Bischof Otto von Bamberg zu einer Zusammenkunft nach Worms und bittet ihn unter anderem um die Belehnung eines gewissen E.
(1110 Ende Mai/vor Juni 12).
Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010
Stumpf Reg. –.
Ein Brief (litterę) Heinrichs an B. Otto ist zweifach (in der Mitte und am Schluss) erwähnt in dem im Codex Udalrici überlieferten, unten im vollen Wortlaut abgedruckten Brief des Kanzlers Adalbert an B. Otto (ed. Eccard no 260; Jaffé no 143 = Hausmann, Reichskanzlei 15 no 10 zu 1110 vor VI 12). – Adalberts Brief ist wegen der darin enthaltenen Bitte, Otto möge in seinen und der Bamberger Kirche Angelegenheiten (ad tuam utilitatem; pro tua utilitate; rem tuam … et ecclesie tue) nach Worms kommen, mit Hausmann vor dem durch D.334 von 1110 Juni 12 belegten Wormser Aufenthalt des Hofes zu datieren und wurde wahrscheinlich während des Speyerer Aufenthaltes von Ende Mai 1110 (s. D.50) geschrieben. Dieser Brief Adalberts war wahrscheinlich als Begleitschreiben zu dem verlorenen, mit Adalberts consilium verfassten (s. im Text: … et meo consilio) Brief Heinrichs gedacht, wofür sprechen könnte, dass über des letzteren konkreteren Inhalt nichts verlautet, weswegen für unser Deperditum Gleichzeitigkeit mit dem Adalbert-Brief angenommen werden darf.
Das Deperditum des D.*51 hatte schon Juritsch, B. Otto I. 118 mit Anm. 17 aus dem Adalbert-Brief erschlossen. Demgegenüber wollte Hausmann a.a.O. 20 (wiederholt bei Gawlik in Festschr. Hausmann [1987] 536) die Erwähnung unseres Deperditums auf D.53 beziehen, den erhaltenen anderen Brief Heinrichs an Otto, der jedoch frühestens in das Ende des Monats Juli gehört, den Hausmann hingegen fälschlich und viel zu früh “in den April oder Mai 1110” datiert (vgl. dortige Vorbemerkung).
Hausmanns zeitliche Umkehr der beiden Briefe an B. Otto erlaubt ihm zwar die in sich chronologisch stimmige Behauptung, der von ihm selbst vor den 12. Juni datierte (s. oben) Adalbert-Brief (bzw. der darin erwähnte verlorene Brief Heinrichs) sei “nur wenig später” als D.53 geschrieben, nötigte ihn aber dazu, dem Adalbert-Brief einen falschen Inhalt zu unterstellen: Adalbert ersuche dort Otto, “unbedingt der [nach ihm in D.53 enthaltenen] Aufforderung des Königs nachzukommen”; und die Bitte, nach Worms zu kommen, bedeute die Verabredung eines “vorherigen [= vor der in D.53 für den 19. August nach Speyer(!) anberaumten Reichsversammlung] Zusammentreffens in Worms”, und zwar vorgeblich zwischen Adalbert und Otto, während es nach Adalberts Brief in Wirklichkeit um die Anregung einer gemeinsamen Zusammenkunft (Adalberts und Ottos) in Ottos Angelegenheiten mit dem König (cum domino nostro rege) geht, wenngleich Adalbert mit componam seine eigene Rolle dabei wohl ein wenig übertreibend herausstreicht.
Bei dem verfehlten Versuch, die Brief-Erwähnung mit D.53 in Beziehung zu setzen, ist schließlich völlig übersehen worden, dass in D.53 weder von Bamberger Angelegenheiten die Rede ist, noch, worauf Juritsch aufmerksam macht, von der ausdrücklich als einer der Inhalte des (verlorenen) Heinrich-Briefes bezeichneten (in suis litteris) Lehensache des E. (vermutlich Abkürzung für Eberhardo), deren Hintergrund offen bleiben muss. – Otto hat übrigens der in D.*51 ausgesprochenen Ladung Folge geleistet, wie seine und Adalberts Zeugennennung in dem erwähnten D.334 beweist (s. Hausmann a.a.O. 21); aus der Notwendigkeit seiner erneuten Ladung durch D.53 ergibt sich ferner, dass Otto in der Zwischenzeit den Hof wieder verlassen hatte.
Wegen der Schlüsselstellung, die in der Literatur diesem Brief Adalberts für die Ermittlung seines Diktats namentlich für die Briefe und Aktenstücke der Jahre 1110/1111 zugemessen wird, sei er hier vollständig mitgeteilt (cod. Vind. 398 f. 110rb [V]; cod. Zwetl. 283 p. 238 [Z]):
O. dei gratia Babenbergensi episcopo suo dilecto A. cancellarius indissolubilem dilectionem et eternam iocunditatem. Te et tuum honorem, profecto scias, cordetenus diligo et [über der Zeile nachgetragen V], ubicumque potero, ut ad tuam utilitatem tua voluntas impleatur, libenter laborabo. Rogo ergo te ex dilectionis debito, ut hylariter perficias, quod rex noster dominus te rogat in suis litteris pro tua utilitate et meo consilio. Venias Wormatiam [das o aus a verb. Z] sciens et credens, quod ibi rem tuam cum domino nostro rege ad tuum honorem et ecclesię tuę commodum componam fideliter, in [fehlt V] quantum potero. Mando autem tibi rogando diligenter et consulendo, ut voluntatem domini mei facias de beneficio E. dando, sicut te rogat in suis litteris.
Hausmann a.a.O. 15 no 1–10 spricht dem Kanzler Adalbert außer diesem seinem eigenen Brief (no 10) noch das Diktat von 7 weiteren Texten der Jahre 1110 und 1111 zu, nämlich von DD.53 (no 2), 64 (no 3), 65 (no 4), 66 (no 5; für DD.65 u. 66 wiederholt bei Kienast, Herzogstitel 334 Anm. 161.2.3), 68/I (no 6), 68 (no 7) und 70/IV†V (no 8), ferner des D.22 (no 1) aus dem Jahre 1107, außerdem die Überarbeitung des D.79 für Venedig (no 9). Diese vorbehaltlose Zuweisung von 9 bzw. 10 Texten an Adalbert, die Hausmann in einem Exkurs (a.a.O. 310ff.), in Auseinandersetzung mit dem von Pivec in MÖIG 46,257ff. vorgetragenen Thesen – der seinerseits nur DD.22, *51 und 53 dem Kanzler, die übrigen (bei Hausmann a.a.O. 15 no 3–8) jedoch dem Kapellan David zugesprochen hatte –, nochmals zu erhärten suchte, ist jedoch als verfehlt zu bezeichnen.
Dem Kanzlerdiktat entsprechen nur die schon von Pivec genannten und von Hausmann selbst (a.a.O. 312) in anderem Kontext als die “drei anderen, sicher Adalbert zugehörenden Schreiben” charakterisierten, teilweise hochrhetorischen Texte, nämlich neben D.*51 noch DD.22 und 53 (vgl. a.a.O. 311 Anm. 5). – Diese Dreizahl kann aber andererseits noch um ein Stück vermehrt werden: Hausmann hat nämlich, da er sich in seinem Disput mit Pivec auf die Stücke des Codex Udalrici konzentrierte, ein eindeutig in diesen diktatmäßigen Zusammenhang gehöriges Stück übersehen, den Brief D.55 an Abt Pontius von Cluny, der ihm überhaupt unbekannt gewesen zu sein scheint.
An einem einheitlichen Verfasser dieser vier Texte, DD.22, *51, 53 und 55, kann angesichts der Dichte der Gemeinsamkeiten in der Tat nicht gezweifelt werden: Zentrale Begriffe sind einerseits honor (regni/noster in DD.22 u. 53; tuus je zweimal in DD.22 u.*51) und andererseits dilectio/diligere (in DD.22, *51, 53, 55); einige Phrasen begegnen wiederholt, wie hilariter facere/perficere (in DD.*51 u. 53; s. auch fideliter hoc facias et prudenter in D.22 und incessanter faciatis in D.55) oder consilium habere (in DD.53 u. 55; s. auch consilium und consulere in D.*51); auffällig ist die Vorliebe für cordetenus (in DD.22, *51 u. 53; s. auch corde et opere in D.55) und profecto (in DD.*51 u. 55); zuletzt kann noch ergänzend die Neigung zu Verbal-Adverbien genannt werden, wie confidenter (D.53) und indubitanter (DD.53, 55), daneben diligenter (D.55), libenter (DD.*51, 53, 55), sapienter (D.22).
Dass von den sechs übrigen Stücken die vier Vertragstexte, DD.65, 66, 68/I und 70/IV†V, in ihrem materiellen Gehalt unter maßgeblicher Mitwirkung des Kanzler zustandekamen, steht außer Frage, jedoch erlaubt ihr anderes sprachliches Gewand es nicht, ihr Diktat ohne weiteres dem Verfasser der Briefe zuzusprechen; an diesen Texten ist sicherlich im könglichen Rat unter vielseitiger Mitwirkung, natürlich auch des Kanzlers, gefeilt worden. – In den beiden restlichen Texten, dem Schreiben an die Römer, D.64, und dem Rundschreiben vom Februar 1111, D.68, kommt zwar je einmal der Begriff honor (D.64) bzw. dilectio (D.68) vor, doch spricht das Fehlen aller sonstigen Parallelen zu dem sehr einheitlichen Diktat der vier Briefe letztlich auch hier gegen eine Verfasserschaft Adalberts. Und die Behauptung einer Überarbeitung des D.79 durch Adalbert ist durch Diktatvergleich jedenfalls nicht stützbar.