Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<43.>>

Heinrich bestätigt einen in seiner Gegenwart vorgenommenen Gütertausch zwischen der Kirche (St. Simon und Judas) zu Goslar und Werner, dem Sohn der Paulina, sowie des Letzteren Schenkung des von ihm gegen sein bisheriges Gut Baddeckenstedt eingetauschten Gutes Bunisdorp an die Marienzelle zu Lancwizi (Paulinzella).

Goslar, 1109 (Ende Juni)/Juli 4.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 52,5/53 b : 61,5/62 h) im Landesarchiv zu Rudolstadt (A); Rückvermerk des 12. Jh. (von derselben Hand wie bei D.135 und DH.IV.213): Heinr. V. reg. Romanorum super concambio Bvnstorp.

Drucke: Fortgesetzte Sammlung von alten und neuen … Urkunden … auf das Jahr 1739, 5 no 1 “ex mscto.”, ohne Eschatokoll. – Schultes, Hist.-statist. Beschreibung d. gefürst. Grafsch. Henneberg 2,43 no 1 aus Kopialbuch der (Landes-) Bibliothek zu Gotha, ohne Eschatokoll, zu “circa 1109”. – Aus A: Hesse, Gesch. d. Kl. Paulinzelle, Urk.-Beil. 2 no 2. – Anemüller, UB d. Kl. Paulinzelle 1,6 no 6 zu 1108 (1109?). – Posse, CD Sax. regiae 1.2,15 no 18 zu 1108. – Bode, UB d. Stadt Goslar 1,197 no 155. Reg.: Jovius, Chron. Schwartzburg. in: Schoettgen-Kreysig, SS hist. Germ. 1,146. – Kreysig, Beyträge z. Historie d. Sächs. Lande 4,222 no 2 zu “ante a. 1125”. – Schultes, Dir. dipl. 1,224 no 17. – Worbs, Inv. dipl. Lusat. inf. 1,23 no 60. – Erhard, Reg. Westf. 1,218 no 1361. – Tettau in Zs. f. thür. Gesch. 8,262. – Mülverstedt, Magdeburger Reg. 1,344 no 887. – Ficker in Wilmans, Add. z. Westf. UB 91 no 116/9. – Dobenecker, Reg. Thur. 1,221 no 1041 zu 1108. – Janicke, UB d. Hochst. Hildesheim 1,152 no 168. – Vogt, Herzogtum Lothars 150 no 9 zu 1108. – Böhmer Reg. 1988 zu 1108. – B.-Petke Reg. 12. – Stumpf Reg. 3030 zu 1108.

Verfasst von Notar Adalbert A; vgl. Hausmann, Reichskanzlei 64 no 14 (zu 1108), der Benützung eines Empfängerkonzeptes behauptet. – Dem Mundator, sicherlich ein Empfängerschreiber, diente als teilweises Schriftmuster das DH.IV.213 von ca. 1068 (Datierung des Originals vermutlich weggeschnitten) (= VU.), das inzwischen als Vorurkunde ins Klosterarchiv von Paulinzella gelangt war, da der Empfänger Moricho (Morichon miles noster), Bruder B. Werners von Merseburg und Vater der Klosterstifterin Paulina, vor seinem Eintritt als Mönch im Kloster Hirsau seinen Besitz unter seine Kinder aufgeteilt hatte, wobei die mit DH.IV.213 geschenkten 24 Königshufen zu Gebstedt (Kr. Apolda) unter Übergabe des Originals an Paulina gefallen sein müssen, die sie ihrer Stiftung zugewandt hatte (vgl. dortigen Rückvermerk; zur urkundlichen Ersterwähnung als Klosterbesitz s. Urk. von 1255 Okt. 10, Anemüller a.a.O. 87 no 79). Der Schreiber versuchte vor allem bei der Elongata der 1. Zeile das Vorbild nachzuahmen, was ihm allerdings nur unvollkommen gelang (vgl. Anm. a–h); für die in der VU. ebenfalls in Elongata geschriebenen Unterfertigungszeilen begnügte er sich mit einer kleineren, vorwiegend aus gestreckten Majuskelbuchstaben bestehenden Schrift (s. Anm. w); in der Kontextschrift, in der er Unsicherheit im Gebrauch der e-caudata verrät und wo er immer ein völlig anderes dipl. Kürzungszeichen verwendete, kommen dem Vorbild insbesondere die Verschleifung der g-Unterlänge und die ct- und st-Ligaturen am nächsten. – Diesem Schreiber, dem in dem relativ kurzen Text zahlreiche Verschreibungen und Fehler unterliefen (vgl. Anm. i–n, p–v), ist wohl die Auslassung des Rotardi/Rothardi vor Maguntini in der sonst der Formulierung von DD.34 u. 37 entsprechenden (in DD.35 u. 36 um et archicancellarii erweiterten) Rekognitionszeile anzulasten; am ehesten durch dessen Versehen ist auch zu erklären, wenn im Monogramm, für das ihm der Notar eine flüchtige Skizze geliefert haben wird, u.a. ein falscher Buchstabe eingesetzt ist (s. Anm. x).

Für seine Annahme eines Empfängerkonzeptes (s. oben) gibt Hausmann keine B egründung; unklar bleibt daher, ob er dabei an das Faktum der Verwendung der VU. im Kontext dachte, dessen zwei – untereinander divergierenden – Pertinenzformeln einen der VU. (mit et cum omnibus utilitatibus, quae ullo modo inde provenire poterunt) ähnelnden Schluss aufweisen. Gegen ein vorgängiges Empfängerkonzept spricht jedoch die Tatsache, dass die Dispositio inhaltlich ein Protokoll der Tauschhandlung und der wohl unmittelbar anschließend erfolgten Schenkung darstellt, für dessen Formulierung der Notar zuständig war, der demnach auch den ganzen Kontext formuliert haben wird, dessen Diktat jedenfalls Protokoll und Eschatokoll entsprechen (zu causa dei vgl. D.5).

Bei den Jahreskennzahlen hat der Notar in D.43, seinem ersten Diplom des Jahres 1109, die Zahl der Regierungsjahre gegenüber 1108 richtig auf IIII erhöht; bei Indiktion und Ordinationsjahr behielt er jedoch seine während des ganzen Jahres 1108 verwendeten Zahlen (s. Vorbemerkung zu D. † 31) unverändert bei, so dass die damals schon um 1 Einheit zu niedrige Zahl VIIII für die Ordinationsjahre, die er auch noch in dem nächsten und letzten Diplom des Jahres 1109, D.44, beibehielt, jetzt 2 Einheiten hinter der richtigen Zahl XI zurückbleibt; bei der Indiktion hat er die bis D.†40 richtige, hier um 1 Einheit zu niedrige I erst in D.44 auf II erhöht.

Während die Reinschrift durch unbekannten Schreiber in einem Zug erfolgte, hatte das zugrundeliegende Konzept vermutlich zwei Nachträge aufzuweisen gehabt: Dies darf mit hoher Sicherheit für die mit neuer Proklamatio (Hoc autem notum esse volumus …) eingeleitete Schenkung des von Werner eingetauschten predium Bunisdorp angenommen werden, was bedeutet, dass zunächst nur der – von Werner zweifellos im Hinblick auf die beabsichtigte Schenkung vorgenommene – Tausch beurkundet werden sollte; ein Beweis für diese Annahme ist die Tatsache, dass auch in der Korroboratio nur von dem concambium die Rede ist. Da mit der pauschalen Formel aliorumque multorum nostrorum fidelium (Z. ■), wie auch sonst üblich, die vorangehende Namensreihe abgeschlossen sein sollte, muss man die daran angeschlossenen weiteren acht Namen wohl ebenfalls als Nachtrag betrachten (vgl. aber Anm. m).

Aus dem Nachtrag des ganzen Tagesdatums in der Reinschrift (s. Anm. a’) ergibt sich schließlich ein zeitlicher Abstand zwischen Handlung und Reinschrift einerseits und Ausfertigung andererseits; da man zunächst auch auf die Eintragung des Monatsnamens verzichtet hatte, ergibt sich der Schluss, dass die Handlung noch vor dem 1. Juli in den letzten Juni-Tagen erfolgt war; falls sich hinter der uneinheitlichen Datierung nicht auch ein zwischenzeitlicher Ortswechsel verbirgt, hat sich der Hof demnach etwa eine Woche lang in Goslar aufgehalten.

Die in der jüngeren Literatur (z.B. auch bei Meyer von Knonau, Jahrb. 6,78 Anm. 10, aber auch bei Stüllein, Itinerar 39), im Gefolge Böhmers und Stumpfs und aus Unkenntnis der fehlerhaften Datierungsweise des Notars, überwiegend bevorzugte Datierung von D.43 auf 1108 wäre von dem in den Jahren 1108 und 1109 sehr lückenhaften Herrscheritinerar her zwar nicht absolut ausgeschlossen (obwohl auch das Itinerar mit dem Erfurter Aufenthalt vom 1. August 1109 [s. D.44] letztlich eine Stütze für 1109 liefert), sie steht jedoch vor allem in Widerspruch zur Textangabe des Inkarnationsjahres, bei dem Fehler höchst selten unterlaufen, aber auch zu dem zu 1109 passenden Regierungsjahr (s. oben).

Zu Paulina und ihrem Sohn Werner als Stiftern von Paulinzella vgl. als Quelle die etwa zeitgenössische (vor der Mitte des 12. Jh. verfasste) Vita Paulinae des Mönches Sigebot (MGH SS 30.2,909ff., ed. Dieterich), ferner u.a. Fenske, Adelsopposition 272ff. (ebenda 279ff. zur sozialen Herkunft), neuestens Goez, Lebensbilder aus dem MA 224ff. – Nach der Stifterin benannt wurde Kloster (und Ort) Paulinzella wohl erst nach der Überführung ihres Leichnams im Jahre 1122 (Vita c. 52), wobei zunächst nur von Cella Pauline die Rede ist (s. Anemüller a.a.O. no 8 u. 9 von 1125–1126), aber schon bald das Attribut beatę hinzutritt (a.a.O. no 10 von 1128; wird jedoch von P. Innocenz II. in seinem Privileg von 1136 [a.a.O. no 13; Fälschung, s. Germ. pont. 4.4,319 Anm. zu no 2] weggelassen). In unserem D. ist als Ortsname ( locus) der jungen Stiftung (1106) noch Lancwizi verwendet, der Name des Vorortes des gleichnamigen Längwitzgaues, vgl. Elbracht in Leipziger Studien Theodor Frings zum 70. Geburtstag 112f. und Patze, Landesherrschaft 18f.; in D.135, wo der Klostername Cella sanctę Marię ohne Ortsangabe lautet, ist Lancwizi nur noch als Gauname gebraucht.

Die als Bevollmächtigte (postulantibus) den Tausch vornehmenden advocati utriusque partis waren auf Werners Seite Graf Ludwig II. (der Springer) von Thüringen, auf Seiten des Goslarer Stifts der hier erstmals als dessen Vogt belegte Ludolf I. von Wöltingerode, vgl. zu ihm Petke, Grafen von Wöltingerode-Wohldenberg 22 (mit Datierung von D.43 auf 1108). Dass Werner der Vertretung eines Vogtes bedurfte, erklären Dieterich in NA 18,473 Anm. 1 und Meyer von Knonau a.a.O. sicher zutreffend damit, dass Werner, der nach dem Tode seiner Mutter (1107 März 14) auch Mönch wurde (s. Vita c. 31 u. 47; vgl. auch Text von D.135), zum Zeitpunkt der Ausstellung von D.43 schon Laienbruder war (conversus, vgl. Vita c. 24–26 u. 42). – Patze (Landesherrschaft 386; Handb. d. Hist. Stätten, Thüringen 335) ist hingegen der Auffassung, Graf Ludwig sei nach D.43 nicht der persönliche Vogt Werners, sondern der Klostervogt gewesen, wofür er auf eine Nennung Ludwigs als noster advocatus in der Vita (c. 50; vor der Klosterweihe von 1124) verweist. Diesem einzigen, unseres Erachtens interpretierungsfähigen Beleg steht jedoch entgegen, dass der am Schluss der Dispositio von D.43 genannte Längwitzgau-Graf Sizo (II.) von Käfernburg-Schwarzburg, bei dessen Familie auch später die Klostervogtei lag (die erste urkundliche Nennung eines Vogtes, wohl auf Sizo III. zu beziehen, begegnet überhaupt erst im Jahre 1133, Anemüller a.a.O. 15 no 12), gerade um diese Zeit in seiner Eigenschaft als Vogt maßgeblich an der wohl kurz vor D.43 erfolgten Rückführung der kurzzeitig nach Rothenschirmbach (ca. 10 km nw. Querfurt) weggezogenen Mönche (laut Fenske a.a.O. 278 wohl im Jahre 1108) beteiligt war (vgl. Vita c. 42: comitis Sizonis, eorum tunc advocati, ipsis formidanda legatio). Entscheidend für die persönliche Zuordnung des Vogtes Ludwig zu Werner ist aber letztlich, dass in den Tausch selbst das Kloster überhaupt noch nicht involviert war.

Die curia et villa dicta Bunstorff wurde 1319 von Paulinzella veräußert (vgl. Anemüller a.a.O. 177 no 175) und gelangte von den Erwerbern in den Jahren 1345 und 1358 (zusammen mit der dortigen Martinskirche) an das südlich von Querfurt gelegene Kl. Reinsdorf; und unmittelbar östlich von Reinsdorf (zugleich genau nördlich von Burgscheidungen), unweit der Unstrut (vgl. auch Dieterich a.a.O. 472: Bunsdorf a.d. Unstrut) in den Gemarkungen der Dörfer Steigra (Kr. Querfurt) und Karsdorf (Kr. Nebra), ist nach Grössler in Zs. d. Harz-Vereins 8,392 die Wüstung Bunsdorf/Pinßdorf zu suchen, vgl. auch Heine in Neue Mitth. d. Thür.-Sächs. Vereins 14,176ff.; bei Anemüller (mit Angabe anderer Deutungsvorschläge) und ihm folgend bei Bode und Dobenecker a.a.O. Anm. 3 ist, unter Berufung auf Heine (den alle drei mit der falschen Zs.-Bandzahl XVI statt XIV zitieren!), als Lage der Wüstung fälschlich “nordöstlich” von Burgscheidungen angegeben. Baddeckenstedt (Kr. Wolfenbüttel) liegt halbwegs zwischen Hildesheim und Salzgitter.

Zum hier erstmals belegten Propst Eilbert von St. Simon und Judas (s. auch D.224) vgl. Meier, Die Domkapitel zu Goslar u. Halberstadt 410 no 38. – Nachdem in der Liste der Goslarer cives in D.224 von 1120 ein Acco begegnet, der wohl mit dem in dem Namensnachtrag (s. oben) an drittletzter Stelle genannten Acco identisch ist, dürfte es sich bei allen acht Leuten des Nachtrags um Goslarer Bürger (Angehörige der familia von Z. ■?) handeln. Wenn hingegen Bode in seinem Register S. 599 den an vorletzter Stelle genannten Burchardus als (Reichs-)Ministerialen verzeichnet, gibt es dafür sowenig einen Anhaltspunkt wie für die Annahme bei Wilke, Das Goslarer Reichsgebiet 38 mit Anm. 139 (datiert D.43 auf 1108, mit ausdrücklicher Wertung der Datierung bei Bode als “fälschlich 1109”), die acht Personen, auf die sie fälschlich das nostri fideles der vorangehenden Schlussformel (s. oben) bezieht, “mögen z.T. Ministerialen sein”.

(C.) In nomine sancte et individue trinitatis. Heinricus divina favente clementia quintus Romanorum rex. Omnibus Christi fidelibus nostrique tam futuri temporis quam presentis notum fieri volumus, qualiter nos causa dei, rogatu et consilio Adalgoti Madaburgensis archiepiscopi et episcoporum: Vthonis Hildenesheimensis, Reinhardi Halberstetensis, Burchardi Monastergensis, Adalberti nostri dilecti cancellarii, Liutheri ducis, comitum: Heremanni, Wicberti, Dedonis, Eruwini, aliorumque multorum nostrorum fidelium, Reinnoldi, Widoldi, Cvonradi, Ruotberti, Brunonis de Tidendorp, Acconis, Burchardi, Switheri, concambium in nostra presentia factum inter Goslariensem ęcclęsiam et Warneherium, Pauline filium, postulantibus advocatis utriusque partis, Lodowico videlicet comite, Liutdolfo, laudavimus atque firmavimus. Warneherius enim tradidit ęcclesię Goslariensi Batikansteten predium, quod ipse libere possidebat, cum omnibus pertinentiis eius tam ibi quam alibi iacentibus, aquis aquarumque decursibus, molis, molendinis, piscationibus, areis, terris, cultis et incultis, pratis, pascuis, silvis, exitibus et reditibus et omni utilitate, que inde poterit omni tempore provenire. Ecclesia autem econtra communi consilio et consensu Elberti prepositi, canonicorum et familię tradidit modo dicto Werenherio in liberam possessionem predium Bunisdorp cum omnibus eius pertinentiis et commoditatibus eius, hoc est areis, agris, pratis, pascuis, campis, silvis, molendinis, piscationibus, quesitis et inquirendis et omni utilitate, que inde poterit omni tempore extorqueri. Sic igitur ab utraque parte rationabiliter atque concorditer nobis laudantibus et confirmantibus celebratum est istud concambium. Hoc autem notum esse volumus christianis omnibus, quod predictus Warneherius divinitus inspiratus prenominatum predium Bunisdorp pro salute animę suę contulit celle in honore sanctę Marię sanctorumque omnium edificatę in loco et in pago Lancwizi in comitatu comitis Sizen.

Ut autem tam rationabilis concambii constitucio nostra pietate solidata omni evo credatur ab omnibus et inviolabilis permaneat, hanc inde cartam conscribi fecimus et manu propria corroboratam inpressione nostri sigilli iussimus insigniri.

Signum domni Heirici (!) quinti Romanorum regis invictissimi. (M.6.)

Albertus cancellarius vice Maguntini archiepiscopi recognovit. (SI.D.)

Data IIII. non. iulii, indictione I, anno dominice incarnacionis millesimo CVIIII, regnante Heinrico quinto rege Romanorum anno IIII, ordinationis eius VIIII; actum est Goslarie; in Christo feliciter amen.