Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<36.>>

Heinrich restituiert und bestätigt dem Kloster Hersfeld aufgrund eines Fürstenspruches die von Kaiser Karl (dem Großen) geschenkten Kapellen zu Allstedt, Riestedt und Osterhausen mit dem gesamten, durch Bischof Reinhard von Halberstadt entfremdeten, zugehörigen Zehnt im Friesenfeld und im Hassegau und bestätigt die übrigen Verfügungen seiner Vorgänger zugunsten des Klosters.

(Merseburg, 1108 Ende Mai).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 37,5/38 b : 35,5 h) im Staatsarchiv zu Marburg (A.)

Drucke aus A: Wenck, Hess. Landesgesch. 3, UB 64 no 64 = Heinemann, CD Anhalt. 1,139 no 173 Auszug. – Schmidt, UB d. Hochst. Halberstadt 1,94 no 132. – Posse, CD Sax. regiae 1.2,21 no 24 Auszug, alle zu 1107–1109.

Reg.: Schultes, Dir. dipl. 1,222 no 13. – Worbs, Inv. dipl. Lusat. inf. 1,23 no 58, beide zu 1107–1109. – Raumer, Reg. Brandenburg. 1,126 no 699 zu um 1107. – Erhard, Reg. Westf. 1,218 no 1354. – Meiller, Salzburger Reg. 2 no 6*. – Reitzenstein, Reg. Orlamuende 23. – Böhmer-Will, Mainzer Reg. 1,242 no 97. – Ficker in Wilmans. Add. z. Westf. UB 91 no 116/12. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 2,611 no 2201. – Gradl, Mon. Egrana 1,9 no 20. – Janicke, UB d. Hochst. Hildesheim 1,148 no 161, alle zu 1107–1109. – Dobenecker, Reg. Thur. 1,220 no 1040. – Rosenfeld, UB d. Hochst. Naumburg 92 no 107, beide zu 1108 Ende Mai. – Stimming, Mainzer UB 1,349 no 442 zu 1107–1109. – Heidingsfelder, Eichstätter Reg. 95 no 288 zu 1108 Ende Mai. – Vogt, Herzogtum Lothars 150 no 8. – Schlesinger in Dt. Königspfalzen 1,178, beide zu 1108 Mai 30. – Diestelkamp-Rotter, Urk.-Reg. 119 no 169 zu 1108 Ende Mai. – B.-Petke Reg. 11 zu 1108 Mai 30. – Stumpf Reg. 3213 (zu 1107 Mai – 1109 April) = 3029a (zu 1108 Ende Mai).

Schrift und Diktat stammen von Empfängerseite, was für das Diktat schon in der Vorbemerkung zu DKar. † 229 festgestellt ist, wohingegen Hölk, Zehnten und Zehntkämpfe 17ff. beides der Kanzlei zusprechen wollte.

Für den Text wurden in jeweils geringem Umfang und in sehr ungeschickter Weise mehrere Diplome des Klosterarchivs verwendet (vgl. Hölk a.a.O): Von den beiden im Text genannten Stücken (s. Anm. 1/2) ist allein das offensichtlich erst kurz zuvor und für die Erwirkung von D.36 gefälschte Diplom Karls des Großen von angeblich 777, DKar. † 229 (= VU.II), benützt, und zwar außer für die Arenga (zum dortigen status regni vgl. Koch, Sacrum Imperium 143 mit Anm. 260) nur für die kanzleiwidrige Erweiterung der Intitulatio (vgl. dazu Ficker, Beitr. 1,326; Bresslau, Handb. 22,298; Erben, Urk.-Lehre 310 Anm. 2; Koch a.a.O. 103; Merta in Intitulatio III,197 mit Anm. 164; Wolf in AfD 35,227). Statt dann für die in die Petitio eingebauten konkreten Sachangaben ebenfalls dieses Falsum heranzuziehen, griff man zunächst nach dem DH.IV.217 von 1069 (Wiederholung des DH.III.63) (= VU.I), das aber nur die über Otto I. auf Karl den Großen zurückgeführte Exemtion usw. bestätigte.

Das verlorene Original dieses nur durch Wencks Druck bekannten DH.IV.217 hat aber noch weitergehende Verwendung gefunden: Es diente einerseits für den Formularrahmen, indem die nicht dem Kanzleistil entsprechenden Formulierungen der Intitulatio und der Signumzeile (einschließlich des dortigen Monogramms Heinrichs IV., s. Anm. 3) von dort übernommen wurden. Andererseits hat es dem Schreiber offenbar auch das graphische Vorbild für die Schrift der ganzen Urkunde geliefert; einzelne Merkmale, z.B. die Gestaltung der Elongata der ersten Zeile (einschließlich des Chrismon; zu rex s. Anm. a) und der Unterfertigungszeilen, im Text das Aussehen des dipl. Kürzungszeichens und die Unterlänge des g, lassen den sicheren Schluss zu, dass das Original des DH.IV.217 von dem einzigen unter dem Kanzler Pibo tätigen Notar Pibo A geschrieben war, von dem alle Urkunden von Mai bis Oktober 1068 (DDH.IV.203, 204, 207–213; zu DH.IV.203 vgl. D.35) stammen und der von Pibo wahrscheinlich bis zum Ende seiner Kanzlerschaft (Rekognoszent bis DH.IV.219 von 1069 August 15) beschäftigt wurde (zu D.217 vgl. Einleitung zu DDH.IV. S. XXXV).

Das im Text angesprochene D.215 Ottos I. fand überhaupt keine Verwendung, stattdessen benützte der Verfasser für die Objektbezeichnung das als Vorlage denkbar ungeeignete DO.II.191 von 979 (= VU.III; allerdings ist die Ortsnamenschreibung in zwei Fällen, s. Anm. m und q, eher von VU.I beeinflußt), mit dem Otto II. die genannten Kapellen und Zehnten, die er durch Tausch von Hersfeld erworben hatte, dem Kloster Memleben schenkte (mit DH.II.330 von 1015 wurde der Tausch rückgängig gemacht, gleichzeitig wurde Memleben mit D.331 an Hersfeld geschenkt).

Den kompositorischen Schwächen, zu denen auch die zweifache Publikatio zu rechnen ist, entspricht das unzulängliche äußere Erscheinungsbild: Zunächst war, in einem Zug geschrieben, nur der Kontext bis servientes (s. Anm. x) und, in angemessenem Abstand von etwa 3 cm, die aus VU.I entnommene Signumzeile mit dem in der Mittelachse plazierten Monogramm zu Pergament gebracht worden; da sich der Schreiber für die Formulierung der Rekognitionszeile nicht auf seine Vorlagen stützen konnte, hat er deren kanzleigemäße Fassung (s. DD.21, † 31, 35, † 40) erst bei dem Notar erfragen müssen, weshalb sie mit anderer Tinte und erstaunlicherweise auch größerer Schrift als die “ranghöhere” Signumzeile nachgetragen ist (s. Anm. c’); eine Datierung, für die ausreichend Platz vorhanden gewesen wäre (ca. 4 cm Abstand zwischen Rekognitionszeile und unterem Blattrand), fehlt aus unerfindlichen Gründen überhaupt, desgleichen eine Korroboratio.

Trotzdem erfuhr das mangelhafte, daher früher für unecht gehaltene (vgl. z.B. Bernhardi, Jahrb. Lothars 557 Anm. 28) Produkt seine Anerkennung durch die Kanzlei, die anscheinend keine Bedenken trug, dem Stück durch die Anbringung des einwandfrei befestigten Siegels Gültigkeit zu verleihen. – Ob der von anderer Hand in den Raum zwischen Kontext und Signumzeile eingezwängte etwa zweizeilige Zusatz (s. Anm. x) vor der Besiegelung erfolgte, also durch die Kanzlei sanktioniert wurde, oder erst etwas später, lässt sich nicht sicher entscheiden; er war jedenfalls schon vorhanden, als Heinrichs D.99 von 1112 (= NU.) ausgestellt wurde, und klingt auch in DLo.III.68 von 1134 (S. 106 Z. 36) an, dem D.36 in geringem Umfang als Vorurkunde diente.

Das DLo.III.68 (B.-Petke Reg. 416) erlaubt nun auch die exakte Datierung unseres Diploms: Lothar vermochte damals aus der Erinnerung an seine 24 Jahre zurückliegende Teilnahme am Fürstengericht zu sagen, dass es in Merseburg stattgefunden und B. Otto von Bamberg den Vorsitz geführt hatte (iudicio Ottonis). Damit rückt das Stück zeitlich in die Nähe des in Merseburg ausgestellten D.37 von 1108 Mai 30 für das Hochstift Meißen, woraus sich auch die Nennung B. Herwichs in D.36 erklärt, der sonst, abgesehen von dem späteren D.135 für Paulinzella von 1114, in Heinrichs Diplomen immer nur als Petent für sein Hochstift erscheint (außer D.37 noch D. † 282). Dieser Zusammenhang war schon 1883 in den Zusätzen (Fickers) zu Stumpf (S. 540 zu Reg. 3213) gesehen worden; demzufolge bietet die Literatur seit Dobenecker (1896) überwiegend das auch von uns gewählte Datum zu 1108 Ende Mai mit dem Ausstellort Merseburg; das von der älteren Literatur (bis zu Janicke von 1896, aber auch noch 1932 von Stimming) angegebene Datum 1107 (Mai) – 1109 (April) basierte auf den Grenzdaten der 1107 um Pfingsten (Juni 2) in Straßburg durch Heinrich erfolgten Investitur des Erzbischofs Adalgoz von Magdeburg (s. Meyer von Knonau, Jahrb. 6,59; Claude, Erzbistum Magdeburg 1,390) und des Todes Erzbischof Ruthards von Mainz am 2. Mai 1109. – Wie Vogt, Schlesinger und Petke unser Diplom schlicht mit dem Datum von D.37 zu versehen, ist nicht angängig; da Heinrichs mit einem Hoftag verbundener Merseburger Aufenthalt höchstwahrscheinlich auch die Feier des Pfingsfestes (Mai 24) einschloss, kann D.36 schon einige Tage vor, aber auch noch nach dem 30. Mai ausgestellt sein.

Zu den schon im 9. Jh. ausgebrochenen und im 11. Jh. wieder aufgenommenen Zehntstreitigkeiten Hersfelds mit Halberstadt vgl. außer Hölk a.a.O. 13ff. und 69ff. noch Lübeck in Archiv f. kath. Kirchenrecht 122,296ff., dort S. 303ff. auch betr. Memleben (s. oben). Zum erneuten Ausbruch von Streitigkeiten vgl. D.99. – Die drei Kapellen werden – ohne Namensangabe – schon im sog. “Breviarium s. Lulli” aus dem 9. Jh. unter den Schenkungen Karls d. Großen, ganz am Schluss des Verzeichnisses, aufgeführt, vgl. Weirich, UB Hersfeld 1,68 no 38 [1] (S. 72 Z. 14f.): In Hohsegowe capellas III, hůbas X, mansus X; die Namen begegnen jedoch im Verzeichnis der Hersfelder Zehnten im Friesenfeld (decimatio … in Frisonoveld) von 880–899, vgl. Weirich a.a.O. 65 no 37 [1]: Reotstat (S. 66 Z. 13), Osterhusa (zweimal, Z. 16 u. 18), Altstedi (Z. 20); zur Kapelle (Wipertikirche) in Allstedt vgl. Gockel in Dt. Königspfalzen 2.1,26f.; zu Riestedt und Osterhausen vgl. Hölk a.a.O. 73f. und Erbe, Niederkirchenwesen 29; nach letzterem a.a.O. 174f. (ebenso Gockel a.a.O.) erfasste die vom Breviarium angegebene Dreizahl von Kapellen nicht Riestedt, sondern Wormsleben (vgl. dazu D.99 Anm. 1). Zur Lage des Hassegaus (Hosgau) und des seine südliche Hälfte bildenden Friesenfeldes vgl. Hessler, Mitteldeutsche Gaue 63ff. u. 80ff.

(C.) In nomine sanctae et individuę trinitatis. Heinricus divina favente clementia rex Francorum et Longobardorum ac patricius Romanorum. Scientes nobis prodesse tam ad statum regni nostri quam ad salutem animę nostrę, quicquid ob amorem domini pro venerabilibus locis pie gerimus regia benignitate, notum facimus presentium atque futurorum providentię, quod religiosum circa Herosfeldensem ęclesiam studium parentum nostrorum in aliquo minuere nolumus, sed, quę pro ipsius ęclesię utilitatibus statuerunt scriptisque suis atque sigillis firmaverunt, nos quoque iure hereditario confirmare volumus. Unde etiam hoc omnibus notum sit, qualiter Reginhartus venerabilis abbas Herosfeldensis nos adiit ac secum precepta domni Ottonis primi imperatoris augusti detulit informata secundum edicta Karoli imperatoris augusti, cuius auctoritate et adiutorio primum constructus est locus Herosfeldensis monasterii, ad quod ille donaverat tres capellas, unam in Alstedi, secundam in Osterhusun, terciam in Rietstedi, cum omnibus, quę ad eas pertinent in Frisonefelde et Hassega, decimationibus, pro quibus idem abbas conquestus est nobis, quod eas Reginhartus Halberstatensis episcopus abstulisset inde post annos trecentos illius regię donationis, quas nos eodem iniustę ablationis anno nostra quoque regia auctoritate restituimus Herosfeldensi ęclesię et ex iudicio tam episcoporum quam principum nostrorum, qui nobiscum omnes consenserunt in idipsum, scilicet Růthartus Mogontinus archiepiscopus, Adalgoz Magadaburgensis archiepiscopus, Cůnratus Salzburgensis archiepiscopus, Otto Babenbergensis episcopus, Eberhartus Einstatensis episcopus, Vdo Hildinishemensis episcopus, Burchartus Monasterii episcopus, Albinus Merseburgensis episcopus, Walraban Niuburgensis episcopus, Herwigus Misinensis episcopus, Adalberhtus noster regius cancellarius, cum quibus plurimi aderant presbiteri atque diaconi, confirmantes suo quoque consensu iustam esse sententiam ipsius iudicii, sicut et Liutteri dux Saxonię, Diebbolt marchio Baioarię, Sigifridus quoque et Fridericus palatini comites, Otto comes, Beringerus comes, Wigberhtus comes, Sizo comes, Lůdowigus comes, Giso comes advocatus Herosfeldensis, Gozmar comes, Hug signifer Herosfeldensis militię, Erwin comes atque alii quamplurimi cum multitudine hominum tam nobilium quam servientium. Cętera, quęcunque parentes nostri reges atque imperatores circa res et utilitates Herosfeldensis ęclesię statuerunt atque firmaverunt, nos pariter confirmamus; et ut eadem apud posteros quoque rata et inconvulsa in perpetuum permaneant, commendamus cunctis in regnum nostris successoribus omnibusque simul Christi fidelibus.

Signum domni Heinrici regis quinti invictissimi. (M.)

Adalbertus cancellarius vice Růthardi Moguntini archiepiscopi et archicancellarii recognovit. (SI.1.)