Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<334.>>

Propst Richwin von St. Martin in Worms überträgt den Kanonikern seines Stiftes für ihre Versorgung mit Weißbrot mit Zustimmung (und unter dem Siegel) König Heinrichs V. den Zehnt im Gebiet von Sconenberg und in sieben genannten, auf der rechten Rheinseite gegenüber Boppard gelegenen Dörfern.

Worms, 1110 Juni 12.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 42,5 b : 19,5/21 h) im Staatsarchiv zu Darmstadt (A); Rückvermerk des 13. Jh.: De decimis villarum apud Bopardiam, quam[!] ocupat[!] Hermannus de Millewalt (vgl. dazu ungedruckte Urkunde von 1275 März 25, Goerz, Mittelrhein. Reg. 4,35 no 158; s. Heyen, Fiskus Boppard 106 Anm. 30, Pauly, Erzbistum Trier 2,99); 15. Jh.: Sub Heinrico V. rege Rom.

Druck aus A: Schannat, Hist. episc. Wormat. 2,64 no 70. – Como, Das kaiserl. Kollegiatstift St. Martin in Worms 15 in deutscher Übersetzung.

Reg.: Scriba, Hess. Reg. 3,64 no 1014. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 1,456 no 1632. – Ficker in Wilmans, Add. z. Westf. UB 91 no 116/13. – Bresslau in NA 23,163. – Stumpf Reg. 3039 und Zusätze S. 538 mit Erwähnung des Siegel-Facs. Bodmanns (s. Anm. 1).

Neben der in Buchschrift mundierten Urkunde des Propstes Richwin hat mit Sicherheit kein eigenes Diplom Heinrichs V. über die Erteilung seiner Zustimmung existiert, vielmehr begnügte sich der König damit, die Propsturkunde mit seinem Siegel zu versehen – der ausstellende Propst selbst siegelte nicht –, sie damit letztlich zu seiner eigenen zu machen, was ihre Aufnahme im vollen Wortlaut rechtfertigt. Dieser Sachverhalt wird noch dadurch unterstrichen, dass Heinrich auch, alternativ zum Bischof und vor diesem genannt, als Empfänger der Pön bestimmt ist. – In dem episcopo suo vermutet Friedmann, Speyer und Worms 163 Anm. 818, in unzulässiger Überinterpretation, einen “Reflex auf den Pontifikat [B.] Adalberts [1070–1107] und seiner [vier] Gegenbischöfe” (vgl. dazu a.a.O. 138ff.). – Zur Verwendung des im Frühjahr/Frühsommer 1110 neugeschaffenen 2. Königssiegels vgl. Gawlik in Festschr. Hausmann (1987) 529ff.

Heinrichs Zustimmung war zweifellos deshalb erforderlich, weil die Pfarrei Boppard, um deren Zehntsprengel es in der Urkunde geht, die Mutterpfarrei des Fiskus Boppard war. Die Kirche war vermutlich im Laufe des 11. Jh. vom Hochstift Worms an den Propst von St. Martin gelangt; vgl. dazu Pauly a.a.O. 29 (zu dieser Frage s. auch Struck, Qu. z. Gesch. d. Klöster u. Stifte d. Mittleren Lahn 2,441 Anm. 3); zur Zugehörigkeit zu St. Martin und zum Zehntsprengel vgl. ferner Fabricius, Erl. z. gesch. Atlas d. Rheinprovinz 5.2,139f., Heyen a.a.O. 104ff., Como a.a.O. 14 sowie Pauly a.a.O. 26, 46f., 66f., 97ff. und 102.

Demgegenüber behauptet Friedmann a.a.O. 197ff., bes. 199f. in einer verfehlten Argumentation und unter Vergewaltigung der Quellen (namentlich des Faktums der Verfügung Propst Richwins), die Übereignung Boppards vom Bistum an St. Martin sei erst “zwischen 1115/16 und 1171/1179” erfolgt; da demnach im Jahre 1110 das Hochstift – zwischen 1107 (Tod B. Adalberts, † 1107 Juli 6) und 1115/16 (schismatische Wahl B. Buggos, † 1149 Dez. 6, und seines kaiserlichen Gegenbischofs Arnold II., vgl. Holtzmann in NA 50,308f. und Seibert in ZGO 143,104ff., zustimmend Schilling, Guido von Vienne 503 Anm. 15, von Friedmann a.a.O. 162 Anm. 811 bestritten) ohne Bischof – noch Eigentümer gewesen wäre, interpretiert er das cum assensu … Heinrici a.a.O.199 Anm. 67 als “Konsens des das bfl. Gut verwaltenden H. V.”! Das nach Aussage des Textes zweigeteilte Gebiet von Pfarrei und Zehntsprengel lag auf beiden Seiten des Rheins: Der zu Sconenberc (der Schöneberg w. Kisselbach, ca. 18 km s. Boppard, mit einer Feldkirche, vgl. Pauly a.a.O. 99; s. auch Heyen a.a.O. 106 Anm. 29) gehörige Teil bildete einen größeren Bezirk (zum Umfang nach der oben erwähnten Urkunde von 1275 vgl. Heyen a.a.O. 106 u. 108f., Pauly a.a.O. 99 und Fabricius a.a.O. 140) im Süden des linksrheinischen Anteiles des Sprengels.

Das Spaldo lassen Fabricius a.a.O. 139, Heyen a.a.O. 106 und Pauly a.a.O. 99 ohne Identifizierung (im Register S. 581 spricht Pauly von “Wüstung nö. Boppard”), wobei Fabricius, mit Fragezeichen, an Spay denkt; da Spaldo aber zu den rechtsrheinischen Dörfern (ultra Rhenum) zählt, scheidet das linksrheinische Spay (Kr. Mayen-Koblenz) aus und es kommt nur das südlich von Spay auf der rechten Rheinseite gelegene Osterspai (Rhein-Lahn-Kreis) in Betracht, das nach Pauly, Siedlung u. Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier 348 auch tatsächlich, als nördlichster Punkt des rechtsrheinischen Sprengels, zur Pfarrei Boppard gehört hatte.

Die zweimalige Nennung von Daleheim hält Pauly, Erzbistum Trier 2,99 für eine irrtümliche Wiederholung, was schon durch das zwischengeschaltete item ausgeschlosen erscheint. In Wirklichkeit meint die Urkunde zwei verschiedene Orte; denn nach Fabricius a.a.O. 140f. hatte das sw. des heutigen Dahlheim gelegene Niederkestert (nach Pauly a.a.O. 47f. später, neben Prath und Oberkestert, Filiale von Dalheim) früher ebenfalls den Namen Dalheim gehabt.

Anlass für Heinrichs schon eine Woche währende Anwesenheit in Worms war nach der Vita Erckenberti (Boos, Mon. Wormatiensia 138, vgl. Goerz a.a.O. 1,456 no 1631; gleiche Nachricht in der um 1555 angelegten Hs. C 1 C no 115 f. 42a des Staatsarchivs Darmstadt, zur Hs. vgl. Repert. d. Hess. StA Darmstadt 5, Hss., Abt. C 1, 3. Aufl., S. 193 no 576) die am 6. Juni erfolgte Neuweihe des durch einen Brand beschädigten Domes (partim incendio perierat): Anno … 1110, indictione tertia, … accidit, ut Henricus imperator quintus rex veniret Wormatiam … petivit ab episcopo Buggone [= falsch, s. oben], ut in praesentia eius domus ipsa consecraretur, quo piae petitioni eius annuente a Brunone Trevirensi archiepiscopo cooperantibus Brunone Spirensi episcopo, Eberhardo [so Hs. statt Renouardo der Vita] Eystetensi episcopo, Alvino [Hs.: Albuino] Mersburgensi episcopo et Herwigo Misnensi episcopo [zu diesem s. D.37] … 8. idus iunii (Prädikat fehlt); bei Stüllein, Itinerar 46 ist (unter Berufung auf Schlechte, EB. Bruno 87, der jedoch den 6. Juni nennt) fälschlich der 5. Juni und bei Hotz, Der Dom zu Worms 24 sogar der 12. Juni (wohl Verwechslung mit dem Datum von D.334) angegeben.

Eine vollständigere Liste der bei der Domweihe anwesenden Bischöfe ergibt sich aus der Datierungsformel einer (in Stumpf Reg. 3039 erwähnten) Notitia von 1110 (ohne Tag), wonach der Propst Hartwig von St. Paul zu Worms eine Seelgerätstiftung B. Arnolds I. (1044–1065) für sein Stift erneuerte (Schannat a.a.O. 2,62 no 69 = Boos, UB d. Stadt Worms 1,51 no 60; Stumpf a.a.O. macht daraus eine “gleichzeitige Urk. des Bischofs Arnold von Worms mit Zeugen, darunter ‘Adalberto canc.’”, wiederholt bei Meyer von Knonau, Jahrb. 6, 120 Anm. 6; zur Richtigstellung vgl. Holtzmann a.a.O. 309 Anm. 1; Friedmann a.a.O. 199 Anm. 7 versieht die Hartwig-Urkunde fälschlich mit dem Datum “1110 VI 12”, offensichtlich eine Verwechslung mit dem Datum des D.334): Haec autem concessio facta est anno … MCX, … indictione III., Brunone Treverensi archiepiscopo teste cum caeteris archiepiscopis et episcopis, Friderico archiepiscopo [von Köln], Burchardo Monasteriensi episcopo, Ottone Bambergensi episcopo, Albewino Merseburgensi episcopo, Erlungo Wirzeburgensi episcopo, Brunone Spirensi episcopo, Adalberto cancellario … – Aus der großen Zeugenliste dieser Urkunde stammen übrigens die bei Como a.a.O. 15 als angebliche Zeugen von D.334 angeführten Kanoniker des Martinsstiftes.

Zur Anwesenheit B. Ottos von Bamberg vgl. D.*51, zu den übrigen vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 115 Anm. 5 und Friedmann a.a.O. 163 Anm. 817 u. 819. – Die beiden langjährigen Elekten (vgl. dazu die Daten bei Wenner in Archiv f. Hess. Gesch. N.F. 19,36 no 12 und 39 no 20), B. Bruno von Speyer und B. Eberhard I. von Eichstätt, waren zuvor, wohl im Mai 1110, in Speyer auf päpstliches Geheiß von EB. Bruno von Trier geweiht worden, vgl. dazu das Ladungsschreiben EB. Brunos an B. Otto von Bamberg nach Speyer auf 14 Tage nach Ostern (April 10) zur Mitwirkung an der Weihe (Cod. Udalr. ed. Jaffé no 144 [ebenda no 145 ein paralleles Einladungsschreiben des Speyerer Klerus an Otto]; Heidingsfelder, Eichstätter Reg. 96 no 292, mit aus Jaffé a.a.O. 261 Anm. 1 übernommener falscher Datierung von resurrectio auf März 27; da die Weihe jedoch vermutlich in Anwesenheit Heinrichs erfolgte, hatte sich angesichts des am 27. Mai in Speyer ausgestellten D.50 der von Bruno avisierte Weihetermin, um den 24. April, anscheinend verzögert); zu den Gründen für die Verzögerung der Weihe bei B. Eberhard s. Heidingsfelder a.a.O. 91f.

In nomine sanctę et individuę trinitatis. Notum sit omnibus fidelibus presentibus et futuris, qualiter ego Richvuinus prepositus sancti Martini infra murum Guormacię, pro optentu divinę misericordię, cum assensu domini mei christianissimi regis Heinrici et rogatu reverentissimi Treuerensis archiepiscopi Brunonis, tradidi canonicis predicti claustri sancti Martini ad dispensationem albi panis, quem non habebant, decimam ad Sconenberc pertinentem cum omni utilitate, decimam quoque in villis ultra Rhenum contra Bopardam sitis cum omni utilitate excepto vino, scilicet in villa Bráto, in Daleheim, item in Daleheim, in Spaldo, in Burgenhouun, in Campa, in Luggereshusun. Si quis autem successorum predictas res aliquando fratribus subtrahere voluerit et hoc datum, quod predictum est, irritum fecerit, divinę ultionis severitatem continuo incurrat sanctęque dei genitricis et sancti Martini omniumque sanctorum Christi offensam inveniat regięque potestati sive episcopo suo librę auri debitor sit.

(SI.2.)

Data est anno incarnationis dominicę millesimo CX, indictione III, II. id. iunii, Guormacię, quarto anno quinti Heinrici regis.