Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010
Stumpf Reg. –.
In der verlorenen Chronik von Sinsheim aus dem 16./17. Jh. (ed. Mone, Quellens. d. bad. Landesgesch. 1,206) heißt es im Anschluss an die Erwähnung der vermeintlichen Schenkung von “Landau” durch Heinrich IV. an Sinsheim (inter reliqua praedium suum in Landaw situm; gemeint ist die in DH.IV.475 von 1102 Febr. 15 über die Schenkung des predium Ilsfeld [Kr. Heilbronn] an das Hochstift Speyer ausgesparte pars eiusdem predii [scil. Ilsfeld] in villa Iendan [Wüstung Gendach b. Ilsfeld] nominata sita, quod ęcclesię Sunnisheim dedimus; vgl. DH.IV.*513 mit Wiedergabe des folgenden Textes ab Henrico iuniori; zur Datierung des D.*513 auf nach 1101 Juni 17 s. Grafen in Jahrb. f. westd. Landesgesch. 20,30ff.): Successori in imperio, Henrico iuniori, eius nominis imperatori quarto, regi vero quinto, opportune se insinuavit Adilgerus abbas ac omnia huius ecclesiæ privilegia confirmari obtinuit, prout earum literarum originale extat et in manibus habeo, quodque cum reliquis huius ecclesiæ literis, quæ alicuius sunt momenti, in peculiari libro deo volente transcribi curabo; contigit hæc confirmatio anno Christi 1108 (vgl. Germ. pont. 3,3,133).
Es dürfte nun kaum zu bezweifeln sein, dass zu diesem verlorenen Diplom für Sinsheim das isolierte “Eschatokoll” gehörte, das Guillimann, De ep. Argentin. 217 als Beleg für die Anwesenheit B. Kunos von Straßburg auf einem von ihm angenommenen Speyerer Hoftag von 1108 zitiert: Fridericus Coloniensis, Bruno Trevirensis, archiepiscopi, Cuno Argentoratensis, Burckardus Monasteriensis, Vvito Curiensis, episcopi, Fridericus dux Sueviæ, Emico comes, Egeno comes. Data XIV. kalend. aprilis, anno incarnationis dominicæ 1108, indictione prima, anno autem ordinationis domini Heinrici V. regis IX, regni vero eius III; Spiræ (s. Wentzcke, Strassburger Reg. 1,301 no 381). – Damit entfiele die Notwendigkeit der von Stüllein, Itinerar 38 Anm. 3 auf Guillimann gestützten Annahme eines weiteren Deperditums für einen unbekannten Empfänger. Die um 1 Einheit zu niedrige Angabe der Ordinationszahl entspricht, wie die sonstige Formulierung der Datierung, dem Diktat des Notars Adalbert A, vgl. Vorbemerkung zu D.†31; allerdings bietet der Notar in aller Regel eine von der hiesigen abweichende andere Reihenfolge der Jahresangaben, mit Eröffnung durch die Indiktion vor dem Inkarnationsjahr und abschließend mit dem Ordinationsnach dem Regierungsjahr (s. D.†31 und DD.32ff., erstmals in D.9; Reihenfolge wie hier in dem nicht von ihm stammenden D.12). Die Umstellung ist wohl dem Kopisten der Vorlage zuzuschreiben; denn dass Guillimann, der sich durchwegs streng an seine Vorlagen hielt, nicht das Original, sondern eine kopiale Überlieferung (womöglich den in der Chronik angekündigten peculiaris liber) benützte, zeigt die Orthographie von Burckardus; wahrscheinlich ist dem Kopisten auch die Auslassung des kanzleiüblichen actum est vor Spiræ und der abschließenden Apprekatio anzulasten, was Guillimann selbst sonst nie weglässt (S. 219: D.90; S. 220: D.95; S. 221: D.†113 [hat allerdings eine bei G. fehlende Apprekatio]; S. 224: D.†270).
Bei der von Guillimann mitgeteilten Namenliste handelt es sich übrigens zweifellos nicht, wie von ihm vereinfachend behauptet (vgl. die Eröffnung des Auszuges: Numerantur enim inter testes diplomatum) um Zeugen, deren Nennung dem Diktat des Notars fremd ist, sondern um Intervenienten; auch seinen Auszug aus D.95, wo von astipulatione die Rede ist, leitet Guillimann S. 219 ein mit: Recensentur in diplomatis testes (dem Plural diplomata an beiden Stellen ist kein Gewicht beizumessen!). – Auch in der Formulierung der Intervenientenliste verrät sich das Diktat des Notars Adalbert A, der demnach das ganze Deperditum verfasst haben dürfte: Für ihn ist nämlich zumindest in der Folgezeit etwas offensichtlich hier erstmals Praktiziertes typisch, nämlich die Zusammenfassung von Personen gleichen Standes oder Ranges (hier der Erzbischöfe und Bischöfe), in der Weise, dass er den ihnen zukommenden Titel nicht hinter jedem Namen, sondern nur einmal am Anfang (so zumeist) oder am Ende der Gruppe im Plural angibt (vgl. DD.34, 35, 37 u.ö.).
Die Bewertung der Namen als Intervenientenliste erlaubt nun unseres Erachtens, jeden Zweifel an der Zugehörigkeit des von Guillimann mitgeteilten Textes zu dem Deperditum für Sinsheim auszuräumen, vor allem aber die zunächst erstaunliche Tatsache zu erklären, dass unter den Intervenienten des Diploms, das Speyer als Handlungsort nennt, der Ortsbischof nicht genannt gewesen sein sollte. War jedoch Sinsheim der Empfänger, konnte B. Bruno von Speyer gar nicht in der Intervenientenliste erscheinen, sondern nur, und dies notwendigerweise, außerhalb derselben (wohl gemeinsam mit Abt Adilger) als Petent in seiner Eigenschaft als Eigenkirchenherr von Sinsheim:
Mit Urkunde von 1100 Januar 6 (Wirtemberg. UB 1,318 no 255 und Remling, UB von Speyer 1,69 no 70, beide nach Cod. minor Spirensis, sowie Wirtemberg. UB 11,572 mit Varianten nach fragmentarischer Abschrift der verlorenen Ausfertigung für Sinsheim von 1572; vgl. dazu Grafen a.a.O. 13ff.) hatte Brunos Vorgänger, B. Johann v. Speyer (†1104), Sohn des Grafen Wolfram im Kraichgau und Elsenzgau und seiner Gemahlin Azela, das von ihm 1092 auf Eigengut errichtete und dotierte Kloster, an dessen Dotation auch Adelheid, die Tochter seines Bruders Zeizolf, beteiligt war, der Speyerer Kirche übereignet (zur Urk. vgl. Acht in AfU 14,262ff., ferner Wilhelmi, Gesch. d. vorm. adeligen Benedictiner-Abtei Sunnesheim 15ff., Büttner in ZGO 88, 341ff., Gugumus in Arch. f. mittelrhein. Kirchengesch. 4,45ff., Semmler ebenda 8,339ff., Quarthal in Germ. Bened. 5,590ff.). – Kurz zuvor hatte B. Johann in einem Tausch mit B. Kuno von Worms die Diözesanrechte über Sinsheim erlangt, was 1099 November 9 wohl auf einem Mainzer Hoftag mit Zustimmung Heinrichs IV. bestätigt wurde (Wirtemberg. UB 4, Nachtr. no 37; Remling a.a.O. 68 no 69 = Stumpf Reg. 2944a: confirmatum est assensu Heinrici tercii imperatoris in pręsencia complurium ipsius principum).
Die beiden Bischofsurkunden von 1099 und 1100 waren denn auch zweifellos der wesentliche Gegenstand der königlichen Bestätigung von 1108, da das junge Kloster noch gar nicht über andere privilegia verfügte, sieht man ab von dem als Vorurkunde in Klosterbesitz gelangten DH.IV.186 von etwa 1067, mit dem Graf Zeizolf die Berechtigung zur Errichtung von Münze und Markt in Sinsheim erhalten hatte. – Auffallend ist das starke Interesse, das Heinrich IV. an der neuen Stiftung nahm, das vor allem in der Urkunde von 1100 zum Ausdruck kommt, wo Heinrich nicht nur als erster Zeuge genannt ist (testes interfuerunt ipse imperator Heinricus et complures principes illius …), sondern B. Johann auch für ihn einen vor seinem eigenen und seiner consanguinei aufgeführten Jahrtag stiftet, so dass manches für die angenommene Verwandtschaft B. Johanns mit den Saliern sprechen könnte, wenn auch natürlich nicht in dem von den Annales Spirenses (MGH SS 17,82) behaupteten engen Grad, dass Johanns Mutter Azela eine Schwester Heinrichs IV. (die Sinsheimer Chronik, Mone a.a.O. 203, macht daraus in einem Randnachtrag fälschlich eine filia Henrici IV.) gewesen wäre; zu einem Erklärungsversuch vgl. Gugumus a.a.O. 46 und 51ff., ablehnend hingegen Heidrich in Die Salier u. das Reich 2,204 Anm. 124 sowie Grafen in Frühmal. Studien 19,428, in Jahrb. f. westd. Landesgesch. 20,10 Anm. 18 und Forsch. z. ält. Speyerer Totenbuchüberl. 261ff. Exkurs II.
Was nun die Intervenienten selbst angeht, so kann die Nennung des Kölner Erzbischofs durch das enge Verhältnis Sinsheims zu dem von EB. Friedrich und seinem Vorgänger Hermann III. geförderten Kloster Siegburg erklärt werden (s. Semmler a.a.O.), außerdem aber bestand Blutsverwandtschaft des in der Urkunde von 1100 ebenfalls mit einem Jahrtag bedachten Hermann (†1099) zur Stifterfamilie (vgl. dazu Kimpen in MIÖG Erg.-Bd. 12,64f. und Gugumus a.a.O. 54f.). Der Vater Herzog Friedrichs II. von Schwaben hatte in den beiden Urkunden von 1099 und 1100 als Laien-Spitzenzeuge fungiert; vielleicht erfolgte Friedrichs Nennung auch in seiner Eigenschaft als Speyerer Hochstiftsvogt (vgl. dazu Werle in ZGO 110,356) und damit auch als Vogt von Sinsheim. Nähe zu Speyer steht wohl auch hinter der Nennung des Grafen Egino II. von Urach, des Bruders B. Gebhards von Speyer (†1107). Bei Emico comes dürfte es sich um Emicho I. von Kissingen handeln; seine Nennung gründet sich womöglich darauf, dass nach der Urkunde von 1100 zwei Besitzungen in comitatu comitis Emechanis lagen.
Die Nennung EB. Brunos von Trier wäre nur dann ein weiteres starkes Indiz für Sinsheim, wenn die Annahme von Rommel, Sinsheim 4f. zuträfe, dass dessen Mutter Adelheid (vgl. Gesta Treverorum, cont. prima c. 18, SS 8,192) identisch wäre mit B. Johanns gleichnamiger Nichte, der Dotatorin von Sinsheim, die in kinderloser Ehe mit dem Pfalzgrafen Heinrich von Tübingen († ca. 1088) vermählt war und in zweiter Ehe Brunos Vater, den Grafen Arnold von Bretten und Laufen, geheiratet habe, was aber allein an Brunos Regierungsdaten (1102–1124) scheitert.