Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<*322.>>

Heinrich befiehlt seinem missus Siegfried, dem Kloster San Salvatore zu Pavia die von ihm okkupierten drei Höfe Erbatica, Moratia und Melara zu restituieren.

(um 1118–1121/24).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –.

In einem an Heinrich gerichteten (Glorioso domino suo H. dei gratia Romanorum imperatori augusto) Brief der Konsuln von Pavia (Papiensium consules cum populo sibi commisso), überliefert in dem wohl 1121–1124 entstandenen Briefmuster-Anhang der unter dem Titel “Aurea Gemma” verfassten Ars dictandi des Paveser Lehrers Henricus Francigena (Druck: Odebrecht in AfU 14,259 no 31), klagen diese darüber, dass es zu Übergriffen der von ihm nach Italien geschickten ministri gekommen sei (ministri vestri, quos in Italiam ad peragenda regni negotia vestra sublimitas misit, inhonestius nos et loca ad nos pertinentia tractare non differunt), insbesondere sei Sigifridus vester in Italiam missus in drei dem Kloster San Salvatore gehörige Höfe eingedrungen (ecclesie beati Salvatoris Papiensis, que in proprio vestro iure consistit, tres curtes invasit, Heberiam scilicet, Melariam necnon et Moratiam [vor.: Moraticam]) und habe die Mönche daraus vertrieben, unter dem Vorwand (hanc pretendens causam), dass diese ihren Anteil an der Burg Corianum in Besitz genommen hätten (in partem suam de Coriano castro ingressi fuerant); dazu sei jedoch zu bemerken, dass die Mönche die vorherige Inbesitznahme dieser Burg durch kaiserliche ministri (zunächst) im Vertrauen auf den Kaiser stillschweigend hingenommen hatten (dum vestri ministri Corianum per se ad servitium vestrum retinuerunt, prefati monachi tacito consensu – vestram expectantes misericordiam – quieverunt); erst als der Erzbischof von Mailand nach Abzug der ministri seinen Anteil (scil. an Corianum) wieder eingenommen hatte (postquam autem Medidolanensis archiepiscopus vestris missis recedentibus in partem suam regressus est), habe auch das Kloster, zur Verhütung der Besetzung des klösterlichen Anteils durch den Erzbischof, unverzüglich dasselbe getan (monachi necnon et eiusdem monasterii advocati et vasalli in partem ecclesie, timentes ne archiepiscopus eorum partem occuparet, minime ingredi distulerunt), weswegen dann Siegfried die genannten drei Höfe weggenommen habe (quapropter, ut diximus, Sigefridus tres curtes abstulit).

Die abschließende Bitte, die Grundlage für unsere Annahme eines Deperditums, lautet: Unde vestre celsitudinis clementiam prece, qua possumus, deprecamur, quatinus Sigfridum predictum a tante iniurie illatione per vestram conpescatis iussionem et predictas curtes monasterium, cuius iuris sunt, vestra auctoritate quiete faciatis possidere.

Nach Odebrechts Feststellungen a.a.O. 237f. gehört der Brief, ebenso wie ein Brief des Gegenpapstes Gregor VIII. an Heinrich (vgl. dazu D.*220), nicht zu dem eigentlichen Corpus des Francigena-Briefstellers mit fiktiven Briefen, sondern zu einem Appendix, der entweder echte oder von Francigena nur überarbeitete Briefe enthielt. Während Odebrecht (S. 238) offen lässt, ob der Brief vollständig echt sei, da evtl. von Francigena im Auftrage der Stadt Pavia verfasst, oder von Francigena gänzlich erfunden wurde – oder aber nur die Überarbeitung eines echten Briefes durch ihn darstelle, kommt doch wohl nur letzteres in Betracht, nachdem nach Odebrechts eigenen Feststellungen (S. 237) nur der erste Teil des Briefes (Protokoll und erster Teil des Kontextes) und evtl. wieder der Schluss-Satz Francigena-Diktat verrate, während der uns interessierende zweite Teil sich durch klaren und nüchternen Stil auszeichne. Jedenfalls entspricht die dortige Darstellung offenbar den tatsächlichen Verhältnissen (vgl. a.a.O. 238): Die drei genannten Höfe und die Burg Corana werden seit dem DO.II.281 von 982 immer wieder im Besitz von S. Salvatore genannt (vgl. noch DDO.III.375, Ard.1, H.II.284, Ko.II.62 u. H.IV.291; die DD. Arduins und Ottos III. nennen nur Erbariam); zur curtis Melara mit der cella S. Stefano vgl. D.178; die Burg Corana war offenbar unter Heinrich III. zeitweilig ans Reich zurückgefallen (vgl. Darmstädter, Reichsgut 197 und Odebrecht a.a.O. 238), was sich evtl. noch in den durch D.*322 gespiegelten offenbar strittigen Besitzverhältnissen ausdrückte. – Unsere Datierung berücksichtigt als Endpunkt die Entstehungszeit des Briefstellers (zu dessen Datierung s. Odebrecht S. 234f.); aus der Entsendung von kaiserlichen missi ist zu schließen, dass der Brief in die Zeit nach Heinrichs Rückkehr vom 2. Italienzug im Herbst 1118 gehört.