Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<*313.>>

Unsicher.

(Heinrich) restituiert dem Kloster Helmarshausen zwei von königlicher Seite entfremdete Hufen zu Bovenden (und zu Göttingen?).

(1106–1111; um 1107?).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –.

Das fragmentarische Traditionsbuch von Helmarshausen aus dem ersten Viertel des 12. Jh. im Staatsarchiv zu Marburg (K 238) enthält auf f. 1v folgende Notiz (Druck: Wenck. Hess. Landesgesch. 2, UB 62 no 51/10; Hoffmann, Bücher u. Urk. 98 no 10): Domna Frithurun, soror nostra, divino tacta amore tradidit ęcclesię cum consensu heredum, fratrum scilicet suorum Roggeri et Æuerhardi, in villa, quę dicitur Bobbantun, IIII hobas cum totidem areis et ędificiis; una solvit X [mit anderer Tinte, evtl. auch von anderer Hand über expungiertem . VIII.] solidos, altera V, item tercia VI, quarta VI. Item in Guthinge hobam cum area et ędificiis et mancipiis, quę solvit solidos X [mit gleicher Tinte wie oben auf ca. 1 cm breiter Rasur, anscheinend von . VIIII.; vor der X ist der unvollständig getilgte linke Arm von V erkennbar]. Duas ex his abstulit rex, sed postea multorum principum interventu reddidit ęcclesię cum privilegio.

Zur Handschrift und zur Datierung des runden Dutzends an ihr beteiligter Schreiberhände vgl. Hoffmann a.a.O. 30ff. Der Hauptschreiber, der den Hauptteil (f. 1–8), von einzelnen Randnachträgen abgesehen, in einem Zuge, also unter Verwendung einer älteren Vorlage, niederschrieb, war womöglich kurz vor 1115 tätig, womit der Terminus ante quem für die Entstehung der verzeichneten Einzelnotizen feststünde, die nach Einschätzung Heinemeyers in AfD 9/10,343 dem letzten Viertel des 11. Jh. und den beiden ersten Jahrzehnten des 12. Jh. angehörten.

In der (protokollarisch geführten?) Vorlage, die auch vielleicht noch nicht die in der erhaltenen Handschrift zu beobachtende vorwiegend geographische Ordnung der Einzelnotizen aufwies, war in einzelnen Fällen (vgl. z.B. no 11 u. 14, ferner den Nachtrag zu no 10, Hoffmann a.a.O. 99) schon über das spätere Geschick einer Schenkung (im Nachtrag zu no 10 auch der Schenkerin) berichtet, was auch in unserem Text seine Parallele hat, der drei verschiedene, zeitlich mehr oder weniger weit auseinanderliegende Vorgänge zusammenfasst.

Die Schenkung der Frithurun geschah spätestens vor 1096, da damals von ihren beiden im Text genannten Brüdern der erste, Rugger (I. von Bilstein), nicht mehr lebte (s. Kollmann, Die “Grafen Wigger” und die Grafen von Bilstein 37 u. 42; s.a. Hoffmann a.a.O. 98 Anm. 15) und auch der andere Bruder Eberhard wohl nicht viel später starb (Kollmann a.a.O. 43); sie darf aber wohl nicht vor das letzte Jahrzehnt des 11. Jh. verlegt werden, da Frithurun, von der mehrere weitere Schenkungen verzeichnet sind (a.a.O. 99f. no 11), noch um 1100 Einkünfte aus einem der geschenkten Güter für die Ausrüstung ihrer Neffen (in usum filiorum fratrum suorum) verwendete, qui in expeditionem cum rege ituri erant Longobard(iam), was Hoffmann a.a.O. 100 Anm. 25 zwingend auf Heinrichs V. ersten Italienzug von 1110/11 bezieht, während Kollmann a.a.O. 42 fälschlich an einen der beiden Italienzüge Heinrichs IV. von 1081–84 oder 1090–96 dachte.

Auf Heinrich V. beziehen denn auch Heinemeyer a.a.O. 323 u. 358 Anm. 245 und Hoffmann a.a.O. 99 Anm. 18 (“eher Heinrich V. als Heinrich IV.”) vermutungsweise den anonymen rex des Schluss-Satzes. Heinemeyer (a.a.O. Anm. 245) hat allerdings, indem er, wie Hoffmann, von einem einzigen rex als Subjekt von abstulit und reddidit ausgeht, Schwierigkeiten damit, einen Grund zu finden, “der ’den König’ (Heinrich V.) bewogen hatte, der Abtei Güter zu entziehen, die er später auf Veranlassung vieler Fürsten zurückgeben musste” (von “Müssen” ist im Text keine Rede), nachdem er zuvor dargelegt hatte, dass Abt Thietmar von Helmarshausen unter Heinrich IV. zur kaiserfeindlichen Reformpartei gehört, sich jedoch gleich im Jahre 1104 dem rebellierenden Heinrich V. angeschlossen hatte.

Angesichts dieser politischen Situation drängt sich aber förmlich die Erklärung auf, dass die Entfremdung nicht durch Heinrich V., sondern durch Heinrich IV. erfolgt war, was dann (postea) Heinrich V. durch die Restitution an seinen Anhänger wiedergutgemacht hätte, so dass auf ihn nur das reddidit zu beziehen wäre; für den Schreiber des Zusatzes wäre allein entscheidend gewesen, dass Entfremdung und Restitution beide auf die “Institution” rex zurückgingen.

Der vorliegende Text erschwert aber in seiner, vielleicht durch mangelnden Randplatz in der Vorlage verursachten, knappen und offensichtlich komprimierten Formulierung nun auch die Antwort darauf, ob die Restitution – und nur diese – durch Heinrich V. in urkundlicher Form erfolgte, worauf auf den ersten Blick sowohl die Erwähnung des interventus zahlreicher Fürsten als auch der Schluss cum privilegio hinzuweisen scheinen. Es wäre allerdings verwunderlich, wenn Helmarshausen, außer dem D.20 von 1107, auch über die Restitution, die Thietmar doch wohl alsbald nach seiner Parteinahme für Heinrich V. betrieben haben wird, ein eigenes Diplom (vorher oder nachher?) erhalten haben sollte. Der Text sagt aber auch gar nicht, dass die Restitution “durch ein Privileg” (privilegio) vorgenommen worden sei, sondern “zusammen mit einem Privileg” (cum privilegio); wenn damit auf D.20 Bezug genommen wird, wäre daraus zu schließen, dass gleichzeitig mit der Ausstellung des D.20 (in einem bloßen Formalakt) die Restitution erfolgte, die womöglich überhaupt den Anlass für die Erwirkung des Diploms mit der dort ausgesprochenen allgemeinen Besitzbestätigung darstellte; in diesem Falle konnte der Schreiber auch ohne weiteres, als er den entsprechenden Zusatz zur Schenkungsnotiz machte, die Intervenienten des D.20 als diejenigen der Restitution in Anspruch nehmen.

Die Existenz eines gesonderten Diploms kann allerdings nicht gänzlich ausgeschlossen werden, das jedenfalls sowohl wegen der Verwendung des Titels rex als auch aufgrund der Datierung der Handschrift (s. oben) der Königszeit angehört haben müsste. – Ob die entfremdeten und restituierten zwei Hufen beide zu den vier Hufen zu Bovenden gezählt haben oder auch die Hufe zu Göttingen betroffen war, bleibt unklar.