Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<†303.>>

Unecht.

Heinrich zieht auf Bitten des Abtes Udalrich einen von Entfremdung bedrohten Teil der Güter des Klosters Fulda an sich und überlässt sie dem Konvent zum Unterhalt, erneuert im übrigen den Inhalt des D. †302.

Fulda, (1123/1124) September 1.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Codex Eberhardi aus der Mitte des 12. Jh. Bd. 1 (K 425) f. 128r–v no 46 im Staatsarchiv zu Marburg (B). – Copiarium III (K 427) aus dem Ende des 13. Jh. f. 84r–v no 46 ebenda (C).

Drucke: Stumpf, Acta imp. 106 no 94 aus dem “Diplomatarium eccl. Fuld.” des 18. Jh. in der Niedersächsischen Landesbibliothek zu Hannover, zu “Fulda, (1123) September 1”. – Aus BC: Meyer zu Ermgassen, Cod. Eberhardi 1,199 c. 46.

Reg.: Roller in Zs. f. hess. Gesch. N.F. Suppl. 13, Beil. 20 no 107 (“Echte Vorlage nicht unmöglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich”). – Stumpf Reg. 3194.

Fälschung des Eberhard von Fulda unter Verwendung derselben, durch Petitsatz gekennzeichneten Vorlagen wie für das gleichfalls von ihm gefälschte D † 302: DH.V.98 (= VL.I), DH.IV. † 368 (= VL.II) und DH.IV. † 406 (= VL.III); in Kursivdruck erscheinen die Übereinstimmungen mit dem gleichzeitig entstandenen D. † 302, vgl. dortige Vorbemerkung. – D. † 303 fand stellenweise Benützung in dem gleichfalls von Eberhard gefälschten DLo.III. † 26, das nach den Feststellungen der Herausgeber (s. auch B.-Petke Reg. † 229) im übrigen vor allem unter Verwendung der echten DLo.III.53 und DH.V.98 hergestellt wurde. – Der bis 1995 einzige Druck des D. † 303 bei Stumpf war aufgrund der verfehlten Ergänzungen seiner fragmentarischen Vorlage unbrauchbar (vgl. Anm. z). – Die orthographischen Varianten von C (ci statt ti und e statt ę) werden in den Anmerkungen nicht verzeichnet.

Stumpfs Datierung des von ihm in seiner Echtheit nicht angezweifelten D. † 303 in das Jahr 1123 trifft – in Verbindung mit dem im Text genannten Tagesdatum und mit Rücksicht auf die Nennung des nach dem Tode Abt Erlulfs († 1122 Okt. 11) gewählten Abtes Udalrich (vgl. dazu D.255 von 1123 März 25 mit Erwähnung der Anwesenheit Udalrichs in Speyer) als Empfänger – lediglich das erste mögliche Jahr; in Frage gekommen wäre genausogut das Jahr 1124.

Mit Eberhards fragmentarischer und wie der Text offensichtlich frei erfundener Datierung hinwieder ist, selbst bei Annahme uneinheitlicher Datierung mit Ausstellung am 1. September (1123 oder 1124) und Fuldaer Handlung zu einem früheren Zeitpunkt (nach Okt. 1122), nichts anzufangen: Die ganz sinnlose Indiktionsangabe (s. auch Roller a.a.O. 59 mit Anm. 4) spricht gegen Echtheit auch der mit ihr in der Data-Formel verbundenen Tagesangabe. Und ein Aufenthalt in Fulda passt zumindest für das Jahr 1123 auf keinen Fall in das Itinerar des Kaisers, der sich das ganze Jahr über am Mittel- und Niederrhein aufhielt; vgl. dazu Wehlt, Reichsabtei 241 und Franke in AfD 33,195 mit Anm. 786. – Gänzlich verfehlt ist es, wenn Meyer von Knonau, Jahrb. 7,252 mit Anm. 36 und ihm folgend Stüllein, Itinerar 101, die beide (wie z.B. auch Lübeck in Fuldaer Gesch.-Bl. 26,29 und in Studi Gregoriani 4,168) an Stumpfs Datierung auf 1123 Sept. 1 festhalten, an einen damaligen Abstecher vom Mittelrhein (Mainz) aus nach Fulda denken.

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf aufmerksam gemacht, dass man bisher völlig darauf verzichtete, auch ein anderes Jahr (für Handlung und/oder Ausstellung) in Betracht zu ziehen, in dem sich Heinrich tatsächlich jeweils kurzfristig in Ostfranken aufhielt: Im November 1122 weilte der Hof in Bamberg, wo der Kaiser auf einem Reichstag die Zustimmung der in Worms nicht anwesenden Fürsten zum Wormser Konkordat (D.240 nennt übrigens als einzigen beteiligten Abt Udalrichs Vorgänger Erlolf!) einzuholen (s. Stüllein a.a.O. 96f.; s. auch D.242), wo aber insbesondere Udalrich die kaiserliche Investitur erhielt (s. Vorbemerkung zu D.255); und auch im April/Mai des Jahres 1124, in dem sich der Kaiser sonst nur im Westen aufhielt (s. Stüllein a.a.O. 103ff.), fand in Bamberg wieder ein Reichstag statt (s. Stüllein a.a.O. 103, vgl. auch DD.264/265). Bei beiden Gelegenheiten hätte der Kaiser seinen Weg über Fulda genommen haben können; im Jahre 1122 wäre eine Handlung in Fulda allerdings wohl erst auf Heinrichs Rückweg von Bamberg, nach Udalrichs Investitur, vorstellbar; gegen eine Impetration des Diploms bei einem Aufenthalt in Fulda auf Heinrichs Hin- oder Rückweg nach Bamberg im Jahre 1124 bestünden hingegen keine grundsätzlichen Bedenken.

Doch abgesehen davon, dass in jedem Fall zwischen Handlung (in Fulda) und Beurkundung am 1. September (1123 oder 1124, an anderem Ort) ein relativ großer, wenn auch nicht völlig ungewöhnlicher Zeitabstand läge, scheitern Überlegungen über einen eventuellen echten Kern des D. † 303 (Roller a.a.O. 59 meint, bezogen auf DD. † 302 u. † 303 sowie das DH.IV. † 406, die Verdachtsmomente erlaubten kein sicheres Urteil; vgl. auch oben) an der vollständigen Abhängigkeit von den Vorlagen, vor allem aber daran, dass die Textherstellung aufs engste mit Eberhards Falsum des D. † 302 verquickt ist.

Vollends aber ist die über die Vorlagen hinausgehende Eingangsdarstellung, wonach die Initiative zur Behebung der wirtschaftlichen Notlage des Klosters vom Kaiser ausgegangen sei, und die Schilderung der dafür ergriffenen Methode (bona … ex parte collegimus et fratribus … resignavimus) inhaltlich gänzlich unglaubwürdig und zugleich in sich widersprüchlich formuliert; denn der Behauptung, dass Heinrich in der Sache an den Abt herangetreten sei (abbatem … alloqui cępissemus), steht die Aussage gegenüber, dass der Abt ihn zur Verwirklichung seines Vorhabens (opus, quod cęperamus) erst auffordern musste (cępit nos rogare, ut … insisteremus).

– Unklar ist, ob ein im Codex Udalrici überliefertes Schreiben der Mönche von Fulda an den Kaiser (Domino suo Heinrico Romanorum imperatori semper augusto Christi martiris Bonifacii humilis congregatio …) mit der Bitte, ut villam N., pro qua sepius ad te clamavimus, vel nunc demum nostrae iubeas indigentiae restitui (Eccard, Corp. hist 2,263 no 251; JaffÉ, Mon. Bamberg. 396 no 224), Heinrich V. zum Adressaten hatte, wie JaffÉ und ihm folgend Diestelkamp-Rotter, Urk.-Regesten 1,134 no 190 mit ihrer Datierung zu (1111–1125?) annehmen (Pivec in MÖIG 46,339 denkt näherhin an “um 1111?”), und ganz ungewiss bleibt, ob und in welcher Form (schriftliches Mandat?) eine Reaktion des Kaisers erfolgte.

In nomine domini. Heinricus dei gratia Romanorum imperator augustus. Notum sit omnibus Christi nostrisque fidelibus, qualiter nos pro statu ęcclesiarum compuncti loca desolata restaurare cupientes exempla antiquorum patrum nostrorum regum et imperatorum imitari cupimus, ut ad virtutum eorum merita pertingamus. Unde factum est, ut venerabilem illum sancti Bonifacii locum Fuldensem, ab antecessoribus nostris regibus primitus satis ditatum et honoratum, sed a pravorum hominum incursione extenuatum, reparare cogitantes abbatem ipsius monasterii Ǒdalricum nomine alloqui cępissemus. Qui collectis fratribus suis cępit nos rogare, ut propter deum operi, quod cęperamus, insisteremus, hoc est, ut in nostram potestatem bona monasterii contraheremus, ne viri pestilentes tantam rapinam inde facerent, ut ante solebant. Quorum peticioni assensum prebentes ob divinum amorem predicti monasteri bona precepto nostrę auctoritatis ex parte collegimus et fratribus deo servientibus in subsidium victus et vestitus resignavimus cęteraque omnia monasterii bona simul cum rebus et familiis, quę erant dispersa, in nostrum mundiburdium et in ius nostrę defensionis suscepimus et omni protectionis munimine solidamus. Et precipimus, ut nullus hominum, sive iudex sive advocatus, in ęcclesias, villas aut loca vel agros aut possessiones, quas moderno tempore infra regnum nostrum prefatum possidet monasterium, vel quę deinceps divina adauxerit misericordia, ad predam vel exactionem seu ad causas iudiciario more audiendas aut freda exigenda vel mansiones faciendas vel servos aut colonos distringendos nec ullas redibitiones vel illicitas occasiones requirendas nostris futurisque temporibus ingredi audeat vel ea, quę supra memorata sunt, exigere presumat, sed liceat abbati Fuldensis monasterii totam familiam cum cunctis eiusdem ęcclesię rebus sub nostra defensione possidere et decimas sibi apostolica auctoritate traditas accipere nec laicis in beneficium tradere vel prestare. Er quicquid de supradictis monasterii rebus ius fisci nostri exigere debuit, pro ęterna remuneratione prefato monasterio et fratribus deo ibi famulantibus conferimus firmissime precipientes, ut in bonis et locis ac familiis eorum nullus eos contristet. Habeat ergo abbas prefati monasterii potestatem tam ex nostra quam ex patrum nostrorum regum donatione thelonea, monetas, vectigalia reditusque prediorum suorum simulque omnem decimationem tollere et in suę ditionis utilitatem redigere propter ędificia diversa monasterii facienda pauperesque et hospites iuxta preceptum regulę recreandos. Quodsi abbas monasterii obierit, fratres liberam electionis secundum nostrum consilium habeant potestatem. Quicumque autem hoc nostrę auctoritatis preceptum violare presumpserit, ex apostolica Zacharię papę sententia ęternaliter excommunicandus erit.

Data kal. sept., indictione VI; actum Fulde; feliciter.