Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<3.>>

Heinrich befiehlt der Äbtissin Gisela von Remiremont die Befolgung eines päpstlichen Mandats zugunsten der Kanoniker von Chaumousey.

(1106 Januar).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschriften der Primordia Calmosiacensia des Abtes Seher: Ms. 101 (202) cahier 4, p. 10–11 der Stadtbibliothek zu Épinal, Anf. des 18. Jh. (B). – Ms. 587 (157 no 3) f. 125r–v der Stadtbibliothek zu Nancy, Ende des 18. Jh. (C).

Drucke: Mart ╘ne-Durand, Thes. novus anecdot. 3,1175 no 22 “ex schedis Hugonis abbatis Clarifontis” (m). – Calmet, Hist. de Lorraine 12, preuves 101 (c); 23, preuves 258. – Recueil des historiens des Gaules 1.214,132 no 22 nach m und c. – Jaffé in MGH SS 12,334 aus m und c. – Duhamel, Doc. de l’hist. des Vosges 2,29 “d’une copie du XVIe siècle de la bibliothèque d’Épinal” (S. 2) (d); S. 93 franz. Übers. von 1676, zu 1105 Dezember. – Migne, PL 162,1134 no 22 aus m. – Aus BCmc: Bridot, Chartes de l’abbaye de Remiremont 193 no 30; 290 no 37, zu 1105 Dezember. – Stumpf Reg. –.

Die Chronik Sehers, des ersten Abtes von Chaumousey († 1128), ist offenbar nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten. Wie Perrin, Recherches 379ff. (vgl. schon Ders. in Annales de l’Est IV.1,268ff.) gezeigt hat, beruhen alle handschriftlichen Überlieferungen und Drucke nicht auf dem Original, sondern gehen letztlich zurück auf eine durch zwei gemeinsame größere Auslassungen gekennzeichnete spätere Abschrift; auch die von Duhamel (S. 67ff.) edierte frz. Übersetzung, die nach der persönlichen Schlussbemerkung (S. 134) der Kanoniker von Chaumousey und “procureur de l’abbaye”, Jean de France, im Jahre 1676 angeblich nach dem Originalmanuskript Sehers gefertigt hatte (“collationnée à l’original de Sehère”; gemeint ist wohl lediglich das Beruhen der Übersetzung auf der lateinischen Fassung), hatte wohl keine andere Vorlage (s. auch Perrin, Recherches 381 Anm. 1).

Für den lateinischen Text der Chronik hat übrigens Duhamel aller Wahrscheinlichkeit nach unsere Handschrift B aus dem frühen 18. Jh. benützt, die er allerdings in grober Fehleinschätzung ins 16. Jh. datiert hätte; da aber der von ihm gebotene, teilweise fehlerhafte Text (s. Anm. h, m, o) in nicht deutlich erkennbarer Weise mit Hilfe der älteren Drucke emendiert ist, sich in dieser Gestalt jedenfalls nicht mit B deckt (vgl. Anm. c, e, f, g, k, l, n, q), er auch das Vorhandensein zweier weiterer frz. Übersetzungen neben der von 1676 in unserer Handschrift (vgl. die Empfängerübersicht) unerwähnt lässt, kann die Benutzung einer anderen verlorenen Handschrift nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, weshalb wir seine Lesungen im Apparat notiert haben.

Zur älteren Geschichte des Klosters Chaumousey vgl. zuletzt zusammenfassend Erkens in Hist. Jahrb. 107,7ff. In dem Streit zwischen Chaumousey und Remiremont (zu diesem vgl. Feierabend, Reichsabteien 174ff.), der sich hauptsächlich um die Rechte an der Pfarrkirche Notre Dame (in Chaumousey) drehte, waren schon zwei Mandate P. Paschals II. an die Äbtissin Gisela II. von Remiremont von 1105 Februar 6 (JL 6007; Parisse, Bullaire 25 no 89) und von 1105 Oktober 27 (JL 6045; Parisse a.a.O. no 91) vorangegangen.

In dem zwischen dem letztgenannten Mandat und unserem D.3 stehenden Text berichtet Seher (SS 12,334), dass sich Remiremont unter Berufung auf seine Reichsunmittelbarkeit gegen die Befolgung des päpstlichen Mandats gesträubt hatte (sine rege, ad cuius ditionem abbatia eorum respiciebat, implere non posset; … quod scilicet sine permissu regis hoc facere non posset), jedoch habe der damals als Legat in Lothringen weilende Kardinalbischof Richard von Albano bei einem Besuch am Königshof (contigit interea dominum Richardum Albanum episcopum, qui tunc temporis in partibus nostris legatione fungebatur, Heinrici regis curiam adire) gemeinsam mit dem Archidiakon Reinbald von Toul und (Sehers leiblichem Bruder; vgl. Primordia, SS 12,332; s. Jaffé a.a.O. 324 Anm. 1) Arnulf von Épinal vom König ( adhuc bene catholicus necdum a Romana ecclesia aversus; dies zusammen mit dem Königstitel schließt die Zuweisung von DD.3/4 an Heinrich IV. aus, wie sie Pivec in MÖIG 45,429 Anm. 1 beiläufig vornimmt) die Ausstellung unseres D. erwirkt. – Da alles nichts fruchtete, wurde ein drittes Mandat P. Paschals II. von 1106 April 12 (JL 6078; Parisse a.a.O. no 94) erforderlich, das durch ein wohl frühestens Ende März 1106 anzusetzendes Beschwerdeschreiben Sehers (SS 12,335) veranlasst wurde, in dem Seher außer auf einen zwischenzeitlichen in Gegenwart Richards von Albano, Herzog Theoderichs II. und B. Adalberos von Metz erfolgten Einigungsversuch der Parteien auch auf die königlichen Mandate DD.3/4 Bezug nimmt (sub adhortatione litterarum regis); vgl. zum Ganzen Schumann, Legaten 177f., Exkurs VI.

Die Intervention Richards und die Ausstellung von DD.3/4 ist seit jeher mit dem am 25. Dezember 1105 eröffneten und mit der Inthronisation Heinrichs V. am 5. Januar 1106 endenden Mainzer Reichstag in Zusammenhang gebracht worden. Während die ältere Literatur jedoch behauptete (s. Stüllein, Itinerar 18 Anm. 3; vgl. noch Hüls, Kardinäle 93), Richard habe von Anfang an an dem Mainzer Reichstag teilgenommen, hat Servatius, Paschalis II. 190ff. klargestellt, dass Richard am 26. Dezember 1105 noch in Hirsau weilte und nach Aussage der Hildesheimer Annalen erst am 31. Dezember 1105 in Ingelheim zum Hof stieß und dann an der zweiten Hälfte des Mainzer Tages teilnahm. Damit scheidet eine Datierung von DD.3/4 in den Dezember 1105 aus. Andererseits dürften die ereignisreichen frühen Januartage 1106, wie Stüllein a.a.O. zu Recht betont, keinen Platz für das Vorbringen der Angelegenheit von Chaumousey gelassen haben, so dass Richards Intervention erst nach dem 5. Januar erfolgt sein dürfte. – Wie lange sich Richard danach noch am Hof aufhielt, ist unbekannt; er hat aber vermutlich am 30. Januar 1106 eine Kapellenweihe in Gorze bei Metz vorgenommen (s. Schumann a.a.O. 177), womit die untere Grenze für die Datierung feststünde.

Der Verfasser von DD.3/4, die Erdmann in AfU 16,222 Anm. 4 (zu Anfang 1106) als sehr ungeschickt stilisiert bewertet, ist unbekannt. Ob Notar Adalbert A in Betracht kommt, scheint sehr unsicher, da jedenfalls keine Anklänge an sein nur aus Diplomen bekanntes Diktat erkennbar sind. Vielleicht stammt aber ein Entwurf von Seher, auch wenn in dessen Schreiben an den Papst (SS 12,332, 333, 335) ebenfalls keine Diktatparallelen festzustellen sind. – Auffällig ist der Wechsel vom Aussteller-Plural in der ganzen ersten Hälfte zum Singular in dem Mandats-Satz Quapropter … und nochmals zum Singular im Schluss-Satz.

Zweifellos auf königlichen Einfluss geht die starke Betonung der Übereinstimmung mit Rom zurück (vgl. Servatius a.a.O. 174 Anm. 84). Erst recht gilt dies für die unter Heinrich V. eingeführte und hier erstmals anzutreffende Neuerung, dass das bloße rex der Königs-Intitulatio, wie es noch unter Heinrich IV. die Regel war, um den Zusatz Romanorum (in D.4: Romani regni rex) erweitert ist, wie es dann nochmals im ältesten im Original erhaltenen D. Heinrichs, dem von Notar Adalbert A verfassten und geschriebenen D.9 von 1106 Oktober 17 begegnet und wie es spätestens seit dem D.19, aber wohl auch schon seit den echten Vorlagen von DD. †16- †18 zum festen Diktat des Notars Adalbert A gehört; vgl. dazu Merta in Intitulatio III, 195 (mit Datierung des D.3 zu Dezember 1105).

Stumpf Reg. 3006a bezieht sich auf eine Urkunde B. Ruperts von Würzburg für das Kloster Lambach (UB des Landes ob der Enns 2,126 no 89) mit der Angabe: Acta sunt hęc Magontie, ubi rex Heinricus regni gubernacula in conventu nobilium suscepit. Zu den Quellen über die nach Herbeischaffung der Reichsinsignien aus der Burg Hammerstein am 5. Januar 1106 erfolgte Inthronisation Heinrichs V. vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 5,280 Anm. 1.

Heinricus dei gratia Romanorum rex Gisle abbatisse Romarici Montis salutem cum gratia sua. Quoniam filius et defensor ego sum Romane ecclesie, eidem universali matri mee sub defensione mea posite me obedire per omnia conveniens est; offendere autem matrem meam in aliquo nimium indecens est, quia a preceptis eius recedere periculosum animabus est. Quidquid ergo statuit sancta et venerabilis sedes Romana per manum summi pontificis, ne hoc aliquando cassetur, sed ut ratum et stabile fiat, quoad potero, usque ad mortem laborare non cessabo. Quapropter mandamus et insuper precipimus tibi, ut, quod predicta sedes sanxit de fratribus Calmosiacensis loci, ne presumas aliquomodo frustrare et ex aliqua parte sacrosanctum preceptum exintegrare et ne matrem tuam, cuius filiam te profiteris, non ut matrem sed ut novercam, non ut filia sed ut privigna audeas exacerbare. Quodsi manum ad violanda precepta matris mee extenderis, et odium celestis regis incurres et iram terreni regis, qui gladium pro eius defensione suscepi, non evades. Quia, ut supra dixi, certare pro defensione Romane sedis usque ad mortem non desinam.