Angebliches Original des 12. Jh. auf südlichem Perg. (ca. 18 b :
23,5/25 h) im Tiroler Landesarchiv zu Innsbruck (A); Rückvermerk des
16. Jh.:
littere originales. – Or.-Vidimus des B. Matthäus von Brixen von 1340 Jan. 4 ebenda (dem Or.
beiliegend) (B). – Davon notarielles Transsumpt von 1427 Aug. 12,
Stift Sonnenburg Urk. no
75 ebenda (C). – Notarielles Transsumpt von 1492 Juni 30 ebenda (dem
Or. beiliegend) (D).
Drucke: Aus B: Hormayr, Krit.-dipl. Beytr. z. Gesch. Tirols 1.2,88 no
42 (h). – Aus A nach Roßbichler (u. Hormayr): Sinnacher, Beyträge 2,388 no
82 (s) (mit dt. Übers. a.a.O. 264f.).
Reg.: Stolz, Gesch. d. Landes Tirol 1,149. – Santifaller
in Tiroler Heimat N.F. 5,57 no
1. – Ders. in Österr. Urbare III.5.1,XVIII no
4/II. – Böhmer
Reg. 2070. – Stumpf
Reg. 3166.
Das Original weist, abgesehen von der Verwendung von Elongata für die
1. Zeile und Besiegelung mit einem Kaisersiegel, in seinem äußeren
Bild keine Ähnlichkeit mit einer Herrscherurkunde auf. – Um für das
erst nach der Beschriftung angebrachte Siegel, welches das ganze
untere rechte Viertel des mit je einer waagerechten und senkrechten
Falte versehenen Blattes ausfüllt, Platz zu behalten, füllen die
letzten 8 der insgesamt 21 Textzeilen nur die vordere Hälfte vor der
senkrechten Falte (vgl. Anm. l”).
Der gesamte Text, der dicht am oberen Blattrand einsetzt und am
unteren Rand nur ca. 1,5 cm freilässt, ist mit einem auch für das
Eschatokoll beibehaltenen gleichmäßigen Zeilenabstand geschrieben;
letzteres, in dem die Signumzeile fehlt, ist zudem ganz kanzleiwidrig
vom Kontext nicht einmal durch Zeilenneubeginn abgesetzt, sondern die
ca. drei Halbzeilen beanspruchende Rekognitionszeile schließt in der
14. Zeile an den Kontext an, ebenso wie an diese die über vier
Halbzeilen (17.–21.) füllende Datumzeile.
Das Blatt, das vor allem in der unteren Hälfte und im Bereich der
Querfalte (10. u. 11. Zeile) stark geknittert ist, was hauptsächlich
wohl durch das Gewicht des für das kleine Blatt zu großen Siegels
hervorgerufen wurde, ist überdies am oberen, linken und rechten Rand
sowie ab der 9. Zeile im Bereich der senkrechten Falte durch Mäusefraß
stark beschädigt; die Textverluste (in eckigen Klammern) konnten mit
Hilfe der Kopien und der Drucke (h und s), deren Lesungen mit Ausnahme
rein orthographischer Varianten notiert werden, bis auf eine Ausnahme
(s. Anm. n’) mit einiger Sicherheit ergänzt werden. Als Falsum
erkannten das D. †299 schon Hormayr
a.a.O. 90f., der neben “plura menda diplomatica” vor allem auf die
“monstrosa … comitum nomina” hinwies, und Sinnacher
a.a.O. 265, der pauschal “der Merkmale von Verfälschung so viele”
konstatierte und vor allem das falsche Kaiserjahr (bei ihm
XIII, s. Anm. k”) und die Bezeichnung des Kanzlers Burchard als Erzkanzler
beanstandete. – Während die Entstehung des Falsum, dessen Text
übrigens entgegen vereinzelten Behauptungen der Literatur (vgl.
Vorbemerkung zu D. †297) nicht auf Rasur steht, durchwegs ins 13. Jh.
datiert wird – vgl. Stolz
in Schlern-Schriften 40,567f. und Santifaller
in Tiroler Heimat a.a.O. 57, in Der Schlern 16,339 und in Österr.
Urbare a.a.O. XVIIIf., der fälschlich auch Gleichzeitigkeit mit den
Falsa DD. †297 u. †298 annimmt –, verweisen es die gesamten
Schriftmerkmale eindeutig ins 12. Jh., wegen der einmaligen Verwendung
von i-Strichen bei
ii (s. Anm. o) in dessen Ende.
Wenn Stolz
und ihm folgend Santifaller
a.a.O. XVIII die Nachahmung der Schrift eines Barbarossa-Diploms
behaupten, kann dies nur als allenfalls naheliegende (vgl. unten zur
Devotionsformel), aber unbewiesene Vermutung gewertet werden,
jedenfalls findet sich unter den Faksimilia bei Koch, Schrift d. Reichskanzlei Abb. 38ff. kein auch nur annäherndes
Vorbild.
In Wirklichkeit orientierte sich die im Mittelband eher der
Buchschrift angeglichene Schrift nur ganz allgemein, vor allem mit dem
weiten Zeilenabstand und bei der (ungleichmäßigen) Gestaltung der
Oberlängen-Verschleifungen sowie der teilweise grotesken
ct- und
st-Ligaturen, und insgesamt nur ganz unvollkommen am Vorbilde der
Diplomschrift; das dipl. – Kürzungszeichen, in uneinheitlichen Formen,
verwendete der Fälscher nur vereinzelt in den ersten fünf Zeilen, in
denen schon der sonst verwendete gerade oder gewellte titulus planus
überwiegt; neben Unsicherheiten in der Wahl der Buchstabenformen (zu
zwei verschiedenen
g mit Bevorzugung der gezopften Form vgl. Anm. g und i) und einzelnen
diplomfremden Sonderschreibungen (s. Anm. n und q) ist es vor allem
das
r, das dem Schreiber Schwierigkeiten machte, weil er es vermutlich seinem
sonstigen Schreibusus gemäß in der Regel auf die Zeilenbasis setzte
und erst nachträglich, aber unvollständig, mit einer gezackten
Unterlänge versah.
Von dem plump gefälschten Thronsiegel, das besonders dadurch auffällt,
dass der Herrscher abweichend von der Norm den Reichsapfel in der
Rechten und das (Lilien-)Szepter in der Linken hält (zu wenigen
echten[?] Beispielen dafür aus der frühen Salierzeit vgl. Wibel
in NA 36,310), außerdem durch die übergroße, in ihrer linearen
Gestaltung mit einem hohem Mittelgiebel an einen “Käfig” erinnernde
Krone, lässt sich aufgrund der Legende nur sagen, dass es ein älteres
Kaisersiegel nachzuahmen suchte. Im Formular entspricht allenfalls die
Korroboratio annähernd einem Diplom. Die Devotionsformel, die in der
hiesigen Gestalt von dem wesentlich jüngeren D. †298 nachgeahmt wurde
(vgl. dortige Vorbemerkung), ist eine Kombination aus dem
diplomgemäßen, in D. †297 aus dessen Vorlage beibehaltenen
divina favente clementia und der erst unter Barbarossa auch in Diplome Eingang findenden (vgl. Appelt
in DDF.I. Bd. 5,97), früher Briefen und Mandaten vorbehaltenen
einfachen Formel
dei gratia. – Zu dem einmaligen Konstrukt der Rekognitionszeile ist nur
festzustellen, dass dem unbedarften Fälscher irgendwie bekannt gewesen
sein muss, dass B. Burchard von Münster von Heinrich auf dem 1.
Italienzug als italienischer Kanzler eingesetzt worden war; nachdem
Burchard bereits am 19. März 1118 gestorben ist (vgl. Hausmann, Reichskanzlei 58), scheidet natürlich von vorneherein die
Möglichkeit aus, dass der Fälscher Burchards Namen aus einem D.
Heinrichs V. aus dem Jahre 1120 übernommen hätte; völlig abwegig
erscheint auch die Annahme Kohls in Ecclesia Monasteriensis 18, das Falsum könnte eine “echte
Vorlage” in Gestalt einer “formlosen Aufzeichnung” benützt haben, mit
dem Schluss: “An der Beteiligung Burchards … an dem Rechtsakt ist
nicht zu zweifeln”!
Mit Kohls Behauptung einer echten Vorlage, aus der man mit D. †298 nur ein
“wirkliches Diplom” konstruiert habe, würde sich die Frage nach dem
Ziel des Falsum erledigen. Dies wäre auch der Fall, wenn die Annahme
von Stolz
und von Santifaller
in Österr. Urbare a.a.O. XIX zuträfe, Sonnenburg habe “gewiß” (Stolz) bzw. “vielleicht” (Santifaller) schon seit der Gründung die Immunität besessen (zum Umfang des auf
die Niedergerichtsbarkeit beschränkten “Hofgerichts” der Äbtissin vgl. Stolz
a.a.O. 566ff., ferner vorher Gasser
in Stud. u. Mitt. 9,40, der dieses gleichfalls “seit den ältesten
Zeiten” bestehen lässt). Demgegenüber bezeichnet Jenal
in La regione Trentino-Alto Adige 1,326f. die Frage über den Anfang
des Bestehens der Immunität zu Recht als “offen”.
Das Falsum, mit seiner auffälligen Betonung der tatsächlichen
Kompetenzbeschränkung, würde jedenfalls bei von jeher bestehender
Immunität keinen Sinn machen; möglicherweise waren es Übergriffe des
bischöflichen Grafen als Inhabers der im Falsum ausdrücklich
anerkannten Hochgerichtsbarkeit in die zumindest vom Kloster
beanspruchte Niedergerichtsbarkeit, welche es, zu Ende des 12. Jh.,
angezeigt erscheinen ließen, diese in D. †299 erstmals schriftlich
festzuhalten. Richtig ist im übrigen zweifellos der von Stolz
und Santifaller
aus der Tatsache der 1340 erfolgten Vidimierung des D. †299 durch den
Bischof von Brixen – seit dem DH.IV.424 von 1091 Sept. 2 im Besitz der
Grafschaft im Pustertal – gezogene Schluss, dass dieser damit das
Bestehen der Immunität “sicherlich auch gemäß einer schon lange
feststehenden Auffassung” (Stolz
a.a.O. 568 Anm. 2) anerkannt habe. – Vielleicht ist schließlich auch
vom Fälscher absichtsvoll Brixen als Handlungsort gewählt worden, da
daraus indirekt auf Zustimmung des sachlich betroffenen dortigen
Bischofs geschlossen werden sollte.