Angebliches Original des 13. Jh. auf nördl. Perg. (ca. 15 b : 12 h;
Plica: 1,7–1,9 cm) im Tiroler Landesarchiv zu Innsbruck (A).
Drucke aus A: Hormayr, Krit.-dipl. Beytr. z. Gesch. Tirols 1.2,90 no
43 = Ders., Gesch. d. gefürsteten Grafsch. Tirol 1.2,66 no
9. – Sinnacher, Beyträge 2,387 no
81 aus A nach Roßbichler (mit dt. Übers. a.a.O. 262f.).
Reg.: Hormayr, Gesch. 1.2,2 no
9. – Santifaller
in Österr. Urbare III.5.1,XVII no
4/I. – Böhmer
Reg. 2069. – Stumpf
Reg. 3165.
Die Echtheit des D. †298 wurde schon von Sinnacher
a.a.O. 262f. angezweifelt, der übrigens hinsichtlich der sinnlosen
Zahl
XVIII für die Kaiserjahre, für die es keine vernünftige Erklärung gibt,
darauf hinwies, dass Resch eine Abschrift im Brixener Archiv mit der
Jahreszahl 1020 statt 1120 gekannt habe, wozu das 18. Königsjahr
Heinrichs II. passe, ohne jedoch – wohl angesichts der Jahreszahl des
Originals – das Falsum direkt Heinrich II. zuzusprechen.
Wie bei D. †297 steht der Text des Falsum auf einem Perg.-Blatt,
dessen ursprünglicher Text sorgfältig und restlos getilgt wurde; das
Faktum der Rasur verrät sich äußerlich nur dadurch, dass die von der
Plica verdeckte untere Fläche sowie die Unterseite der Plica etwas
hellere Färbung aufweisen. – An der Niederschrift des knappen Textes
waren zwei Hände beteiligt; von der äußerst ungelenken ersten Hand
stammen nur die kunstlose und in der Buchstabenhöhe ungleichmäßige
Elongata der 1. Zeile sowie in der für die Fortsetzung verwendeten
Normalschrift die beiden ersten Wörter der 2. Zeile, wonach sie, noch
vor Vollendung der Intitulatio, wohl weil der Auftraggeber mit der
Schriftqualität unzufrieden war, von einer anderen geübteren Hand
abgelöst wurde (s. Anm. e); diese zweite Hand, die als Kürzungszeichen
überwiegend den titulus planus verwendete, bietet dafür einigemale (s.
Anm. g, m, o) das dipl. Kürzungszeichen, vielleicht angeregt durch
dessen Verwendung beim letzten Wort der Elongata durch den ersten
Schreiber (s. Anm. d).
Von D. †297 unterscheidet sich D. †298 grundlegend dadurch, dass sich
an der Urkunde ein fast unbeschädigtes, einwandfrei befestigtes und
echtes Siegel Heinrichs (VII.) befindet (s. Anm. x und 1; dem echten
Siegel entspricht insbesondere das spiegelverkehrte
N mit Schrägstrich von links unten nach rechts oben im Namen
HENRICVS). Bei dem für das Falsum geopferten Heinricianum, dessen Text sicher
anders als der neue Text (s. Anm. w), der auf einen (auch in Heinrichs
[VII.] Mandaten üblichen) diplomgemäß vergrößerten Zeilenabstand
verzichtete, bis dicht an die Plica gereicht haben wird, könnte es
sich bei dem Deperditum angesichts des kleinen Blattformats am ehesten
um ein Mandat gehandelt haben, das wegen seiner kurzen Geltungsdauer
ja auch leicht zu opfern war. – Von Heinrich (VII.) besaß das Kloster
übrigens ein weiteres, nur durch den Druck bei Hormayr, Gesch. 1.2,193 (zu ca. 1225) erhaltenes, nach Zinsmaier
in ZGO 100,485 von dem Notar HA verfasstes, in Brixen ausgestelltes
Mandat von 1226 April 22 mit Bestätigung eines Urteils des
Fürstengerichts (B.-Ficker
Reg. 4006; Huillard-Bréholles
2.2,873); vielleicht gehörte das Deperditum in zeitliche Nähe zu
diesem, da das Siegel nur in den Jahren 1220–1229 in Gebrauch war (s.
Anm. 1).
Mit dem Formular einer Urkunde Heinrichs (VII.), auch demjenigen von
B.-Ficker
Reg. 4006, hat der neue Text nun wider Erwarten (fast) nichts gemein,
vielleicht weil man bei der, mangels der Verwendung einer Ordinalzahl
problemlosen, Adaptierung des Siegels für Heinrich V. bewusst eine
vermeintlich ältere Textgestalt wählen wollte.
In den formelhaften Teilen ist nämlich eindeutig die rund 50 Jahre
ältere Fälschung des D. †299 (= VL.; Übereinstimmungen sind durch
Petitsatz gekennzeichnet) zum Vorbild genommen. Für unsere Vermutung,
dass es sich bei dem Deperditum um ein Mandat handelte, könnte
zusätzlich sprechen, dass man dort offenbar kein Vorbild für die
Elongata gefunden hatte, die in Heinrichs (VII.) Kanzlei nur in
Privilegien und privilegienähnlichen Urkunden Anwendung fand (vgl.
dazu die Bemerkungen zu den einzelnen Urkunden in der Liste bei Philippi, Zur Gesch. d. Reichskanzlei unter den letzten Staufern 90–98) und
selbst dort von einzelnen Schreibern weggelassen wurde (vgl. z.B. Zinsmaier
a.a.O. 518).
Als Schriftmuster für die Elongata des D. †298 wählte man zwar
offensichtlich das D. †297 (vgl. Anm. b); jedoch für die Formulierung
des Protokolls, namentlich der Intitulatio mit ihrer Kombination des
divina favente mit
gratia statt
clementia, hatte der erste Schreiber vollständig das D. †299 nachgeahmt; die
bemerkenswerterweise erst vom zweiten Schreiber als Beginn seiner
Arbeit vorgenommene Erweiterung der noch unvollständigen Intitulatio
um
et semper wurde als einziges aus dem Deperditum übernommen (möglicherweise mit
Rücksicht auf den entsprechenden Wortlaut der Siegellegende).
Durch Zinsimaiers, in unseren Augen sträflich irreführend formulierte Behauptung, in
den Privilegien Heinrichs (VII.) kehre “die alte Devotionsformel
divina favente clementia (gratia) wieder” (a.a.O. 469), könnte der Eindruck entstehen, dort begegne, in
ungefähr ausgewogenem Umfang, neben
divina favente clementia als alternative Formulierung
divina favente gratia, so dass die entsprechende Formulierung unseres Falsum einer echten
Urkunde Heinrichs (VII.), also evtl. dem Deperditum, entnommen gewesen
sein könnte. – Eine mühsame Überprüfung von weit über 400 Urkunden
Heinrichs (VII.) – kontrolliert wurden die Drucke bei Huillard-Bréholles
2 S. 719–910, 3 S. 307–476 u. 502–504, 4 S. 555–726 u. 950–955, bei Böhmer, Acta imp. no
315–335, bei Winkelmann, Acta 1 no
445–472 und 2 no
63–72 u. 1240 sowie die von Zinsmaier
an verschiedenen Stellen gedruckten zusätzlichen Texte – führte
jedoch zu einem völlig anderen Ergebnis: Die Kanzleiausfertigungen
kennen entweder nur die Devotionsformel
dei gratia (wie das erwähnte Sonnenburger Stück B.-Ficker
Reg. 4006) oder (in etwa 1/5 der Beispiele)
divina favente clementia, – allein in den drei Empfängerausfertigungen B.-Ficker
Reg. 3893, 3900 u. 3901 begegnet auch die Formulierung
divina favente gratia! – Es wäre doch zuviel des Zufalls, wenn ausgerechnet unser
Deperditum, vorausgesetzt es wäre eine Empfängerausfertigung gewesen,
die Formulierung
divina favente gratia geboten haben sollte.
Keine rechte Entsprechung bei Heinrich (VII.) hat ferner die
Formulierung der Korroboratio (vgl. Zinsmaier
a.a.O. 471). Ob sich das
appensione in dem Deperditum vorgefunden hatte, scheint gleichfalls fraglich: In
den äußerst variablen Korroboratio-Formulierungen der von uns
kontrollierten Drucke war der Begriff nur in insgesamt 10 Texten
anzutreffen (B.-Ficker
Reg. 3900, 3905, 3930, 3998, 4073, 4075, 4131, 4191, 4351, 4380, von
den beiden letzten abgesehen alle von kanzleifremden Händen; außerdem
begegnet die Verwendung von Formen des Verbs
appendere in B.-Ficker
Reg. 3974 u. 3980); vielleicht beruht die gegenüber der VL. variierte
Wortwahl (s. Anm. r) nur auf der Berücksichtigung der tatsächlichen
Besiegelungsart.
Die Datumzeile kennt, über die Entlehnungen aus VL. hinaus, erst recht
keine Parallele bei Heinrich (VII.), dessen Urkunden für die
Tagesangabe nur diejenige nach dem römischen Kalender kennen (vgl. Zinsmaier
a.a.O. 472); die hiesige Formulierung mit
exeunte erinnert eher an den besonders in Italien verbreiteten Usus der
Privaturkunde; aus einer solchen könnte auch die Form der Erwähnung
des Kaisertums geschöpft sein: Hätte die dortige Formulierung etwa
Heinrico … imperium possidente gelautet, wäre durch deren Anpassung an den kaiserlichen Aussteller
des D. †298 am ehesten das für die Datierung einer Kaiserurkunde
völlig ausgeschlossene subjektive
nobis – auch dessen unpassende Verbindung mit dem Singular
possidente – zu erklären. – Übrigens ist allein durch die Erwähnung des
imperium die Benützung eines D. Heinrichs V. aus dem Jahre 1120 ausgeschlossen,
da der damals tätige Notar Heinrich als zusätzliche Jahreskennzahl nur
die Indiktion kannte.
In der vorliegenden Form frei erfunden ist die Zeugenliste: Die beiden
ersten Namen sind zwar wiederum wohl aus dem Kontext der VL.
geschöpft, doch sind aus den dortigen Grafen hier Herzöge geworden;
der relativ seltene vierte Name
Ronzo dürfte wohl dem D. †297 entnommen sein (dort Name des Vogtes B.
Udalrichs von Trient). Der dritte Name
Heimo beruht jedoch ohne Zweifel auf der für D. †297 als VL.II dienenden
Gründungsaufzeichnung (Sinnacher
a.a.O. 379 no
79) bzw. deren Vorlagen (vgl. dazu Vorbemerkung zu D. †297): In der
Notiz über die Gründungsausstattung durch Volkold (a.a.O. 380f.) ist
gesagt, dass er diese
cum manu advocati sui Heimonis vornahm (Heimo eröffnet auch die zugehörige Zeugenliste), und auch in der Notiz über
eine nach dem Tode B. Hartwichs von Brixen († 1039) erfolgte Schenkung
Volkolds (a.a.O. 383f.) ist wieder gleichlautend von der Vornahme
cum manu advocati sui Heimonis gesprochen. – Zur Bezeichnung Volkolds als
levita vgl. Vorbemerkung zu D. †297; ebenda zur Wahl Augsburgs als
Ausstellort. Über die Hintergründe des einen Konflikt zwischen
Äbtissin und Konvent spiegelnden Falsum ist nichts bekannt; Zweck war
jedenfalls, eine Abhängigkeit der geistlichen und weltlichen
Verwaltungstätigkeit der Äbtissin vom Konvent – dem durch den Text
implicite auch das Wahlrecht attestiert wird – schon in die Anfangszeit des Klosters zu verlegen,
die man offensichtlich, wie besonders deutlich das Faktum der
angeblichen Petition Volkolds und insgesamt die Herstellung aller drei
Sonnenburger Falsa auf seinen Namen (s. dazu D. †297) zeigen, mit
Heinrich V. bzw. seiner Zeit in Verbindung brachte. – Falls der
Hauptschreiber, dem in dem kurzen Text neben der Notwendigkeit von
Korrekturen (s. Anm. k, n) auch Fehler unterliefen (s. Anm. i, l, q,
v), zugleich der Verfasser war, verrät er sich als mangelhafter
Diktator, sonst hätte er in der Dispositio leicht Ungültigerklärung
bisheriger Maßnahmen der Äbtissin und deren künftige Bindung an den
Rat des Konvents in einem Satz zusammenfassen können.