Angebliches Original aus dem Ende des 12. oder dem frühen 13. Jh. auf
südlichem Perg. (Palimpsest; ca. 39,5/40,5 b : 40/40,5 h) im Tiroler
Landesarchiv zu Innsbruck (A).
Drucke: Aus Transsumpt von 1427: (Bonelli), Notizie istor.-crit. di Trento 2,363 no
11. – Nach Abschrift Reschs aus Abschrift: Sinnacher, Beyträge 2,384 no
80 (mit dt. Übers. a.a.O. 259ff.). – Aus A: MGH DH.II. †527 zu 1018
Juni 26. – Hirsch
in MIÖG Erg.-Bd. 7,475f. Auszug in Paralleldruck mit DF.I.174. Reg.: Stolz, Gesch. d. Landes Tirol 1,148 zu 1018. – Santifaller
in Österr. Urbare III.5.1,XIII no
3. – Stumpf
Reg. 1710 zu 1018 Juni 26 und Reg. 3164a zu (1120) Juni 25 (!).
D.†297 gehört zu der noch die DD.†298 und †299 umfassenden Gruppe von
Sonnenburger Falsa auf den Namen Heinrichs V., die gemeinhin ins 13.
Jh. bzw. genauer in dessen Anfang datiert werden, vgl. zuletzt Santifaller
a.a.O. XIII, XIV u. XVIII. Letzterer behauptet zudem (a.a.O. XVIII),
alle drei Stücke seien “vermutlich gleichzeitig” entstanden, wovon
jedoch auf gar keinen Fall die Rede sein kann: Gegen Gleichzeitigkeit
der drei Falsa, die auch keinen inhaltlichen Zusammenhang aufweisen,
spricht schon auf den ersten Blick das völlig verschiedene Aussehen,
darüberhinaus die Tatsache, dass sie von drei verschiedenen Händen
stammen, deren Schrift auch eine einigermaßen zuverlässige Datierung
der einzelnen Stücke erlaubt.
Aufgrund der Schrift steht das D.†299 zeitlich an der Spitze und
gehört jedenfalls noch vor das Ende des 12. Jh.; unser D.†297 könnte
noch dem Ende des 12. Jh. oder auch dem Anfang des 13. Jh. zuzuweisen
sein (s. unten); jüngstes Stück ist D.†298, das sowohl wegen seines
echten Heinrich (VII.)-Siegels als auch aufgrund der Schriftmerkmale
wohl in das 2. Viertel des 13. Jh. gehört. – Eine einzige, auffällige,
allerdings keineswegs auf gemeinsame Genese hinweisende, Gemeinsamkeit
mit D.†298 weist D.†297 insofern auf, als beide (D.†297 mit Ausnahme
des Chrismon, vgl. Anm. a) auf Rasur eines sorgfältig beseitigten
ursprünglichen Textes stehen; zu D.†297 vgl. Hirsch
a.a.O. 475 Anm. 1. – In Vorbemerkung zu DH.II. †527, bei Posse, Kaisersiegel 5,110 no
17 (zu D.†299 s.a. 117 no
12) und bei Santifaller
in Der Schlern 16,339 werden irrigerweise alle drei Falsa als
Palimpseste gewertet (von Santifaller
in Österr. Urbare a.a.O. XIII u. XVIII ist diese Wertung nur für
DD.†297 u. †298 wiederholt).
Vom getilgten Text unseres D. sind keine Spuren mehr erkennbar. Es
gibt jedoch Hinweise darauf, dass und wie das Blatt, das heute je drei
waagerechte und senkrechte Falten aufweist, nach der ersten
Beschriftung gefaltet war; ob die drei das Blatt gleichmäßig
viertelnden waagerechten Falten aus der Zeit nach der ersten
Beschriftung stammen und demnach schon bei der neuen Beschriftung
vorgefunden wurden und daher auf sie Rücksicht zu nehmen war, lässt
sich nicht mit Sicherheit sagen, da die obere Querfalte genau zwischen
der 6. und 7. und die mittlere unterhalb der letzten (= 16.)
Kontextzeile verläuft.
Vielleicht war aber ursprünglich diese mittlere die einzige Querfalte;
denn auch von den drei senkrechten Falten gehören offensichtlich nur
die zwei seitlichen, das Blatt nur ungefähr drittelnden Falten (die
rechte, die links am Siegel vorbeiläuft, ist deswegen zur Mitte hin
verschoben) nach die zweite Beschriftung, während die genau in der
Mitte des Blattes und in ungleichmäßigem Abstand zu den seitlichen
verlaufende mittlere Falte ohne Zweifel in die Zeit nach der ersten
Beschriftung gehört und die einzige senkrechte Falte gebildet hatte;
bei der neuen Beschriftung war diese, und nur diese, nämlich offenbar
hinderlich: zwar ist in sieben der insgesamt 16 Kontextzeilen bruchlos
über diese Falte hinweggeschrieben, doch in der 1., 3.–6. und 12.–15.
Zeile wurde durch eine vergrößerte Wortfuge zwischen den beiderseits
der Falte stehenden Wörtern auf diese Rücksicht genommen (vgl. Anm. d
mit Verweisen).
Der alte Text muss auch, falls für ihn nicht größere Schrift und
größerer Zeilenabstand, wie ihn jedenfalls VL.I. (s. unten) aufweist,
verwendet worden waren, einen fast doppelt so großen Umfang wie D.†297
gehabt haben, da die untere Blatthälfte bis auf die von der
Schlusszeile des Kontexts (s. oben) abgesetzten Datum- und
Signumzeilen (s. Anm. ag) leer blieb; dies war wohl auch der Grund
dafür, warum heute der untere Blattrand in Höhe von ca. 5 cm nach Art
einer Plica (als solche offenbar von Santifaller
a.a.O. XIII aufgrund seiner Höhenangabe von 25,5 cm [statt 35,5!]
angesehen) hochgeschlagen ist (diente gleichzeitig dem Schutz des Siegels, dessen unteres Drittel dadurch
abgedeckt worden war).
Die schon von Sinnacher
a.a.O. 259 u. 261f. als solche verdächtigte Fälschung verwendete nach Hirschs Feststellungen (a.a.O. 474ff.) als Textgerüst das weitgehend
wörtlich ausgeschriebene DF.I.174 von 1157 Juli 5 (= VL.I) für das in
Luftlinie ca. 20 km w. Sonnenburg gelegene Neustift b. Brixen; zu
Beziehungen zwischen Sonnenburg und Neustift vgl. Hirsch
a.a.O. 476f. Die von Barbarossas Notar Rainald C (zu ihm vgl. DDF.I.
Bd. 5,55f.) mundierte VL.I lieferte aber auch (vgl. a.a.O. 477) das
Schriftvorbild zumindest für die von Hirsch
als direkte Nachzeichnung bezeichnete Elongata der 1. Zeile (zur
Kürzung von
sancte s. Anm. c, zur
orum-Endung s. Anm. d und ah) und der Signumzeile und insbesondere für die
Zeichnung des Chrismon (vgl. das Faksimile des DF.I.174 bei Gottschalk
in Vierteljahr.-Schr. Schlesien 8,156 Taf. I); auch in der
Kontextschrift sucht der Schreiber, allerdings mit etwa auf die Hälfte
verringertem Zeilenabstand, das Muster von VL.I weitgehend nachzuahmen
(z.B. gleiches dipl. Kürzungszeichen, wie dort Wechsel zwischen
stehendem und dort bevorzugtem schrägen
d, aber u.a. uneinheitliche Gestaltung der Oberlängenverschleifungen,
zwei
g-Formen, das
r mit oder ohne Unterlänge), was die Datierung erschwert, jedoch spricht
u.a. die Bevorzugung von langem Schluss-s für Entstehung vor dem Ende des 12. Jh. Das an D.174 befindliche
Kaisersiegel Barbarossas (s. Anm. 2) war schließlich nach Hirsch
(a.a.O. 478 mit Anm. 1–4; s.a. Wibel
in NA 36,310) auch die Vorlage für das kunstlos gefälschte Siegel an
unserem Falsum, wohingegen in DH.II.†527 Anm. m an ein Siegel
Heinrichs (VII.) oder Friedrichs II. als Vorlage gedacht war, ebenso
bei Posse
a.a.O. 2,17 zu Taf. 37 no
5, der sich jedoch später a.a.O. 5,110 no
17 Hirschs Ansicht anschloss.
Durch die Feststellung der vollständigen Abhängigkeit des Rahmentextes
des Falsum von VL.I entfällt mit Hirsch
a.a.O. 478 jede Möglichkeit, an die Benützung eines echten Diploms
Heinrichs II. zu denken. Verfehlt ist es allerdings, wenn Hirsch, ausgehend von seiner Annahme, der Fälscher sei “allem Anschein nach
der Meinung” gewesen, die Gründung des Stifts falle in die
Regierungszeit Heinrichs II., von einer “Nennung Heinrichs II.” (in
unserem D.) spricht, was auch für die entsprechende Formulierung in Santifallers Frage a.a.O. XV (vorher schon in Der Schlern 16,340) gilt, warum der
Fälscher “gerade auf den Namen K. Heinrichs II. als Aussteller” kam; Santifaller
will aufgrund einiger Hinweise auf “Beziehungen Heinrichs II. zur
Brunecker und Sonnenburger Gegend” (a.a.O. XVff.) sogar nicht
ausschließen, dass Heinrich II. “mindestens an den Anfangsstadien der
Errichtung des Stifts irgendwie beteiligt war”, und für das 13. Jh.
die lebendige Erinnerung “an eine Beteiligung Heinrichs II. an der
Gründung von Sonnenburg” für möglich halten.
Einerseits kommt jedoch eine Beteiligung Heinrichs II. († 1024 Juli
13) selbst an den “Anfangsstadien” mit Sicherheit nicht in Betracht,
da auch nach Ansicht beider Autoren (zu Hirsch
vgl. seinen Hinweis a.a.O. Anm. 5 auf Redlich) die Gründung vermutlich erst einige Jahre nach Heinrichs II. Tod
erfolgte (s. unten). Andererseits “nennt” der Text unseres Falsum,
angesichts fehlender Ordinalzahl (fehlt auch DD.†298 u. †299), ja
nirgendwo “Heinrich II.”, sondern in Intitulatio und Signumzeile nur
den Kaiser
Heinricus, und es spricht auch nichts dafür, dass zumindest der Fälscher an
Heinrich II. gedacht haben sollte, im Gegenteil: Nachdem die vier
Zeugen alle in die Zeit Heinrichs V. gehören (s. unten), kann auch
nicht daran gezweifelt werden, dass es sich bei der sonst gänzlich
sinnlosen Jahreszahl
MXVIII um eine Verschreibung für
MCXVIII handelt; die Korrektur zu 1120 bei Stumpf
Reg. 3164a erklärt sich als Angleichung an die Daten von DD.†298 und
†299.
Absolute Klarheit lässt sich nicht gewinnen, und es muss eingestanden
werden, dass der Deutung des D.†297 als Falsum auf den Namen Heinrichs
V. insbesondere die anachronistische – allerdings auf VL.II (s. unten)
beruhende – Nennung eines Bischofs Udalrich von Trient als Petent im
Wege zu stehen scheint; doch verliert auch dieses Argument an Gewicht,
wenn man sieht, dass das eindeutig auf Heinrich V. gemünzte und auf
1120 datierte D.†298 einen noch krasseren Anachronismus aufweist,
indem es den Klostergründer Volkold als Petent (bei Heinrich V.)
auftreten lässt. Die Fälscher des 12./13. Jh. waren offensichtlich
nicht im Stande, zeitlich weit getrennte Vorgänge auseinanderzuhalten.
Der fremde Textrahmen der VL.I erhielt seine Adaptation für Sonnenburg
durch in diesen eingestreute Nachrichten, die vermutlich aus einer
über Gründung und Ausstattung des Klosters berichtenden, von
DH.II.†527 als einzige Vorlage gekennzeichneten Aufzeichnung (= VL.II)
geschöpft sind, die in ihrer lateinischen Fassung nur durch die Drucke
bei Hormayr
(Krit.-dipl. Beytr. z. Gesch. Tirols 1.2,37 no
13) und Sinnacher
(a.a.O. 379 no
79) erhalten sind; vgl. die davon abhängigen Teildrucke bzw. Auszüge
bei Jaksch, Mon. duc. Carinthiae 3,103 no
246 und Huter, Tiroler UB 1.1,33 no
54; bei den Zitaten aus VL.II in den Anmerkungen halten wir uns an
den Druck Sinnachers (= s), der – bei Benützung der zweifellos gemeinsamen Vorlage –
gegenüber Hormayr
(= h) stellenweise den besseren Text bietet (vgl. Anm. b’, d’, l’,
p’, q’, m”). Zur Redaktion der Aufzeichnung vgl. Santifaller
a.a.O. XIff., wonach die ohne Zweifel auf verschiedenen Vorlagen, in
Gestalt von (originalen?) Aktaufzeichnungen (dies beweisen insbesondere die eingestreuten insgesamt vier Zeugenlisten zu
verschiedenen Einzelakten), beruhende Kompilation nach 1039, dem
Todesjahr des im Text (Sinnacher
a.a.O. 380 u. 383) als verstorben erwähnten B. Hartwich von Brixen
(1022–1039), einsetzte und sich evtl. bis “vor den Anfang des 13. Jh.”
hinzog. Nach unserem Dafürhalten fielen Endredaktion der Aufzeichnung
und Fälschung des D.†297 vermutlich sogar zeitlich zusammen (vgl. dazu
weiter unten zu
fratris nostri).
Der ohne sinnfälligen Zusammenhang mit dem Vorangehenden dastehende
Abschluss der lateinischen Aufzeichnung (Sinnacher
a.a.O. 384), mit
Anno dominicae incarnationis MCLVIV, mense febiuario 8. ipsius, feria
VI., in Augusta civitate, ist schließlich ganz ohne Zweifel auch die Quelle, aus der unser
Falsum den Ausstellort Augsburg (auch in D.†3165) bezog. Die unsinnige
Jahreszahl, die in Hormayrs und Sinnachers Vorlage nach deren Angaben von späterer Hand in
1039 geändert worden war, muss übrigens nach Huter
a.a.O. 34 aufgrund des Wochentages zu 1051 korrigiert werden, in
welchem Jahr Heinrich III. am selben Tage, dem 8. Februar (D.260), und
am 10. Februar (D.261) in Augsburg urkundete. Nach Huter
gehörte dieses Datum zu dem von ihm inhaltlich referierten, nur in
einer deutschen Übersetzung der Aufzeichnungen aus dem 16.(!) Jh.
(Landesarchiv, Stift Sonnenburg Urk. 1@/2. Papier-Libeil aus 6
Blättern mit notarieller Beglaubigung von 1640[!] Sept. 1) am Schluss
(a.a.O. f. 5v–6r) enthaltenen, in die lat. Fassung mit Ausnahme der
Datierung nicht übernommenen, mit dieser Datierung (Jahreszahl:
aintausent vnnd neunundfunffzigisten) eröffneten Bericht über eine Hofgerichtssitzung Heinrichs III. in
einem Besitzstreit zwischen B. Udalrich II. von Trient und Stift
Sonnenburg (vgl. auch Santifaller
a.a.O. XII, der versehentlich von Heinrich IV spricht).
Ein Bündel von Problemen, das zusätzlich durch die teilweise unsichere
Genealogie der Gründerfamilie fast unlösbar wird, enthält der von dem
Fälscher äußerst ungeschickt und vermutlich fehlerhaft aus VLL I und
II zusammengestückelte Satz
qualiter nos preces domini Ǒdalrici … et
dilecti fratris nostri cuiusdam … Uolcholdi … admisimus, mit seinem durch seinen grammarischen Bezug auf den Aussteller
(gleichgültig ob H.II. oder H.V.) sinnlosen
nostri. – Da nur einmal die Kopula
et verwendet ist, müsste nach dem vorliegenden Text alles ab dem
et zu
Uolcholdi gehören; eine gewisse Heilungsmöglichkeit ergäbe sich, wenn man den
Ausfall einer zweiten Kopula vor
cuiusdam annähme, da dann das
dilecti fratris nostri zum vorangehenden
Ǒdalrici gezogen werden könnte, was eine Deckung durch VL.I hätte, wo der – als
einziger Petent genannte – B. Eberhard II. von Bamberg (1146–1170) das
vorangestellte Attribut
dilectissimi nostri hat (s. Anm. p). – Diese Lösung scheitert jedoch daran, dass nicht zu
erklären wäre, wie die nur der Papsturkunde eigene Bezeichnung eines
Bischofs als (geistlicher)
frater in eine Kaiserurkunde gelang@ sein könnte. – Zu einem befriedigenden
Ergebnis gelangt man aber auch nicht, wenn man das
fratris nostri (im Sinne eines leiblichen Bruders) doch auf Volkold bezieht und
annimmt, der Fälscher könnte noch unmittelbar eine der Vorlagen von
VL.II, evtl. die Aufzeichnung über die Gründung durch Volkold,
herangezogen haben; es erscheint nämlich unvorstelloar, dass die
darüber, vermutungsweise als Aktnotiz, gefertigte Aufzeichnung
subjektiv formuliert gewesen und Volkold für sich den Plural verwendet
haben sollte, was allein das
nostri erklären könnte.
Insbesondere aber hatte Volkold offensichtlich keinen Bruder des
Namens Udalrich, der mit einem gleichnamigen Bischof von Trient
identifiziert werden könnte: Die vollständigsten genealogischen
Nachrichten über die Familie bietet ein, durch ein notarielles
Transsumpt von 1486 erhaltener, Auszug aus dem wohl um 1200
entstandenen “Liber fundacionis” des Klosters St. Georgen a. Längsee
in Kärnten (ca. 20 km nö. Klagenfurt), der sich auf
quedam ab inicio posita de genealogia cuiusdam quondam comitis Otwini
et sui filii Vollholdi, fundatoris in Sunneburg, konzentriert (Jaksch, Mon. duc. Car. 3,80 no
204, das Zitat a.a.O. 85; s.a. Santifaller
a.a.O. Xff.). Danach hatten Volkolds Eltern, der Graf Otwin im
Pustertal und Lurngau († 1019 Jan. 6), und seine Gemahlin, die
Aribonin Wichburch (s. Tyroller, Genealogie Taf. 1 no
16), Schwester des EB. Hartwich von Salzburg (991–1023) und Stifterin
des
in sui iuris predio (Jaksch
a.a.O. 83) errichteten Klosters St. Georgen, neben dem offenbar
jüngsten (a.a.O. 82) Volkold, der vermutlich unverheiratet bzw.
kinderlos geblieben war, noch drei weitere Sonne mit den Namen Gerloch
(früh verstorben), Hartwich und Heinrich (a.a.O. 84), von denen nur
Heinrich zweimal verheiratet gewesen war und Kinder hinterlassen
hatte; außerdem vier Töchter, von denen drei namentlich bekannt sind
und zwei Hiltiburch und Perchkund, nacheinander die 1. und 2. Äbtissin
von St Georgen warden während die nach der Mutter benannte jüngste
Tochter
Wichburch (adhuc in cunab@s iacens) einem
magnus quidam principum Saxonie zur Frau gegeben wurde, der zuvor um die Hand der Perchkund angehalten
hatte (a.a.O. 83f.).
Mit Hilfe des Namens dieser jüngsten Otwin-Tochter Wichburch glaubte Jaksch
in Forsch. u. Mitt. 3,233f. die verwandtschaftliche Zugehörigkeit des
B.
Ǒdalricus des D.†297, den er – richtig – mit B. Udalrich II. von Trient
(1022–55) identifiziert, klären zu können, wofür er sich auf zwei zur
Stammanlage gehörende Nekrolog-Einträge in dem Tridentiner
“Calendarium Ulricianum” stützte, das inzwischen von Rogger
in Mon. liturg. eccl. Tridentinae 1 ediert wurde (Lesungen im Folgenden
nach den dort beigegebenen Faksimilia): zu April 27 (f. 3v, Rogger
a.a.O. 241 und Taf. 20):
Ob(itus) Vuillipirge matris Ǒdalrici ep̄i, sowie zu Nov. 30 (f. 7r, a.a.O. 259 und Taf. 27):
Ob(iit) Arbo pater Ǒdalrici primi (das
p̄m̄i mit Stellung des Kürzungsstriches über
p und erstem Schaft des
m ist mittels teilweiser Rasur des
e von späterer Hand aus
ep̄ī
verb., anscheinend derselben Hand, von der auf f. 2v, a.a.O. 237 und
Taf. 18, zum 25. Febr.
Ůdalricus ep̄s obiit scd̄s eingetragen ist; dieser Eintrag war sicher der Anlass für die Änderung
primi). Jaksch, der einerseits das
primi des
Arbo-Eintrages übersehen haben muss, obwohl schon Ladurner
in Archiv f. Gesch. Tirols 5,141 die Nekrologeinträge richtig auf B.
Udalrich I. (ca. 1006–1022), den unmittelbaren Vorgänger B. Udalrichs
II., bezogen hatte (dieser sieht fälschlich auch in B. Udalrich I. den
angeblichen Petenten des D.†297), wollte zusätzlich das
Vuillipirga (bei ihm
Wilpurga) als Verschreibung für
Wichpurga erklären und meinte so, in den beiden Personen des Nekrologs die
Eltern B. Udalrichs II. gefunden zu haben (Bezug auf B. Udalrich I.
lehnt er ausdrücklich ab), indem er dessen Mutter mit der
Otwin-Tochter und Volkold-Schwester Wichburch und den Vater
Arbo (bei ihm
Aribo) mit dem “sächsischen Fürsten”, dessen Namen der St. Georgener Auszug
(Jaksch, Mon. 83f.) angeblich “sorgfältig verschweigt” (Jaksch, Forsch. 234), identifizierte, worin ihm auch Schadelbauer
in Der Schlern 6,284 folgt.
Bei Jakschs Interpretation wäre der Text des D.†297, bei Vernachlässigung aller
Anachronismen, gewissermaßen partiell zu “heilen”, wenn (bei
Identifizierung des
Ǒdalricus mit B. Udalrich II. s. unten) statt des
fratris dort
nepotis eingesetzt würde; vielleicht meint dies Santifaller
in Der Schlern 16,340, wiederholt in Österr. Urbare a.a.O. XVII, wenn
er B. Udalrich II. von Trient als Enkel Otwins und Neffen Volkolds
bezeichnen (s.a. Huter
a.a.O.) – Falls das
fratris nostri doch irgendwie auf eine Quelle zurückgeht, könnte die Verwendung des
falschen Begriffs
frater statt
nepos (Volkolds) durch den weiten zeitlichen Abstand der Fälschung des
D.†297 – und der Redaktion der Vorlagen – zu erklären sein (vgl. dazu
oben). Dass nämlich von den Fälschern insgesamt zuverlässige
Informationen verwerten wurden, dürfte sich auch daraus ergeben, dass
die in VL.II and ebenso in D.†298 für Volkold verwendete Bezeichnung
als
levita (s. Anm. q) offensichtlich zutreffend ist; denn auf dem von Sinnacher
a.a.O. 254 u. 267 und von Gasser
in Stud. u. Mitt. 9,41f. erwähnten und beschriebenen, von Sonnenburg
an die Pfarrkirche des benachbarten St. Lorenzen übertragenen, wegen
seiner deutschen Inschrift sicher erst spät entstandenen Grabstein
Volkolds, der sein Todesjahr mit 1041 (und als Gründungsjahr des
Klosters 1018) angibt, ist er in knieender Stellung als Diakon
wiedergegeben (nach Gasser
soll er sich nach erfolgter Gründung als Klausner in der Nähe des
Klosters niedergelassen haben).
Aufgrund des handschriftlichen Befundes, der zusätzlich durch das
Vorkommen des Namens
W@pirgae in dem @m Calendarium enthaltenen “Ordo laicorum vel feminarum”
(a.a.O. 229 als 8. Name vorangehena als 4. Name
Arbonis) gestützt wird, verwirft Rogger
a.a.O. 48 die von Jaksch
vorgenomm@ Korrektur des Frauennamens und dessen durch das
primi obsoleten Bezug der Namen des Nekrologs auf die Eltern B. Udalrichs
II.; er selbst vermutet ohne konkretere Belege in Udalrichs I. Vater
einen Angehörigen der Aribonen (a.a.O. 47 u. 136f.) und in seiner
Mutter eine Angehörige der Grafen von Ebersberg (a.a.O. 47 u. 138), zu
beiden vgl. Tyroller
a.a.O. Taf. 1 u. 2.; Ladurner
a.a.O. 137ff. (vgl. Stammtafel S. 181) sieht in
Arbo den Spitzenahn der Grafen von Flavon am Nonsberg (Val di Non), der
späteren Vögte von Sonnenburg.
Damit ist das Problem jedoch noch nicht gelöst; denn während Rogger
a.a.O. 48 wie Ladurner
(s. oben) in dem angeblichen Petenten des D.†297 B. Udalrich I. sehen
möchte, kann aufgrund des Sonnenburger Gründungsdatums (s. unten)
nicht bezweifelt werden, dass es sich um B. Udalrich II. handelte, von
dem übrigens Rogger
a.a.O. 49f. nahe Verwandtschaft mit B. Udalrich I. für möglich hält
Und ebenso sicher erscheint, daß B. Udalrich II., der in D.†297 nicht
nur als Petent, sondern auch als maßgeblicher D@t@or erscheint und der
letztlich wohl auch die Unterstellung des in der Brixener Diözese
gelegenen Klosters unter das ferne Trient erreichte, mit Volkold
verwandt gewesen sein muss. – Nachdem er kein Bruder Volkolds war,
wäre in Betracht zu ziehen, dass es sich um einen Sohn seines Bruders
Heinrich handelte und er damit wirklich ein Neffe Volkolds gewesen
wäre.
Die klare Aussage des “Liber fundacionis” über 4 Söhne Otwins wird
übrigens durch Redlich
in Zs. d. Ferdinandeums @.F. 28,20ff. (s.a. 11) in anderer Weise
dadurch in Frage gestellt, dass er Otwins Sohn Hartwich mit B.
Hartwich von Brixen (1022–39), der bei Volkolds erster Tradition als
anwesend genannt wird (Sinnacher
a.a.O. 380), gleichsetzt und demgemäß den als dessen Bruder bekannten
Grafen Engelbert als weiteren Sohn Otwins und Bruder Volkolds
postuliert, worin ihm schon Sinnacher
a.a.O. 205ff. u. 239 sowie Ladurner
a.a.O. 138ff. vorangegangen waren (ebenso noch Gasser
a.a.O. 39, der ausdrücklich von “5 Söhnen” Otwins spricht); Egger
in Archiv f. österr Gesch. 83,43@ff., der wie Redlich
(a.a.O. 20) Otwins Familie als Seitenzweig der Aribonen ansieht, gibt
Otwin sogar n@k einen 6. “jüngeren” Sohn namens Meginhard.
Obwohl Jaksch
a.a.O. 82 Redlichs Identifizierung des Hartwich und die Erweiterung der Zahl der Söhne
Otwins um Engelbert zurückgewiesen hatte (s.a. Schadelbauer
a.a.O. 281ff.), begegnet der Fehler noch jüngst (1986) bei Jenal
im Kongressbericht La regione Trentino-Alto Adige 1,323f., der sogar
(Anm. 62) nur “3 Söhne” Otwins kennt (Volkold, B. Hartwich, Gr.
Engelbert); Rogger, der (a.a.O. 117) die Hypothese von B. Hartwich als Sohn Otwins
verwirft, bezeichnet andererseits (a.a.O. 146) ohne nähere Begründung
B. Hartwich als “cugino” Volkolds.
Nach Tyroller
a.a.O. Taf. 5 no
18 u. 19 (s.a. Rogger
a.a.O. 117) gehören B. Hartwich und sein Bruder Engelbert IV. († ca.
1040, Graf im Inn- und Norital und im Pustertal) zum Geschlecht der
Sieghardinger (Eltern der Chiemgaugraf Engelbert III. [a.a.O. Taf. 5 no
11] und die Aribonin Adala [a.a.O. Taf. 1 no
23; dort ist irrtümlich Engelbert IV. als ihr Gemahl bezeichnet]),
ebenso wie ihr von Egger
als Bruder B. Hartwichs angesehener Neffe Meginhard (Tyroller
a.a.O. Taf. 5 no
27). – Der in den Quellen kaum auftretende Otwin-Sohn Hartwich
hingegen, von dem nur an einer einzigen Stelle als Sohn Wichburchs die
Rede ist (Jaksch
a.a.O. 84), war offenbar Mönch in dem Aribonen-Hauskloster Seeon, in
dem seine Mutter beigesetzt war und wo auch das Gedenken seines
Bruders Gerloch begangen wurde, vgl. dazu Tyroller
a.a.O. Taf. 1 no
16.
Als Zeitpunkt der Gründung des Klosters, für die in der älteren
Literatur lange das dem D.†297 entnommene Jahr 1018 angegeben wurde
(s. Santifaller, Österr. Urbare a.a.O. IX Anm. 1), nennt zuletzt Riedmann
in Gesch. d. Landes Tirol 21,352f. u. 397 wohl zutreffend die Zeit “um 1030”. Seit Redlich
a.a.O. 26 Anm. 1 dient als Datierungshilfe die Regierungszeit B.
Hartwichs von Brixen, wobei Redlich
an dessen spätere Regierungszeit dachte (ähnlich Humberdrotz, Chron. d. Kl. Sonnenburg 1,11 Anm. 11; Santifaller
a.a.O. IXf. u. XII [von ihm in Der Schlern 16,339f. noch in Frage
gestellt]; Jenal
a.a.O. 323 gibt dafür “zwischen 1030 und 1039” an; Stolz
in Schlern-Schriften 40,566 hat fälschlich noch “bald nach 1020”
angegeben).
Ein zeitlicher Abstand zum Jahre 1022, das auch durch den
Regierungsantritt B. Udalrichs II. von Trient in diesem Jahr als
Terminus post quem feststeht, ergibt sich aber insbesondere daraus,
dass beim Tode Otwins (1119), der auf seiner Burg Sonnenburg gestorben
und nach St. Georgen überführt worden war, dort noch die 1. Äbtissin,
seine Tochter Hiltiburch, im Amt war, als jedoch Volkold als erste
Äbtissin für Sonnenburg seine
neptis Wichburg (Tochter seines Bruders Heinrich) aus St. Georgen postulierte
(s. Anm. v), amtierte dort schon die 2. Äbtissin Perchkund (vgl. Sinnacher
a.a.O. 379).
Sowenig wie für D.†297 ein echtes D. Heinrichs II. die Vorlage
gebildet hat, kommt als solche ein verlorenes D. Heinrichs V. für
Sonnenburg in Frage. In Vorbemerkung zu DH.II.†527 ist zwar die
zutreffende Vermutung geäußert, die Zeugen könnten einem D. Heinrichs
V. entnommen sein, doch ist ein solches Diplom für einen Empfänger,
der für den Sonnenburger Fälscher erreichbar gewesen wäre, nicht
erhalten; man wird kaum an das D.117 für St. Lambrecht von 1114 denken
können, das – nach den älteren DD.34 u. †39 von 1108 – einzige spätere
D., in dessen Zeugenliste alle vier gemeinsam erscheinen; Diepold ist
übrigens in Heinrichs Diplomen, in denen er durchwegs nur die
Bezeichnung
marchio führt (nur in D.36 mit dem Zusatz
Baioarię), nie nach Vohburg zubenannt; auch Hz. Welf II., dessen Todestag (†
1120 Nov. 24) den spätesten Termin für ein in Frage kommendes D.
bildet, hat fast immer nur den Titel
dux ohne Zusatz (vgl. Vorbemerkung zu D. †40) – Befremdlich erscheint die
seiner Ansicht nach “kaum einem Zweifel” unterliegende Behauptung Hirschs (a.a.O. 476 mit Anm. 2), die Erwähnung B. Hartwigs von Regensburg in
D.†297 sei auf den Einfluss von Barbarossas D.174 (VL.I)
zurückzuführen, zumal es sich um zwei verschiedene Personen handeln
würde, bei dem in Heinrichs V. Diplomen (also DD.117 u. †297)
genannten um Hartwig I. (1106–1126) und in DF.I.174 um Hartwig II.
(1155–1164). Nachdem unser Falsum in einem aufwendigen Verfahren
zustande gekommen ist, indem ein zunächst unter Anlehnung an DF.I.174
zu Pergament gebrachter erster Text, von dem nur noch das
stehengebliebene Chrismon zeugt (s. Anm. a), durch den auf dessen
Rasur stehenden zweiten Text ersetzt wurde, stellt sich die Frage,
inwiefern sich der zweite vom ersten Text unterschied und welchem Ziel
zumindest der zweite Text diente. Falls der erste Text vielleicht eine
fehlende Gründungsurkunde ersetzen sollte und in diesem Fall die
Gründungs- und Dotationsbestätigung enthalten hatte – einen anderen
Inhalt kann man sich eigentlich nicht vorstellen –, könnte der zweite
Text der Aufnahme des aus VL.II übernommenen Passus
Decernimus quoque … (Z. ■ff.) gegolten haben, der die Möglichkeit der Abschüttelung der
Vogtei des Bischofs von Trient eröffnen sollte.
Eine Stütze für diese Vermutung könnte die als Original erhaltene
Urkunde über die Stiftung St. Georgens durch Wichburch (Jaksch
a.a.O. 86 no
205 zu 1002–1018, wegen Erwähnung des Todes Otwins aber nach 1019
gehörig) bieten, in der eine ähnliche Verwahrung gegen Übergriffe der
Salzburger Erzbischöfe enthalten ist (a.a.O. 87):
… in mundiburdium Hartuuici venerabilis archiepiscopi …
successorumque eius gratanter tradidit eo pacto eoque tenore, quod, si quis futurorum
archiepiscoporum praedictum monasterium eiectis sanctimonialibus
feminis, quod absit, suis addixerit usibus, ut heredes eiusdem domnę
ius habeant illud supradictum caenobium ad sanctimonialium feminarum
institutionem quinque nummis redimere: interessant ist nun, dass bei weitgehend wörtlicher Übernahme dieser
Urkunde in die Aufzeichnung des “Liber fundacionis” (a.a.O.
83/Petitsatz) der Schluss wie in unserem Text stärker auf das
mundiburdium ausgerichtet ist (Übereinstimmungen mit der Urk. in Petit):
… suis usibus
vendicaverit, heredes eiusdem domine
Bichwurge ius habeant illud * cenobium
a mundiburdio eiusdem episcopii v denariis redimere ad
restauracionem sanctimonialium feminarum. – In Vorbemerkung zu DH.II.†527 ist B. Matthäus von Brixen, von dem es
je ein Or.-Transsumpt des D.†297 von 1339 Febr. 25 und des D.†299 von
1340 Jan. 4 gibt (zu letzterem vgl. Santifaller
in Österr. Urbare a.a.O. XVIII), versehentlich als Bischof von Trient
bezeichnet.