Angebliches Original (ca. 37 b : 31 h) des ausgehenden 12. Jh. im
Staatsarchiv zu Dresden (A); Rückvermerk des 15. Jh.:
Privilegium … super villam Zuitheca …, et habetur XVI. fol. parvi
libri privilegiorum.
Drucke: Calles, Series Misnensium episc. 105 Auszug aus
Codex MS. literarum Misnensis ecclesiae. – Aus A: Schöttgen, Graf Wiprecht, Cod. prob. 8 no
4. – Köhler, CD Lusatiae sup. 21, Anh. 26 no
20, alle zu 1108. – Gersdorf, CD Sax. regiae 2.1,45 no
41 = Heinemann, CD Anhalt. 1.1,135 no
169 zu 1107 (1108) nur Eschatokoll. – Posse, CD Sax. regiae 1.2,17 no
21 zu 1108. – Bode, UB d. Stadt Goslar 1,193 no
149 aus Gersdorf zu 1107 (1108) nur Eschatokoll.
Reg.: Schultes, Dir. dipl. 1,223 no
15. – Worbs, Inv. dipl. Lusat. inf. 1,23 no
59, beide zu 1108. – Raumer, Reg. Brandenburg. 1,126 no
701 zu 1108 Juni 27 (“Januarii soll wahrscheinlich Julii heißen”). – Erhard, Reg. Westf. 1,218 no
1355 zu 1108 Mai 28 (V. Kal. Iun., wegen D.37). – Dobenecker, Reg. Thur. 1,221 no
1045 zu 1108. – Knipping, Kölner Reg. 2,9 no
61. – Schieckel, Reg. Dresden 1,62 no
40. – B.-Petke
Reg. † 8. – Stumpf
Reg. 3024 zu *1107.
Bereits Köhler
und die meisten jüngeren Autoren hatten aufgrund der äußeren und
inneren Merkmale schwerwiegende Bedenken gegen die Echtheit der
Urkunde vorgebracht, die durch Ficker, Beitr. 2,222 und 329 noch verstärkt wurden. – Die von unbekanntem
Schreiber, vermutlich einem Meißener Kleriker, gefertigte Fälschung
hat nur wenig Ähnlichkeit mit einem kanzleigemäßen Diplom, obwohl
außer dem Meißener D.37 von 1108 Mai 30 sicher noch in Gestalt des
D.*52 ein weiteres Diplom Heinrichs V. als Vorbild zur Verfügung
gestanden hätte (vgl. weiter unten): Der mit Kreuz statt Chrismon
eingeleitete Kontext ist vollständig in der oberen Hälfte des
ungewöhnlich kleinformatigen Pergamentblattes untergebracht (die
mittige Querfalte verläuft unterhalb der Datumzeile), während die
untere Hälfte ganz für Siegel und Monogramm reserviert ist, die
entgegen jedem Kanzleigebrauch in gleicher Höhe an den beiden
Außenrändern plaziert sind (s. Anm. k und l), wobei besonders die
Anbringung des Siegels am linken statt am rechten Rand auffällt.
Gegen die Annahme, dass ursprünglich der Platz auch für die
Unterbringung von Unterfertigungszeilen vorgesehen gewesen wäre,
sprechen zwei Umstände: Zum einen ist die sonst immer in Verbindung
mit dem Monogramm stehende Signumzeile – in der aus D.37 übernommenen
Formulierung – zur Eröffnung der “Zeugenunterfertigungen” verwertet,
die ihrerseits dadurch auffallen, dass das wiederholte Wort
Signum nur bei den Erzbischöfen verwendet ist, obwohl die Genitive
episcoporum und
laicorum ebenfalls daran orientiert sind; zum anderen ist als inhaltlicher
Ersatz für eine Rekognitionszeile die Nennung des Kanzlers in die
Datierung integriert, wobei sowohl für die Stellung als auch für die
Formel
per manum offensichtlich ein päpstliches Privileg als Vorbild gedient hat.
Für die Formulierung von Protokoll, Korroboratio und Datierung diente
D.37 als Vorlage (= VL.), dem, außer wenigen Stellen des Kontextes,
insbesondere die Namen der Intervenienten zur Konstruktion der
Zeugenliste (zur eröffnenden “Signumzeile” vgl. oben) entnommen sind
(alle Übereinstimmungen sind durch Petitsatz gekennzeichnet), außerdem
ist das Monogramm des D.37, in bereits beschädigtem Zustand, in
unvollkommener Weise nachgezeichnet (s. Anm. l).
Für das sehr plump gefälschte Siegel hat jedoch nicht das an D.37
befindliche 1. Königssiegel Heinrichs V. als Vorbild gedient, wie Posse, Kaisersiegel 2,19 (zu Taf. 45 no
2, s. Anm. 1) und 5,116 no
2 sowie BRESSLAU in NA 6,577 angenommen hatten, sondern das erstmals
von A. Gawlik
als solches erkannte 2. Königssiegel, vgl. in Festschr. Hausmann
(1987) 529ff. Der in den echten Abdrucken (vermutlich) verwendeten
Kürzung
ROM. steht hier ausgeschriebenes
ROMANORVM gegenüber.
Dem Fälscher muss demnach ein Diplom mit dem 2. Königssiegel zur
Verfügung gestanden haben: Von dem in der Phase der Vorbereitung des
1. Italienzuges vermutlich in der ersten Jahreshälfte 1110 gefertigen
neuen Typar existieren nur drei jeweils fragmentarische Abdrucke (vgl. Gawlik
a.a.O. 530f.), außer an dem im späten 12. Jh. gefälschten und in das
Jahr 1109 datierten D. † 283 für St. Servatius in Maastricht noch an
zwei echten Urkunden, an dem in Speyer am 27. Mai 1110 ausgestellten
D.50 für Pfäfers und an der von Heinrich V. lediglich besiegelten
Privaturkunde D.334, ausgestellt in Worms am 12. Juni 1110, eine Woche
nach der Weihe des Wormser Domes – und an dieser Weihe war B. Herwig
beteiligt (vgl. Vorbemerkung zu D.37). – Es kann gar nicht bezweifelt
werden, dass Herwig, der den Hof offenbar nur sehr selten aufgesucht
hat, diese Gelegenheit nutzte, um von Heinrich mit D.*52 ein heute
verlorenes, mit dem 2. Königssiegel versehenes Diplom zu erwirken,
über dessen Inhalt sich nichts sagen lässt, das aber in dem
gefälschten Siegel von D. † 282 seine Spur hinterlassen hat.
Da D. † 282 für Protokoll und Eschatokoll vollständig auf das
bischöfliche D.37 angewiesen war und auch das D.*52 wohl zugunsten des
Bischofs ausgestellt gewesen sein wird, ist davon auszugehen, dass das
Domkapitel über kein eigenes D. Heinrichs V. verfügt hatte, das man
als Grundlage einer Verfälschung hätte verwenden können, das Falsum
also zur Gänze frei erfunden wurde. – Wenn man für die Herstellung des
gefälschten Siegels nicht das Siegel des D.37, sondern des D.*52 als
Vorlage verwendete, erklärt sich dies vermutlich dadurch, dass das
Siegel des D.37 wohl schon sehr früh beschädigt war (vgl. dortige Anm.
i). Es entfällt wohl auch die Erklärungsmöglichkeit, dass ein neues
Siegel dadurch erforderlich wurde, weil das echte Siegel bei dem
Versuch, es vom Original (des D.*52) abzulösen und auf das Falsum zu
übertragen, zerbrochen wäre, da eine solche Manipulation nur
vorstellbar war, wenn das Domkapitel der Empfänger des D.*52 gewesen
wäre.
Woher der Fälscher den Ausstellort Goslar und das unmögliche Datum –
identisch mit demjenigen des in Aachen ausgestellten D. † 29 für
Heinrich von Zutphen (vgl. Stüllein, Itinerar 37 mit Anm. 36) – bezog, war nicht zu klären: Für Goslar
war wohl kaum das DH.III.59 für Meißen von 1040 Juli 20 (actum Goslare) die Quelle; das Tagesdatum andererseits kann nicht aus dem
vermutlich im Juni 1110 entstandenen Deperditum entnommen sein.
Inhaltlich steht D. † 282 in Zusammenhang mit der Urkunde B. Bertolds
von Naumburg von 1159 Oktober 27 (Or. im Staatsarchiv Dresden, DCM 14; Rosenfeld, UB d. Hochst. Naumburg 1,218 no
236), der einen Streit
de duobus mansis, qui Misinensis ęcclesię canonicis a quodam Hugone
strennuo viro in pago Dalminza in villa, quę Zwitich dicitur, cum
aliis septem mansis in oblatione collati sunt et Zmulnensis ęcclesię [Schmölln sw. Altenburg] ęssę dicebantur, beilegte, indem er die strittigen Hufen,
sicut a predicto Hugone Misinensi ęcclesię contraditi sunt, dem Meißener Domkapitel zusprach, nachdem dieses den Schmöllner
Kanonikern 3 Mark Silber gezahlt und Markgraf Otto von Meißen,
qui sepedictos mansos in beneficii iure a nobis possidere videbatur, seine Erlaubnis zur Besitzbestätigung gegeben hat (Misinensi ęcclesię illos confirmari permisit).
Der Reichsministeriale Hugo von Wartha ist urkundlich von 1168 bis
1188 bezeugt (vgl. Helbig, Der wettinische Ständestaat 321ff.). Dies und der paläographische
Befund von D. † 282 widerlegen den zeitlichen Ansatz von Gersdorf
und Posse, die annehmen, dass die Fälschung 1159 B. Bertold von Naumburg
unterbreitet wurde, um den Streit zugunsten des Meißener Domkapitels
zu entscheiden. Die Wendung
nullo reclamante in unserem D. lässt vermuten, dass es auch noch nach der bischöflichen
Entscheidung von 1159 Schwierigkeiten bei der Behauptung des Besitzes
gegeben hat, so dass man es in Meißen für geraten hielt, gegen Ende
des 12. Jh. als zusätzlichen Beleg das D. † 282 zu fingieren; für
diesen späten Ansatz spricht auch das
Ego, das der aus D.37 übernommenen Intitulatio vorgeschaltet ist, und die
Tatsache, dass das Original von D.37 zum Zeitpunkt seiner Benützung
für das Falsum schon Moderschäden im Bereich des Monogramms (s. Anm.
l) aufwies.
– Zuitecha haben zuletzt Eichler-Walther, Die Ortsnamen im Gau Daleminze 1,390 zu bestimmen versucht, ohne zu
einem sicheren Ergebnis zu kommen.