Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<†282.>>

Unecht.

Heinrich bestätigt dem Domkapitel von Meißen die Übereignung des 9 Hufen umfassenden Dorfes Zuitecha durch den Reichsministerialen Hugo von Wartha und gewährt für dieses Freiheit von allen weltlichen Abgaben.

Goslar, 1107 Dezember 28.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Angebliches Original (ca. 37 b : 31 h) des ausgehenden 12. Jh. im Staatsarchiv zu Dresden (A); Rückvermerk des 15. Jh.: Privilegium … super villam Zuitheca …, et habetur XVI. fol. parvi libri privilegiorum.

Drucke: Calles, Series Misnensium episc. 105 Auszug aus Codex MS. literarum Misnensis ecclesiae. – Aus A: Schöttgen, Graf Wiprecht, Cod. prob. 8 no 4. – Köhler, CD Lusatiae sup. 21, Anh. 26 no 20, alle zu 1108. – Gersdorf, CD Sax. regiae 2.1,45 no 41 = Heinemann, CD Anhalt. 1.1,135 no 169 zu 1107 (1108) nur Eschatokoll. – Posse, CD Sax. regiae 1.2,17 no 21 zu 1108. – Bode, UB d. Stadt Goslar 1,193 no 149 aus Gersdorf zu 1107 (1108) nur Eschatokoll.

Reg.: Schultes, Dir. dipl. 1,223 no 15. – Worbs, Inv. dipl. Lusat. inf. 1,23 no 59, beide zu 1108. – Raumer, Reg. Brandenburg. 1,126 no 701 zu 1108 Juni 27 (“Januarii soll wahrscheinlich Julii heißen”). – Erhard, Reg. Westf. 1,218 no 1355 zu 1108 Mai 28 (V. Kal. Iun., wegen D.37). – Dobenecker, Reg. Thur. 1,221 no 1045 zu 1108. – Knipping, Kölner Reg. 2,9 no 61. – Schieckel, Reg. Dresden 1,62 no 40. – B.-Petke Reg. † 8. – Stumpf Reg. 3024 zu *1107.

Bereits Köhler und die meisten jüngeren Autoren hatten aufgrund der äußeren und inneren Merkmale schwerwiegende Bedenken gegen die Echtheit der Urkunde vorgebracht, die durch Ficker, Beitr. 2,222 und 329 noch verstärkt wurden. – Die von unbekanntem Schreiber, vermutlich einem Meißener Kleriker, gefertigte Fälschung hat nur wenig Ähnlichkeit mit einem kanzleigemäßen Diplom, obwohl außer dem Meißener D.37 von 1108 Mai 30 sicher noch in Gestalt des D.*52 ein weiteres Diplom Heinrichs V. als Vorbild zur Verfügung gestanden hätte (vgl. weiter unten): Der mit Kreuz statt Chrismon eingeleitete Kontext ist vollständig in der oberen Hälfte des ungewöhnlich kleinformatigen Pergamentblattes untergebracht (die mittige Querfalte verläuft unterhalb der Datumzeile), während die untere Hälfte ganz für Siegel und Monogramm reserviert ist, die entgegen jedem Kanzleigebrauch in gleicher Höhe an den beiden Außenrändern plaziert sind (s. Anm. k und l), wobei besonders die Anbringung des Siegels am linken statt am rechten Rand auffällt.

Gegen die Annahme, dass ursprünglich der Platz auch für die Unterbringung von Unterfertigungszeilen vorgesehen gewesen wäre, sprechen zwei Umstände: Zum einen ist die sonst immer in Verbindung mit dem Monogramm stehende Signumzeile – in der aus D.37 übernommenen Formulierung – zur Eröffnung der “Zeugenunterfertigungen” verwertet, die ihrerseits dadurch auffallen, dass das wiederholte Wort Signum nur bei den Erzbischöfen verwendet ist, obwohl die Genitive episcoporum und laicorum ebenfalls daran orientiert sind; zum anderen ist als inhaltlicher Ersatz für eine Rekognitionszeile die Nennung des Kanzlers in die Datierung integriert, wobei sowohl für die Stellung als auch für die Formel per manum offensichtlich ein päpstliches Privileg als Vorbild gedient hat.

Für die Formulierung von Protokoll, Korroboratio und Datierung diente D.37 als Vorlage (= VL.), dem, außer wenigen Stellen des Kontextes, insbesondere die Namen der Intervenienten zur Konstruktion der Zeugenliste (zur eröffnenden “Signumzeile” vgl. oben) entnommen sind (alle Übereinstimmungen sind durch Petitsatz gekennzeichnet), außerdem ist das Monogramm des D.37, in bereits beschädigtem Zustand, in unvollkommener Weise nachgezeichnet (s. Anm. l).

Für das sehr plump gefälschte Siegel hat jedoch nicht das an D.37 befindliche 1. Königssiegel Heinrichs V. als Vorbild gedient, wie Posse, Kaisersiegel 2,19 (zu Taf. 45 no 2, s. Anm. 1) und 5,116 no 2 sowie BRESSLAU in NA 6,577 angenommen hatten, sondern das erstmals von A. Gawlik als solches erkannte 2. Königssiegel, vgl. in Festschr. Hausmann (1987) 529ff. Der in den echten Abdrucken (vermutlich) verwendeten Kürzung ROM. steht hier ausgeschriebenes ROMANORVM gegenüber.

Dem Fälscher muss demnach ein Diplom mit dem 2. Königssiegel zur Verfügung gestanden haben: Von dem in der Phase der Vorbereitung des 1. Italienzuges vermutlich in der ersten Jahreshälfte 1110 gefertigen neuen Typar existieren nur drei jeweils fragmentarische Abdrucke (vgl. Gawlik a.a.O. 530f.), außer an dem im späten 12. Jh. gefälschten und in das Jahr 1109 datierten D. † 283 für St. Servatius in Maastricht noch an zwei echten Urkunden, an dem in Speyer am 27. Mai 1110 ausgestellten D.50 für Pfäfers und an der von Heinrich V. lediglich besiegelten Privaturkunde D.334, ausgestellt in Worms am 12. Juni 1110, eine Woche nach der Weihe des Wormser Domes – und an dieser Weihe war B. Herwig beteiligt (vgl. Vorbemerkung zu D.37). – Es kann gar nicht bezweifelt werden, dass Herwig, der den Hof offenbar nur sehr selten aufgesucht hat, diese Gelegenheit nutzte, um von Heinrich mit D.*52 ein heute verlorenes, mit dem 2. Königssiegel versehenes Diplom zu erwirken, über dessen Inhalt sich nichts sagen lässt, das aber in dem gefälschten Siegel von D. † 282 seine Spur hinterlassen hat.

Da D. † 282 für Protokoll und Eschatokoll vollständig auf das bischöfliche D.37 angewiesen war und auch das D.*52 wohl zugunsten des Bischofs ausgestellt gewesen sein wird, ist davon auszugehen, dass das Domkapitel über kein eigenes D. Heinrichs V. verfügt hatte, das man als Grundlage einer Verfälschung hätte verwenden können, das Falsum also zur Gänze frei erfunden wurde. – Wenn man für die Herstellung des gefälschten Siegels nicht das Siegel des D.37, sondern des D.*52 als Vorlage verwendete, erklärt sich dies vermutlich dadurch, dass das Siegel des D.37 wohl schon sehr früh beschädigt war (vgl. dortige Anm. i). Es entfällt wohl auch die Erklärungsmöglichkeit, dass ein neues Siegel dadurch erforderlich wurde, weil das echte Siegel bei dem Versuch, es vom Original (des D.*52) abzulösen und auf das Falsum zu übertragen, zerbrochen wäre, da eine solche Manipulation nur vorstellbar war, wenn das Domkapitel der Empfänger des D.*52 gewesen wäre.

Woher der Fälscher den Ausstellort Goslar und das unmögliche Datum – identisch mit demjenigen des in Aachen ausgestellten D. † 29 für Heinrich von Zutphen (vgl. Stüllein, Itinerar 37 mit Anm. 36) – bezog, war nicht zu klären: Für Goslar war wohl kaum das DH.III.59 für Meißen von 1040 Juli 20 (actum Goslare) die Quelle; das Tagesdatum andererseits kann nicht aus dem vermutlich im Juni 1110 entstandenen Deperditum entnommen sein.

Inhaltlich steht D. † 282 in Zusammenhang mit der Urkunde B. Bertolds von Naumburg von 1159 Oktober 27 (Or. im Staatsarchiv Dresden, DCM 14; Rosenfeld, UB d. Hochst. Naumburg 1,218 no 236), der einen Streit de duobus mansis, qui Misinensis ęcclesię canonicis a quodam Hugone strennuo viro in pago Dalminza in villa, quę Zwitich dicitur, cum aliis septem mansis in oblatione collati sunt et Zmulnensis ęcclesię [Schmölln sw. Altenburg] ęssę dicebantur, beilegte, indem er die strittigen Hufen, sicut a predicto Hugone Misinensi ęcclesię contraditi sunt, dem Meißener Domkapitel zusprach, nachdem dieses den Schmöllner Kanonikern 3 Mark Silber gezahlt und Markgraf Otto von Meißen, qui sepedictos mansos in beneficii iure a nobis possidere videbatur, seine Erlaubnis zur Besitzbestätigung gegeben hat (Misinensi ęcclesię illos confirmari permisit).

Der Reichsministeriale Hugo von Wartha ist urkundlich von 1168 bis 1188 bezeugt (vgl. Helbig, Der wettinische Ständestaat 321ff.). Dies und der paläographische Befund von D. † 282 widerlegen den zeitlichen Ansatz von Gersdorf und Posse, die annehmen, dass die Fälschung 1159 B. Bertold von Naumburg unterbreitet wurde, um den Streit zugunsten des Meißener Domkapitels zu entscheiden. Die Wendung nullo reclamante in unserem D. lässt vermuten, dass es auch noch nach der bischöflichen Entscheidung von 1159 Schwierigkeiten bei der Behauptung des Besitzes gegeben hat, so dass man es in Meißen für geraten hielt, gegen Ende des 12. Jh. als zusätzlichen Beleg das D. † 282 zu fingieren; für diesen späten Ansatz spricht auch das Ego, das der aus D.37 übernommenen Intitulatio vorgeschaltet ist, und die Tatsache, dass das Original von D.37 zum Zeitpunkt seiner Benützung für das Falsum schon Moderschäden im Bereich des Monogramms (s. Anm. l) aufwies. – Zuitecha haben zuletzt Eichler-Walther, Die Ortsnamen im Gau Daleminze 1,390 zu bestimmen versucht, ohne zu einem sicheren Ergebnis zu kommen.

(+) In nomine sancte et individue trinitatis. Ego Heinricus divina favente clementia quintus Romanorum rex. Notum sit omnibus tam presentis quam etiam futuri evi fidelibus, quod fidelis regni ministerialis Hugo videlicet de Warda villam integram sui iuris nomine Zuitecha novem mansos continentem nullo reclamante ecclesie Misnensi beati Iohannis apostoli et evangelistę necnon et beati Donati martyris ad usus fratrum ibidem deo famulantium fideli devotione obtulit, quatenus hoc tam felici commertio suam parentumque suorum animas celestis regni heredes efficeret. Devotionem itaque illius attendens simulque sue ac venerabilis Hereuuici prefate ecclesię episcopi piis postulationibus acquiescens hanc deinceps ab omni seculari exactione liberam fore decrevimus assensumque nostrum huic traditioni non negantes privilegium hoc sigilli nostri impressione munitum proprie manus subscriptione roboravimus ac testium idoneorum subnotatione confirmari precepimus. Signum domni Heinrici quinti Romanorum regis invictissimi. Signum Frederici Coloniensis archiepiscopi. Signum Brunonis Treuerensis. Signum Adalgot Magdeburgensis; episcoporum: Albuini Merseburgensis, Ottonis Bauenbergensis, Burchardi Monasteriensis; laicorum: Lutheri ducis, Ottonis comitis, Rodulfi comitis, Wiberti comitis.

Actum anno dominice incarnationis millesimo CoVIIIo, indictione Ia, et datum in ecclesia Goslariensi per manum Alberti cancellarii Vo kal. ianuarii; feliciter.

(SI.F.) (M.6.)