Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde

Abbildungsverzeichnis der europäischen Kaiser- und Königsurkunden

<<275.>>

Heinrich bestätigt dem Kloster St. Blasien die Schenkung des Gutes Schluchsee in angegebenen Grenzen durch Herzog Rudolf von Rheinfelden und genannte adlige Mitschenker sowie eines innerhalb der Grenzen gelegenen Anteils des Klosters Reichenau, welches dafür von dem zu den Schenkern zählenden Reichenauer Vogt Hezelo tauschweise dessen Gut Ruttin an der Ostrach erhalten hatte.

Straßburg 1125 Januar 8.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Original (ca. 49,5/50 b : 50,5/55 h) im Generallandesarchiv zu Karlsruhe (A); Rückvermerk des 12. Jh.: Privilegium Heinrici regis [darüber von anderer Hand: Vti, imperat. IIII.] super Slǒhsa cum suis attinentiis; 14. Jh.: in libro [= der folgenden Zahl nachträglich vorgeschaltet] IIII; 17. Jh.: Schluochser Rodel Folio 1 eingeschrieben (zu Dorsualnotizen vgl. D.246).

Drucke: Aus A: Herrgott, Genealogia Habsburg. 2,137 no 198. – Aus Abschrift des 12. Jh.: Neugart, CD Alemanniae 2,59 no 846. – Aus A: Dümgé, Reg. Badensia 1,127 Anh. no 78. – Bresslau, Diplomata centum 57 no 41. – Fürstenberg. UB 5,53 no 87 Auszug. – Naumann in DA 23,359f. Auszug. – Hlawitschka, Thronwechsel 112 mit Anm. 9 und 157 Anm. 199 Auszüge aus Bresslau. – Als Insert im Or.-Vidimus Karls IV. von 1358 Okt. 18 (B.-Huber Reg. 1635): MGH Const. 10,495 no 655.

Reg.: Lang, Hist.-Theol. Grund-Riß 1,431 no 9. – Georgisch, Reg. chronol.-dipl. 1,524 no 2. – Dümgé a.a.O. 1,34. – Ladewig-Müller, Constanzer Reg. 1,89 no 731. – Wentzcke, Strassburger Reg. 1,309 no 420. – Rep. Schweiz. Qu. in Karlsruhe I.1,4 no 23. – Jakobs in Alemann. Jahrb. 1995/96 S. 16. – Parlow, Die Zähringer 53 Reg. 82 (vgl. auch 166 in Reg. 244). – Böhmer Reg. 2090. – Stumpf Reg. 3205.

Verfasst und geschrieben von Notar Heinrich, vgl. Hausmann, Reichskanzlei 75 no 36. DD.274 und 275 sind auf Pergamente geringfügig unterschiedlicher Färbung (D.274 etwas weißlicher, D.275 etwas gelblicher) geschrieben, wobei sich D.275 auch durch fast quadratisches Format nicht ganz gleichmäßiger Höhe (durch schrägen Zuschnitt des unteren Randes beträgt diese links 54,8, rechts 50,5 cm) von D.274 unterscheidet, jedoch ist für beide offenbar ein und dieselbe Tinte verwendet, so dass von absolut gleichzeitiger Niederschrift auszugehen ist.

Wie in D.274 unterliefen dem Notar, der sich wie dort öfters korrigieren musste (vereinzelt gibt es sogar Korrekturen von anderer Hand, s. Anm. h, n u. p), einige Fehler (neben u.a. Anm. s und f’ vgl. besonders Anm. g’); mit D.274 hat unser D. auch gemeinsam, dass wegen eines Nachtrags (s. Anm. l’) das Eschatokoll einen sehr gedrängten Eindruck macht. – Die schon bei D.274 beobachtete kompositorische Schwäche des Notars zeigt sich hier in dem – diplomatisch ohnedies auffälligen – umfangreichen Schlussverweis auf die gleichzeitige Ausstellung des D.274, dessen Hauptinhalt gleich zweimal schlagwortartig wiedergegeben ist, wobei nur durch eine sofortige Korrektur (s. Anm. o’) vermieden wurde, dass dieser nicht auf die libera electio des Vogtes (s. bei Anm. g’) eingeschränkt wurde, sondern auch die libertas (loci) berücksichtigte; Entlehnungen an dieser Stelle aus D.274 sind durch Petitsatz gekennzeichnet.

Dem Text dienten als Vorlage für die Narratio zwei verlorene, fast 50 Jahre ältere Urkunden, die vermutlich in einem vom Notar übernommenen Empfängerentwurf eingearbeitet waren: Die erläuternde Bemerkung predicti autem iurantes de familia erant Augiensis ęcclesię zu den laudantes et sacramento confirmantes des durch die zweite Urkunde festgehaltenen Tausches zwischen Hezelo und der Reichenau kann jedenfalls nicht auf den Notar zurückgehen. Der Zeitpunkt dieses apud Singerbrucho (lt. Parlow 54 [mit Lit.-Angaben] und Register S. 562 eine ehemalige Brücke über die Aach bei Singen am Hohentwiel nw. Konstanz, was uns aufgrund der Schreibung fraglich erscheint) erfolgten Tauschgeschäftes lässt sich mit Hilfe der biographischen Daten der mitwirkenden Personen einigermaßen genau eingrenzen:

Der früheste Zeitpunkt ergibt sich aus dem Regierungsbeginn des als anwesend genannten Reichenauer Abtes Ekkehard II. von Nellenburg (1071–1088; vgl. Hlawitschka a.a.O. 115 Anm. 13, s.a. 114 Anm. 12; Parlow datiert den Regierungsbeginn auf 1073/74). Die untere Zeitgrenze liegt fest durch die Nennung des dux Bertoldus, dessen Identität Naumann a.a.O. 371 offen lässt, bei dem es sich aber sicher um den Zähringer Hz. Berthold I. von Kärnten (1061–77; † 1078) handelt (so auch Parlow); Hlawitschka, der sich a.a.O. 159 nicht dazu äußert, lässt im Register S. 199 durch jeweiliges Fragezeichen den Bezug auf Berthold I. oder Berthold II. († 1111) unentschieden; jedenfalls gehört der Tausch, wenn auch sicher in enger zeitlicher Nähe zu ihr, erst nach (s. dazu unten) die Gemeinschaftsschenkung des Schluchseegebietes, die ihrerseits wegen des dux-Titels Rudolfs von Rheinfelden wohl einige Zeit vor 1077 fiel (vgl. dazu weiter unten). – Bei dem von Hezelo an die Reichenau vertauschten Ruttin handelt es sich nach Wollasch, St. Georgen 23 mit Anm. 28 (s.a. Hlawitschka a.a.O. 157) um den Flurnamen Reutäcker 2 km nw. Königseggwald (am Südufer der Ostrach; zu letzterem s. weiter unten).

Hinsichtlich der vieldiskutierten Frage der verwandtschaftlichen Zusammengehörigkeit der “Schenkergemeinschaft des Schluchseegebietes” begnügen wir uns mit dem Hinweis auf ihre letzte umfassende Behandlung durch Hlawitschka a.a.O. 111ff., der die Schenkung sehr weitgesteckt auf die Jahre 1071–1077 datiert (vgl. a.a.O. 115 mit Anm. 13, mit Diskussion anderer Datierungsvorschläge; Parlow datiert sein Regest 82 auf 1073 – 1077 ca. VI 4, wobei sich letzteres Datum auf den letzten Beleg für Rudolf bei der Feier des Pfingsfestes in Hirsau am 4. Juni vor seinem Abzug nach Sachsen bezieht). Für die ersten fünf Personen sieht Hlawitschka eine gemeinsame Deszendenz (s. die Stammtafel a.a.O. 169) von Herzog Konrad von Schwaben (983–997), für den ihm die Identifizierung mit dem aus der Welfengenealogie bekannten “Kuno von Öhningen” gelang (vgl. a.a.O. 58ff., 99ff. u. 168ff.; s.a. Hlawitschka in Die Salier u. das Reich 1,189 mit Anm. 51 betr. die “Genese” dieser Identifizierung), und zwar über die Nachkommenschaft von zwei Töchtern des Sohnes Konrads, Hz. Hermanns II. von Schwaben († 1003), Gisela (in 3. Ehe Gemahlin Ks. Konrads II.) und Beatrix (vgl. Anm. 1–5).

Die Besitzanteile der beiden anderen Personen führt Hlawitschka zwar auch auf das Erbe Hz. Konrads zurück, sieht aber für sie selbst, beide nicht hochadligen Standes wie die anderen, keine erweislichen genealogischen Bezüge zu Hz. Konrad: Für Tuto von Wagenhausen (zu ihm vgl. Hlawitschka, Thronwechsel 158ff.) ist die Sachlage klar, da bekannt ist, dass er seinen Schenkungsanteil zu Schluchsee nicht ererbt, sondern erst im Tausch gegen sein Besitztum zu Wagenhausen (am Rheinausfluss aus dem Bodensee gegenüber Stein a. Rhein) von Kl. Allerheiligen zu Schaffhausen erworben hatte; den Besitz von Schluchsee hätten die Stifter von Allerheiligen, die Grafen von Nellenburg (vgl. D. † 290), auf nicht eindeutig klärbarem Wege aus dem Erbe von Hz. Konrads Tochter Ita erlangt gehabt, die mit dem in der 2. Hälfte des 10. Jh. lebenden welfischen Grafen Rudolf vermählt war (Sohn: Welf. II., † 1030; vgl. Hlawitschka a.a.O. 58f., 102ff., 167f., 171f.).

Die Rolle des Reichenauer Vogtes Hezelo, des maßgeblichen Mitbegründers des Klosters St. Georgen, der sich nach Königseggwald (4 km sö. Ostrach; alter Name Hezilescella, s. Hlawitschka a.a.O. 156 mit Anm. 195), dem Ort der ersten Ansiedlung des Konvents von St. Georgen (s. D.104), benannte und der auch mit Tuto von Wagenhausen weitläufig verwandt war, sieht Hlawitschka a.a.O. 155ff. jedoch nach unserer Einschätzung nicht richtig: Er setzt (a.a.O. 157 mit Anm. 199) Hezelos “Anteil am gesamten Schenkungsbereich” gleich mit der von Hezelo (demnach vorher) vom Kloster Reichenau eingetauschten pars (zur Frage, wie die Reichenau den Besitz erwarb, vgl. a.a.O. 157f. Anm. 201), so dass dieser nicht zur “Erben”-Gemeinschaft gehört hätte; sowohl der Narratio als auch der Dispositio des D.275 entspricht aber doch eher die Deutung, dass die sieben Schenker, Hezelo eingeschlossen, gemeinsam den ihnen damals verfügbaren Anteil am Schluchseegebiet schenkten, zu dem noch nicht die Reichenauer pars gehört hatte, dass Hezelo demnach originäre Erbrechte besessen hätte (zu möglicher Deszendenz von Hz. Konrad vgl. a.a.O. 156f.), und dass er über seine Beteiligung an der gemeinsamen Schenkung hinaus (später) in einem zusätzlichen Akt den Besitzkomplex von Rechten der Reichenau freistellte.

Dafür spricht vor allem die Bestätigungsformel, nach der Hezelo seine, mit itemque an die Schenkung durch Rǒdolfus aliique predicti nobiles (d.h. incl. Hezelos) anknüpfende, pars-Schenkung an St. Blasien in einem selbständigen Akt vornahm (tradidit et legitime affectavit), was doch nur einen Sinn macht, wenn seine Schenkung nach der Gemeinschaftsschenkung erfolgt war – was Hlawitschka (a.a.O. Anm. 200) in Übereinstimmung mit der überwiegenden Literatur, die bis auf wenige Ausnahmen von einer umgekehrten Reihenfolge ausgeht (so auch noch Parlow), ausdrücklich verwirft; andernfalls wäre ja erst seine Schenkung der Auslöser für die Gesamtschenkung gewesen. Jedenfalls kommt aber damit Hezelo, im Widerspruch zu seiner Schluss-Stellung in der ständisch gegliederten Schenkerliste, womöglich der gewichtigste Teil an der Schluchseeschenkung zu!

Eine solche Interpretation verträgt sich allerdings nicht mit einer allerjüngst von Jakobs a.a.O. 33ff. vorgetragenen, u.E. fragwürdigen These: Indem er Hlawitschkas Ausschaltung “politischer Hintergründe” verwirft, kommt er zu dem Ergebnis, es sei Rudolf von Rheinfelden gewesen, dem das Kloster “die massivste Grundausstattung” zu verdanken habe, und die Schenkung durch eine Erbengemeinschaft sei von ihm “organisiert” worden; er kommt auch zu einer Datierung der Schenkung auf “vor 1079” (a.a.O. S. 14), näherhin in die Zeit von Rudolfs Gegenkönigtum, wofür er sich gegenüber der von ihm formulierten anderen Alternative, dass die Erbengemeinschaft seinerzeit nach ihrer Berechtigung zur Verschenkung eines erschlossenen Forstes ohne königliche Zustimmung “nicht gefragt” hatte, dafür entscheidet, diese habe “den König Rudolf handeln lassen”. Dass in D.275 für Rudolf der dux-Titel verwendet sei, erkläre sich “aus der Sicht Heinrichs V.” und spreche nicht dagegen, dass Rudolf “die Legitimation zur Schluchseeschenkung mit seinem Königtum verbunden hatte”.

Dies scheint alles zu spekulativ, ebenso wie die Erklärung (a.a.O. 35), St. Blasien sei “durch Zustifung” (gemeint die vorgebliche “Organisation” der Schluchseeschenkung durch Rudolf) rheinfeldische Grablege geworden, und erst recht die Spekulation, Rudolf habe “nicht einmal die Zeit” gefunden (in welcher Eigenschaft?), “einen womöglich auf traditio gegründeten apostolischen Schutzbrief zu erwirken” – nichts im Text verrät eine herausragende Rolle des nur wegen seines Ranges an der Spitze einer Schenkergruppe genannten Herzogs! Wenn tatsächlich auch eine “Anerkennung von Reichs wegen … bis dahin ausstand” (a.a.O. 34), bedarf es für die Erlangung dieser Anerkennung durch D.275 keiner weiteren Begründung, als dass Abt Rusten die durch die Ausstellung von D.274 gebotene Gelegenheit nutzte.

Zu den Grenzen des Schluchseegebietes, das nördlich und östlich an den in D.246 umschriebenen Sanblasianer Immunitätsbezirk anschloss, vgl. Ott in ZGO 112,423ff. und nochmals – mit Zurückweisung abweichender Deutungen Naumanns in seiner Untersuchung der Schluchseeschenkung a.a.O. 358ff. – in ZGO 116,397ff.

(C.) In nomine sanctae et individuę trinitatis. Heinricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Si ea, quę ęcclesiis ab antecessoribus nostris vel modernis divino instinctu collata sunt, corroborare nostrique privilegii confirmatione stabilire curamus, hoc in presenti ac in futuro seculo nobis proficere non dubitamus. Noverit itaque omnium tam presentium quam futurorum sollers industria, qualiter dux Rǒdolfus de Rinuelden et comes Otto et filius eius Fridericus comes, Echebertus comes de Saxonia, Ita de Saxonia et de Birctors, Tǒto de Wagenhusen, Hecelo advocatus Augensis quoddam prediu[m] Slocse pro remedio animarum suarum sancto Blasio et fratribus ibidem deo in perpetuum famulantibus in proprium communi voto contulerunt cum omni iure et utilitate, qua ipsi possederunt: sicut Warza de Slose descendit et inde usque ad Stouen, ubi rivus Fustenbach oritur, et Fustenbach inferius usque in aquam Mettema, exinde de Mettema superius, qua dicitur Steina, usque ad locum, quo Bucenbrunen nascitur, et inde usque ad Heiscinbach et inde ad locum, qui dicitur Satelbogo, et inde usque Pilestein et inde usque ad montem Felberc, ubi Alba nascitur. Huius predii confinii pars quedam ad ęcclesiam Augensem attingebat, quam Hecelo, eiusdem ęcclesię advocatus, cum predio suo Ruttin iuxta Ostra commutatam sancto Blasio libere affectavit, laudantibus et sacramento confirmantibus Marcwardo scilicet de Almistorf, Bertoldo de Lucelstete, Burchardo de Peringen, quod illud concambium, quod factum est apud Singerbrucho presente abbate Echehardo Augensi et duce Bertoldo ipsorumque hominibus tam liberis quam ministerialibus multisque aliis, qui ad predictam commutationem pro bono convenerant, plus prodesse Augensi ęcclesię quam obesse; predicti autem iurantes de familia erant Augensis ęcclesię. Nos ergo predictum predium Slocse, quod iam prescriptus dux Rǒdolfus aliique predicti nobiles sancto Blasio et fratribus eiusdem loci contulerunt, itemque partem illam, quam supradictus Hecelo per iam nominatum conca[m]bium acquisivit et ęcclesię sancti Blasii tradidit et legitime affectavit, eidem ęcclesię sancti Blasii recognoscimus et confirmamus cum omnibus eiusdem predii prescriptis appenditiis. Ac pro nostre animę remedio parentumque nostrorum kartam presentem iussimus componi et, ut liberius ipsum predium Slocse predictę ęcclesię fratres possideant, propria manu insignitam proprium sigillum apponi fecimus, ea die scilicet, qua liberam electionem eligendi advocatum Rusteno abbati sancti Blasii confratrum suorum et nostro consilio recognovimus et privilegium, qualiter ad hoc pervenerint, dedimus. Presentes autem fuerunt donationi huius privilegii: Ansericus Bisuntinus archiepiscopus, Ǒdalricus Constantiensis episcopus cum ceteris episcopis, dux quoque Fridericus et Godefridus comes palatinus aliique principes, qui interfuerunt, dum aliud privilegium Rusteno abbati suisque confratribus sancti Blasii pro libertate et electione advocati retinenda porreximus.

Signum Heinrici quarti Romanorum imperatoris (M.9.) invictissimi. (SI.D.)

Philippus cancellarius vice Adelberti Mogontini archicancellarii recognovi.

Acta sunt hęc anno dominicę incarnationis MCXXV, indictione III; data Argentinę VI. id. ian.; feliciter amen.