Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<268.>>

Heinrich nimmt alle Klöster der Kongregation von Vallombrosa in seinen Schutz und bestätigt die Abgabenfreiheit für ihre Besitzungen.

Böbingen, 1124 August 5.

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift vom Ende des 17. Jh. in Ms. lat. 12.701 f. 367r–v (alt f. 68) der Nationalbibliothek zu Paris “ex Protocolo primo archivii Vallis-Vmbros. pag. 42” (B). – Drei Abschriften des 18. Jh. in Cod. D III 16 (von 1704) p. 394–395 no 129 (C), Cod. C V 28 f. 91r–v “ex Prot. primo Vallis-Vmbrosę fol. 42” (D) und Cod. C III 12 f. 157v–158r aus “Prot. 1 VV. n. 3 pag. 41” (E) im Generalarchiv zu Vallombrosa. – Abschrift des 18. Jh. in Cod. Reg. lat. 378 f. 202v–203r “ex collect. Margar(ini) tom. 3o no 49 ex reg(istr)o Vallombrosan. fol. 666” in der Vatikanischen Bibliothek zu Rom (F).

Druck: Lami, Deliciae erudit. 3,176 (l).

Reg.: Böhmer Reg. 2040. – Stumpf Reg. 3200 (mit Vermerk “Ob echt?”).

Alle Abschriften beruhen angesichts der weitgehend gemeinsamen Lesarten auf einer einheitlichen Überlieferung, einem undatierten Transsumpt (exemplum; dessen einleitender Text mit einer Siegelbeschreibung, … in cuius sigilli circumstantiis erant sculptę litterę quędam, quę non bene clare legi poterant, ist mitgeteilt in B, C und F), dies jedoch nur mittelbar über Abschriften in dem verlorenen, im 18. Jh. noch vorhandenen (s. It. pont. 3,86) “Protocollum tom. I” (als Quelle genannt in B, D und E; s. oben), wo dem Vidimustext noch ein artikuliertes Summarium vorangestellt war (mitgeteilt in C, E und F); dieselbe Vorlage lag dem Druck Lamis zugrunde, der jedoch, wie insbesondere Anm. e” und h” zeigen, keine der erhaltenen Handschriften benützte, sondern womöglich unmittelbar auf das “Protocollum” zurückgreifen konnte.

Verfasst ist D.268 von Notar Heinrich, und zwar vermutlich gleichzeitig mit D.267, mit dem es stärkste Formulierungsübereinstimmungen aufweist, die wir deshalb durch Petitdruck und die Randziffer II gekennzeichnet haben (in den Anmerkungen ist der Kürze halber die Sigle VL. verwendet), auch wenn weite Partien dem geläufigen Diktat des Notars entsprechen. Der Schluss-Satz mit Nennung des Kardinalbischofs Wilhelm von Präneste, des Intervenienten von D.267, geht in dieser Form wohl auf einen ebenso plazierten Nachtrag im Original zurück.

Die Arenga begegnet so nur in vier Papstprivilegien, die ausschließlich Cluny zum Empfänger haben (JL 4065, 4513 und 5676 von P. Johannes XIX., P. Alexander II. und P. Urban II. aus den Jahren 1024, 1063 und 1097, danach nochmals im Privileg P. Alexanders III. von 1160, JL †10614), von deren drei ersten eines als Vorlage (= VU.I) gedient haben muss (vgl. dazu weiter unten). – D.268 ist, erweitert um die, in der Formulierung namentlich auf Florenz zielende Befreiung von fodrum vel districtum und mit Präzisierung der exactiones unseres Diploms auf exactio a rusticis vel conversis prefatorum monasteriorum, wörtlich in DF.I.245 von 1158 wiederholt (= NU.).

Bei der Wiedergabe des namens des Ausstellortes haben wir uns trotz des quantitativen Übergewichts der handschriftlichen Überlieferung mit Boccen- (s. Anm. h”) für Lamis Lesung Boven- entschieden, mit u statt v, da sich nur daraus eine Verlesung cc ergeben kann; eine Deutung aufgrund der handschriftlichen Lesung auf eines der beiden westlich von Worms gelegenen Bockenheim (a.d. Weinstraße Kr. Bad Dürkheim; Stein-Bockenheim Kr. Alzey-Worms) scheidet aus sprachlichen Gründen aus. Stumpf a.a.O. und Meyer von Knonau, Jahrb. 7,279 Anm. 30 hatten für den Namen in der Lami-Lesung vermutungsweise ein Böwingen/Bövingen “südlich von Luxemburg” vorgeschlagen; sie haben dabei aber wohl nicht an das ca. 7 km s. Luxemburg gelegene Bivange gedacht, sondern aufgrund eines Versehens an eines der beiden ca. 20 bzw. 50 km nördlich(!) von Luxemburg gelegenen Dörfer Boevange-sur-Attert (bei Mersch) bzw. Boevange-lès-Clervaux, die beide bei Rudolph, Orts-Lexikon von Deutschland (1870) den deutschen Namen Bövingen tragen. Stüllein hingegen (Itinerar 104 mit Anm. 9; mit Fragezeichen) hat den Ort sicher zu Recht mit dem ca. 15 km westlich von Speyer gelegenen Böbingen (Kr. Südliche Weinstraße) identifiziert; für die Richtigkeit spricht letztlich auch die Nennung des Speyerer Bischofs Arnold II. (1123–1126) als Spitzenzeuge.

Heinrich muss von hier aus unmittelbar nach dem 5. August zu seinem, auf einem Beschluss des Bamberger Hoftages vom Mai des Jahres basierenden (s. D.*263), erfolglosen Kriegszug gegen König Ludwig VI. von Frankreich aufgebrochen sein, da er schon am 13. August Metz erreicht hatte, von wo ihn widrige Nachrichten aus Worms zurückriefen (zum Feldzug und dessen Quellen vgl. Meyer von Knonau a.a.O. 271ff. und 278 Anm. 30; Stüllein a.a.O. 104f. mit Anm. 10). Zu den Teilnehmern am Zug dürften wohl auch die Zeugen von D.267 gerechnet werden.

Für die Zeugen von D.268 ist dies jedoch in zwei Fällen fraglich: Während noch Schilling, Guido von Vienne 545f. meint, der Kardinallegat Wilhelm sei “allem Anschein nach” dabei gewesen, vertrat Stüllein (a.a.O. 104 Anm. 9) die sicher richtige Ansicht, dass sich Wilhelm “wohl kaum” am Feldzug beteiligt habe. Für den Würzburger Elekten Gebhard (gegenüber dem hiesigen präzisen electus vorher immer als episcopus bezeichnet, s. DD.†241, 242, 255, 257, †300; zur Wahl s. Vorbemerkung zu D.232) ist eine Teilnahme gleichfalls unwahrscheinlich, da seine Wahlangelegenheit, derentwegen er sich Wilhelm in Worms hatte stellen wollen, noch unentschieden war und nach einem vor dem Kaiser gefassten Beschluss erst im Anschluss an eine in Würzburg durch den Legaten durchzuführende Wahluntersuchung entschieden werden sollte (vgl. Wendehorst, Bistum Würzburg 1,134ff., der S. 136 allerdings Gebhards Teilnahme am Zug annimmt). Womöglich haben sich Wilhelm und Gebhard von Worms aus gemeinsam nach Würzburg begeben.

Da bisher D.268 nur durch Lamis Druck mit der Lesung Livitaten. (s. Anm. e”) bekannt war, fand die hiesige Nennung B. Udalrichs II. von Eichstätt, eines der entschiedensten Anhänger Heinrichs, der, abgesehen vom Jahre 1121 und seiner Nichtteilnahme am 2. Italienzug, seit 1114 (D.117) jährlich mindestens einmal in Heinrichs Diplomen erschien und hier letztmals in seiner Umgebung genannt wird, bisher keine Berücksichtigung.

Die beiden Intervenienten (sie zählen übrigens zufällig auch zu den Intervenienten von D.183) standen in direkter, engerer oder weiterer Beziehung zu Vallombrosa: B. Bernhard von Parma (1106–1133) – vor seiner Erhebung auf den Bischofsstuhl Kardinalpriester von S. Grisogono (1099–1106) – wargleichzeitig seit 1097 Abt von Vallombrosa, vgl. Schwartz, Besetzung 187f., Ganzer, Auswärtiger Kardinalat 67ff. (bes. 67 Anm. 10), Hüls, Kardinäle 172f. Die Intervention des Abtes Pontius von Cluny (zu seiner im Text ausdrücklich erwähnten Verwandtschaft mit Heinrich V. vgl. D.148) lässt auf vermutlich engere Verbindungen zwischen den beiden Kongregationen von Vallombrosa und Cluny schließen.

Des Pontius zweimalige Bezeichnung als Cluniacensis abbas hier wie in D 267, als was er selbst sich offerbar (noch/wieder) ansah und auch von Heinrich betrachtet worden sein muss, führt mitten in die Problematik der letzten Lebensjahre des am 28. Dezember 1126 in päpstlicher Haft gestorbenen Mannes, der bei einem Rombesuch im Frühjahr 1122 (vermutlich nach 1122 März 8, da ihn eine Urkunde von diesem Tag noch als Empfänger einer Schenkung nennt, vgl. Bernard-Bruel, Chartes de Cluny 5,318 no 3959: sanctis apostolis Petro et Paulo Cluniacensis domnoque Poncio abbati sanctoque convertui; erwähnt bei Tellenbach in QFiAB 42/43,23 Anm. 31) dem Papst seine Abtei resigniert haben soll (später von ihm und seinen Anhängern in Frage gestellt), woraufhin in Cluny noch im Frühjahr 1122 ein bald gestorbener Nachfolger (Hugo II.) und dann am 23. August 1122 Petrus Venerabilis (Adressat von D.245) zum Abt gewählt worden war, und der schließlich durch ein Konzil in Lyon von 1126 Mai 26 exkommuniziert wurde.

Zu des Pontius “Sturz” und dessen Hintergründen vgl. den grundlegenden Aufsatz Tellenbachs (a.a.O. 13ff.), innerhalb der daran anknüpfenden umfangreichen jüngeren Literatur vor allem, durch neue Sicht der Hintergründe, Wollasch in Francia 23/1, 31ff., zusammenfassend vgl. zuletzt Schilling a.a.O. 569ff. (mit Lit.-Übersicht in Anm. 133).

Zu den wenigen gesicherten Fakten aus der Zeit nach seiner Resignation gehören eine Pilgerfahrt ins Hl. Land und ein anschließender Aufenthalt in Oberitalien, über die bisher teilweise unrichtige Vorstellungen herrschten, vgl. dazu Vorbemerkung zu D.245. Erste urkundliche Nachrichten liefern erst wieder zwei Urkunden aus dem Juni des Jahres 1124 (s. D.245) sowie seine Nennungen in DD.267 und 268, die Tellenbach (a.a.O. 23f. Anm. 30) fälschlich für die frühesten neuen Belege hielt, der aber insbesondere die durch diese beiden Diplome belegte Anwesenheit des Pontius am Hof unverständlicherweise mit einem Fragezeichen versah (“Sollte er gar am 25. Juli [= D.267] am Hof in Worms gewesen sein?”), obwohl er sich speziell für D.267 auf Hausmanns Feststellung der Kanzleimäßigkeit und die von diesem (fälschlich) behauptete Existenz des Originals berief, lediglich zur – u.a. von Stumpf in Frage gestellten – Echtheit des D.268 kein eigenes Urteil abgab. – Tellenbachs Zweifel an dem doppelten Beleg der voneinander unabhängigen DD.267 und 268 scheitern jedoch gerade hinsichtlich des D.268 an einem einzigen, ihm unbekannten Faktum: Allein durch Pontius’ Anwesenkeit kann ja die Verwendung der @ Papsturkunden geschöpften Arenga erklärt werden.

Daraus ergibt sich nun ein Bündel von Fragen, die hier nur gestelit werden können Hatte Fontius Urkunden seines Klosters bei sich, um von Heinrich V. ein Diplom (für Cluny?) zu erwirken? Wie ist er an diese Urkunden gelangt? Hatte er schon 1122 Teile des Archivs mit sich genommen, oder war er zwischenzeitlich nach Cluny zurückgekehrt, oder hatte er sich die Urkunden nachträglich vor seinen Anhängern im Kloster beschafft? Wenn ja, sollte sein Besuch am kaiserlichen Hof dem Zweck gedient haben, seine Stellung gegenüber dem Papst – mit Hilfe des Kardinallegaten – wieder zu festigen und zu einem Ausgleich zu kommen?

Ob Pontius gemeinsam mit Wilhelm eine “päpstliche Gesandtschaft” bildete, wie Schilling a.a.O. 573f. behauptet (a.a.O. 545 beschränkt sie sich auf die Formulierung, dass sich Pontius in Wilhelms “Begleitung” befunden habe), muss wohl offen bleiben; eine solche Annahme würde eine grundlegende Veränderung des Verhältnisses zu P. Calixt II. voraussetzen; Wilhelm und Pontius können auch zufällig gleichzeitig am Hof eingetroffen sein. – DD.267 und 268 widerlegen jedoch insbesondere Schillings Ansicht (a.a.O. 573), Pontius habe “zumindest während der Amtszeit Calixts [† 1124 Dez. 13] keinen Versuch unternommen, sein Amt wiederzuerlangen”. Sein Besuch am kaiserlichen Hof kann u.E. nur diesem Ziel gedient haben; und seine unbefangene Bezeichnung als abbas seitens der kaiserlichen Kanzlei in beiden Diplomen ist ein klares Indiz dafür, dass er sich in seinen Bestrebungen der Unterstützung Heinrichs V. sicher sein konnte.

In nomine sanctę et individuę trinitatis. Henricus divina favente clementia quartus Romanorum imperator augustus. Cum omnium fidelium petitionibus et necessitatibus subvenire debeat imperialis maiestas, multo magis his est impertienda eius beneficii clementia, quos religionis pręcipue exuberare facit gratia. Quapropter notum esse volumus omnibus imperio nostro subiacentibus, quod petitione venerabilis viri Bernardi Parmensis episcopi et dilectissimi cognati nostri Pontii Cluniacensis abbatis cuncta monasteria Vallimbrosanę congregationis ubilibet posita sub nostri imperii tuitione ac defensione suscepimus. Statuimus itaque, ut nullus archiepiscopus. episcopus, dux, marchio, comes, vicecomes, nulla civitas. nulla alia magna seu parva persona, ecclesiastica sęcularisve, prędicta monasteria inquietare audeat vel eorum possessiones seu reliqua bona auferre, minuere [vel] quoquomodo vexare pręsumat, sed cuncta, quę eisdem monasteriis oblata sunt vel offerri contigerit vel aliis quibusque modis iuste acquisita sunt vel in futuro acquisierint, libera et quieta servorum dei servitiis et utilitatibus subiaceant. Pręterea nostra imperiali auctoritate concedimus [et] confirmamus, quicquid in pręsenti possident vel in futuro possessuri sunt, ut eisdem monasteriis rata et illibata permaneant et ab omnibus exactionibus seu molestiis libera. Huius autem nostri imperialis pręcepti si quis, quod absit, violator extiterit, sciat se compositurum auri purissimi libras centum, medietatem camerę nostrę et medietatem prędictis monasteriis. Et ut [hoc] verius credatur et firmius custodiatur, manu nostra subscripsimus et sigilli nostri impressione insigniri iussimus.

Signum Henrici quarti Romanorum imperatoris <augusti> invictissimi.

Phi(lippus) cancellarius recognovit vice archicancellarii Alberti Maguntini archiepiscopi.

Huius rei testes sunt: Arnoldus Spirensis episcopas, Erbipolensis electus Gebeardus, Odericus Eistatensis episcopus.

Actum est hoc anno ab incarnatione domini millesimo centesimo [X]XIIII, indictione II; datum Bouenengę nonas augusti.

Hoc etiam Guillelmus Pręnestinus episcopus sua corroboravit pręsentia.