Unbeglaubigtes Transsumpt des 12. Jh. in Diplomform im Kapitelsarchiv
zu Lucca (B). – Verkürzte Abschrift von ca. 1269 im Staatsarchiv zu
Florenz (C).
Drucke aus B: Mittarelli-Costadoni, Ann. Camald. 3, app. 304 no
207. – (Barsocchini), Mem. e doc. di Lucca 5.1,429f. – Guidi-Parenti, Reg. del capitolo di Lucca 1,352 no
816 Auszug. – Aus C: Lasinio, Reg. di Camaldoli 4,187 app. no
1 verkürzt. – Vedovato, Camaldoli 242 no
III.3.
Reg.: Wentzcke, Straßburger Reg. 1.2,309 no
415. – Böhmer
Reg. 2086. – Stumpf
Reg. 3199.
Die Angabe Hausmanns
(Reichskanzlei 74 no
28), im Kapitelsarchiv zu Lucca befinde sich das Original von D.267,
muss auf einem Versehen oder einer Verwechslung beruhen, nachdem
sämtliche Drucke nur die Überlieferungen B/C kennen und auch bei einem
Besuch des Archivs die Suche nach dem Original vergeblich blieb. Damit
ist auch Hausmanns
Behauptung, Schrift und Diktat stammten von Notar Heinrich
(übernommen bei Tellenbach
in QFiAB 42/43,23 Anm. 30), zumindest hinsichtlich der Schrift
genauso hinfällig wie seine entsprechende Behauptung für D.72 (vgl.
dortige Vorbemerkung). – Dass andererseits der Notar an der Abfassung
beteiligt war, steht angesichts der starken Gemeinsamkeiten in
Publikatio, Verbotsformel, Pön und Korroboratio mit D.268 und anderer
Diktatmerkmale außer Frage, auch die emphatische Arenga geht sicher
auf ihn zurück; doch muss ihm ein Empfängerentwurf vorgelegen haben,
wie sich aus der vielfältigen Benützung von Vorurkunden ergibt.
Zunächst sind, wenn auch in jeweils geringem Umfang, drei
Camaldulenser Urkunden benützt: Außer Heinrichs D.72 (= VU.II) noch
die Privilegien P. Paschals II. von 1105 März 23 (= VU.I; s. D.72) und
P. Calixts II. von 1120 Mai 21 über die Unterstellung Sestos (=
VU.III; JL 6849, It. pont. 3,177 no
8; Druck: Robert, Bullaire 1,257 no
173). – Für Verbotsformel, Pön und Korroboratio dienten sodann,
variiert durch Eigendiktat des Notars, die älteren, zwischen 966 und
1053 für Kl. Sesto ausgestellten Diplome als Vorlage: DO.III.219,
DH.II.425, DKo.II.80 und DH.III.307 (= insgesamt als “VU.IV”
bezeichnet); diese Diplome befanden sich zwischenzeitlich offenbar im
Besitz von Camaldoli, sowie hernach, wenigstens teilweise, im Besitz
des Kl. S. Benedetto Po, dem das Kl. Sesto 1134 von P. Innozenz II.
übertragen wurde (JL 7655, It. pont. 3,460 no
16) und über dessen Archiv die Originale der beiden jüngsten ins
Staatsarchiv Mailand gekommen sind (s. It. pont. 3,457); durch diese
Abhängigkeit erklärt sich namentlich die rangwidrige Nachstellung von
episcopus vel archiepiscopus (s. Anm. t), wogegen D.268 die rechte Ordnung aufweist.
Unser Diplom markiert die Peripetie der wechselhaften Situation Sestos
zwischen Reich und Papst (vgl. dazu Schneider, Reichsverwaltung 1,301ff.): Das ursprünglich päpstliche Kloster war
wohl um die Wende vom 9. zum 10. Jh. Reichskloster geworden (erster
Beleg ist die Urk. Lothars II. zugunsten seiner Gemahlin Adelheid von
937 Dez. 12; Schiaparelli, Diplomi di Ugo e di Lotario 141 no
47; sodann obige Diplome). Bald nach Heinrichs III. Diplom von 1053
hat der Papst seine alten Ansprüche wieder realisiert, wie aus einer
Privilegierung Sestos durch P. Alexander II. (1061–1073) hervorgeht,
die in den Privilegien P. Lucius’ II. von 1144 April 15 und P.
Clemens’ III. von 1188 Jan. 9 (It. pont. 3,460f. no
18 und 22) erwähnt ist.
In Umsetzung dieser päpstlichen Verfügungsgewalt ergaben sich dann die
in unserem D. erwähnten Vorgänge, die zum Zweck der Reform des
verweltlichten Klosters durch P. Paschal II. (s. Anm. 1) und dann 1120
durch P. Calixt II. unter ausdrücklicher Hervorhebung der päpstlichen
Eigenrechte (s. Anm. n) vorgenommene Unterstellung unter Camaldoli.
Nachdem anscheinend in der Zwischenzeit seitens des Reiches keine
Ansprüche auf Sesto erhoben worden waren (vgl. weiter unten), ist die
Maßnahme P. Paschals II. offensichtlich erst auf den Widerstand
Heinrichs V. gestoßen, der seinerseits die Herstellung der alten
Obergewalt des Reiches versucht haben muss.
Nach Aussage von D.267 war die Unterstellung Sestos unter Camaldoli
durch P. Paschal II. auf Bitten des Abtes von Sesto und B. Rodulfs von
Lucca erfolgt; die in D.267 letztlich überflüssige narrative Erwähnung
der beiden Personen als Petenten bei Paschal II. ergibt in unseren
Augen nur einen Sinn, wenn diese sich zugleich auch bei Heinrich für
die Anerkennung dieser Maßnahme verwandt haben. – Dies könnte bei
einem Zusammentreffen im Sommer des im Itinerar äußerst lückenhaften
Jahres 1117 geschehen sein, als sich Heinrich nachweislich in der
Toskana aufhielt (s. DD.202 u. *203), wobei er auch, unter Umständen
sogar auf direkte briefliche Einladung hin (s. Anm. 3), Lucca besucht
haben könnte.
Eine urkundliche Bestätigung war aber damals von Heinrich
augenscheinlich nicht zu erlangen gewesen (vielleicht hatte er damals
sogar zugunsten Sestos geurkundet, s. D.*326), andernfalls wäre unser
D. überflüssig, das sich ja ausdrücklich mit dem Präsens
confirmamus als erstmalige Bestätigung zu erkennen gibt, und zwar der Verfügung P.
Paschals II., nicht etwa ihrer inzwischen erfolgten Erneuerung durch
P. Calixt II. von 1120, die ungeachtet der emphatischen Nennung
Calixts als Petent fast demonstrativ übergangen wird, dessen
petitio vielmehr nur in Zusammenhang mit der problemlosen Wiederholung der
Schutzurkunde D.72 erwähnt wird. Natürlich wird sich die
petitio, die wohl durch den Kardinallegaten Wilhelm als Intervenienten
übermittelt worden ist, auch auf Sesto bezogen haben, und die
Verhandlungen, die Wilhelm am königlichen Hofe führte, werden nicht
nur der Angelegenheit des Würzburger Elekten Gebhard gegolten haben
(vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,270 Anm. 14; Schumann, Legaten 119; Hüls, Kardinäle 116f.; s.a. unten), sondern auch den päpstlichen
Ansprüchen auf Sesto, diesmal mit Erfolg für die päpstliche Seite:
Mit D.267 hat Heinrich jedenfalls die Ansprüche des Reiches faktisch
und für alle Zeit aufgegeben; spätere Erneuerungen dieser Ansprüche
scheinen zweifelhaft: Das im 15. Jh. gefälschte D. Ottos IV. von 1210
März 4 (B.-Ficker
Reg. 356) beruft sich auf ältere Verleihungen von Heinrich (IV.) bis
Heinrich VI., die allesamt in Frage gestellt werden müssen (vgl.
D.*326); die erneute Besitzbestätigung durch Friedrich II. vom Dez.
1241 (Huillard-Breeholles
6,11; B.-Ficker
Reg. 3241), die sich bemerkenswerterweise nur auf die – beide im
Original erhaltenen
– duo privilegia Konrads II. (D.80 von 1027) und Heinrichs III. (D.307 von 1053)
beruft, scheint auch nicht über alle Zweifel erhaben, da die
Vorbemerkung der Edition von einer besiegelten “pergamena, sed recenti
manu” spricht. – Dem stehen für das 12. Jh. ständige päpstliche
Beurkundungen für Sesto entgegen (It. pont. 3,460f. no
17–22; zu no
16 von 1134 vgl. oben).
Vielleicht hat Heinrich mit der Formel
salvo iure ac potestate imperii, einer unübersehbar deutlichen Replik auf die entsprechende
Formulierung des Calixt-Privilegs (s. Anm. e’), einen theoretischen
Anspruch aufrechterhalten wollen. – Zu dieser Vorbehaltsklausel, die
unter Heinrich nach D.187 (omni ratione imperiali salva) hier zum zweiten Mal auftaucht, die aber eine bedeutungsmäßige
Parallele in der Wendung
salvo honore in DD.70/IV u. 193 aufweist (auffallenderweise allesamt für
italienische Empfänger), vgl. Appelt
in MIÖG 68,81ff. und nochmals in der Einleitung zu DDF.I. Bd.
5,130ff., Brühl, Fodrum 1,666f., Haverkamp, Herrschaftsformen 1,102ff., bei denen allerdings – außer bei Brühl
(667 Anm. 440, für D.187) – das Vorkommen der Formel in der Zeit
Heinrichs V. keine Beachtung fand. Heinrich hielt sich vermutlich
schon mehrere Tage in Worms auf. B. Gebhard von Würzburg sagt in
seiner Denkschrift von 1126/27 (vgl. Vorbemerkung zu D.232; Auszug bei Meyer von Knonau
a.a.O.), dass er bei seiner Ankunft in Worms den Kardinal Wilhelm
zunächst noch nicht antraf; da er aber dort schon mit EB. Adalbert von
Mainz verhandeln konnte, ist anzunehmen, dass zusammen mit diesem auch
der Hof schon in Worms war. Gebhard nennt auch (vgl. Meyer von Knonau
a.a.O.) die Namen der Bischöfe, die nach Ankunft des Kardinals an dem
Verfahren vor dem Kaiser teilnahmen:
Postquam itaque venit episcopus cardinalis, congregati sunt ad
audientiam imperatoris pro causa mea tractanda ipse archiepiscopus
Moguntinus, archiepiscopus Coloniensis, Arnoldus Spirensis, Goteboldus
Traiectensis, Gotefridus Treverensis archiepiscopus, Cuonradus
Tullensis, Bruno Argentinensis, Bertoldus Basiliensis et alii fideles
imperatoris. Wilhelm wird noch in D.268 vom 3. August am Hofe genannt, verließ
diesen im Laufe des Monats August, da er am 7. September in Trier eine
Bischofsweihe vornahm (s. Hüls
a.a.O. 116 Anm. 10), ist aber später nochmals in Straßburg am Hofe
anwesend (s. D.274 von 1125 Jan. 8).