Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<*263.>>

Heinrich lädt alle Reichsfürsten zu einem Hoftag nach Bamberg.

(1124 April 6[?]).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Stumpf Reg. –.

In der zeitgenössischen, im vorletzten Kapitel (lib. 3 c. 61) noch die Nachricht über Heinrichs V. Tod bietenden Chronica Boemorum des Cosmas von Prag († 1125 Okt. 21) heißt es in lib. 3 c. 55 (MGH SS N.S. 2 [ed. Bretholz], 228 Z. 27 – 229 Z. 3) zum Jahre 1124: Item VIII. id. aprilis in die pasche [6. April] cesar Heinricus quartus mittens epistolas ad omnes regni sui principes et episcopos precepit, quatenus omni occasione postposita IIII. non. maii [4. Mai; Sonntag Cantate] urbe Bamberk ad suam coadunarentur curiam.

Von der Einladung zu einem Bamberger Hoftag im Mai 1124 berichtet auch Ekkehard (rec. IV, ed. Schmale-Ott 366 Z. 1–6): Circa mediam quadragesimam [Mittfasten/Sonntag Letare, 16. März, bzw. die Woche davor] colloquium Wormacię cum quisbusdam optimatibus habebat, cęteris vero, qui non aderant, id est Saxonibus, Baioariis atque Boemis, ad curiam venire Babenberg nonas mai [7. Mai] indicebat, maxime propter Lotharii ducis insolentiam, qui nova quędam moliri notabatur [statt nite- ?] contra rem publicam ob sororis suę prescriptę illatam ab imperatore iniuriam; das prescriptę bezieht sich auf die im Vorangehenden (a.a.O. 362 Z. 8ff.), im Zusammenhang mit Heinrichs auch gegen sie gerichteten Feldzug nach Holland im Juli/August 1123 (vgl. dazu u.a. Vorbemerkung zu D.261, Stüllein, Itinerar 100f. mit Anm. 13, B.-Petke Reg. 74–76), ohne Namensnennung gebotene Erwähnung von Lothars Halbschwester Gertrud-Petronilla, Wwe. des 1121 gestorbenen Grafen Floris II. von Holland (… matrona quędam, cuius nomen excidit, soror nimirum Lotharii ducis, cuius et patrocinio confisa imperatori rebellare presumebat). Ein nur von Ekkehard erwähnter zweiter Feldzug nach Holland im Februar des Jahres 1124 (a.a.O. 364 Z. 22ff.: Anno domini MCXXIII … eclypsis lunę apparuit in purificatione sanctę Marię [2. Febr.] … Non multo post imperator Heinricus movet expeditionem contra eos, qui sibi in regione Hollant contrarii existebant) hatte sich zweifellos nochmals gegen Gertrud-Petronilla gerichtet, und die offenbar dabei von ihr erfahrene Unterstützung durch Herzog Lothar war augenscheinlich schon Gegenstand des nach Abschluss des erfolgreichen Feldzuges in Worms stattgefundenen, gleichfalls nur durch Ekkehard bekannten colloquium gewesen (vgl. a.a.O. 364 Z. 31ff., im Anschluss an obiges … contrarii existebant und vor dem mit Circa mediam … eröffneten Text: hisque, licet tarde, subactis ad superiores se partes [Mittelrhein] contulit, regina circa fines Lotharingię relicta), um dann Hauptgegenstand (vgl. obiges maxime) des Bamberger Hoftages zu werden (zu diesem sachlichen Zusammenhang vgl. schon Meyer von Knonau, Jahrb. 7,260 Anm. 1, ferner B.-Petke Reg. 82).

Die Berichte bei Cosmas und Ekkehard scheinen auf den ersten Blick in ihren Angaben nicht deckungsgleich, lassen sich jedoch miteinander in Einklang bringen: Was die unterschiedliche Angabe über die Adressaten der Ladung angeht, so ist anzunehmen, dass mit den Teilnehmern des Wormser colloquium schon dort die – selbstverständlich unter ihrer Beteiligung zu erfolgende – Weiterbehandlung der anstehenden Probleme, namentlich des Vorgehens gegen Herzog Lothar, auf einem besser als die Wormser Tagung besuchten allgemeinen Hoftag vereinbart worden war, so dass schriftliche Ladungen (Cosmas: mittens epistolas) nur, wie Ekkehard formuliert, an die in Worms abwesenden (demnach wohl auch am vorangehenden Feldzug nicht beteiligten) Fürsten aus Sachsen, Bayern und Böhmen (cęteri, qui non aderant) erforderlich waren, andererseits aber Cosmas davon sprechen konnte, dass omnes principes nach Bamberg geladen waren.

Über den Zeitpunkt, an dem die schriftlichen Ladungen ergingen, äußert sich Ekkehard überhaupt nicht konkret, aus seiner Formulierung ergibt sich nur sehr vage der ungefähre Zeitpunkt der Wormser Tagung (circa med. quadr.) sowie die Tatsache, dass (wohl erst bei deren mit dem Beschluss einer Vertagung verbundenen Ende) eine Ladung an die dort abwesenden Fürsten erging. Cosmas bietet demgegenüber das dem Anschein nach präzise Datum des 6. April = Ostern; Meyer von Knonau a.a.O. 260f. Anm. 3 vermutet nun, Cosmas habe das (an einen böhmischen Empfänger adressierte, s. Ekkehard) “in Prag einlaufende Einberufungsschreiben” gesehen, und ist wohl der Ansicht, diesem habe Cosmas das Datum entnommen.

Das Ladungsmandat war jedoch dem Kanzleibrauch entsprechend zweifelos undatiert; da Cosmas am Ende des ersten Buches (lib. 1 c. 42, a.a.O. 80) erklärt, er stütze sich im folgenden zweiten und dritten Buch auf das, que ipsimet vidimus vel que ab his referentibus, qui viderunt, veraciter audivimus, könnte er über eine Quelle verfügt haben, aus der sich der (von ihm verschwiegene) Aufenthaltsort des Hofes zum Osterfest ergeben hätte; wenn dies noch Worms gewesen war, wovon auch Stüllein a.a.O. 103 wohl zu Recht ausgeht, würde dies zugleich bedeuten, dass das dortige colloquium erst um Ostern beendet wurde und damals dann die Ladungen hinausgingen; aus einer entsprechenden Nachricht könnte Cosmas das – in seiner doppelten Form (röm. Kalender und Kirchenfest) ohnedies auffällige – Tagesdatum konstruiert haben, das deshalb nur mit Vorbehalt unserer Datierung zugrunde gelegt ist.

Auf jeden Fall wird man ausschließen müssen, dass zu zwei verschiedenen Terminen (noch im März und am 6. April) Einladungen zum Bamberger Tag hinausgingen, wovon Juritsch, B. Otto I. 257 Anm. 65 ausgeht. – Die nach den vorliegenden Texten tatsächlich divergierenden Daten für den Bamberger Tag (Cosmas: 4. Mai; Ekkeh.: 7. Mai) möchte Juritsch a.a.O. damit erklären, dass Heinrich sich zwischen dem Wormser Tag (für diesen gibt er fälschlich “11. März” an) und dem 6. April (= Cosmas) dazu entschlossen habe, “den Reichstag um drei Tage früher zu eröffnen”, was neue Ladungsschreiben erforderlich gemacht habe, und vermutet zudem ohne weitere Begründung, B. Otto von Bamberg habe “den Kaiser zu dieser Abänderung veranlasst”. Das Problem löst sich aber viel einfacher: Bei Ekkehard ist vor dem nonas mai zweifellos die von Cosmas gebotene Zahl IIII. ausgefallen, so dass dessen Datum des 4. Mai, der zudem auf einen Sonntag fiel, für die Eröffnung des Bamberger Tages zugrunde zu legen ist. Zu diesem früheren Termin passt schließlich auch besser die Tatsache, dass Heinrich nach DD.264/265 vom 25. April sich schon in der letzten Aprilwoche in Bamberg aufgehalten hat.

Vermutlich führte Heinrich vor Eröffnung des Hoftages Gespräche mit B. Otto über dessen geplante Missionsreise nach Pommern, die nach Ekkehards ausführlichem Bericht über den Bamberger Tag (a.a.O. 366 Z. 7ff.) nach Erledigung der sonstigen Angelegenheiten den Beifall des Hoftages fand (a.a.O. 366 Z. 30: Annuit tota quę convenerat ęcclesia, annuit et aula …). Zu den sonstigen auf dem Hoftag behandelten Gegenständen vgl., gestützt auf Ekkehard a.a.O. und Cosmas a.a.O. c. 56, u.a. Meyer von Knonau a.a.O. 265f. und B.-Petke Reg. 83 u. 84.

Zum Abschluss des Hoftages, der bei Abwesenheit lediglich der sächsischen Fürsten sehr stark besucht war (Ekkehard a.a.O. 366 Z. 7ff.: Factus est itaque conventus idem non modicus, nam singularum provinciarum duces aderant preter predictum Lotharium paucosque sibi consentientes de Saxonia principes), wurde gegen diese für den August ein Feldzug beschlossen (a.a.O. 368 Z. 5ff.: … indignatus imperator his, qui presentem curiam adire contempserant, instituit expeditionem sequente augusto generaliter fieri, specie quidem contra Saxoniam, re autem vera contra Galliam, in regnum regis Lūdewici [Ludwig VI.], prebiturus nimirum auxilium socero suo Heinrico Anglię regi pro possessione Normannię provincię contra eundem regem Gallię Lūdewicum contendenti; vgl. dazu u.a. Meyer von Knonau a.a.O. 266 u. 271–281, Stüllein a.a.O. 103 Anm. 5 u. 104f., Giese, Stamm der Sachsen 194f., B.-Petke Reg. 84, s.a. Vorbemerkung zu D.268).