Original (ca. 29,5/31,5 b : 24/24,5 h) im Gemeentearchief zu Deventer
(A); Rückvermerk des 15. Jh.:
Privilegium, qualiter ecclesia in Raelte fuit collata [andere Hand:] capitulo Dauen(triensi); 17./18. Jh.:
Dit is gebruijkt.
Drucke: Lindeborn, Hist. sive notitia episcopatus Daventriensis 176 “ex ipso
autographo” unvollständig = (van Heussen), Historia ep. Belgii 3,62 = (van Heussen), Oudheden en gestichten van Deventer 1,341 in niederländ.
Übersetzung = (van Heussen), Kerkel. Historie 6,510 in niederländ. Übersetzung. – Dumbar, Het kerkelyk en wereltlyk Deventer 1,350 no
7 und 446. – Bondam, Charterboek van Gelderland 1.1,171 no
23. – Aus A: Sloet, OB Gelre en Zutfen 237 no
242 Auszug. – Muller-Bouman, OB sticht Utrecht 1,286 no
312. – Ter Kuile
in Verslagen en mededeelingen 57,8 no
57.
Reg.: Goerz, Trierer Reg. 15. – Wauters, Table chronol. 2,120. – Goerz, Mittelrhein. Reg. 1,479 no
1741. – Knipping, Kölner Reg. 2,32 no
210. – Brom, Reg. sticht Utrecht 1,63 no
307. – Ter Kuile, OB van Overijssel 1,47 no
47. – Böhmer
Reg. 2081. – Stumpf
Reg. 3193.
Das leichtfertige Verdikt Oppermanns, Untersuchungen 1,138f. und 2,171f., der D.261 als eine auf echtem
Kern beruhende Fälschung aus der zweiten Hälfte des 12. Jh. bewertete,
wurde bis in die jüngste Zeit wiederholt, zuletzt bei Peters
in Annalen Niederrhein 190,37 Anm. 13 (vorher Muller-Bouman
a.a.O. 144, Ter Kuile, Stüllein, Itinerar 101 Anm. 14, Van de Kieft
in Diestelkamp, Beitr. z. hochmal. Städtewesen 162; ohne Äußerung zur Echtheitsfrage Rotthoff, Reichsgut 61, Diestelkamp
in Hist. Zs. Beiheft 7,270 Anm. 117 und Koch
in Lex. d. MA 3,921; als echt bezeichnet ist es, aufgrund eines
Hinweises Gawliks, nur bei Opll, Stadt u. Reich 166 Anm. 17 (s. auch B.-Petke
Reg. 74f.). – Das Diplom, dessen Eschatokoll vollständig dem Diktat
des Notars Heinrich entspricht (vgl. Hausmann, Reichskanzlei 74 no
23; äußert sich nicht zur Echtheit), muss trotz aller äußerlichen
Auffälligkeiten insbesondere wegen des echten und korrekt befestigten
Siegels (die teilweise Nachbefestigung mit Leim, s. Anm. y, hat nichts
mit einer Manipulation zu tun, da die Verbindung zwischen Siegelplatte
und Rückenwulst intakt ist) als unbezweifelbar echtes Original gelten.
Die von Oppermann
dagegen ins Feld geführten inhaltlichen und formalen Gründe lassen
sich restlos ausräumen: Nichtssagend ist insbesondere die
Argumentation, dass die hier beurkundete Abschaffung von Tauf- und
Begräbnisgebühren zwar in den südlichen Niederlanden schon zu Anfang
des 12. Jh. belegt, für die nördlichen Niederlande jedoch vor 1175
ohne Beispiel sei. Er verkennt dabei, dass die Begünstigung Deventers
zwar durchaus Ausnahmecharakter gehabt haben mag, aber ihre
unmittelbare Rechtfertigung aus der besonderen historischen Situation
bezog: Sie sollte zweifellos eine Entschädigung dafür darstellen, dass
die Stadt schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war, als während
Heinrichs Belagerung der dem Bischof von Utrecht gehörigen Schulenburg
Herzog Lothar, der zugunsten seiner mit B. Godebald verbündeten
Halbschwester, der Gräfin Gertrud-Petronilla von Holland, in den Krieg
eingegriffen hatte (s. D.*263), einen Entlastungsangriff gegen sie
führte. – Zu den Ereignissen vgl. u.a. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,250f. und Van de Kieft
a.a.O. 161f. Zuletzt B.-Petke
Reg. 74 und 75, ebenda zu den Ansichten über die Lage der
Schulenburg; für beide Regesten sowie für Reg. 76 ist die Datierung
“1123 (nach Juni 3 – vor August 2)” aufgrund von D.259 durch “nach
Juni 27” zu ersetzen.
Die Abweichungen vom kanzleigemäßen Formular, wozu neben den von Oppermann
aufgezählten Einzelheiten (u.a. in der Korroboratio
remaneat statt
permaneat, sigilli auctoritate statt
… impressione) vor allem das von ihm übersehene
Ego als Eröffnung der Intitulatio zählt, erklären sich durch
Empfängerdiktat.
Die äußeren Besonderheiten, unter denen vor allem die nachlässig
wirkende Zeichnung des Monogramms ins Auge springt, haben ihren Grund
zunächst in dem gewählten Pergamentblatt: Da es sehr klein ist, nimmt
das Siegel, dessen Höhe von der des Blattes nur knapp um das Doppelte
übertroffen wird, einen unverhältnismäßig großen Platz ein und beengte
vor allem in der unteren Hälfte den für die Beschriftung verfügbaren Raum; da außerdem Querformat gewählt wurde, ergab sich
als fast zwangsläufige Folge, dass noch in der 1. Zeile in
Normalschrift mit der Publikatio begonnen wurde.
Die meisten Absonderlichkeiten erklären sich jedoch aus der
Rekonstruktion der mehrstufigen, z.T. mit Tintenwechseln (s. Anm. s,
x, b’, d’, e’) verbundenen Genese des Textes, mit dem das mit 13 (mit
Metallstift gezogenen) Blindlinien präparierte Blatt von einem
Empfängerschreiber gefüllt wurde: Dieser schrieb zunächst in einem Zug
das Protokoll (ohne das Chrismon, s. Anm. a), den Kontext, den
Grundstock der Zeugenliste, der am Schluss der letzten
vollgeschriebenen 7. Zeile (s. Anm. n) und auf den ersten ca. 16 cm
der 8. Zeile die drei (Erz-)Bischöfe umfasste, dann mit Zeilenwechsel
für die beiden Schlusszeugen die ersten 11 cm auf der 9. Zeilenlinie
beanspruchte, sowie schließlich, unter Überspringung der 10. Linie,
auf der 11. Linie den Anfang der Datierung (s. Anm. a’).
Spätestens in diesem Stadium wurde, der 10. Zeilenlinie aufsitzend,
von anderer Hand das Monogramm eingezeichnet (s. Anm. x; vgl. weiter
unten). Danach erfolgte die mit etwas anderer Tinte in einem Zug
vorgenommene Ergänzung der Zeugenliste durch die Einschaltung der
beiden Grafen im Anschluss an B. Albero von Lüttich in der 8. Zeile,
deren Beschriftung mit dem
Ge von
Gerardus (s. Anm. s) in einem Abstand von ca. 13 cm vom rechten Rand beendet
worden war, um die ganze rechte untere Blattecke unterhalb der 7.
Zeile in einer Höhe von ca. 10 cm für die Siegelstelle auszusparen;
die Fortsetzung erfolgte interlinear zwischen der 8. und 9.
Zeilenlinie, endend mit
Cliva ca. 1 cm vor dem oberen Ende der linken Vertikalen des Monogramms (s.
Anm. s).
In einem Zug mit der Ergänzung der Zeugenliste brachte der Schreiber
dann in dem nur mit Liniierung für eine einzige weitere, die 10. Zeile
versehenen restlichen Raum zwischen Zeugenliste und Datumzeile
zweizeilig die beiden Unterfertigungszeilen unter (s. Anm. v), wobei
er, insbesondere in der Rekognitionszeile sowie für die rechts neben
dem Monogramm stehenden Schlusswörter beider Zeilen, eine enge
Buchstabenreihung wählte, ohne damit vermeiden zu können, in den für
das Siegel reservierten Raum einzudringen (s. Anm. z). Als nächstes
wurde, mit dünnerer Feder und dunklerer Tinte, die Datumzeile um die
Indiktionsangabe komplettiert, wobei man, um die Zeile in gleichem
Randabstand wie die Zeugen-Ergänzung in der 8. Zeile (s. oben und Anm.
s) enden zu lassen, wiederum engere Buchstabenreihung wählte und sich
vielleicht auch deshalb zu einer eigenartigen Kürzung für das
indictione veranlasst sah (s. Anm. d’). Die Niederschrift wurde damit
abgeschlossen, dass mit wieder breiterer Feder und dunklerer Tinte auf
der 12. Zeilenlinie rechts unter der den bisherigen Schluss der
Datumzeile bildenden Indiktionsangabe das Tagesdatum (s. Anm. e’) und
offenbar im Zusammenhang damit auf Rasur ein neuer Ausstellort (s.
Anm. b’) eingetragen wurde.
Mitten während seiner Tätigkeit, genauer nach deren erster Phase, muss
dem Schreiber der Kanzleinotar beigesprungen sein: Vermutlich wird er
ihm zunächst gesagt haben, dass die Urkunde in dieser Gestalt
überhaupt nicht expediert werden könne, sondern neugeschrieben werden
müsse. Als Hilfe dafür skizzierte er – jemand anders kommt dafür nicht
in Frage – in der Blattmitte grob die Gestalt des in der
Neuausfertigung einzuzeichnenden Monogramms (vgl. dazu die Parallele
von D.276); es ist sogar vorstellbar, dass der Notar den Schreiber
gerade noch davon abhalten konnte, das Monogramm nahe am linken Rand
einzuzeichnen, wozu dieser schon angesetzt zu haben scheint (vgl. Anm.
u); anscheinend mit derselben Tinte hat er wohl bei dieser Gelegenheit
auch das Chrismon skizziert (s. Anm. a).
Für die weitere Niederschrift lieferte der Notar dem
Empfängerschreiber sodann den vollständig seinem Diktat entsprechenden
(einschließlich des bei ihm vorherrschenden Verzichts auf
domni hinter
Signum) Wortlaut der Signum- und Rekognitionszeile sowie seine falsche 13.
Indiktion (s. Anm. d’ und 1).
Darüberhinaus wird er dem mit Diplomschrift nicht vertrauten Mann, der
seine Schrift bis dahin nur mit Oberlängen-Verschleifungen (anders als
der sich dabei auf
f und langes
s beschränkende Notar an allen Oberlängen) ausgezeichnet hatte,
empfohlen haben, in der Neuausfertigung ein
r mit Unterlänge zu verwenden und diese wie er mit Zackenlinie zu
versehen, was den Schreiber dazu veranlasste, schon jetzt diese
Umgestaltung des
r vorzunehmen – vermutlich war gerade die von Oppermann
a.a.O. 2,171 erkannte Nachtragung der
r-Unterlängen der Grund für seine Annahme, sein vermeintlicher Fälscher
habe ein von der Hand des Notars Heinrich geschriebenes Original
nachgeahmt –, dann aber auch die Unterlängen von
p und
q mit Zackenlinien auszustatten (vgl. Anm. b–d).
Nachdem so das vom Schreiber ursprünglich als Reinschrift gedachte
Stück zum Konzept für eine Neuausfertigung abgewertet worden war,
brauchte er auch keine Bedenken gegenüber der interlinearen Ergänzung
der Zeugenliste zu hegen. – Zur geplanten Neuausfertigung ist es dann
jedoch aus unbekannten Gründen nicht gekommen, weder in Deventer, wo –
einige Tage vor dem Ausstellungsdatum – wahrscheinlich die
Niederschrift erfolgt war, dessen Name (s. Anm. b’) vielleicht auch
ursprünglich in der Datierung gestanden hatte, noch in Utrecht, wohin
der Hof nach Entsatz Deventers gezogen war, wo dann erst, evtl. von anderer Hand, auf Rasur der neue Ausstellort und das
auf die Ausstellung zu beziehende Tagesdatum nachgetragen wurden (s.
Anm. e’), und wo das unvollkommene Stück, womöglich auf
ausdrücklichen, denkbare Einwände der Kanzlei beiseite schiebenden
persönlichen Befehl des Kaisers und zugleich auf Drängen der sich mit
diesem Notbehelf zufriedengeben müssenden Abgesandten Deventers das
alle Mängel zudeckende kaiserliche Siegel erhielt. – Diese Mängel sind
letztlich das stärkste Argument gegen Oppermanns Fälschungsverdacht; ein späterer Fälscher hätte es sich nicht
erlauben können, ein solches verunglücktes Elaborat abzuliefern.