Abschrift vom Ende des 12. Jh. im Liber donationum I der Kirche von
Utrecht f. 47v (alt f. 44v) im Reichsarchiv zu Utrecht (B). –
Abschrift aus dem ersten Viertel des 13. Jh. in Bondams Liber
privilegiorum f. 60r–v ebenda (C).
Drucke: Mieris, Charterb. van Holland 1,83 aus Ms. Petri Bockenbergii zu 1112–1116 = Schwartzenberg, Charterb. van Vriesland 1,71 zu 1112–1116 = Sloet, OB Gelre en Zutfen 221 no
226 unvollständig, zu 1116–1118. – Aus B: Muller, Hed oudste Cartularium 120 no
77 zu 1123–1125. – Muller-Bouman, OB sticht Utrecht 1,285 no
310 zu 1122–1125. – Niermeyer
in Bijdragen voor Vaderland. Gesch. VII.8,19 unvollständig.
Reg.: Dobenecker, Reg. Thur. 1,248 no
1180 zu c. 1123 Aug. (nach Stumpf). – Brom, Reg. sticht Utrecht 1,63 no
308. – Muller, Reg. bisschoppen van Utrecht 1,17 no
87, beide zu 1123–1125. – Stumpf
Reg. 3225 zu c. 1123 Aug.
Eine Beteiligung der Kanzlei am äußerst mißlungenen Diktat des knappen
Textes ist nicht erkennbar. Der anzunehmende Empfängerdiktator
verwendete als wörtliche Vorlagen für Protokoll, Teile der Dispositio,
Sanktio und Korroboratio sowie das Eschatokoll die beiden Diplome
Heinrichs IV. über die Schenkung der dem Markgrafen Ekbert II. von
Meißen im Fürstengericht entzogenen mittelfriesischen Grafschaft
Ostergau und Westergau (s. Anm. k; vgl. zu dieser zuletzt Hoffmann
in DA 46,445f.) an B. Konrad (1076–1099), in erster Linie das jüngere
D.402 von 1089 (= VU.I), in geringerem Maße und ausschließlich in der
Dispositio das ältere D.386 von 1086 (= VU.II); die durch Petitsatz
gekennzeichneten Teile der Publikatio müssen allerdings nicht
unbedingt aus VU.II übernommen (s. Anm. c), sondern können auch frei
stilisiert sein, vgl. weiter unten.
Zum Text der Vorurkunden vgl. Spaltdruck bei Niermeyer
a.a.O.). Bei den auf den Aussteller bezüglichen Angaben unterließ der
Diktator die erforderlichen Änderungen, was vor allem für die
beibehaltene Ordinalzahl in der Signumzeile gilt (s. Anm. t). Auf
sklavische Abhängigkeit von VU.I ist umgekehrt die Weglassung der
Ordinalzahl der aus diesem Grunde einschließlich der Invokatio in
Petitsatz gebotenen Intitulatio zurückzuführen (s. Anm. b), was seine
Parallele in der Auslassung des Namens des Erzkanzlers in der
Rekognitionszeile (s. Anm. v) hat. – Auch die selbständig formulierten
Partien zeugen vom Unvermögen des Diktators, der zwar in der zu Beginn
der Dispositio wiederholten Intitulatio die Ordinalzahl ändert, dabei
jedoch das zum Kaisertitel nicht passende
quintus bietet. Am deutlichsten zeigt sich sein Ungeschick darin, daß er den
Aussteller-Plural der Vorurkunden durchwegs durch den Singular
ersetzt. Sicherlich ist es auch nur seiner Unachtsamkeit anzulasten,
daß die in den Vorurkunden enthaltene Benennung der Grafschaft wegfiel
(s. Anm. k).
Die fehlende Datierung schließlich könnte den Verdacht erwecken, es
sei bei einem unvollzogenen Empfängerentwurf geblieben; doch gibt es
zunächst in der Reihe der bis hin zum seinerseits stark beschädigten
Original des DF.I.496 von 1165 ausschließlich kopial überlieferten
Diplome des Bistums Utrecht (nur von dem Original des DKo.II.43 von
1025 gibt es ein schmales Fragment des rechten Randes) einige weitere
Beispiele für vom Kopisten weggelassene Datierungen (DH.III.196 und
DDH.IV.14–17; vgl. Niermeyer
a.a.O. 18 Anm. 1). Insbesondere aber muß der Kanzlei Konrads III.,
als dieser dem Bistum Utrecht mit seinem D.3 von 1138 (= NU.) die
Grafschaft restituierte, die entweder schon 1126 oder erst 1133 Lothar
III. widerrechtlich eingezogen und seinem Neffen Dietrich VI. von
Holland verliehen hatte (vgl. B.-Petke
Reg. 123 u. 381), ein, wie der Text des D.3 klar zum Ausdruck bringt
(vgl. Anm. l), vollzogenes, demnach besiegeltes und wohl auch eine
Datierung aufweisendes Original von D.260 vorgelegen haben.
In der neueren Literatur erfuhr dieser formal so mangelhafte Text
ungemein widersprüchliche Bewertungen: Oppermann, Untersuchungen 2,165, der ihn zu 1123–1125 datiert, weist das
Diktat, wofür er als “Diktatprobe” lediglich die – aus VU.I
übernommene – Korroboratio anführt, ohne weiteres und fälschlich dem
Kanzleinotar Heinrich (Bruno-Philippus B) zu. – Niermeyer
a.a.O. 18ff., der ohne Nennung Oppermanns dessen Zuweisung an den Kanzleischreiber verwirft, hält D.260 für
eine unmittelbar vor dem DKo.III.3 und im Hinblick auf dieses
hergestellte Fälschung, für die wahrscheinlich ein in den Jahren
1129–33 tätiger bischöflicher Notar, dem auch das DH.IV.†129
zugewiesen werden könne, verantwortlich sei (zu einem Identifizierungsvorschlag vgl. a.a.O.
25). Obwohl der von Niermeyer
geäußerte Fälschungsverdacht gegen D.260 auf seiner irrigen
Gleichsetzung des hiesigen
comitatus Fresię mit dem
comitatus Frisie von D.†29 beruht, hat die Literatur, die diese These verwarf, dennoch
den Fälschungsverdacht gegen unser D. aufgegriffen (vgl. u.a. die
Besprechung zu Niermeyer
durch v. Gladiss
in DA 2,293f.; Ehbrecht, Landesherrschaft 52; Schiffer, Grafen von Geldern 32 Anm. 68, 77f.; Hoffmann
a.a.O. 446).
Das Stück ist inhaltlich unverdächtig, und auch die Diktathinweise,
z.B. die bei Niermeyer
a.a.O. 19 mitgeteilte Parallele zur hiesigen Publikatio aus einer
Bischofsurkunde von 1131 (Muller-Bouman
a.a.O. 304 no
331) mit gleichem Anschluß der Dispositio (Notum sit omnibus …, quod ego …; vgl. Anm. c) sind keineswegs ausreichend, die Abfassung von D.260 so
spät anzusetzen und darauf den Fälschungsverdacht zu stützen; die
Publikatio der Bischofsurkunde könnte ja ebensogut von dem
Empfängerdiktat des D.260 abhängig sein. – Gänzlich unhaltbar ist
wiederum die von Hausmann, Reichskanzlei 72 no
10, ohne Stellungnahme zu Oppermann
und Niermeyer, vertretene Ansicht: Er datiert das von ihm für echt angesehene Stück
auf 1122 X/XI (s. auch Vorbem. zu DKo.III.3; ähnlich Stüllein, Itinerar 96 mit Datierung in den September) und spricht Teile des
Diktats, nämlich Protokoll, Zeugenankündigung und Eschatokoll, dem
zuletzt im Jahre 1114 (s. DD.135 und †138) tätigen Notar Adalbert B
zu. Nachdem aber Protokoll und Eschatokoll eindeutig aus VU.I
entnommen sind, bliebe allein die Zeugeneinleitungsformel; deren
Gebrauch ist jedoch keineswegs so typisch für das Diktat dieses
Notars, wie Hausmann
dies behauptet (von den a.a.O. 72 Anm. 6 angeführten vier Belegen ist
D.103 zu streichen), und andererseits ist die Formulierung auch vom
Utrechter Empfängerdiktator her zu erklären (vgl. Beispiele bei Niermeyer
a.a.O. 19f., allerdings erst aus Urkunden der 30er Jahre des 12. Jh.,
vgl. dazu oben).
Auch der von Hausmann
seinem Zeitansatz zugrundegelegte Befund, daß D.260 die Auslassung
des (ab D.246 von 1122 Dezember 28 immer angegebenen) Erzkanzlernamens
mit den von ihm nicht genannten, aber gemeinten (s. Stüllein
a.a.O. 96) DD.†241 und 242 von 1122 September 23 und November 11
gemeinsam habe, ist unbrauchbar, da die Rekognitionszeile ja aus VU.I
stammt, der auch die Schlußstellung des
recognovi entspricht, während dies in den beiden angeführten Beispielen – so wie
auch vorher und nachher immer – hinter
cancellarius steht. – Übrigens fällt damit, daß das Diktat von D.260 dem Notar
Adalbert B abzusprechen ist, eines der Argumente Hausmanns gegen die von Pivec
in MÖIG 46,305 vermutete Identität dieses Notars mit dem Kaplan
David, der 1120 April 4 zum Bischof von Bangor in Nordwales geweiht
worden war, demnach in dem von Hausmann für D.260 angenommenen Jahr
1122 nicht mehr in der Kanzlei tätig gewesen sein könne.
Entscheidende inhaltliche Gründe gegen die Echtheit von D.260 sind
nicht erkennbar. Überdies läßt es sich, trotz mangelnder Datumzeile,
zeitlich recht genau eingrenzen: Den frühesten Zeitpunkt markiert die
Nennung des Kanzlers Philipp, der sein Amt seit dem September 1122
innehatte (Hausmann
a.a.O. 50), den spätesten die Tatsache der Begünstigung B. Godebalds
von Utrecht und die gleichzeitige Nennung B. Dietrichs von Münster als
erster Zeuge. Mit letzterem, einem entschiedenen Gegner Heinrichs, war
es offenbar nach dem herbst 1121 zu einer Aussöhnung gekommen, so daß
er in D.233 von 1122 März 29 am Hof belegt ist (s. Löffler, Westfäl. Bischöfe 37). Das gute Einvernehmen mit beiden Bischöfen
fand sein Ende, als sie Heinrich zu Beginn seines wohl im Juli 1123
angetretenen und in erster Linie gegen Gertrud-Petronilla von Holland
gerichteten Feldzugs in die westlichen “Niederlande” (ad fines occidentis) gegen Ende des Monats bei der Schulenburg im Bündnis mit Gertrud und
ihrem Halbbruder, Hz. Lothar von Sachsen, als Gegner gegenüberstanden
(vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,250ff.; Stüllein
a.a.O. 99f.; s. auch B.-Petke
Reg. 74).
Der auf nicht sicher auszumachenden Gründen beruhende Frontenwechsel
ist offenbar sehr unvermittelt erfolgt, und unmittelbar vor diesen
Zeitpunkt, in die Zeit der Vorbereitung des Feldzuges, dürften die
übrigen Zeugen das D.260 verweisen: Wichtig ist in dieser Hinsicht
insbesondere die Nennung des spätestens 1122 eingesetzten (s. Schwartz, Besetzung 141) B. Anselm von Vercelli, der nach Ausweis des D.259
von 1123 Juni 27 in Straßburg am Hofe weilte; seine einem Utrechter
Fälscher unmögliche Erwähnung ist zudem wohl das stärkste Indiz für
die Echtheit. Sodann sprechen die allesamt aus Niederlothringen
stammenden Laienzeugen dafür, daß sie für den Kriegszug und
möglicherweise kurz nach dessen Beginn zum Gefolge des Kaisers
gestoßen waren; drei von ihnen, Graf Gerhard I. von
(Wassenberg-)Geldern (zu ihm s. Schiffer
a.a.O. 13ff.), sowie
Arnulfus de Rotha und
Stephanus Oyensis, begegnen denn auch in dem nach dem Kampf um die Schulenburg
ausgestellten D.261 von 1123 August 2, in dessen Nähe Meyer von Knonau
a.a.O. 252 Anm. 35 mit sicherem Gespür (in Anlehnung an Stumpfs Datierung?) auch D.260 rücken möchte, was wegen der Nennung B.
Dietrichs von Münster aber unmöglich ist.
Neben Stephan von Oizy hatte auch der Zeuge Hermann
Piscis (in einer Urkunde B. Burchards von Utrecht von 1108, Muller-Bouman
a.a.O. 257 no
280, dort auch
Arnoldus de Rothe genannt, lautet sein Beiname
Uisc) schon auf Heinrichs 2. Italienzug zu seinem Gefolge gezählt, vgl.
Vorbemerkung zu D.223. Wir glauben daher das Diplom entweder zum
Straßburger Aufenthalt Ende Juni oder in den Beginn des Feldzugs
Anfang Juli datieren zu dürfen. – Zur Rolle B. Konrads von Utrecht als
Erzieher (nutricius) Heinrichs V., vermutlich seit ca. 1087, die durch keine weitere
zeitgenössische Quelle belegt ist und über die ein Utrechter Fälscher
der 30er Jahre kaum noch informiert sein konnte, vgl. Ahlfeld
in Ann. Niederrhein 157,197ff.