Die Urkunden Heinrichs V. und der Königin Mathilde
<<260.>>

Heinrich bestätigt der bischöflichen Kirche von Utrecht die von seinem Vater gemachte Schenkung einer Grafschaft in Friesland.

(um 1123 Juni/Juli).

Vorbemerkung Thiel, Stand: 2010

Abschrift vom Ende des 12. Jh. im Liber donationum I der Kirche von Utrecht f. 47v (alt f. 44v) im Reichsarchiv zu Utrecht (B). – Abschrift aus dem ersten Viertel des 13. Jh. in Bondams Liber privilegiorum f. 60r–v ebenda (C).

Drucke: Mieris, Charterb. van Holland 1,83 aus Ms. Petri Bockenbergii zu 1112–1116 = Schwartzenberg, Charterb. van Vriesland 1,71 zu 1112–1116 = Sloet, OB Gelre en Zutfen 221 no 226 unvollständig, zu 1116–1118. – Aus B: Muller, Hed oudste Cartularium 120 no 77 zu 1123–1125. – Muller-Bouman, OB sticht Utrecht 1,285 no 310 zu 1122–1125. – Niermeyer in Bijdragen voor Vaderland. Gesch. VII.8,19 unvollständig.

Reg.: Dobenecker, Reg. Thur. 1,248 no 1180 zu c. 1123 Aug. (nach Stumpf). – Brom, Reg. sticht Utrecht 1,63 no 308. – Muller, Reg. bisschoppen van Utrecht 1,17 no 87, beide zu 1123–1125. – Stumpf Reg. 3225 zu c. 1123 Aug.

Eine Beteiligung der Kanzlei am äußerst mißlungenen Diktat des knappen Textes ist nicht erkennbar. Der anzunehmende Empfängerdiktator verwendete als wörtliche Vorlagen für Protokoll, Teile der Dispositio, Sanktio und Korroboratio sowie das Eschatokoll die beiden Diplome Heinrichs IV. über die Schenkung der dem Markgrafen Ekbert II. von Meißen im Fürstengericht entzogenen mittelfriesischen Grafschaft Ostergau und Westergau (s. Anm. k; vgl. zu dieser zuletzt Hoffmann in DA 46,445f.) an B. Konrad (1076–1099), in erster Linie das jüngere D.402 von 1089 (= VU.I), in geringerem Maße und ausschließlich in der Dispositio das ältere D.386 von 1086 (= VU.II); die durch Petitsatz gekennzeichneten Teile der Publikatio müssen allerdings nicht unbedingt aus VU.II übernommen (s. Anm. c), sondern können auch frei stilisiert sein, vgl. weiter unten.

Zum Text der Vorurkunden vgl. Spaltdruck bei Niermeyer a.a.O.). Bei den auf den Aussteller bezüglichen Angaben unterließ der Diktator die erforderlichen Änderungen, was vor allem für die beibehaltene Ordinalzahl in der Signumzeile gilt (s. Anm. t). Auf sklavische Abhängigkeit von VU.I ist umgekehrt die Weglassung der Ordinalzahl der aus diesem Grunde einschließlich der Invokatio in Petitsatz gebotenen Intitulatio zurückzuführen (s. Anm. b), was seine Parallele in der Auslassung des Namens des Erzkanzlers in der Rekognitionszeile (s. Anm. v) hat. – Auch die selbständig formulierten Partien zeugen vom Unvermögen des Diktators, der zwar in der zu Beginn der Dispositio wiederholten Intitulatio die Ordinalzahl ändert, dabei jedoch das zum Kaisertitel nicht passende quintus bietet. Am deutlichsten zeigt sich sein Ungeschick darin, daß er den Aussteller-Plural der Vorurkunden durchwegs durch den Singular ersetzt. Sicherlich ist es auch nur seiner Unachtsamkeit anzulasten, daß die in den Vorurkunden enthaltene Benennung der Grafschaft wegfiel (s. Anm. k).

Die fehlende Datierung schließlich könnte den Verdacht erwecken, es sei bei einem unvollzogenen Empfängerentwurf geblieben; doch gibt es zunächst in der Reihe der bis hin zum seinerseits stark beschädigten Original des DF.I.496 von 1165 ausschließlich kopial überlieferten Diplome des Bistums Utrecht (nur von dem Original des DKo.II.43 von 1025 gibt es ein schmales Fragment des rechten Randes) einige weitere Beispiele für vom Kopisten weggelassene Datierungen (DH.III.196 und DDH.IV.14–17; vgl. Niermeyer a.a.O. 18 Anm. 1). Insbesondere aber muß der Kanzlei Konrads III., als dieser dem Bistum Utrecht mit seinem D.3 von 1138 (= NU.) die Grafschaft restituierte, die entweder schon 1126 oder erst 1133 Lothar III. widerrechtlich eingezogen und seinem Neffen Dietrich VI. von Holland verliehen hatte (vgl. B.-Petke Reg. 123 u. 381), ein, wie der Text des D.3 klar zum Ausdruck bringt (vgl. Anm. l), vollzogenes, demnach besiegeltes und wohl auch eine Datierung aufweisendes Original von D.260 vorgelegen haben.

In der neueren Literatur erfuhr dieser formal so mangelhafte Text ungemein widersprüchliche Bewertungen: Oppermann, Untersuchungen 2,165, der ihn zu 1123–1125 datiert, weist das Diktat, wofür er als “Diktatprobe” lediglich die – aus VU.I übernommene – Korroboratio anführt, ohne weiteres und fälschlich dem Kanzleinotar Heinrich (Bruno-Philippus B) zu. – Niermeyer a.a.O. 18ff., der ohne Nennung Oppermanns dessen Zuweisung an den Kanzleischreiber verwirft, hält D.260 für eine unmittelbar vor dem DKo.III.3 und im Hinblick auf dieses hergestellte Fälschung, für die wahrscheinlich ein in den Jahren 1129–33 tätiger bischöflicher Notar, dem auch das DH.IV.†129 zugewiesen werden könne, verantwortlich sei (zu einem Identifizierungsvorschlag vgl. a.a.O. 25). Obwohl der von Niermeyer geäußerte Fälschungsverdacht gegen D.260 auf seiner irrigen Gleichsetzung des hiesigen comitatus Fresię mit dem comitatus Frisie von D.†29 beruht, hat die Literatur, die diese These verwarf, dennoch den Fälschungsverdacht gegen unser D. aufgegriffen (vgl. u.a. die Besprechung zu Niermeyer durch v. Gladiss in DA 2,293f.; Ehbrecht, Landesherrschaft 52; Schiffer, Grafen von Geldern 32 Anm. 68, 77f.; Hoffmann a.a.O. 446).

Das Stück ist inhaltlich unverdächtig, und auch die Diktathinweise, z.B. die bei Niermeyer a.a.O. 19 mitgeteilte Parallele zur hiesigen Publikatio aus einer Bischofsurkunde von 1131 (Muller-Bouman a.a.O. 304 no 331) mit gleichem Anschluß der Dispositio (Notum sit omnibus …, quod ego …; vgl. Anm. c) sind keineswegs ausreichend, die Abfassung von D.260 so spät anzusetzen und darauf den Fälschungsverdacht zu stützen; die Publikatio der Bischofsurkunde könnte ja ebensogut von dem Empfängerdiktat des D.260 abhängig sein. – Gänzlich unhaltbar ist wiederum die von Hausmann, Reichskanzlei 72 no 10, ohne Stellungnahme zu Oppermann und Niermeyer, vertretene Ansicht: Er datiert das von ihm für echt angesehene Stück auf 1122 X/XI (s. auch Vorbem. zu DKo.III.3; ähnlich Stüllein, Itinerar 96 mit Datierung in den September) und spricht Teile des Diktats, nämlich Protokoll, Zeugenankündigung und Eschatokoll, dem zuletzt im Jahre 1114 (s. DD.135 und †138) tätigen Notar Adalbert B zu. Nachdem aber Protokoll und Eschatokoll eindeutig aus VU.I entnommen sind, bliebe allein die Zeugeneinleitungsformel; deren Gebrauch ist jedoch keineswegs so typisch für das Diktat dieses Notars, wie Hausmann dies behauptet (von den a.a.O. 72 Anm. 6 angeführten vier Belegen ist D.103 zu streichen), und andererseits ist die Formulierung auch vom Utrechter Empfängerdiktator her zu erklären (vgl. Beispiele bei Niermeyer a.a.O. 19f., allerdings erst aus Urkunden der 30er Jahre des 12. Jh., vgl. dazu oben).

Auch der von Hausmann seinem Zeitansatz zugrundegelegte Befund, daß D.260 die Auslassung des (ab D.246 von 1122 Dezember 28 immer angegebenen) Erzkanzlernamens mit den von ihm nicht genannten, aber gemeinten (s. Stüllein a.a.O. 96) DD.†241 und 242 von 1122 September 23 und November 11 gemeinsam habe, ist unbrauchbar, da die Rekognitionszeile ja aus VU.I stammt, der auch die Schlußstellung des recognovi entspricht, während dies in den beiden angeführten Beispielen – so wie auch vorher und nachher immer – hinter cancellarius steht. – Übrigens fällt damit, daß das Diktat von D.260 dem Notar Adalbert B abzusprechen ist, eines der Argumente Hausmanns gegen die von Pivec in MÖIG 46,305 vermutete Identität dieses Notars mit dem Kaplan David, der 1120 April 4 zum Bischof von Bangor in Nordwales geweiht worden war, demnach in dem von Hausmann für D.260 angenommenen Jahr 1122 nicht mehr in der Kanzlei tätig gewesen sein könne.

Entscheidende inhaltliche Gründe gegen die Echtheit von D.260 sind nicht erkennbar. Überdies läßt es sich, trotz mangelnder Datumzeile, zeitlich recht genau eingrenzen: Den frühesten Zeitpunkt markiert die Nennung des Kanzlers Philipp, der sein Amt seit dem September 1122 innehatte (Hausmann a.a.O. 50), den spätesten die Tatsache der Begünstigung B. Godebalds von Utrecht und die gleichzeitige Nennung B. Dietrichs von Münster als erster Zeuge. Mit letzterem, einem entschiedenen Gegner Heinrichs, war es offenbar nach dem herbst 1121 zu einer Aussöhnung gekommen, so daß er in D.233 von 1122 März 29 am Hof belegt ist (s. Löffler, Westfäl. Bischöfe 37). Das gute Einvernehmen mit beiden Bischöfen fand sein Ende, als sie Heinrich zu Beginn seines wohl im Juli 1123 angetretenen und in erster Linie gegen Gertrud-Petronilla von Holland gerichteten Feldzugs in die westlichen “Niederlande” (ad fines occidentis) gegen Ende des Monats bei der Schulenburg im Bündnis mit Gertrud und ihrem Halbbruder, Hz. Lothar von Sachsen, als Gegner gegenüberstanden (vgl. Meyer von Knonau, Jahrb. 7,250ff.; Stüllein a.a.O. 99f.; s. auch B.-Petke Reg. 74).

Der auf nicht sicher auszumachenden Gründen beruhende Frontenwechsel ist offenbar sehr unvermittelt erfolgt, und unmittelbar vor diesen Zeitpunkt, in die Zeit der Vorbereitung des Feldzuges, dürften die übrigen Zeugen das D.260 verweisen: Wichtig ist in dieser Hinsicht insbesondere die Nennung des spätestens 1122 eingesetzten (s. Schwartz, Besetzung 141) B. Anselm von Vercelli, der nach Ausweis des D.259 von 1123 Juni 27 in Straßburg am Hofe weilte; seine einem Utrechter Fälscher unmögliche Erwähnung ist zudem wohl das stärkste Indiz für die Echtheit. Sodann sprechen die allesamt aus Niederlothringen stammenden Laienzeugen dafür, daß sie für den Kriegszug und möglicherweise kurz nach dessen Beginn zum Gefolge des Kaisers gestoßen waren; drei von ihnen, Graf Gerhard I. von (Wassenberg-)Geldern (zu ihm s. Schiffer a.a.O. 13ff.), sowie Arnulfus de Rotha und Stephanus Oyensis, begegnen denn auch in dem nach dem Kampf um die Schulenburg ausgestellten D.261 von 1123 August 2, in dessen Nähe Meyer von Knonau a.a.O. 252 Anm. 35 mit sicherem Gespür (in Anlehnung an Stumpfs Datierung?) auch D.260 rücken möchte, was wegen der Nennung B. Dietrichs von Münster aber unmöglich ist.

Neben Stephan von Oizy hatte auch der Zeuge Hermann Piscis (in einer Urkunde B. Burchards von Utrecht von 1108, Muller-Bouman a.a.O. 257 no 280, dort auch Arnoldus de Rothe genannt, lautet sein Beiname Uisc) schon auf Heinrichs 2. Italienzug zu seinem Gefolge gezählt, vgl. Vorbemerkung zu D.223. Wir glauben daher das Diplom entweder zum Straßburger Aufenthalt Ende Juni oder in den Beginn des Feldzugs Anfang Juli datieren zu dürfen. – Zur Rolle B. Konrads von Utrecht als Erzieher (nutricius) Heinrichs V., vermutlich seit ca. 1087, die durch keine weitere zeitgenössische Quelle belegt ist und über die ein Utrechter Fälscher der 30er Jahre kaum noch informiert sein konnte, vgl. Ahlfeld in Ann. Niederrhein 157,197ff.

In nomine sanctę et individuę trinitatis. Heinricus divina favente clementia Romanorum imperator augustus. Notum sit omnibus Christi fidelibus, tam futuris quam presentibus, quod ego Heinricus quintus Romanorum imperator augustus donum, quod pater meus tum pro remedio animę suę tum pro amore et servicio felicis memorię Cǒnradi episcopi Traiectensis, nutricii mei, dederat sancto Martino in Traiecto de comitatu Fresię, renovavi, renovando confirmavi et iterum dedi fideli meo Godebaldo, supradictę ęcclesię episcopo, ut amplius libere et sine omni contradictione possideant tam ipse quam successores eius, ea videlicet ratione, ut nullus successorum nostrorum regum vel imperatorum nec nostra ipsissima persona, etiam si velimus, nullo modo Traiectensi ęcclesię umquam auferre possimus. Cuius rei testem hanc cartam conscribi iussimus, quam, ut infra videtur, manu propria corroboratam nostrique sigilli impressione insignitam omnium seculorum noticię reliquimus. Testes, qui viderunt et audierunt, hi sunt: Theodricus episcopus Monasteriensis, episcopus Uercellensis, comes Gerardus, filius eius Gerardus, Godefridus de Malsne, Heremannus frater eius, Stephanus de Oie, Heremannus Piscis, Arnoldus de Rothe, et alii quamplures testes idonei.

Signum domni Heinrici tercii Romanorum imperatoris augusti.

Philippus cancellarius vice archicancellarii recognovi.