Abschrift des 17. Jh. nach dem Original in Ms. lat. 12.678 (Monasticon
Benedictinum tom. 21) f. 370r der Nationalbibliothek zu Paris (B). –
Abschrift des 18. Jh. im Départementalarchiv zu Besançon G H 1 (C). –
Abschriften Grappins († 1833) in Ms. Droz 41 f. 117r–118r der
Stadtbibliothek zu Besançon (D) und in Coll. Moreau Ms. 869 f.
337r–338v der Nationalbibliothek zu Paris (E). – Transsumpt durch
Herzog Philipp (d. Schönen) von 1500 März 11 in Abschrift des 17. Jh.
im Départementalarchiv zu Besançon G H 2 (F).
Drucke: Grandidier, Hist. eccl. d’Alsace 2,249 no
594 “ex autographo abbatiae Luxoviensis”, laut seiner Anm. a jedoch
in Wirklichkeit nach einer von Grappin vermittelten Abschrift (vgl.
bes. Anm. w’). – Aus B: Gallia Christiana 15,24 no
20 = Stoclet, Immunes ab omni teloneo 445f.
Reg.: Baumont, Étude hist. sur l’abbaye de Luxeuil 14. – Wentzcke, Strassburger Reg. 1,309 no
413. – Ruperti
in Jahrb. f. lothr. Gesch. 22,74. – Moyse
in Bibl. de l’École des Chartes 131,32 no
39. – Stumpf
Reg. 3192.
Verfasst und offenbar auch geschrieben (s. unten) von Notar Heinrich
(vgl. Hausmann, Reichskanzlei 74 no
22), unter teilweise sehr freier Verwendung zweier Diplome Ludwigs
des Frommen für das Kloster Stablo, beide von 814 Okt. 1, die er
seinem Formularbehelf einverleibt hatte: Das erste (2BM Reg. 545; Halkin-Roland, Recueil des chartes de Stavelot-Malmedy 1,63 no
25), das auch Aufnahme in den Codex Udalrici fand (CU.; Eccard
no
44; vgl. Hausmann
in MIÖG 58,73 Formel 4) (= VL.I), benützte er hauptsächlich für die
Arenga. Aus dem zweiten (2BM Reg. 546; Halkin-Roland
a.a.O. 68 no
26 = VL.II), dem übrigens eine Arenga fehlt, übernahm er eine Reihe
von Versatzstücken für die Dispositio; da der Notar sich beim Einbau
dieser Versatzstücke oft nicht an die Abfolge in VL.II hielt, sie
häufig umformulierte (u.a. durch Austausch von Verb und Nomen; vgl.
z.B.
mercati fuerint gegenüber
in mercatis) und gelegentlich in ganz anderen Sachzusammenhängen verwendete (s.
z.B. Anm. o’), außerdem angesichts einiger schon in der Vorlage
gebotener Doppelungen die genaue Herkunftsstelle eines Wortes oder
einer Phrase unklar bleiben kann, was alles sich in den Anmerkungen
kaum wiedergeben ließe, bieten wir hier einen Auszug aus VL.II im
Wortlaut, wobei alle Parallelen mit D.259, auch wenn ein in VL.II
mehrfach verwendeter Begriff in unserem D. nur einmal aufgegriffen
ist, durch Petitsatz gekennzeichnet werden:
… notum sit, quia vir venerabilis
Wirundus abba
et omnis congregatio … petierunt serenitatem nostram, ut eis concessissemus theloneum
de eorum navibus, que per Renum et per Mosam flumina propter eorum
subplendas necessitates discurrunt, necnon et de carris et saginariis necessaria eorum deferentibus.
Quorum peticionibus nobis ob amorem dei
… annuere et hoc preceptum
magnificentia nostra firmitatis gratia circa ipsos fieri
libuit, per quod iubemus atque precipimus, ut
nemo fidelium nostrorum
nec quilibet exactor iudiciarie potestatis de carris vel saginariis ipsius congregationis de quolibet
commertio, undecumque
videlicet fiscus theloneum exigere potest, ut nullo loco theloneum accipere
vel exigere presumat. Naves vero, que dicta flumina ob utilitatem et necessitatem ipsius congregationis discurrunt, ad quascumque
civitates aut portus vel
cetera loca
accessum habuerint, nullus
ex eis aut hominibus, qui eas prevident, nullum theloneum
aut ripaticum aut postaticum
[vgl. Anm. t’] aut pontaticum
aut salutaticum aut cenaticum aut pastionem aut trauvaticum aut ullum
occursum vel ullum censum aut ullam redibitionem accipere
vel exigere
audeat, sed licitum sit eis absque alicuius
illicita contrarietate vel detentione … naves et homines, qui eas providere debent, cum his, que deferunt, per universum imperium nostrum libere
atque secure ire
et redire, et si aliquas moras in qualibet loca
fecerint aut aliquid mercati fuerint aut vendiderint, nichil ab eis prorsus, ut dictum est, exigatur.
Die im Ergebnis äußerst mangelhafte Ausbeutung von VL.II
bewerkstelligte der Notar in zwei Anläufen, wodurch es zu einer,
sicher nicht durch die Doppelungen in VL.II verursachten, Verdoppelung
der Dispositio kam: Nachdem er einer radikal verkürzten und letztlich
verunglückten Dispositio schon die Korroboratio angefügt hatte, muss
ihm die Unzulänglichkeit dieser Dispositio aufgefallen sein, wo
insbesondere die Nennung des Zolls als zentraler Gegenstand der
Privilegierung gefehlt hatte (s. Anm. e’); diesen Mangel suchte er sofort, in einem gewaltsam mit
ut … (s. Anm. l’) an die Korroboratio anknüpfenden Finalsatz zu heilen,
indem er unter fast wörtlicher Wiederholung des
fiscus-Passus der ersten Dispositio das dortige sinnlose
illud durch eine ausführliche, wiederum VL.II entnommene Konkretisierung
über
theloneum etc. ersetzte und diese zweite Dispositio um die in der ersten
fehlenden Bestimmungen über den freien Handelsverkehr abschloss, was
sicher auch Inhalt des demnach zunächst unvollständig wiedergegebenen
Beurkundungsbefehls gewesen sein wird. – Eine nachträgliche, d.h.
verfälschende Einfügung durch den Empfänger scheidet außer aus
Platzgründen von vornherein deswegen aus, weil der Text mit Hilfe der
nur dem Notar verfügbaren VL.II formuliert wurde; und da die
kompositorische Korrektur, die eigentlich eine Reskribierung des
Originals verlangt hätte, unmittelbar während der Niederschrift
erfolgte, steht auch fest, dass der Notar der Schreiber des Ganzen
war. Im übrigen ist selbstverständlich davon auszugehen, dass neben
den über den Formularbehelf zugänglichen Ludwig-Diplomen für Stablo
auch die ausdrücklich erwähnten älteren Diplome für Luxeuil selbst auf
den Text Einfluss nahmen, dessen Art und Umfang wegen deren Verlustes
aber ungeklärt bleiben muss. Es gibt dafür nur ein einziges Indiz: In
dem D. Philipps für Luxeuil von 1201 August 5 (B.-Ficker
Reg. 63; Gallia christiana 15,58 no
62; vgl. Zinsmaier, Urk. Philipps von Schwaben u. Ottos IV. 37), das vor allem die
Erneuerung eines verlorenen D. Ludwigs des Frommen für Luxeuil (s.
Anm. 2) sein will – in dem übrigens auf D.259 weder formal noch
inhaltlich (von Zoll ist dort überhaupt nicht die Rede) Bezug genommen
wird –, begegnen zwei offenbar aus dem Ludwig-Diplom geschöpfte
Stellen, denen D.259 teilweise, zumindest in Kleinigkeiten, näher
steht (durch Sperrung gekennzeichnet) als dem Stabloer Diplom VL.II
(vgl. obigen Auszug): Das eröffnende umfassende Introitus-Verbot
beginnt mit
praecipimus inprimis, ut nullus iudex
saecularis [D.259:
publicus] vel quilibet ex iudiciaria potestate in ecclesias … ingredi
audeat; in dem anschließenden Verzicht auf Fiskalabgaben zugunsten des
Klosters heißt es:
ad instar ipsius Ludovici imperatoris, quidquid fiscus imperialis
exinde exigere poterat
… concedimus.
Aus zwei Abschnitten des D.259, darunter die ganze zweite Dispositio,
wurde der Schluss des wohl Ende des 12. Jh. gefälschten DKar.†300 (=
NU.) zusammengestückelt (s. Anm. i und l’). – Den Text des D.259 –
nicht nur der Arenga (s. unten) – muss der Notar übrigens gleichfalls
seinem Formularbehelf einverleibt haben, wie die von den Herausgebern
übersehene Benützung in einigen Diplomen der frühen Stauferzeit
beweist: Der Notar selbst benützte die Arenga in dem von ihm als
Kanzler Konrads III. während dessen Gegenkönigtums weitgehend
verfassten DK.III.1 von 1129 Juli 14 (s. Anm. c); geringfügige
Benützung begegnet sodann in dem DF.I.4 von 1152 (s. Anm. e), etwas
ausführlichere schließlich auch in zwei von dem Notar Arnaldus
verfassten Diplomen der Kaiserin Beatrix, dem DBt.4 von 1183 Jan. 1
(im Druck mit der falschen Monatsangabe Juni) sowie in dem DBt.7 von
1183 Okt. 2, das außer auf das DBt.4 nochmals unmittelbar auf D.259
zurückgriff (s. Anm. b), aus dem Arnaldus auch den Anfang der
Dispositio übernahm (s. Anm. i); nicht auszuschließen ist auch, dass
D.259 das Vorbild dafür abgab, dass in dem umfangreichen DBt.7 die
Korroboratio weit vorne (S. 500 Z. 17) in Verbindung mit der Petitio
geboten wird.
Die von Stumpf
a.a.O. aufgrund seiner fälschlichen Angabe des Titels mit “Rom. rex”
geäußerten Zweifel an der Echtheit des D.259 wurden von ihm selbst in
den Zusätzen und Berichtigungen (a.a.O. 540) unter Berufung auf die
Intitulatio in Gallia Christiana zurückgenommen. – Meyer von Knonau, Jahrb. 7,245 Anm. 23 bezweifelt im Hinblick auf die Nachricht der
Paderborner Annalen (a.a.O. und 250 Anm. 32), dass Heinrich
circa pentecosten (3. Juni) zum Feldzug gegen die Friesen (ad fines occidentis) aufgebrochen sei, die Richtigkeit der von D.259 gebotenen
Kombination von Datum und Ausstellort; dagegen wendet Stüllein, Itinerar 99 mit Anm. 10 zu Recht ein, dass der Beginn des Feldzugs
vermutlich zwar für den Pfingsttermin angesagt war, aber aus
irgendwelchen Gründen verschoben wurde; vgl. dazu auch Brühl, Palatium und Civitas 2,154 mit Anm. 49, der offen lässt, ob Heinrich
evtl. das Pfingstfest in Straßburg gefeiert hatte, wofür es nun
allerdings keinerlei Anhaltspunkte gibt, die Dauer eines dann fast für
den ganzen Monat Juni vorauszusetzenden Aufenthalts in Straßburg
vielmehr gegen diese Annahme spricht. Für die Richtigkeit der
Datierung von D.259 sprechen im übrigen zwei Gründe: Straßburg als
Handlungsort hat die Nennung der drei elsässischen Grafen für sich,
die auch bei den beiden Straßburger Stücken DD.247/248 von Ende Januar
anwesend waren; andererseits ergibt sich aus der Nennung des in der
handschriftlichen Überlieferung verderbten (s. Anm. e”)
A. Feredlensis episcopus eine enge zeitliche Nähe zum Friesenzug, da in dem fast gleichzeitigen
D.260 ein
episcopus Uercellensis genannt ist, bei dem es sich um den seit spätestens 1122 amtierenden
(vgl. Schwartz, Besetzung 141) B. Anselm von Vercelli handelt; aus dem
Feredlensis ergibt sich ohne paläographische Schwierigkeiten (ed statt
cel durch Verwechslung von
e mit
c und von
d mit
cl/el) unsere Emendation zu
Fercellensis, eine Schreibung statt
Vercellensis, wie sie z.B. auch in DKo.III.55 begegnet (vgl. Vorbemerkung zu
D.*256). B. Anselm hatte demnach von Straßburg aus den Hof während des Feldzuges begleitet. Grandidiers Lesung
Verdensis muss als willkürliche Konjektur gewertet werden, weil er vermutlich
mit der handschriftlichen Form nichts anzufangen wusste; sie scheitert
schon an der Namens-Sigle
A., weil damals in Verden der von Heinrich nicht akzeptierte (s. D.196;
vgl. B.-Petke
Reg.53) und daher nie am Hofe genannte B. Thietmar II. (1116–1148)
und in Verdun, an das Grandidier
womöglich auch dachte, obwohl für dies die Schreibung
Verdunensis/Vird- lauten müsste, B. Heinrich (1117–1129) amtierten. – Der von Heinrich
als
consanguineus bezeichnete Abt Hugo regierte 1123–1136 (vgl. Baumont
a.a.O. 83).