Abschriften des 14. Jh. im Register des Grafen Wilhelm III. von
Holland für Friesland, EL 10 f. 16v no
XLVIII u. XLIX (= 14. Jh.) bzw. no
51 u. 52 (= 18.Jh.) (B) und daraus in EL 12 f. 14v (C) im Allgemeinen
Reichsarchiv zu s’Gravenhage (Den Haag).
Drucke aus BC: Schwartzenberg, Charterb. van Vriesland 1,71f. zu 1118 (s) = Beucker-Andreae, Disquisitio de origine iuris municipalis Frisici 364ff., 368, 379f.
mit Anm. 4 u. 388 Auszüge (mit Kollationsvermerken des van Wyn in
dessen Schwartzenberg-Handexemplar, vgl. a.a.O. 364) zu 1118 (b) = Waitz, Urk. z. dt. Verf.-Gesch. 125 no
9; 244 no
17 zu 1108 (Jan.) (w) = v. Richthofen, Unters. über fries. Rechtsgesch. 1,158f. (leicht gekürzt) u.
2.1,118f. (Auszug) zu 1118 (r) = Heck
in NA 17,577 Auszug (zu 1123) = Jaekel, Grafen von Mittelfriesdland 120ff. Auszug (zu 1108) (j). – Oppermann, Untersuchungen 1,246 Beil. zu 1108 (Jan.) (o) und 2,165f. Auszug. – ter Kuile
in Verslagen en mededeelingen 57,4 no
56 zu (1123 Mai) (tK) – van de Kieft
in Elenchus font. hist. urb. 1,431 no
20 zu 1123 (vK).
Reg.: Ernst, Hist. du Limbourg 2,248f. Anm. 3 zu 1118. – Dobenecker, Reg. Thur. 1,220 no
1035 u. 1036 zu [1108 Jan.]. – Knipping, Kölner Reg. 2,8 no
53 zu [1108 Jan.]. -ter Kuile, OB van Overijssel 1,46 no
46 zu [1123 Mai]. – Jakobs
in Beitr. z. hochmal. Städtewesen 46 zu 1108. – Stumpf
Reg. 3214 zu (1106–1109) und Reg. 3026a zu (1108 Jan. Mainz).
Die äußerst fehlerhaften Abschriften erlauben keine Herstellung eines
in allen Punkten zuverlässigen Textes (vgl. bes. Anm. k, r’ und t’),
weshalb wir alle Emendationsversuche der bisherigen Drucke, sowohl die
mit unseren übereinstimmenden als auch die davon abweichenden,
verzeichnet haben.
Falsch ist insbesondere die Jahreszahl
MCXVIII, da aufgrund der politischen Situation eine Anwesenheit EB.
Friedrichs von Köln am Hofe im Jahre 1118 ausscheidet. – Über die
richtige Datierung gehen die bisherigen Ansichten weit auseinander: Ficker
(in Stumpf
Reg. 3026a) wollte durch Eliminierung von
X die Zahl zu 1108 korrigieren und D. †258 in die Nähe des in Mainz
ausgestellten D.32/Reg. 3026 von 1108 Jan. 28 rücken, das den
Erzbischof als Intervenienten nennt; Waitz
übernahm diese Datierung, ebenso Mayer von Knonau, Jahrb. 6,75 mit Anm. 3. – Erstmals vertrat dann Heck
in NA 17,581f. eine mit geringerem Eingriff in die handschriftliche
Lesung mögliche Korrektur zu
MCXXIII (s. Anm. l”), mit dem Hinweis darauf, dass der Feldzug des Sommers
1123 gegen Friesland Anlass dazu gab, “sich mit friesischen Dingen zu
beschäftigen”, und auf den vorangehenden Aufenthalt des Hofes am
Mittelrhein (vgl. DD.250ff., bes. D.253 von März 12/Speyer und D.257
vom Mai 8/Neuhausen, die beide EB. Friedrich als anwesend erwähnen).
Die Lokalisierung des D. †258 nach Mainz, die nach Heck
a.a.O. 582 gegen die Annahme einer Fälschung spräche, findet zudem
ihre Stütze in einer zeitgenössischen Nachricht bei Cosmas von Prag (†
1125) über einen Mainzer Aufenthalt des Hofes (vgl. MGH SS 9,126;
SSrer.Germ. N.S. 2 [ed Bretholz],224), der nach Stüllein, Itinerar 98 mit Anm. 7 wohl in den Mai 1123 zu datieren ist (Meyer von Knonau
a.a.O. 7,245 Anm. 23 spricht allgemein von “um die Mitte des Jahres”,
wogegen Bretholz
a.a.O. Anm. 6 für März-April eintritt).
Jaekel, der (a.a.O. 116ff.) dem D. †258 die bisher eingehendste Untersuchung
widmete, lehnt hingegen das Jahr 1123 gerade wegen Heinrichs
Friesenfeldzug als unpassend ab (a.a.O. 119f.) und plädiert für die
Entstehung (der echten Vorlage) des Diploms, das die Rechte der
Stavorener gegenüber dem Grafen von Mittelfriesland sichern sollte, zu
einem Zeitpunkt, als ein “landfremder”, einer solchen “Instruktion” bedürftiger Graf die Grafschaft erhielt, was er (a.a.O. 124ff.) mit
der Verleihung der seit dem Tode Heinrichs d. Fetten († 1101; vgl.
dazu D.1) in königlicher Hand befindlichen (vgl. a.a.O. 125 u. 134)
Grafschaft mit D. †29 von 1107 Dez. 28 an Heinrich von Zutphen gegeben
sieht, der demnach frühestens im Januar 1108 (in Stavoren; vgl. a.a.O.
135) sein Amt angetreten haben könne, weswegen er das Diplom mit Waitz
in die letzten Januartage des Jahres 1108 setzt.
Letztlich keine Klarheit in der Datierungsfrage bringt auch die letzte
ausführlichere, aber nicht erschöpfende Behandlung des D. †258 durch Oppermann
(Untersuchungen 1,212ff. und 2,167ff.), der zunächst (a.a.O. 1,212f.)
noch von der Datierung auf 1108 (nach Waitz
sowie Jaekel
mit Übernahme seines Hinweises auf D. †29) ausgegangen war, sich
jedoch ein Jahr später (a.a.O. 2,168 mit Anm. 1), außer der Berufung
auf D.257 ohne weitere Begründung, der Datierung Hecks auf 1123 anschloss (a.a.O. 2,165f. bietet er Auszüge aus D. †258
ohne Datumsangabe).
Der handschriftliche Befund erlaubt in der Tat wohl nur eine Korrektur
der Jahreszahl zu 1123 – allerdings nicht für den Text unseres D. in
seiner vorliegenden Gestalt, die schon Ernst
als Fälschung verdächtigt hatte.
Oppermann
(a.a.O. 1,222f., modifiziert in 2,168ff.) macht nun wahrscheinlich,
dass diese Fälschung um 1290 entstand, evtl. gleichzeitig mit oder im
Anschluss an eine Urkunde von 1290 Juni 30 (Matthaeus, Vet. aevi analecta 23,472), die Anklänge an D. †258 aufweist (vgl. Anm. 1 und 2) und die
abschließt mit dem Satz (Zitat bei Oppermann
a.a.O. 1,223 und 2,168f.):
Super omnia autem volumus, ut iura seu libertates a gloriosissimis
imperatoribus, videlicet domino Heinrico et eius patre imperatoribus
augustis, civibus Stauriae indultae et conscriptae seu constitutiones
ab eisdem civibus inveniendae ratae maneant et inconvulsae. – In seiner jetzigen Gestalt hätte D. †258 einer Urkunde des Grafen
Florens V. für Stavoren von 1293 April 1 (Mieris, Charterb. van Holland 1,544) vorgelegen gehabt; die Datierung der
Fälschung auf 1290–1293 übernahm ter Kuile
in der Vorbemerkung zu seinem Druck und in seinem Regest.
Zweifellos erst zusammen mit der Fälschung des Heinricianum in der
überlieferten Gestalt ist deren Schluss-Erweiterung um die, in dieser
Form als Erfindung des Fälschers zu wertende Urkunde EB. Friedrichs
entstanden, wobei auch nicht einmal mit Sicherheit gesagt werden kann,
ob schon in der Korroboratio des echten Heinrich-Diploms wie im
jetzigen Text auf dessen
bannus Bezug genommen war (dieser Auffassung ist offenbar Studtmann
in AfU 12,319). Schon Waitz
(a.a.O. 46) hatte auch für möglich gehalten. dass die (in B mit
eigener Zählung versehene) EB.-Urkunde mit dem Diplom “nur Eine
Urkunde” gebildet hatte (ebenso Dobenecker
und Knipping), was sich denn auch zwingend aus der Formulierung sowohl im Schluss
des Heinrich-Textes als auch der EB.-Urkunde ergibt, die beide
hanc cartam zugleich vom Kaiser und dem Erzbischof besiegelt sein lassen. – Dass
EB. Friedrich im echten Diplom von 1123 in irgendeiner Weise erwähnt
war, wird man mit Oppermann
(a.a.O. 1,223) mit Sicherheit annehmen können, der auch eine wohl
zutreffende Erklärung dafür bietet, warum man um 1290 den Kölner EB.
statt des eigentlich zuständigen Bischofs von Utrecht “urkunden” ließ.
Dem um 1290 verfälschten Diplom des Jahres 1123 muss überdies noch ein
verlorenes älteres D. Heinrichs V. vorangegangen sein, das D.*329, das
die im vorliegenden Text verschwiegenen, nur durch das
scripsimus eis insuper als verbrieft konstatierten (man beachte demgegenüber das Präsens für
die dispositiven Verben
consignamus et confirmamus und
consignari facimus) konkreten Inhalte enthalten hatte.
Jaekel
a.a.O. 123ff. erschloss aus D. †258 die frühere Existenz von
insgesamt fünf in ihm vorausgesetzten älteren Dokumenten: Neben einem
D. Karls d. Großen (über “Rechte des Landes”, s. auch a.a.O. 122 sowie
Anm. k), einer Urkunde des Grafen Ekbert II. von Braunschweig (Markgr.
von Meißen, † 1090) und einem D. Heinrichs IV. (vgl. DH.IV.*523)
rechnet er sogar mit zwei
Deperdita Heinrichs V. (vgl. schon Heck
a.a.O. 580), einem, mit dem er die Verleihungen Heinrichs IV.
bekräftigte (Hec omnia scripta superius …, vgl. Anm. r’; ob der dort folgende Singular
[pater] meus) auf die Vorlage zurückgeht oder einen Kopistenfehler darstellt,
lässt sich nicht entscheiden), und einem zweiten (Scripsimus eis insuper …) über den Rheinzoll und den
comitatus, das die in D. †258 fehlenden Angaben über die Höhe der dafür zu
leistenden Zahlungen enthalten hätte; man wird aber als
wahrscheinlicher annehmen dürfen, dass ein einziges Diplom Bestätigung
und Neuverleihungen zusammen beurkundet hatte.
Wann die Ekbert-Urkunde anzusetzen ist, ob nach dem D. Heinrichs IV.,
wie der Text des D. †258 nahelegen könnte, oder davor, bleibt
unsicher. Die friesische Grafschaft war Ekbert durch Heinrich IV.
dreimal aberkannt und jedesmal der bischöflichen Kirche zu Utrecht
verliehen worden, erstmals mit DH.IV.301 von 1077 Okt. 30 (comitatum quendam de Stauero; zu dieser Bezeichnung für die Grafschaft Mittelfriesland vgl. Jaekel
a.a.O. 135; nach Anm. d zu D.301 war in einer Überlieferung des 14.
Jh. über dortigem
Ekbertum quondam marchionem übergeschrieben:
in Stauero), sodann mit D.386 von 1086 Febr. 7 (quendam comitatum Fresię Ostrogowe et Westrogowe; mit D.388 von 1086 April 3 erhielt Utrecht aus der Konfiskationsmasse noch
comitatum quendam nomine Islegowe) und schließlich mit D.402 con 1089 Febr. 1 (comitatum quendam in Fresia, qui vokatur Westrogowe et Ostrogowe). Jaekel
a.a.O. 123 erklärt die auf Ekberts Nennung folgenden Bestimmungen Z.
■ff. als Inhalt seiner Urkunde, was so nicht erweislich erscheint.
Eine Datierung des verlorenen, durch D. †258 erneuerten älteren
Diploms Heinrichs V. ist nicht möglich. Wenn Jaekel
a.a.O. 129 dafür (zumindest für die Urkunde über den
comitatus) die Jahre 1106 oder 1107 annimmt, ist dies lediglich eine Konsequenz
seiner Datierung des D. †258 auf 1108; auf Jaekels alternative Jahresangabe ist wohl zurückzuführen, wenn Visser
in Lex d. MA 8,81 kaiserliche Privilegien von “1108 und 1123”
verzeichnet.
Den Rückschluss auf Datierung in die Königszeit würde erlauben, wenn
man annimmt, dass die kanzleiwidrig formulierte Intitulatio mit dem zu
1123 nicht passenden und zum Kaisertitel in der “Friedrich-Urk.” in
Widerspruch stehenden Königstitel eine bloße Übernahme aus dem älteren
Diplom darstellt (zu anderer Erklärung der Verwendung der Begriffe
rex und
imperator vgl. Heck
a.a.O. 580, Jaekfl
a.a.O. 119 u. 127 und Oppermann
a.a.O. 2,168f.); dies würde zugleich bedeuten, dass es sich bei dem
älteren Diplom ebenso um eine Empfängerausfertigung gehandelt hatte
wie bei der ursprünglichen Fassung des D. †258, das Oppermann
a.a.O. 2,164ff. u. 169 fälschlich dem Kanzleinotar Heinrich zuweisen
wollte, das jedoch keinerlei Kanzleidiktat erkennen lässt.
Inwieweit das Original des D. †258 bei der Verfälschung von ca. 1290
Eingriffe erfuhr, lassen wir namentlich wegen der
rechtsgeschichtlichen Implilationen, auf die wir nicht eingehen
können, offen. Sicher zur Verfälschhung zu rechnen ist jedenfalls eine
Textstelle (s. Anm. 3), die ebenso nur in einer Urkunde des B. Andreas
von Utrecht von 1132 Mai 29 (Muller-Bouman, OB sticht Utrecht 1,311 no
340) in der verfälschten Gestalt, die diese um 1290 zusammen mit D,
†258 und weiteren Fälschungen erfuhr begegnet (vgl. dazu Oppermann
a,a,O. 1,212ff, bes. 214ff. u. 222ff. und 2,167ff.).
Zur Lokalisierung der
Naghela, eines verschwundenen Gewässers, das den Wasserweg zur @sel und über
diese zum Rhein ermöglichte, vgl. Jaekel
a.a.O. 128ff.
Bei dem in allen Drucken falsch wiedergegebenen
vodthing (s. Anm. s) ist zu fragen, ob es über seine Bedeutung als Übersetzung
des vorangehenden
generale placitum hinaus etwas mit der speziellen Bedeutung des von Oppermann
a.a.O. 1,224ff ausführlich Behandelten “Bo@g” (vgl. @ Beucker-Andreae
a.a.O. 381ff.) zu tun hat.